Hartz4-Plattform-Musterklage ergänzt „Überprüfungsantrag“

Brigitte Vallenthin 24.04.2009 16:26 Themen: Soziale Kämpfe
Brigitte Vallenthin ergänzt Hartz IV-Musterklage und Antrag zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht mit Überprüfungsantrag, um rückwirkend zu wenig gezahlte Hartz IV-Leistungen nicht aufzugeben. Sie weist darauf hin, dass andernfalls die vom Gesetz vorgesehene Entschädigung für jahrelange Entbehrungen verloren geht.
Nach dem Antrag beim Sozialgericht auf Vorlage Ihrer Musterklage gegen den zu geringen Hartz IV-Regelsatz beim Bundesverfassungsgericht – unter Berufung auf die entsprechende Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.10.2008 (Az: L 6 AS 336/07) - hat Hartz4-Plattformsprecherin und Musterklägerin Brigitte Vallenthin zusätzlich „Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X“ gegenüber dem „Amt für Soziale Arbeit“ Wiesbaden gestellt. Das ist nach Informationen der Wiesbadener Bürgerinitiative für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens der notwendige Weg, um – nach einer möglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der Hartz IV-Betroffenen - rückwirkend die zu geringen Leistungen erstattet zu bekommen.

„Wer es versäumt“, so Vallenthin, „einen Überprüfungsantrag zu stellen, verliert damit das vom Gesetz vorgesehene Recht, auch für die zurückliegenden Jahre die rechtswidrig falsch und zu niedrig bemessenen, rechtswidrig falsch und zu niedrig berechneten und rechtswidrig falsch und zu niedrig ausgezahlten Regelsätze und Kosten der Unterkunft erstattet zu bekommen.“ Nach Informationen der Bürgerinitiative hilft da auch nicht ein seit Jahresbeginn 2009 vielen Leistungsbescheiden eingefügter Zusatz, der so oder ähnlich lautet:
„Dem Bundesverfassungsgericht liegt die Frage vor, ob die Vorschrift, mit der die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres auf 60 vom Hundert der für alleinstehende Erwachsene maßgebenden Regelleistung festgesetzt wird, mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Vorlagebeschluss des BSG vom 27.1.2009 – B 14/11b AS 9/07 R; B 14 AS 5/08 R). Der Vorlagebeschluss bedeutet nicht, dass die angegriffene Vorschrift tatsächlich verfassungswidrig ist. Hierüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Der im Bescheid genannte Leistungsträger sichert zu, dass der vorliegende Bescheid für den Fall, dass sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine neue Rechtslage ergibt, die für Sie oder Ihre Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die Bewilligung einer höheren Leistung zur Folge hätte, dementsprechend geändert wird.
Die Änderung zu Ihren Gunsten wird in diesem Fall von Amts wegen vorgenommen; ein Widerspruch, der sich allein auf die vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Rechtsfrage bezieht, ob der Regelsatz für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres verfassungsgemäß ist, ist damit nicht erforderlich.“

Hierbei handelt es sich um einen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales an die Bundesagentur für Arbeit, die Ministerien der Länder und die Kommunalen Spitzenverbände übermittelten „Formulierungsvorschlag für einen Zusicherungstext“. „Wer sich darauf verlässt, hat – ohne es zu ahnen – auf sein Recht verzichtet, das ihm für jahrelange Entbehrungen zusteht – nämlich bis auf vier Jahre zurückreichende Erstattung ab Überprüfungsantrag“, so Vallenthin.

Die Wiesbadener Initiative weist in dem Zusammenhang auch noch einmal darauf hin, dass dem Bundesverfassungsgericht nicht nur die Frage vorliegt, ob 60% des Regelsatzes Erwachsener für Kinder ausreichend seien. Vielmehr wurde das Karlsruher Gericht darüber hinaus ersucht, festzustellen, ob der Hartz IV-Regelsatz von derzeit 351 € mit dem Grundgesetz vereinbar sei und das „soziokulturelle Existenzminimum“ decke. Die Richter des Hessischen Landessozialgerichts Darmstadt halten das ebenso für nicht gegeben wie der Frankfurter Gutachter Mathias Fromme, der mit 627 € eine fast deckungsgleiche Erhöhung fordert wie die Musterklage der Wiesbadener Hartz4-Plattformsprecherin.


Wiesbaden, 24. April 2009
www.hartz4-plattform.de
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Ergänzungen

Antwort

Hinweisgeber 25.04.2009 - 20:38
Diejenigen, die auf eine positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hoffen und auch rückwirkend davon profitieren möchten, sollten ebenfalls einen Überprüfungsantrag an ihre Arge stellen, und evtl. Widerspruch und Klage erheben (nicht mit Kosten verbunden!). Musteranträge und ausführlichere Hinweise finden sich z.B. hier:

 http://www.elo-forum.org/infos-abwehr-beh%F6rdenwillk%FC/31201-hessischem-hartz-iv-urteil-%96-anspr%FCche-sichern.html.

und hier im zweiten Post:

 http://www.123recht.net/%C3%9Cberpr%C3%BCfungsantr%C3%A4ge-wegen-Regelsatzh%C3%B6he-__f149073.html


Hoffe die links funktionieren, kann weder html noch weiß ich tinyurl zu nutzen.

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