Muc: Nachbereitung zum 11.04.

Sempre Antifascista 16.04.2009 22:08 Themen: Antifa
Am Samstag, den 11.04. zogen ca. 120 Nazis anlässlich der Verurteilung Horst Mahlers zu einer Gefängnisstrafe, durch München. Etwa 250 bis 300 Antifaschist_innen protestierten dagegen, doch 1300 Bullen sowie die weitgehende Konzeptlosigkeit der Protestierenden verhinderten antifaschistische Stör- oder Blockadeaktionen. Der folgende Artikel ist eine kritische Nachbereitung, um in Zukunft wieder erfolgreicher gegen Naziaufmärsche vorgehen zu können.
Gegen 10.30 Uhr versammelten sich die ersten Antifaschist_innen in der Schützenstrasse zur angemeldeten Kundgebung. Das riesige Aufgebot an Bullen und Zivis war schon von weitem absehbar, einige Leute hingen in nervigen Vorkontrollen fest, unter anderem wegen Halstüchern. Trotzdem war es eine ordentlich Kundgebung, in den Redebeiträgen wurde neben Horst Mahler und einigen Hintergrundinfos zum Naziaufmarsch, auch auf den während den G20-Protesten in London verstorbenen Ian Tomlinson eingegangen. Des weiteren wurde für den 8. Mai eine Antifa-Demo gegen Faschismus und Polizeigewalt angekündigt. Eine bürgerlich Beteiligung blieb auch diesmal wieder fast völlig aus, was auch auf die wieder einmal weitgehende Nicht-Berichterstattung (Lobenswerte Ausnahme: Abendzeitung) im Vorfeld durch die bürgerliche Presse zurückzuführen ist.

Als sich gegen 12.30 Uhr die Nazis vorm Justizpalast am Stachus versammelten, wurde die Kungebung aufgelöst und die versammelten Antifas machten sich auf den Weg zu den Faschos. Die anwesende Polizei schienen von dieser Aktion recht überrascht gewesen zu sein, denn als die Antifas an der Polizeiabsperrung auftauchten und einige wenige Sachen flogen, reagierten die dort stehenden Streifenpolizisten ziemlich panisch und forderten hektisch Verstärkung an. Die Nazis wurden offensichtlich von der Polizei 50 Meter weitergeschickt um Zusammenstösse zu verhindern, was in der Folge bei vielen Antifas zum Irrtum führte, die Nazis wären schon losgelaufen.
Mit mehr Entschlossenheit wäre an dieser Stelle ein Durchbruch zu den Nazis nicht unmöglich gewesen. Das blieb allerdings an diesem Tag die einzige hoffnungsvolle Situation. Als dann die Bullen anfingen einen Kessel aufzuziehen, bewegte sich der größte Teil des anwesenden Mobs – offensichtlich völlig planlos – von der Situation weg, Richtung Naziroute bzw. deren Kundgebungsplatz vor dem Amtsgericht in der Nymphenburgerstrasse – und das obwohl die Nazis erst fast eine Stunde später loslaufen sollten...

Die Folge davon war, dass 150 Leute fernab von jeglichem Geschehen in einem Bullenkessel standen, deren Personalien registriert und die Leute abgefilmt wurden. Auf dem Weg in diesen Kessel bewegte sich der Mob fast ausschliesslich auf der Naziroute, was jedoch niemandem wirklich auffiel bzw. alle dachten, die Nazis wären schon vorbei. Als dann eine Sperre bestehend aus 6 (!) Bereitschaftspolizist_innen und einer quergestellten Bullenwanne vor dem Mob auftauchte, zogen es die Leute (nochmal: etwa 150 an der Zahl...!) vor, sich eine Straße ohne Bullen zu suchen, was dann eben geradewegs in den genannten Kessel führte. Die Plan- und Konzeptlosigkeit dieses Mobs war geradezu erschreckend, so etwas hat selbst München schon lange nicht mehr gesehen.
Danach waren die Leute zu zerstreut, um noch irgendwas auf die Reihe zu kriegen. Ein kleiner Blockadeversuch wurde vom USK brutal, aber zügig von der Straße geräumt. Ansonsten beschränkte sich der restliche, sichtbare Protest auf die unlustige Apfelfront, einem Freak, der eine ca 3x2m große Israel-Fahne mit sich führte, sowie auf ein allgemeines Punkerpicknick.
Erst als die Nazis wieder am, beinahe hermetisch abgeriegelten, Hauptbahnhof ankamen, kam es zu wieder zu einer erwähnesnwerten Situation: ca. 80 Leute versuchten nochmal zu den Faschos zu gelangen, wurden allerdings von den Bullen daran gehindert und wieder alle eingekesselt. Die Peinlichkeit dieser Situation war kaum zu überbieten: Nachdem einige Poserantifas – auf dem Gehweg laufend – Parolen wie „Jetzt ist Schluss mit Tralala – Lust auf Boxen, Antifa!“ geschrien haben und genau ein Böller gezündet wurde, dauerte es kaum 10 Sekunden und der ganze Mob war eingekesselt. Natürlich wurde der Kessel erst wieder aufgelöst, als die Nazis schon alle abgereist waren.

Das Fazit des Tages ist notwendigerweise ein ernüchterndes. Der eigentlich ganz soliden Mobilisierung waren nur wenige Leute gefolgt. Einerseits fehlte die Beteiligung von Ausserhalb fast vollständig, andererseits fanden es noch nicht mal alle Münchner Linken für notwendig, sich den Faschos in den Weg zu stellen. Die Leute die da waren, waren mehr als konzeptlos und schienen sich im Vorfeld überhaupt keine Gedanken gemacht zu haben. Auch war die fast völlig fehlende Erfahrung in der Auseinandersetzung auf der Straße (z.B. beim Überwinden von Bullensperren, etc.) offensichtlich. Das bürgerliche Spektrum glänzte zudem wiedermal durch Abwesenheit und die Presse berichtete wiedermal kaum, trotz Pressearbeit im Vorfeld. Das große Problem ist, dass es für den Fall, dass der antifaschistische Widerstand weiter so ineffektiv bleiben sollte, schlicht und ergreifend immer mehr Naziaufmärsche durch München ziehen werden. Irgendwann setzt dann ein ähnlicher Effekt wie bei den Nazimahnwachen in der Fussgängerzone eine, nämlich dass Nazis, von einem großen Poliaufgebot bewacht, ohne größere Probleme ihre Veranstaltungen durchführen können und sich niemand mehr groß dran stört. Das gilt es um jeden Preis zu verhindern!

Die genannten Probleme, die Antifaschist_innen an diesem Tag hatten, sind zum Teil auf die erfolgreiche Münchner Mobilisierung zum NATO-Gipfel nach Strasbourg zurückzuführen, in die der organisierte Teil der Münchner Linken viel Energie gesteckt hatte. Darauf ist z.B. auch das Fehlen eines Infofons zurückzuführen. Dennoch taugt Strasbourg nicht als Ausrede für alles, viele Probleme sind hausgemacht.

Was die Tatsache angeht, dass wenige Leute von außerhalb gekommen sind, so möchten wir nochmal darauf hinweisen, wie wichtig gerade für uns als relativ kleine linke Szene, die mit einem unverhältnismäßig hohen Repressionslevel konfrontiert ist, die Solidarität ( http://de.wikipedia.org/wiki/Solidarität) und Unterstützung aus anderen Städten ist. Denn niemand kann ein politisches Interesse daran haben, dass auch der letzte Rest an emanzipatorischen, antifaschistischen Strukturen in München verschwindet und plattgemacht wird. Wir erinnern außerdem diesbezüglich noch einmal daran, das aus München teilweise bis zu 120 Leute in andere Städte fahren, um die örtlichen Strukturen z.B. bei Naziaufmärschen o.ä. zu unterstützen.

Das es auch in München möglich ist, einem Naziaufmarsch konsequent und entschlossen zu begegnen, zeigt nicht zuletzt der Naziaufmarsch gegen das Kafe Marat am 13.06.08 ( http://de.indymedia.org/2008/07/221251.shtml). Und auch bei diesem Aufmarsch wäre einiges möglich gewesen, wenn die Leute entschlossener und zielstrebiger gewesen wären: Die Bullen waren, trotz ihrer Anzahl von 1300, mitunter ziemlich verwirrt. Man konnte z.T. einfach auf die Naziroute gehen, ohne dass die Cops gemerkt haben, was eigentlich los ist, einige Straßen waren nur mit schwachen Kräften abgesperrt und die Situation zu Beginn des Naziaufmarsches wurde schon oben beschrieben. Viele Leute, die am 11.04. anwesend waren, scheinen schlicht und ergreifend keine oder nur wenig Erfahrung bezüglich des Verhaltens auf der Straße bei Naziaufmärschen zu haben. Einige Dinge sind so einfach wie genial: Wer Wechselklamotten dabei hat und nicht nur in schwarz oder als Punk rumrennt, fällt oftmals nicht ins Feindbildschema der Polizist_innen und kommt so unbemerkt durch Absperrungen oder Kontrollen. Auch in puncto Eigeninitiative besteht offensichtlich Nachholbedarf. Wer sich mit seiner Bezugsgruppe ( https://bezugsgruppenreader.so36.net/cgi-bin/wiki.pl) vorher die Route anschaut, die Gegend kennenlernt und unter Umständen sogar eine eigene Aktion vor, während oder nach dem Naziaufmarsch vorbereitet, ist klar im Vorteil. Die Fragen, die mensch sich dabei stellen sollte sind beispielsweise: Wo macht ein Blockadeversuch Sinn? Wie kann ich die Nazis anderweitig stören? Wo gibt es gute Schleichwege? Was kann mensch machen, wenn an die Nazis partout nicht heranzukommen ist? Etc., etc.... Wenn 10 Kleingruppen sich eigenständig vorbereiten und was Nettes überlegen würden, wäre schon ziemlich viel los in der Stadt und die Bullen hätten es weniger einfach, die Route abzusperren oder gar alle Leute festzusetzen, wie letzten Samstag geschehen. Macht euch Gedanken, denn Antifa ist das, was ihr daraus macht!!!

In diesem Sinne können wir nur an alle appellieren, sich ernsthaft auf solche Aufmärsche vorzubereiten, denn der nächste kommt bestimmt. Unser Anspruch, Naziaufmärsche möglichst zu verhindern, ist nicht nur Folklore, sondern aus unserer Sicht sowohl Selbstschutz als auch unbedingte politische Notwendigkeit für alle emanzipatorisch denkenden Menschen. Also, stellen wir uns beim nächsten Mal gemeinsam den Nazis entgegen und zwar entschlossen und kämpferisch!
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Ergänzungen

Gleicher Tag, anderes Ergebnis

Mob 16.04.2009 - 22:33
Das es auch anders gehen kann zeigt der Naziaufmarsch des Nordens am selben Tag in Lüneburg  http://de.indymedia.org/2009/04/246949.shtml Auch wenn man die Situation sicherlich nicht eins zu eins vergleichen kann, sollte man sagen, dass antifaschistische Arbeit erfolgreicher ist, wenn man Bündnisse eingeht und Aktionen zielgenau im vorraus plant. Konzeptlosigkeit ist zu oft schuld an dem fehlenden Erfolg unsererseits auf Naziaufmärschen.
Trotzdem Solidarität in den Süden der Republik, nächstes Mal läuft es besser...

SCHROTT: ROUTE AUF HANDZETTEL

ANTIFA 18.04.2009 - 16:07
für mehr verwirrung sorgten die handzettel mit "eventueller route" der nasen.
es war für viele nicht klar ob sich das "eventuell" auf den hinweg oder rückweg bezieht.
dann lieber nur einen stadtplanteil.

Hasselbach verurteilt:

Informant 18.04.2009 - 19:55
Phillip Hasselbach, der nicht auf der Nazidemonstration war, ist am vergangenen Donnerstag zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Ihm wurde zur Last gelegt, die Kamera eines Journalisten nach der Friedhelm Busse Beerdigung im Juli vergangenen Jahres zerstört zu haben. Hasselbach ist bereits in Berufung gegangen.

Klatsche für Pro München:

Observer 18.04.2009 - 19:58
Eine juristische Niederlage setzte es auch für die rechte Wählervereinigung „Pro München“: Das Landgericht entschied, dass das Verfahren gegen ihren Sprecher Rüdiger Schrembs gegen eine Geldauflage von 2100 Euro eingestellt wird, weil sich dieser bei seinen Opfern entschuldigt hat. Er hatte die Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen als „Lehrstelle des Abartigen“ bezeichnet.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Israel Fahne — ajaja