Spanien: Finanzieller ziviler Ungehorsam

aneignung 24.04.2009 13:20 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Enric Duran, politischer Aktivist aus Barcelona, erleichterte zwischen 2006 und 2008 39 spanische Banken um insgesamt 492.000 Euro und verteilte das Geld an antikapitalistische Projekte. Enric hat sich Mitte März 2009 auf einer Pressekonferenz der Polizei gestellt und sitzt nun im Gefängnis. Parallel zu seiner Aktion wurden in Spanien Zeitungen verteilt, in denen zu massenhaftem „finanziellem zivilem Ungehorsam“ und dem Aufbau von antikapitalistischen Projekten aufgerufen wird.
Enric Duran ist 33 Jahre alt, stammt aus Vilanova, Spanien (Katalonien) und engagiert sich seit Jahren in der globalisierungskritischen, antikapitalistischen Bewegung, unter anderem beim Aufbau von unabhängigen Internetplattformen.
„“Doch irgendwann merkte ich, dass die sozialen Bewegungen nicht vorwärts kamen“ erklärt Duran. So kam die Idee für den „solidarischen Betrug“, wie er seine Aktion nennt. Der „Robin Hood der Banken“ oder „Robin Bank“ wie er von Spaniens Medien bald getauft wurde, sieht darin die Verschmelzung des zivilen Ungehorsams nach Gandhi mit der Tradition der „bewaffneten Enteignungen“ der spanischen Anarchisten in den 1930er Jahren und nennt die Aktion „finanziellen zivilen Ungehorsam“. (1)

Enric führte seine moderne Form des Bankraubs ganz seriös durch. Er beantragte Kredite und zahlte sie ganz einfach nicht zurück. Mit dem Geld finanzierte er linke antikapitalistische Projekte.
In einem Film auf youtube (2) und einem ausführlichen Artikel (3) in der Zeitschrift „Crisi“ berichtet Enric Duran von seinem Vorgehen und seinen Erfahrungen und meint: „Das Finanzsystem ist wesentlich verletzlicher, als wir denken.“
Mit erfunden Geschichten bekam er insgesamt 68 Kredite von 39 Banken. Mit neuen Krediten beglich er die Raten der alten Kredite, um das System am Laufen zu halten. Im September 2008 beschloss er, die Zahlungen einzustellen, alles Geld abzuheben und umzuverteilen und die Aktion zu beenden.

In der Zeitung „Crisi“ (4), die Mitte September in einer Auflage von 200.000 Stück überall in Katalonien verteilt wurde, sowie der Crisi-Internetseite (5) machte er seine Aktion öffentlich, während er in Lateinamerika untergetaucht war.

Mitte März 2009 führte Enric eine Pressekonferenz durch, auf der die Veröffentlichung der zweiten Massenzeitung mit dem Titel „Podem“ (Katalan für "Wir können") angekündigt wurde, die in einer Auflage von 350.000 Exemplaren in ganz Spanien verteilt wird. Darin werden Strategien und Wege beschieben und zur Debatte gestellt, post-kapitalistische Gesellschaften aufzubauen. Ein Text aus der Zeitung in Englischer Übersetzung mit dem Titel „We Can Live Without Capitalism. A plan of action to profoundly free ourselves from the current system“ findet sich unter
 http://www.17-s.info/en/publi17m/we-can-live-without-capitalism

Enric Duran wurde einen Tag nach dieser Pressekonferenz festgenommen, wegen Betrug und Fälschung drohen ihm nun bis zu zehn Jahre Haft. Da ihm Fluchtgefahr unterstellt wird, sitzt er bis zum Prozessbeginn bereits im Gefängnis. Am 26. März fand in Barcelona eine Aktion für seine Freilassung statt (6).

Seine Aktion zivilen Ungehorsams versteht er als Anregung dafür, das momentane wirtschaftliche System zum Zusammenbrechen zu bringen, indem viele Menschen Kredite beantragen oder ihr gesamtes erspartes Geld von den Banken holen. Parallel dazu müssten zunehmend alternative wirtschaftliche Modelle und Projekte begonnen werden.
Mit seiner Aktion möchte Enric eine breite öffentliche Debatte anstoßen – in Spanien ist ihm dies bereits gelungen.

Quellen:
(1) „Der Linke, der die Banken linkte“, taz vom 18.4.2009
(2)  http://www.youtube.com/watch?v=a90Ep1PZzuA
(3) „I have „robbed“ 492.000 euros to whom most rob us in order to denounce them and build some alternatives for the society.” Unter:  http://www.17-s.info/en/encrisi
(4) englische Version der Texte unter:  http://www.17-s.info/en/encrisi
(5) Crisi  http://www.17-s.info/
(6) Video der Aktion für die Freilassung von Enric Duran in Barcelona am 26. März:  http://www.youtube.com/watch?v=eLadV4pRlRM

Weitere Quellen:
-  http://en.wikipedia.org/wiki/Enric_Duran
- Video mit englischen Untertiteln:  http://www.youtube.com/watch?v=a90Ep1PZzuA
- 20minütige Dokumentation über Enric Duran und seine Bankraub-Aktion im spanischen Sender La2 (TVE) vom January 2009 in der Sendung "Gran Angular", mit englischen Untertiteln:  http://blip.tv/file/1892270/
- früherer Artikels auf de.indymedia mit einem spanischen Aufruf, Protest-Emails für die Freilassung Enrics zu schreiben, sowie einer kurzen deutschen Zusammenfassung seiner Umverteilungs-/Enteignungsaktion:  http://de.indymedia.org/2009/03/245086.shtml
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Ergänzungen

frage

hans meyer 25.04.2009 - 18:58
weiß jemand ob das geld das er an die div. projekte verteilt hat eben von diesen zurückgefordert wurde. sprich, ob die menschen/gruppen/etc. das geld behalten durften/dürfen...?

Links zu weiteren Texten über die Aktion

aneignung 25.04.2009 - 22:48
"Robin Hood der Banken", im österreichischen "Standard":
 http://derstandard.at/?url=/?id=1237229163874

"Enric Duran, Banken-Enteigner aus Spanien" im Bankraub-Blog "Va banque":
 http://vabanque.twoday.net/stories/5664986/

Kurzmeldung bei ntv:
 http://www.n-tv.de/1122635.html

"Der Linke der die Banken linkte" in der "taz":
 https://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=hi&dig=2009%2F04%2F18%2Fa0026&cHash=02f7f2f292&type=98

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Anti... — ...capitalista

antwort — gut gemacht