Widerstandshaus gegen Ferkelzuchtanlage

Lemor 16.04.2009 11:35 Themen: Biopolitik Ökologie
In Neu Plötz bei Alt Tellin (Mecklenburg-Vorpommern) entsteht gerade ein Widerstandshaus mit Infobüro gegen die größte Ferkelzuchtanlage Europas, welche ab Herbst dort gebaut werden soll. Nächstes Wochenende wird es einen Sternmarsch und eine symbolische Besetzung des Baugeländes geben. Auch Konzerte mit Mal Eleve (Irie Revoltes), Peryton (Chanson und Lyrik) und Kein Plan (Punk) wird es geben.
Was soll gebaut werden?
Eine enorme Schweinezuchtanlage mit 6 Hektar überdachter Fläche, in der pro Jahr 250 000 Ferkel von über 10 000 Muttersäuen „produziert“ werden. Das bedeutet zwischen 600 und 700 Geburten pro Tag – und 685 Tieren, die täglich zum Schlachthof gefahren werden. Riesige Pipelines sollen die Gülle abtransportieren. Ausserdem sollen 4 Biogasanlagen in der nahen Umgebung entstehen.

Was bedeutet das…
… für die Tiere? Die Schweine werden auf Gitterstäben ohne Streu so eng eingezäunt, dass sie sich nicht umdrehen können. Ihnen werden nach der Geburt die Schwänze abgeschnitten, die Zähne abgeschliffen und die männlichen Schweine werden kastriert. Das alles geschieht ohne Betäubung. Die Belüftung ist dort so schlecht, dass viele schon frühzeitig aufgrund der grausamen Haltungsbedingungen sterben. Für die Tiere, die dort nicht einmal in ihrem Leben das Tageslicht zu Gesicht bekommen werden, bedeutet das ein kurzes, leidvolles Leben bis zu ihrer brutalen Schlachtung.
… für die Natur und die bäuerliche Landwirtschaft? Die angrenzenden Böden und Gewässer werden durch die Gülle verseucht, moderne Technik rationalisiert Arbeitsplätze der einheimischen BäuerInnen. In Südamerika lassen Großunternehmen BäuerInnen von ihren Feldern prügeln und ganze Regenwaldgebiete abbrennen, um dort Soja für Fabriken wie die in Alt Tellin geplante zu produzieren. Sojamonokulturen und Pestizide zerstören die intakte Natur vor Ort. In Südamerika wird gehungert, weil westliche Industrienationen nicht auf ihren Fleischkonsum verzichten wollen.
… für das Klima? Weil Regenwald abgebrannt wird und massive Treibhausgase durch Gülle, Dünger und Soja- sowie Viehtransporte entstehen, ist die industrielle Landwirtschaft für um die 30% der Klimabelastung verantwortlich. Tierhaltung ist damit ein noch größerer Klimakiller als die gesamte Personenverkehrsindustrie (samt Flugverkehr!). Biologische Landwirtschaft dagegen bindet CO2 im Boden, reduziert bei regionalen Kreisläufen die Klimaproblematik.
… für die AnwohnerInnen? Lärm (36 LKW pro Tag), extremer Gestank, einen Rückgang des dortigen Tourismus und Lebensqualität. Die Grundstücke in der Umgebung verlieren bis zu 70 % an Wert. Während in Südamerika die Menschen von ihren Feldern vertrieben werden, entsteht hier eine Landflucht, weil keine mehr neben einer stinkigen Schweineindustrie leben will.

Wer steckt dahinter?
Adrian Straathof ist wegen seiner Massetierhaltungsanlagen von der niederländischen Regierung bereits mehrfach für Verstöße gegen „Tierschutzauflagen“ ermahnt und nun auch verurteilt worden. Er betreibt in Deutschland schon an 7 Stellen Schweinemastanlagen und plant nun zwei neue Anlagen in Mecklenburg Vorpommern.
Noch bewirtschaftet das Gelände die Daberkower Landhof AG, die auf der Fläche derzeit Raps anbaut. Bis jetzt gehört Straathof nur der Einfahrtsbereich von einigen Hundert Quadratmetern, auf denen die Ruinen einer alten DDR Massentierhaltungsanlage stehen. Zwar wird vom Umweltministerium noch geprüft werden, ob die Anlage genehmigungsfähig ist, jedoch ist ein Familienmitglied des Grundstückseigentümers der Fläche Gemeinderatsmitglied und setzt sich für den Verkauf ein.

Und wie sieht der Widerstand aus?
Der 17.4. ist internationaler Aktionstag von Via Campesina gegen die globale industrielle Landwirtschaft. An diesem Tag sind 1996 in Brasilien 19 AktivistInnen der Landlosenbewegung brutal niedergemetzelt worden. In Paraguay formiert sich trotz großer Repressionen zunehmend der Protest der Landbevölkerung gegen GroßgrundbesitzerInnen und SojaproduzentInnen unter dem Motto „La Soja mata“ (Soja tötet).
Die Bürgerinitiative „Leben am Tollensetal“ der Gemeinde Alt Tellin plant am 17.4.2009 einen Sternmarsch, während das Aktionsbündnis Globale Landwirtschaft eine symbolische Besetzung des Straathofgeländes für den 17. und 18. plant. Dabei wird es ein Kulturprogramm mit Konzerten von Mal Eleve (Irie Revoltes), Peryton (Chanson und Lyrik) und Kein Plan (Punk) geben.

Ein Widerstandsort entsteht
Seit dieser Woche gibt es nun auch ein Haus, welches AktivistInnen als Basis zur Verfügung steht. Von dort soll Öffentlichkeitsarbeit betrieben und viele weitere Aktionen geplant werden. BürgerInnen sind herzlich willkommen, sich dort über den Bau der Anlage zu Informieren.
Doch zur Instandhaltung des Hauses und um den Widerstand zu vergrößern braucht es dringend Unterstützung vor Ort. Kommt uns besuchen und bringt eure Ideen ein!

Wegbeschreibungen und weitere aktuelle Informationen auf: www.schweinerei.blogsport.de
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Ergänzungen

Argumentation richtig!

an farmer 16.04.2009 - 18:56
Die Argumente sind völlig zutreffend, natürlich haben Massentierhaltung und Sojabau etwas miteinander zu tun... und der Ansatz, auf kritischen Konsum oder gar Verzicht zu setzten, um diesen Wahnsinn zu stoppen und umzukehren ist nicht die Alternative, sondern die Ergänzung - mit dem kleinen Unterschied, dass dies nur Leute können, die entsprechend reich an Finanzen und Bildung sind.

Wer sich den Protest anschaut, der wird feststellen, dass es um Lebensqualität geht und die ist nicht in Geld oder toten Zahlen auszudrücken. Es geht um Lebensqualität für Menschen und Tiere hier wie anderswo, es geht um Erhalt von Lebensgrundlagen, es geht um unsere Verantwortung gegenüber Tieren, von denen wir uns ernähren und es geht um eine Form der Arbeit, die Sinnvoll und ökologisch nachhaltig ist, es geht um Selbstbestimmung auf dem Land gegen das Verwerten durch eine industrialisierte Lebensmittelproduktion, die vor allem den Metropolen dient. Landwirtschaft, wie sie hier gestaltet wird, ist die absolute Entfremdung des Menschen von sich selbst und den eigenen Lebensgrundlagen. Landwirtschaft wie sie hier gegen die Intrressen der hier Lebenden umgesetzt werden soll und anderswo umgesetzt wird, dient schlicht der Ausbeutung für einen Lebensstil, den sich auf der Welt nur 20% der Weltbevölkerung leisten kann und bei 100% einfach überhaupt nicht funktioniert.

Die Menschen vor Ort verstehen dies immer besser und die Mischung reicht von BiobäuerInnen, über Ökoativistinnen bis zu Erwerbslosen etc.

Wenn z.B. Leute aus 100 bis 300 km Entfernung gegen diese Anlage kämpfen, dann hat das nix mit Eigeninteressen von Häuslebauern zu tun. Aber auch diese können aus Eigeninteresse politisiert werden für eine Schweinerei, die sie vielleicht bisher mitgetragen haben.

@Farmer

Veganer 16.04.2009 - 19:18
"Die Auswirkungen auf Tier und Umwelt sind mehr als übertrieben. In modernen Produktionsanlagen geht es den Schweinen besser als in vielen traditionellen Haltungsformen. Die deutschen Gesetze und Bestimmungen gehören zu den strengsten weltweit und es ist eine Vielzahl von Maßnahmen verpflichtend um beispielsweise negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden."

- Wie kann es denn einem Schwein in einer modernen Produktionsanlage beser gehen als in traditioneller Haltungsform? Ich nehme an du meinst damit einen Bauernhof. Ich glaube nämlich schon, dass es einem Schwein dort besser gehen würde. Dort hat es ja zumindest Platz zum suhlen und toben....
Wie es in modernen Tierausbeutungsanlagen aussieht weiß wohl jeder. Ein Tier ist dort bestimmt nicht glücklich!

TIERE SIND KEINE WAREN!!!!




"Die Situation in Südamerika mag schlimm sein, hat ja aber absolut nichts mit dieser Anlage zu tun. Die Sojaproduktion ändert sich kein Stück, unabhängig pb die Anlage gebaut wird oder nicht."

- Wenn sie nicht gebaut wird verbraucht sie auch kein Soja, also ändert sich was ;)




"Das Hauptproblem sind doch die Verbraucher, solange die Fleisch essen wollen muss das auch irgendwo herkommen. Diese Aktion erreicht die Verbraucher leider kein Stück weit, weil die z.B. in Stuttgart oder Berlin sitzen und vielleicht grade mal wissen wie ein Schwein aussieht. Ihr solltet also eher beim Verbraucher ansetzen."

- Vielleicht machen wir das auch schon ;) Es gib viele Fronten an denen es sich zu kämpfen lohnt!

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