Interviews mit GenfeldbesetzerInnen

feldbesetzung in braunschweig 26.04.2009 19:36 Themen: Biopolitik Globalisierung Ökologie
Die Feldbesetzung in Braunschweig steht immer noch - siehe die Fotos vom Sonntag mit Kaffee&Kuchen, Trommenln und Musik sowie einem Blick zum Kontakt-Infostand am Zaun, wo Wache und Polizei mal wieder drüber diskutieren, ob oder wie das Hinzukommen von Menschen verhindert werden kann. Sie haben es nicht verhindert - und so bleibt der Aufruf von BesetzerInnen, sich an der Aktion zu beteiligen: Mit Aktionen, mit Aktionen vor dem Zaun oder auch auf dem Feld. Denn dort wünschen sich einige BesetzerInnen, dass neue Menschen für ein paar Tage kommen, damit sie mal Pause machen können - oder zu anderen Sachen weiterreisen. Also: Macht Euch auf. Hier sind inzwischen viele Gespräche und Kommunikation entstanden. Im Folgenden Interviews mit zwei der BesetzerInnen über ihre Motive.
Hinweis: Über den zweiten Versuch auf der Fläche wird Dienstag entschieden. Gewinnt Monsanto vor Gericht gegen die Monsanto-Fans vom BVL, dann gibt es neben dem jetzt besetzten Feld noch einen Versuch (mit MON810). Es lohnt sich also noch mehr!


Im Interview: Alexandra Fritsch, Biolandwirtin

Du als Biolandwirtin engagierst dich gegen Gentechnik, warum?

Für mich gibt es viele Gründe, mich gegen Gentechnik auszusprechen -sozial, wirtschaftlich, ökologisch und auch emotional. Dass ich Biogemüse anbaue, ist nur ein Grund von vielen und auch bevor ich selbst Gärtnerin geworden bin, war ich schon gegen den Einsatz und die Erforschung dieser Technik.
Wütend macht mich die Pseudo-Moral der Gentechnikbefürworter_innen, nur mit ihrer Technik ließe sich die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung sichern. Es gibt genügend Lebensmittel, auch für noch mehr Menschen, sie sind nur falsch zwischen Nord und Süd verteilt. Außerdem werden Flächen, auf denen Nahrungsmittel für Menschen angebaut werden könnten, benutzt um unseren Energiebedarf zu decken und Futter für all unser Billigfleisch zu produzieren. Für mich geht es nicht darum, die Landwirtschaft unseren in meinen Augen falschen Bedürfnissen anzupassen, sondern menschliche Bedürfnisse an den gegebenen Bedingungen auszurichten. Momentan liegt die Produktivität von Gensojapflanzen übrigens noch immer unter dem Ertrag konventionell
angebauten Sojas. Soviel zur Bekämpfung des Welthungers.

Die Gentechnikindustrie führt neben dem Welthunger und dem Klimawandel als Argument auch an, die Qualität der Pflanzen würde verbessert, was ist davon zu halten?
Der Klimawandel ist für mich kein Problem mangelnder Anpassung der Natur an die Klimaverhältnisse. Der Klimawandel wird sich nicht dadurch aufhalten lassen, dass noch mehr Riesenmaschinen mit Unkraut-und Insektenvernichtungsmitteln über Felder mit dagegen resistente Energieflanzen fahren. Sinnvoller wäre es, die Landwirtschaft zu deindustrialisieren und zu einer kleinbäuerlichen Wirtschaftsweise zurückzukehren, was allerdings mit einem tiefgreifenden Gesellschaftswandel einhergehen müsste.
Es wird tatsächlich mit der Entwicklung von qualitativ hochwertigen Produkten geworben. Pflanzen werden angeblich krankheitsresistent sein. Bis jetzt hat sich im Laufe der Züchtungsgeschichte noch jede Krankheit an bestimmte Resistenzen der Pflanzen ihr gegenüber angepasst, Insekten wurden ihrerseits resistent,
d.h. angepasst gegenüber bestimmten Insektiziden und Unkräuter zeigen sich auch nur kurzzeitig beeindruckt von der Anwendung von Unkrautvernichtungsmitteln. Die Natur ist nicht blöd. Ich bin nicht irgendwie spirituell angehaucht, aber ich halte die Gentechniker_innen ganz einfach für zu blöd, um derartige Eingriffe in die Evolutionsgeschichte überhaupt abschätzen zu können, weil wir nämlich nur äußerst kurzfristig denken. Ein Menschenleben und die Existenz einer Firma sind evolutionär betrachtet äußerst kurzfristig. Die Natur funktioniert aber viel komplexer und langfristiger, als wir es mit unseren Gehirnen und Forschungen nachvollziehen können.

Stefan Marcinowski, Vorstandsmitglied bei BASF, sagte kürzlich in einem ZEIT-Interview, es sei " verhängnisvoll, wenn wir in Zeiten des scheinbaren Überflusses die grüne Gentechnik diskreditieren. Die Geister, die wir da rufen, werden wir so schnell nicht wieder los." Ist es nicht vielmehr andersherum?
Ja -Dieses Goethe-Zitat lässt sich genauso gut gegen Gentechnik verwenden. Sind Pollen und Samen nämlich einmal von Insekten, Mäusen und Vögeln in alle Winde getragen, werden wir das Zeug ohne Panik machen zu wollen, nämlich auch nicht wieder los. Aber das ist ja von den Konzernen auch nicht vorgesehen.
Ein weiterer Punkt gegen Gentechnik sind die Patent-und Lizenzbestimmungen der Firmen, die Bauern von sich abhängig machen wollen. Denn alle Pflanzen, die die bestimmte Gensequenz in ihrem Erbgut tragen, gehören dann den jeweiligen Konzernen. Trägt eine Maus vom Nachbarsfeld Gen-Saatgut auf deinen Acker und dies wird entdeckt, sind Linzenzgebühren an die Firma fällig. Vor allem Bauern im globalen Süden werden so durch Heilsversprechen in wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse gebracht, denen sie erstens überhaupt nicht gewachsen sind und in deren Folge zweitens die Artenvielfalt der kleinbäuerlichen Landwirtschft verloren geht. Bisher hat übrigens bei keinem Gentechnikunternehmen die angeblich so innovative Forschung zu irgendeinem brauchbaren Ergebnis geführt. In Wirklichkeit geht es bei den meisten nach wie vor darum, den Absatz der eigenen Herbizidmarke zu sichern. Denn sowohl Monsanto als auch Bayer haben Mais bzw. Soja gentechnisch so verändert, dass sie gegen Unkrautvernichtungsmittel der eigenen Firma resistent sind. Die Unkräuter haben mittlerweile allerdings aufgeholt, das heißt es muss wieder ein noch effektiveres Mittel her. Und so wird es immer weitergehen...
Im selben Interview gibt Herr Marcinowski übrigens indirekt zu, wie groß das eigentliche wirtschaftliche Interesse der Konzerne ist, indem er bezogen auf die Situation in Deutschland sagt: "Während wir uns damit beschäftigt haben, mögliche Risiken zu erforschen, haben andere die Märkte erobert." Die Forschung an derartigen Pflanzen kann ich deshalb nicht gutheißen, auch wenn es sich um sogenannte Risiko-bzw. Sicherheitsforschung handelt, da es keine unabhängige Forschung gibt. Die "unabhängigen" Wissenschaftler bewegen sich in einem Geflecht aus Laboren, Agenturen, Firmen und pro-Gentechnik-Vereinen bis hinein in den Bundestag. Dazu gibt es ein höchst interessantes Gutachten von Lorch/Then, erstellt für eine Abgeordnete des Bundestages. Ich werde jetzt hier keine Namen anführen, aber diese Studie ist doch äußerst lesenswert und aufschlussreich.

Welche Bedeutung hat Gentechnik in deinem Beruf?

Ich möchte biologische Vielfalt, ich möchte Artenvielfalt sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren. Ich möchte, dass wir uns einen so großen Genpool als möglich auf natürliche Weise erhalten. Und ich möchte nicht, dass alle Pflanzen und alles Saatgut von irgendwelchen Firmen besessen und für teures Geld verkauft wird. Das nimmt den Menschen die Selbstbestimmung und ihre Ernährungssouveränität. Nahrung anbauen und essen darf dann nicht derjenige, der Pflanzen hat und Samen gewinnt, sondern derjenige der das Geld besitzt um sich die Lizenz für Anbau und Verkauf zu besorgen.

Ist eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Koexistenz mit Gentechnik denkbar?

Nein, denn auch hier machen die Gentechnikbefürworter die Rechnung ohne den Rest der Natur. Insekten, kleine Nager, Vögel -alle diese Tiere waren schon immer erfolgreich an der Verbreitung von Pflanzen und deren Erbgut beteiligt und haben so ihren Beitrag zur genetischen Vielfalt geleistet. Leider können diese Tiere GVO-Pflanzen nicht von anderen Pflanzen unterscheiden und halten sich auch selten an Grenzen wie Maschendrahtzäune und Pförtnerhäuschen. Es sind so viele Fälle bekannt, in denen GVO-Saatgut "versehentlich" irgendwohin gekommen ist, wo es nicht hätte sein dürfen, durch falsche Reinigung von Maschinen, durch Tiere etc. -dass eine Trennung von gentechnikfreier und GV-Landwirtschaft einfach unmöglich ist. Werden in Bio-Honig auch nur Spuren von GVO gefunden, dann ist es kein Biohonig mehr. Dasselbe mit Mais -ich kann keinen Mais also "bio" anbieten, wenn auch nur die kleinste GVO-"Verunreinigung" drin ist. Es können maximal Grenzwerte festgelegt werden, unter denen ein Produkt als gentechnifrei GILT, es aber in Wirklichkeit gar nicht IST. Fazit: Koexistenz geht also nicht.

Wie schätzt du die aktuelle politische Situation ein? Hat die Gentechnik in Deutschland noch reelle Chancen?

Die politische Situation in Deutschland empfinde ich als widersprüchlich. Widersprüche zwischen Länder-und Bundespolitik von z.T. ein-und denselben Politikern. Gabriel hat zwar dagegen gestimmt, dass Österreich und Ungarn ihr Anbauverbot aufheben müssen, allerdings mit dem Zusatz, es sei nicht Europas Aufgabe einen US-Gentech-Konzern zu unterstützen.

Was soll das denn heißen? Gentechnik ist ok, wenn sie aus Deutschland oder Europa kommt?

Absurd: Wenige Tage nach seinen monsantokritischen Aussagen besuchte Gabriel die KWS Saat AG und lobte deren Pflanzen-obwohl die KWS vor allem Joint Ventures mit Monsanto betreibt-die kritisierten Pflanzen sind also identisch mit den gelobten. Außerdem betreiben die Gentech-Unternehmen und die unabhängigen Wissenschaftler kräftig Lobbyarbeit, so dass ich mich auf die Politik lieber nicht verlasse. Ich finde wir müssen aktiv zeigen was wir wollen und was wir nicht wollen.

Warum hast du dich grade für die Aktionsform der Feldbesetzung entschieden?

Weil ich die Verhinderung der Aussaat für effektiver halte als die Zerstörung eines GVO-Feldes, auf dem das Saatgut schon im Boden ist, die Pflanzen blühen, der Pollen fliegt. Jedes nicht-freigesetzte Samenkörnchen ist eine GVO-Pflanze weniger. Was aber nicht heißen soll, dass ich es falsch finde, was die Feldbefreier tun. Aber vorbeugen kann nicht schaden.

Wie kann und wird euer Kampf weitergehen?

Es wäre schön, mit immer mehr Menschen ins Gespräch zu kommen, viele offene Ohren zu finden, durch die Fakten GEGEN Gentechnik, die es ja gibt, Empörung bei den Leuten auszulösen und sie dazu zu bringen, selbst zu zeigen, was sie davon halten.



Im Interview: Frederik Vath, Diplom-Biologe aus Hamburg

Du als Molekularbiologe engagierst dich gegen Gentechnik, warum?
Zuerst möchte ich einmal das Wort „Gentechnik“ entmythifizieren. Gentechnik im Labor anzuwenden, ist heutzutage schon beinahe trivial. Dieses Werkzeug könnte von fast jedem Menschen durchgeführt werden, dem das benötigte Material und eine kurze Einleitung zur Verfügung gestellt wird. Jedes molekularbiologische Forschungslabor weltweit hat inzwischen die Möglichkeit diese Technologie zu verwenden. Tagtäglich wird das auch tausendfach praktiziert. Das alles ist schon erschreckend einfach und bedarf nur wenigen Vorkenntnissen und Apparaturen.
Gentechnik dient dazu entweder Gene in Organismen gezielt zu verändern oder sog. transgene Organismen herzustellen, d.h. Organismen mit einem oder mehreren Genen, die natürlicherweise nicht in ihm vorkommen. Z.B. werden sehr häufig Bakterien so manipuliert, dass sie ein ganz bestimmtes Eiweiß, ob vom Menschen, vom Tier oder von der Pflanze, herstellen. Dazu bringt man das entsprechende Gen, welches für das gewünschte Eiweiß verantwortlich ist, in das Erbgut der Bakterien ein.
Gentechnik ist nur dann kontrollierbar, solange die veränderten Organismen nicht in die Umwelt gelangen und ausschließlich innerhalb der Laboratorien erzeugt, verwendet und anschließend vernichtet werden, was relativ einfach bewerkstelligt werden kann. Anders sieht es aus, wenn die veränderten Organismen gezielt in die Umwelt gebracht werden. Niemand kann eine hundertprozentige Garantie geben, dass fremde Gene nicht z.B. zwischen Pflanzen und Bakterien ausgetauscht und von dort aus auf eigentlich völlig unbeteiligte Organismen auch ohne natürliche Vermehrung weitergegeben werden.
Viele Gentechnikbefürworter_innen verklären ihre Methoden als "molekulare Pflanzenzüchtung". Dabei verkennen sie jedoch das Problem, dass Organismen durch gentechnische Methoden mit artfremden Genen ausgestattet werden. Die natürliche Selektion, die ein wesentlicher Faktor der konventionellen Pflanzenzüchtung ist, kann somit umgangen werden und das veränderte Gen Artgrenzen überschreiten. Ist gentechnisch verändertes Erbgut erst einmal freigesetzt worden, haben wir keine Chance mehr, es wieder einzufangen. Die Natur hat für so etwas kein "Immunsystem", das den fremden Eindringling erkennt und von selbst beseitigen kann.
Ich persönlich finde es höchst fahrlässig, ja sogar kriminell, gentechnisch veränderte Organismen in die Umwelt zu bringen und dort sich selbst zu überlassen. Das ist wie mit der Atomkraft: es kann dabei keine hunderprozentige Sicherheit geben. Da können noch so viele Studien zu Auskreuzungen gemacht werden. Es müssen ja nicht zwingend nur biologische Vorgänge sein. Auch menschliches Versagen kann zu ungewollter Verbreitung von gentechnisch verändertem Saatgut und somit zur Verbreitung von genmanipulierten Pflanzen führen. Und das ist auf den ersten Blick noch nicht einmal sichtbar. Gerade wenn die Gegenseite behauptet, dass das Risiko kalkulierbar sei, möchte ich auf die bereits aufgetretenen Verunreinigungen bei den herkömmlichen Nutzpflanzen hinweisen (z.B. beim Mais in Mexiko).
All denen, die ein Interesse an der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen haben, kann es nur darum gehen möglichst viel Geld zu verdienen und vielleicht noch darum ihre Profilneurosen auszuleben. Da spielen eindeutig Machtinteressen und Reichtum die Hauptrolle. Gesundheitliche, ökologische sowie soziale Folgen für die Menschen werden dabei komplett außer Acht gelassen. Eine Schande für die Forscher_innen, die jenseits der Interessen der Skrupellosen und Profitgierigen nach echten Lösungen für unsere Probleme suchen.

Die Gentechnikindustrie führt Welthunger, Energiekrise und Klimawandel als Gründe für die Gentechnik an, was ist davon zu halten?

Das wesentliche dabei ist doch, dass die oben erwähnten Probleme durch das globale Finanz-und Wirtschaftssystem sowie durch politische Interessen von Regierungen hausgemacht sind. Da stecken viele Faktoren dahinter wie z.B. Krieg oder Umweltzerstörung. Gegen diese gesellschaftlichen Probleme ist auch die Gentechnik machtlos. Außerdem würde ein Konzern niemals selbstlos handeln. Das schreiben ihm die Aktionär_innen vor. Es geht doch dabei immer um noch mehr Profit. Das ganze lässt sich natürlich prima unter dem Deckmantel von notleidenden Menschen verpacken, denen durch die „guten“ Produkte geholfen werden soll. Es führt aber nur in eine immer größer werdende Abhängigkeit der Menschen von der Industrie, die ihr patentiertes Saatgut teuer
verkaufen kann. Das ist bereits in der konventionellen Landwirtschaft ein Problem. Für mich sind es also nur vorgeschobene Gründe um richtig abkassieren zu können. Auch der Faktor Macht spielt dabei eine große Rolle. Die Vorstellung, dass eine handvoll Großkonzerne den Markt für die wichtigsten Lebensmittel für Milliarden von Menschen einmal mitbestimmen könnten, finde ich äußerst beängstigend. Das würde eine enorme Vormachtstellung bedeuten mit riesigen Einflussmöglichkeiten auf die Politik und die Gesellschaft. Wir können bereits heute abschätzen, dass diese Technologie alles andere als nachhaltig
ist. Die gentechnisch veränderten Pflanzen sind nicht sonderlich anpassungsfähig und damit stark abhängig von gleich bleibenden Bedingungen. Sonst können sie nicht wachsen. Anders sieht es da z.B. mit den herkömmlichen Sorten aus. In Mexiko werden über verschiedene 80 Sorten angebaut. Da ist für fast jede Bedingung eine optimale Sorte vorhanden.

Ist eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Koexistenz mit Gentechnik denkbar?

Nein. Das lässt sich nicht mehr trennen. Z.B schreibt schon heute ein großer Biobetrieb, der Sojaprodukte verarbeitet, auf seine Produktverpackungen, dass er eine Verunreinigung mit gentechnisch verändertem Soja nicht mehr zu 100% ausschließen kann. Als ich das das erste Mal gesehen habe, war ich schockiert.
Es ist leider wahr, dass in den USA der Raps bereits unwiederbringlich ausgekreuzt ist. In Mexiko, der viertgrößte Maisproduzent weltweit, sind inzwischen Spuren von Genmais-DNA in normalen Maissorten zu finden und es wird diskutiert, wie diese „dekontaminiert“ werden können. Je mehr gentechnisch veränderte Sorten existieren und je mehr davon angebaut werden, desto häufiger werden die Verunreinigungen und Auskreuzungen. Bereits heute würde ein
sofortiger Anbaustopp gentechnisch modifizierter (GM) Pflanzen nichts mehr an der Situation ändern.

Wie schätzt du die aktuelle politische Situation ein? Hat die Gentechnik in Deutschland noch reelle Chancen?

Deutschland erlaubt im Gegensatz zu anderen EU Staaten wie z.B. Österreich und Ungarn den Anbau von GM-Pflanzen. Mit der Entscheidung des europäischen Umweltministerrats im März 2009 kann jedes EU-Land auch weiterhin selbst entscheiden, ob der Anbau verboten wird oder nicht. Deutschland könnte also relativ schnell ein Verbot erwirken, nur der politische Wille ist nicht da. Deutlich wird dies z.B. bei MON810, der GM-Mais von Monsanto: die Zulassung für die Abgabe des Saatguts lief im April 2007 aus, die Sorte wurde aber innerhalb kurzer Zeit wieder zugelassen -trotz zweifelhafter Unterlagen. Und so lange Gentechnik-Lobbyisten für die Kontrolle und Genehmigung von GM-Pflanzen zuständig sind, wie es z.B. beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) der Fall ist, ist eine Kehrtwende nicht absehbar. Allerdings wird der Widerstand größer und lauter. Fast überall, wo es zu Protesten auf und um die Genfelder kommt, ist die Sympathie und Solidarität der Bevölkerung sehr groß und scheint von Jahr zu Jahr größer zu werden. Wir müssen es weiter schaffen, das Bewusstsein für die Nachteile und Risiken der GM-Pflanzen in der Gesellschaft zu schärfen. Außerdem kann jede_r Verbraucher_in durch ein entsprechendes Kaufverhalten Signale setzen.

Warum hast du dich grade für die Aktionsform der Feldbesetzung entschieden?

Auf politischer Ebene kommen wir momentan nicht weiter, wie ich oben schon erklärt habe. Eine Feldbesetzung ist für mich die einzige Möglichkeit, schnell und wirkungsvoll in die Maschinerie der Genmafia einzugreifen und sie direkt zu treffen. Mein oberstes Ziel ist dabei unmittelbaren Schaden von der Natur abzuwenden. Ich glaube, dass durch diese Protestform bei den Menschen am ehesten was hängen bleibt. Meist entlarvt sich die Gentechniklobby dabei selbst, indem sie rigoros versucht, gegen die Besetzer_innen mir rechtlichen Schritten vorzugehen. Das beweist, das da kein Interesse für eine kritische Auseinandersetzung vorhanden ist. Manchmal klappt es aber trotzdem: der Landwirt eines besetzten Feldes gab nach langem hin und her schließlich seine Pläne auf, Genmais auszusäen. Das war ein schöner Erfolg.

Wie kann und wird euer Kampf weitergehen?

Es ist wichtig, das Augenmerk auf die Orte des Geschehens zu lenken, Menschen auf das Feld zu kriegen, Unterstützung zu bekommen. Dafür wird es im Frühjahr auf jeden Fall wieder Feldbesetzungen geben. Der Austausch mit Interessierten und Schaulustigen läuft dabei meistens sehr gut. Und die erzählen dann ihren Verwandten und Bekannten davon. Das multipliziert sich. Wichtig ist auch Landwirte davon zu überzeugen, mit welcher Risikotechnologie sie es hier zu tun haben und dass das langfristig nur von Nachteil sein kann. Dafür könnte ich mir auch gezielte Aufklärungskampagnen vorstellen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Selbst-Interview ;-)

UnterstützerIn 27.04.2009 - 13:23
Hallo,

seit Freitag Nacht/Morgen ist nun ein GVO-Versuchsfeld in Braunschweig
(ehemaliges FAL-Gelände) mit 10m-Holzturm und Beton-Ankett-pyramide
besetzt. Die Stimmung ist gut und das Wetter (bisher) sonnig und heiter.

Gab bisher auch keine oder kaum Streß oder Eskalation mit dem
Gentec-Institut direkt, oder der Staatsgewalt. Bisher scheint es so, dass
dieses Gentec-Institut auch intern uneinig ist, wie jetzt mit dieser
"Öffentlichkeit" und dieser Besetzung umzugehen sei, sprich wie sie weiter
verfahren wollen. Vielleicht warten sie auch noch das morgige
Gerichtsverfahren (Dienstag, 28.04.) wegen der Eilklage Monsanto zum
Rückzug des Verbots ihrer GVO-Maislinie MON810 ab. (paradox: Monsanto
klagt gegen jenes Gentec-Institut, weil dieses "staatlich" sei und damit
Ilses bzw. Frau Aigners Verbot rechtfertigen muss...)

Ein Erfolg Monsantos (brisant: damit hat das Gentec-Institut "ihr"
Gerichtsverfahren "verloren"...) würde auch ein Erfolg für das
Gentec-Instituit bedeuten und hätte damit 2 bisher verbotene
MON810-Versuchsfelder zusätzlich zum besetzten Feld wieder freigeben zur
Risikoforschung.
Ob Gerichtserfolg oder nicht; noch ist zwar die Besetzung "geduldet", aber
der GVO-Versuch nicht abgeblasen; das bedeutet es gibt kein
"Bleiberecht" und eine Räumung ist jederzeit möglich...
Deshalb müssen wir die Augen und Ohren offen halten und aktiv bleiben!

Damit das auch weiterhin spannend bleibt, denkt euch etwas aus und macht
doch Aktionen! Alleine oder mit anderen zusammen. Ob hier am Feld, an der
Mahnwache oder bei euch vor der Tür im/am Supermarkt oder am
Dienstag 28. April um 9.30, spätestens 10.00 Uhr am Verwaltungsgericht
Braunschweig, Am Wendentor 7. Informiert andere über diese Geschehenisse
und mobilisiert weiter. Schreibt offene Briefe (auch mit euren Vereinen
oder Initiativen) an das "Johann Heinrich von Thünen-Institut",
Bundesstraße 50 in 38116 Braunschweig und zugleich an die
braunschweigerische Presse. Sach- und finanzielle Spenden sind natürlich
auch immer gerne willkommen. Es gibt vieles was ihr tun könnt und alles
was ihr macht ist toll!

Ab Samstag Mittag halten wir, neben dem (bislang noch geduldeten)
GVO-Versuchsfeld auf dem Gelände, eine (bisher für 14 Tage legalisierte)
Mahnwache auf einer sehr geräumigen Verkehrsinsel vor dem Haupteingang des
Gentec-Instituts besetzt.
Diese Mahnwach erfolgte nach einer samstäglichen Fahrraddemo heraus. Auch
ist der Baum vor dem Haupteingang erklettert, mit Transparenten versehen
und als luftiges Rückzugserlebnis gestern abend gekapert worden.

Versorgungspavillion, Kultur-Jurte und Schlafzelte sind zusammen mit
Tischen, Teppichen, Infopoint und rund um die Uhr Ansprechbarkeit
(praktisch 24h-Service) auf der Mahnwache vorzufinden.

Das Gros an vorbeifahrenden Autofahrer_innen ist toll und viele von ihnen
hupen und winken uns zu, wollen ihre Solidarität ausdrücken und meinen
"haltet durch!"...

Doch Streß gibts auch. Es fahren immer mal wieder vereinzelt (vor allem
jugendlich-männliche) Autofahrer vorbei (teilweise auch vom
Gentec-Institutsgelände!) die uns nicht nur Beschimpfen aller Art an den
Kopf zu werfen versuchen; teilweise gibt es Androhungen und wir werden
teilweise (meistens von den gleichen, die mehrfach sich die Mühe machen)
aus dem Auto heraus mit Gegenständen beworfen (bisher Eier und
Flaschen...zum Glück voerst nur Plastik). Helft uns, zusammen können wir
besser emanzipatorisch intervenieren gegen diese herrschaftlichen
Aggressionen.

Doch überwiegend hatten wir bisher netten Kontakt mit freundlichen
Anwohner_innen, wissbegierigen Sonntagsausflügler_innen, hilfsbereiten
Strohbringer_innen und dem "technischen Service" des Gentec-Instituts (der
immer mal wieder die Zäune kontrollieren fährt...).

Damit dies auch so bleibt und noch viel bunter wird (z.B. mit euren Zelten
zum Campen... Platz ist noch da!) freuen uns total wenn tolle, liebe und
hilfsbereite Menschen vorbeikommen.
Also komm vorbei und sag hallo, ess und trink mit uns oder diskutiere über
Gentec oder warum die Welt ein Würfel ist....
Wir brauchen vor allem eines:
Wir brauchen EURE Unterstützung! Für uns und für alle!


Aktionstelefon am Feld: 01522-9990199
Kontakttelefon an der Mahnwache: 0163-9019891
Aktuelle Termine:  http://www.gentech-weg.de.vu


Stand: Montag, 27.April
...so und nun fahr ich wieder zur Mahnwache ;)

Räumung läuft

egal 27.04.2009 - 17:43
Seit einigen Minuten läuft die Räumung. Offenbar hat das Institut bis nachmittags gebraucht, um eine Entscheidung zu fällen. Eine einstweilige Verfügung zum Verlassen des Geländes wurde gegen 15:30 Uhr überbracht. Seltsamerweise wird mit Verstoß gegen das Versammlungsrecht argumentiert. Jetzt ist jede Menge Polizei zusammen mit der Feuerwehr vor Ort. 2 AktivistInnen haben sich an der tonnenschweren Betonpyramide festgekettet, von der sie sich nicht mehr selbst befreien können. Eine Aktivistin sitzt angekettet im 10 Meter hohen Tripod. Gerade kam ein Hilferuf von Aktivistinnen direkt vom Feld, dass die Betonpyramide mitsamt angeketteten AktivistInnen mit schwerem Gerät von der Polizei angehoben werden sollte. Das, obwohl den Beiden dabei ein Arm gebrochen werden könnte. Dann hat die Feuerwehr aber doch nochmal genauer nachgeschaut und den leichtfertigen Irrtum erkannt. Jetzt wird hoffentlich etwas vorsichtiger weiter gemacht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an