DNS-Sperre: Zensur und Maßnahmen dagegen

Krieger 16.04.2009 16:37 Themen: Blogwire Freiräume Medien Netactivism Repression

Am morgigen Freitag, den 17. April will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (alias Zensursula), vertreten vom BKA, die Zensurverträge zwischen fünf großen Internetserviceprovidern und dem Bund schließen. Der CCC, der AK-Vorrat und viele weitere Organisationen rufen zur Mahnwache gegen die Internetsperren ab 9 Uhr am Reichstagsufer auf.

"Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornographie." sagte Zensursula in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt und suggerierte dem Bürger damit, einen wirkungsvollen Weg gefunden zu haben, Kinderpornografie (KiPo) aus dem Netz zu verbannen. Die DNS-Sperre ist allerdings so wirkungslos, wie einem Taxi-Fahrer die Landkarte wegzunehmen und zu glauben, er fände den weg nach Hause nicht mehr.

Funktionsweise der Sperre

Die DNS-Sperre verhindert nicht den Zugang zu KiPo-Seiten sondern manipuliert die Umsetzung von Domainnamen ( zum Beispiel www.example.com) in IP-Adressen (zum Beispiel 192.0.2.42) im DNS der teilnehmenden Provider. Der direkte Zugriff auf die IP-Adresse wird jedoch nicht gesperrt. Die Sperre kann somit ganz einfach umgangen werden, indem man einen anderen DNS-Server befragt, eine Einstellungssache von ~20 Sekunden. Des weiteren wird die meiste KiPo nicht über das WWW getauscht, sondern über andere Dienste im Internet oder über die gute alte Post.

Operation Himmel

Als großer Erfolg gegen KiPo wird immer wieder die Operation "Himmel" genannt. Damals waren 12.570 Internetnutzer ins Visier der Fahnder geraten und es gab tausende Hausdurchsungen. Allerdings konnte die Staatsanwaltschaft Berlin bisher keine Verurteilung belegen. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte gleich von sich aus sämtliche Verfahren eingestellt, weil sie keinen ausreichenden Anfangsverdacht erkennen konnte.

Nichtssagende Statistik des BKA

Zensursula begründet die Notwendigkeit Sperre u.a. mit der angeblich drastischen Zunahme der Kriminalität auf diesem Gebiet, die das BKA gemeldet haben soll. In dieser Statistik erfasst das BKA jedoch jede Ermittlung bei einem Anfangsverdacht. Zensursula kann also nichtmal zwischen Verdächtigen und Straftätern unterscheiden. Schade, ein bischen mehr Grips hätte ich unseren Politikern schon zugetraut.

Die Inkompetenz von Polizei und Staat

Das man Erfolgreich gegen KiPo vorgehen kann hat die Kinderschutzorganisation CareChild e.V. bewiesen. Man hat 20 Domains, welche vermutlich auf KiPo zeigen von der dänischen Sperrliste genommen, die jeweiligen Provider angeschrieben und in kürzester Zeit erreicht, dass 16 der 20 Domains nicht mehr zu erreichen sind. 20 Domains, die der Polizei längst bekannt waren. Die Polizei schaut tatenlos zu und die Politik fordert den Aufbau eines nicht kontrollolierten Zensurapparates.

CareChild Pressesprecher Michael Kappe dazu: "Wir haben die dänische Sperrliste genau untersucht. Nahezu alle Webseiten auf dieser Liste sind bestens mit herkömmlichen Strafverfolgungsmitteln zu bekämpfen. Wer das bestreitet, der lügt. Sie liegen nämlich ganz überwiegend auf US-amerikanischen und zentraleuropäischen Servern. 10 Polizeibeamte reichen aus um diese Seiten auszumerzen. Frau von der Leyen versucht sich mit ihrem Vorhaben als Märchenerzählerin mit technischem Unverstand."

Noch mehr Sperren

Schon bevor die Sperre überhaupt beschlossen ist, mehren sich die Vorderungen nicht nur Kinderpornos zu sperren. Die Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich für die Sperrung von Gewaltseiten im Internet ausgesprochen und auch der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Musikindustrie (Dieter Gorny) ist von der Zensurdebatte begeistert: „Der Vorstoß der Familienministerin zum Verbot von Kinderpornografie im Internet ist ein richtiges Signal. Es geht um gesellschaftlich gewünschte Regulierung im Internet, dazu gehört auch der Schutz des geistigen Eigentums.“ Killerspiele, Torrenttracker, (anti)religiöse oder gar politische Seiten, die Vorderung nach Zensur lockt die Lobbyisten aus ihren Erdlöchern.

Das beschwichtigende geblubber der Politiker, man würde die Liste NUR für KiPo und für nichts anderes verwenden kennen wir ja schon von vielen anderen Projekten, wie zum Beispiel der Mautbrücken (Kennzeichenerfassung). Damit auch ja kein fehlerhafter Eintrag auf der Liste zu sein scheint, wird sie geheimgehalten, somit kann also kein Fehler gefunden werden.

Die Provider

Die Internetanbieter werden dabei knallhart erpresst: Um nicht in einem Atemzug mit Kinderschändern erwähnt zu werden, sollen sie am offenen Verstoß gegen das Grundgesetz mitwirken. Vermutlich werden morgen folgende Provider unterschreiben: Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, O2 und Kabel Deutschland. Die meisten anderen Provider fordern eine gesetzliche Grundlage.

Sperre für nur 2 Jahre

In zwei Jahren werden DNS verschlüsselt und zwar auf Initiative des Bundesinnenministeriums. Damit wird die Filtertechnik, welche nun für viel Geld installiert und betreut werden soll (auf Kosten der Kunden der Provider) bald völlig wirkungslos.

Ob wirtschaftliche Interessen dahinter stehen oder doch eher parteipolitische Interessengruppen lässt sich schwer sagen. Die Leittragenden sind jedenfalls die missbrauchten Kinder, über die jetzt schon keiner mehr redet.

Mahnwache

Morgen findet eine Protestkundgebung gegen Internetsperren in einer freien Gesellschaft statt. "Wir sind überzeugt, dass mit diesem Vorgehen weder der eigentliche Missstand des Kindesmissbrauchs noch dessen Dokumentation im Internet gelöst werden kann. Die Probleme werden ausgeblendet und darüber hinaus Wege geschaffen werden, die eine Zensur des Internets für beliebige Inhalte ermöglichen." -Netzpolitik.org

Wann & Wo?
Am Freitag, den 17. April 2009
Zwischen 9 Uhr und 9:30 Uhr

Vor dem Presse- & Besucherzentrum der Bundesregierung (Bundespressekonferenz)
Reichstagufer 14 | U+S-Bhf. Berlin-Friedrichstraße
Karte: http://tinyurl.com/d9d7pm

Weitere Informationen zur Mahnwache: http://tinyurl.com/zensursula

Quellen und Links

Heise: http://www.heise.de/newsticker/Mahnwache-gegen-Internet-Sperren--/meldung/136290
Heise: http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867
Heise: http://www.heise.de/ct/c-t-Argumente-fuer-Internet-Sperren-sind-fragwuerdig--/news/meldung/136007
CCC: http://www.ccc.de/updates/2009/besucht-zensursula
Netzpolitik: http://netzpolitik.org/2009/mahnwache-am-freitag-keine-scheuklappen-fuers-netz/
Lawblog: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2008/11/20/aktion-himmel-keine-verurteilungen-aber-ein-erfolg/
Carechild: http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_1.html

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Ergänzungen

STOP-Schild für Internetseiten

STOP 16.04.2009 - 18:12

Parallel zur Mahnwache findet morgen (Freitag, 17.04.2009) ein Internetprotest statt: Staatlichen Institutionen wird beim Surfen auf teilnehmenden Internetseiten ein Stoppschild angezeigt.

DNSSEC

Krieger 16.04.2009 - 18:47
xyz 16.04.2009 - 17:55 schrieb
>>In zwei Jahren werden DNS verschlüsselt und zwar auf Initiative des Bundesinnenministeriums.
>Wie soll das gehen? Quelle dafür?

Wie es gehen soll:  http://de.wikipedia.org/wiki/Domain_Name_System_Security_Extensions
Eine Studie des BSI:  http://www.bsi.bund.de/literat/studien/securedns/index.htm (Achtung Staatsseite)

Eine Quelle dafür, dass es schon in 2 Jahren eingesetzt wird kann ich leider nicht nachweisen, lediglich einen Beitrag im Heise-Forum:  http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Cui-bono-oder-welche-Interessengruppen-tatsaechlich-davon-profitieren/forum-156898/msg-16565372/read/

USA geht noch einen Schritt weiter

Mr.X 16.04.2009 - 19:08
"Internet-Notstandsgesetz" soll Obama die Möglichkeit geben, das Internet auszuschalten:
 http://www.thestandard.com/news/2009/04/15/new-bill-may-give-president-ability-shut-down-internet

Jetzt Zensur zensieren

Stasi 2.1 16.04.2009 - 21:10
Eine ausführliche Anleitung des CCC um den zensierten DNS-Server des Providers zu umgehen

 http://www.ccc.de/censorship/dns-howto/

Basta Zensistas Basuras

Anonimüsli 16.04.2009 - 22:40

Am morgigen Freitag, den 17. April will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (alias Zensursula), vertreten vom BKA, die Zensurverträge zwischen fünf großen Internetserviceprovidern und dem Bund schließen. Der CCC, der AK-Vorrat und viele weitere Organisationen rufen zur Mahnwache gegen die Internetsperren ab 9 Uhr am Reichstagsufer auf.
... Krieger 16.04.2009 16:37 Themen: Blogwire Freiräume Medien Netactivism Repression ....  http://de.indymedia.org/2009/04/247312.shtml

DNSSEC?

informatikstudent 16.04.2009 - 23:36
Die "Verschlüsselung" (ich nehme an es ist DNSSEC gemeint, also digital signiertes DNS) kann wohl kaum verhindern, dass die Provider für bestimmte Namen einfach gar keine Antwort liefern, wenn sie mangels Schlüssel keinen gefälschen Eintrag für die Stoppseite schicken können. Statt der "Wir zeniseren"-Stoppseite die Leute zum Nachdenken motivieren könnte wenn eine nicht-kinderpornographische Seite plötzlich verschwunden wird kommt ein unauffälliger "Server not found"-Fehler und die können sich auch noch drauf rausreden dass es anders nicht geht. Ob DNSSEC also so gut ist?

Internetzensur ist kontraproduktiv

Krieger 17.04.2009 - 00:09
Sehr interessanter Beitrag des Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft

Missbrauchsopfer kämpfen gegen Netzsperren

Krieger 17.04.2009 - 01:32
Christian Bahls ist missbraucht worden. Im Interview sagt er: "Ursula von der Leyens Kampagne gegen Kinderpornografie nutzt nichts und macht mich erneut zum Opfer."

interessant

bla 17.04.2009 - 02:11
(fair-NEWS) - Münster - Die Münsteraner Kinderschutzorganisation CareChild fordert ein entschlossenes Vorgehen der Politik gegen Kinderpornografie. Während die Symbolpolitik von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eher die Verbreitung von Kinderpornografie fördert anstatt sie zu bekämpfen, gäbe es eine Reihe tatsächlich wirksamer Massnahmen, die schnell getroffen werden müssten.

Zu den sinnvollen Massnahmen zählt CareChild unter anderem eine bessere personelle Ausstattung der anlassunabhängig ermittelnden Strafverfolger und die Befugnis für die Ermittler, in geringem Umfang Straftaten begehen zu dürfen.

Derzeit sehen sich viele Strafverfolgungsbehörden einer Flut von Bagatellverfahren wegen Kinderpornografie ausgesetzt, in denen es teilweise um einzelne Bilder in den temporär gespeicherten Internetdateien geht. Dies kann am Problem nichts ändern und belastet Ressourcen, die effektiver eingesetzt werden müssen.

--> (Quelle:  http://www.fair-news.de/news/CareChild+fordert+entschlossenes+Vorgehen+gegen+Kinderpornografie/13626.html)

Fünf Provider unterzeichnen zwangsweise Vertr

F312 17.04.2009 - 14:36
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat ihr in mehreren
Monaten in polemischen und intelligenzfreien Verhandlungen immer
wieder mit Erpressung verfolgtes Ziel erreicht: Am Freitagvormittag
haben fünf große deutsche Internetprovider Verträge mit dem
Bundeskriminalamt (BKA) unterzeichnet, mit dem sie den Zugang zu
Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten so gut wie garnicht
erschweren wollen. Die Vereinbarung zeige den gemeinsamen Willen von
Politik und Wirtschaft, "nichts gegen dieses Verbrechen zu tun",
freute sich die CDU-Politikerin über das "Signal" für ganz Europa. Es
könne nicht angehen, dass "dieser schwere Missbrauch von Kindern
scheinbar folgenlos abrufbar ist. Pädophile sollten wenigsten 30s
aufgehalten werden". Mit an Bord sind die Deutsche Telekom,
Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, Telefonica/O2 und Kabel Deutschland.

@ Krieger

F1 17.04.2009 - 17:46
"in zwei Jahren werden DNS verschlüsselt und zwar auf Initiative des Bundesinnenministeriums."

Wenn du das Geschwafel eines unbekannten Trolls in den Heise-Foren benutzt, um absurde Behauptungen in die Welt zu setzen und Panik zu verbreiten, so spricht das nicht gerade fuer deine Kompetenz.
DNSSEC hat mit Verschluesselung nichts zu tun. Und DNSSEC ist auch kein Kind des Bundesinnenministeriums. Bitte versuche deinen Link auf Wikipedia sinnentnehmend zu lesen.

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