Naziaufmarsch in München

Durchreisender 12.04.2009 19:24 Themen: Antifa Repression
Samstag der 11te April. Ich bin gerade mit dem Zug am Münchner Hauptbahnhof angekommen, will eigentlich sofort umsteigen, es ist 16:00. Kaum angekommen, sehe ich Sicherheitsdienste in verschiedenen Uniformen über den Bahnhofsplatz schlendern. „München – Ordnungsstadt“ denke ich mir, bis mir plötzlich einfällt: „Heute ist doch ein Naziaufmarsch, aber sollte der nicht eigentlich schon vor einigen Stunden statt gefunden haben ?!“
Ich versuche mir den Weg zu meiner S-Bahn zu bahnen. Überall die fleischgewordene Sicherheit, vom U-Bahnsheriff bis zur S-Bahnwache, heute scheint alles geboten zu sein. Ich zähle ca. 100 Menschen in Uniform, Tendenz steigend. Ich laufe in Richtung S-Bahn, versuche an einer im Halbkreis gruppierten BGS-Gruppe vorbeizukommen. Geschafft, ich bin auf der Rolltreppe ! Plötzlich schreit ein Polizist von hinten: „Achtung Gitterprobe!“ und lässt bei vollem Kundenverkehr gleichzeitig das Gitter zur Absperrung des Nordflügels am Hauptbahnhof herunter. Ruckartig bleibt augenblicklich die Rolltreppe stehen, eine Frau um die 70 Jahre kann sich gerade noch am Handlauf festhalten. Allgemeiner Unmut anderer Passanten macht sich breit auf der Treppe. Ich denke mir, vielleicht sollte ich doch mal sehen, ob die Polizei da eventuell nicht nur eine „Probe“ durchführt. Ich beschließe auf der anderen Seite wieder nach oben zu gehen, um mir mein eigenes Bild von bayerischer Demonstrationsfreiheit zu machen.

Kaum wieder an der Oberfläche sehe ich außer ein paar Touristen, die Fotos von der gesamten Szenerie schießen, eigentlich nur noch Polizisten. Verschiedene Einsatzhundertschaften laufen herum, dazwischen Zivilpolizei mit Knopf im Ohr, Unterstützungskommando und Bundespolizei sammelt sich. Anscheinend wird ein Einsatz vorbereitet. Jetzt kommt Bewegung in die Situation, ich erkenne einige schwarz und bunt gekleidete Personen, die um die Ecke kommen, eine Fahne ist dabei. Ich glaube ein antifaschistisches Zeichen zu erkennen. Ich rätsle noch ein bisschen, dann bin ich mir sicher bin Antifaschisten vor mir zu haben, mittlerweile kommt die Polizei in Bewegung. Eine Hundertschaft rennt in einer Reihe die Arnulfstraße entlang um den Demonstrierenden den Weg abzuschneiden. Die Menge der Demonstrierenden merkt das, skandiert Parolen und wird nun etwas schneller. Ich glaube einen explodierenden Böller zu hören, die Abendzeitung wird später auf ihrer Internetseite schreiben, es seien aus Frust „Feuerwerkskörper auf die Beamten“ geworfen worden und dann werden die jungen Leute von einer Übermacht an Polizei an die Wand gedrückt.

Binnen 10 Sekunden wird die Menge aus etwa 40 Leuten von doppelt soviel Polizei eingekesselt, einige versuchen noch durch das Hotel auszuweichen, aber auch hier stellen die Polizisten ihnen nach. Auf einmal höre ich Lärm, der vom weiteren Verlauf der Arnulfstraße zu mir kommt. Das scheinen jetzt wohl die Neonazis zu sein, eigentlich ist nichts zu erkennen außer einem riesigen Polizeikordon, der voranmarschiert. Ich gehe Richtung Lärm, der Lautstärke nach haben es doch noch einige Gegendemonstranten geschafft, an die Nazidemonstration heranzukommen. Ich muss an sehr viel Polizei vorbei. Auf dem Weg dorthin kommen zwei Beamte entgegen, jeder einen sehr jungen Demonstranten im Schwitzkasten. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die beiden sich freuen etwas zu tun zu haben. Die beiden Jugendlichen werden beide auf den Boden an eine Hauswand verfrachtet, dort müssen sie sitzen bleiben und dürfen sich nicht bewegen. Menschen die fragen, was den eigentlich los sei, werden von anderen Beamten vertrieben. „Weitergehen, weitergehen“, schreit einer davon. Ein paar Gegendemonstranten reden über einen brutalen Polizeieinsatz, ich höre von einer kaputt geschlagenen Brille. Derjenige der das erzählt blutet am Bein. Anscheinend hat eine USK Einheit wahllos auf eine friedliche Blockade eingeprügelt.

Die Nazis werden von der Polizei aufgefordert jetzt ihre Transparente einzupacken, da der Aufzug nun beendet sei. Zumindest sieht das ein Polizist so, der soeben eine Durchsage gemacht hat. Eigentlich sieht man aufgrund der hohen Polizeipräsenz immer noch nicht viel. 140 Neonazis sind es, erfahre ich von Umstehenden. 1000 Beamte sind an diesem Tag im Einsatz, sogar aus Hessen ist eine Einsatzhundertschaft angereist. Nach einer halben Stunde sehe ich immer noch den Kessel den die Polizei um die jungen Menschen, die später von der Abendzeitung als „Autonome“ bezeichnet werden, gezogen hat. Eine mobile Gefangenensammelstelle ist mitten auf der Straße, die sowieso gesperrt ist, stehen geblieben. Die beiden jungen Demonstranten werden herbeigeführt, man hat ihnen ihre Hosentaschen entleert und den Inhalt in Plastiktüten verpackt. Nach einiger Zeit beschließe ich die Szenerie wieder zu verlassen, aber am Hauptbahnhof ist wegen des hohen Polizeiaufgebots kein Durchkommen möglich. Ich beschließe über den Stachus zu laufen, durch Seitenstraßen, die voller Polizeiwägen sind. Pro Fahrzeug 6 Mann, die Türen sind immer geöffnet. Das soll wohl so aussehen, als ob die Beamten jederzeit zu einem Einsatz bereit wären. Irgendwie sieht es allerdings nicht so aus, als ob die an diesem Tag viel zu tun hätten „Oh Mann und der Penner an der Ecke wird fürs Rumsitzen beschimpft und hier wird man auch noch dafür bezahlt“, entfährt es jemandem der an mir vorbeiläuft. Ja so ist München und so war es auch schon immer seit ich es kenne. Sicherheit kommt in dieser Stadt einfach vor der Abwägung des Kosten-Nutzen Faktors.

Diesmal werden nicht 80 Gegendemonstranten festgenommen, wie beim letzten Mal. Einige Politiker hatten sich darüber bei der Polizeiführung beschwert. Aber ein paar Festnahmen gibt es trotzdem. Auf der Internetseite der Abendzeitung hört sich das folgendermaßen an: Auf der Seidlstraße hätten die Sicherheitskräfte erstmals energisch durchgreifen müssen. Eine Handvoll Gegendemonstranten sei durch die Absperrungen entlang der Demoroute geschlichen, mit einem Transparent hätten sie versucht, die Straße zu blockieren. Eine Demonstrantin habe sich vor ein Einsatzfahrzeug der Polizei geworfen und versucht, die dahinter marschierenden Neonazis zu stoppen. Die Demonstrantin sei von der Polizei vorübergehend festgenommen und abgeführt worden. Zwei Gegendemonstranten seien wegen Körperverletzung von Polizisten abgeführt worden, ein weiterer wegen Beleidigung.

Aber, so schreibt die Zeitung weiter, auch die Neonazis hätten für Ärger gesorgt. Einer der Rechten habe eine Maske mit dem Bild von Innenminister Wolfgang Schäuble getragen und sich im Rollstuhl schieben lassen. Hinter ihm sei ein Demonstrant gelaufen, der eine Maske mit dem Gesicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel getragen hätte. Die Sicherheitskräfte hätten daraufhin den Zug gestoppt und die Neonazis gezwungen, die Masken abzunehmen. Dabei sei ein Neonazi anscheinend ausgerastet und hätte einen Polizisten angegriffen. Der „Skinhead“, so heißt es weiterhin wurde vorübergehend festgenommen. Ebenso seien drei weitere rechte Marschierer von der Polizei „vorübergehend aus dem Verkehr gezogen“ worden. Auf einer rechten Internetseite lese ich, dass die Nazidemonstration von dem erst vor Kurzem gegründeten "Freien Netz Süd" organisiert worden war, als „Solidaritätsbeweis“ für den notorischen Holocaustleugner Horst Mahler. Insgesamt wurde er in den letzten Wochen in Landshut, München und Potsdam zu insgesamt 12 Jahren Haft verurteilt. Am Stachus endet die gigantische Polizeipräsenz, ich stürze mich ins Gewühl und entschwinde anschließend im "Untergrund".


Weiterführende Links:
 http://www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2009/04/08/196/
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Ergänzungen

Bildunterschrift zu Foto Nummer 3

Durchreisender 12.04.2009 - 20:04
"Unterdrückter Gegenprotest"

Sitzprotest der Nazis am Hauptbahnhof

Beobachter 12.04.2009 - 20:20
Nach der Naziinfo gab es einen Sitzstreik am Münchner Hauptbahnhof. Laut dem Live-Ticker der Veranstalter, hätten mehr als 100 Nazis einen Sitzstreik durchgeführt um einen Verhafteten freizupressen. Das angefügte Foto aus dem Ticker lässt allerdings weniger erahnen. Anschließend habe die Polizei die Sitzblockade eingekesselt, wobei es zu einer weiteren Festnahme gekommen sein soll.

Nazikader halten Reden

Informant 12.04.2009 - 20:29
Auf der Nazidemo haben einige alte und neue Nazis gesprochen: Norman Bordin soll den Anfang gemacht haben, auf der Zwischenkundgebung vor dem Justizgebäude sprach dann der aus Sachsen zugezogene Tony Gentsch (Freies Netz Süd) früher Bassist der Naziband "Braune Brüder".

Auch Edda Schmidt hielt vor dem Justizgebäude eine Rede. Die einstige Lustnauerin soll früher für die 1994 verbotene "Wiking-Jugend" (WJ) und für die WJ-Abspaltung "Jugendbund Sturmvogel" als Betreuerin aktiv gewesen sein. Inzwischen führt Schmidt den Mini-Kreisverband Zollernalb der NPD.

Der Himmelstädter Matthias Bauerfeind wurde 1984 geboren und war 2008 NPD Kandidat im kreis Main-Spessart. Er galt als Kopf der “Kameradschaft Main Spessart” welche Ende 2005 aus den alten Strukturen der “White Rebells Franken” hervor ging. Angeblich hat er laut Naziticker eine Einladung an die "Antifa" abgegeben sich doch am Mikrofon zu ihren Anliegen und Bedenken zu äußern.

Weiterführende Links

VerLinker 12.04.2009 - 21:53
Muc: Nazi-Aufmarsch wegen Horst Mahler
 http://de.indymedia.org/2009/03/245219.shtml

Muc: News zum Naziaufmarsch am 11. April
 http://de.indymedia.org/2009/04/246651.shtml

Ostermarsch mit ca. 500 Teilnehmern

Enrico der Clown 12.04.2009 - 22:03
Am Orleansplatz versammelten sich ab 10.45 Uhr ca. 500 Teilnehmer des offiziellen Ostermarsches. Ab 11 Uhr zogen sie über Weißenburger Straße, Pariser Platz, Metz-, Rosenheimer Straße und Ludwigsbrücke zum Isartor und durchs Tal zum Marienplatz. Die Nazis hatten vor Antifakundgebung sowie dem Ostermarsch gewarnt, da bei beiden Veranstaltungen damit zu rechnen sei dass es Ärger mit (Zitat:) "politisch nicht wohlgesonnenen Personen, bzw. der Polizei gibt".

Schlag ins Gesicht ohne Vorwarnung

Gegendemonstrant 12.04.2009 - 23:04
Nachdem wir aus dem Kessel in der Nähe des Hautbahnhofs rauß kamen begaben wir uns - mit der Erlaubnis einer Polizistin - zum Hauptbahnhof, wo wir auf Freunde, mit denen wir angereist waren, warteten. Nicht weit entfernt vom Hauptbahnhof standen wir in einer kleinen Gasse, als einige Polizisten auf uns zurannten und uns anbrüllten, wir sollten das Gebiet sofort verlassen. Wir erklärten ihnen, dass uns ihre Kollegin erlaubt hätte, auf unsere Kumpels zu warten, doch sie brüllten nur noch lauter. Plötzlich und ohne Vorwarnung schlug einer von ihnen mit samt Protektor-Handschuhen einem von uns direkt ins Gesicht, woraufhin wir flüchteten, jedoch nicht verfolgt wurden.

Ein weiteres Zeichen von Polizeigewalt und -Willkür in München. Neben diversen Schikanen wurde ich 7 mal abfotographiert, 4 mal durchsucht, mehrmals von Polizisten beleidigt und provoziert und immer wieder gestoßen und geschupst. Ich wurde Augenzeuge, wie ein Polizist eine ältere Dame zu Boden stieß, ich konnte beinahe mehr Zivilpolizisten als Demonstranten ausfindig machen, verbrachte 90% des Tages in diversen Polizeikesseln, wo ich immer wieder Schikaniert wurde, oder gar überhauptnichts sagen durfte (Zitat eines USK-Beamten: "Du hast nur zu Reden, wenn ich dich was Frage, also Halt jetz die Fresse!").

Pressespiegel

VerLinker 15.04.2009 - 08:26

Knast für Münchner Neonazi Philipp Hasselbach

Süddeutsche 16.04.2009 - 09:44
Trauermarsch mit Schlägerei

Neonazi zertrümmert die Kamera eines Fotografen - jetzt muss der rechtsextreme Täter ins Gefängnis

Der Münchner Neonazi Philipp Hasselbach muss ins Gefängnis: Das Amtsgericht verurteilte den 22-Jährigen am gestrigen Mittwoch zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung wegen Sachbeschädigung. Er hatte während einer Rechtsextremisten-Veranstaltung das Objektiv einer Journalisten-Kamera zerstört.

Es war ein großes Treffen der Neonaziszene aus ganz Deutschland im vergangenen Juli auf dem Friedhof St. Korona im Passauer Stadtteil Patriching: Friedhelm Busse war gestorben, jahrzehntelang einer der führenden Köpfe der Rechtsextremen. Unter den Trauergästen waren die NPD-Politiker Thomas Wulff, Udo Voigt, Sascha Roßmüller, Uwe Meenen und Matthias Fischer, die Kameradschaftsaktivisten Christian Worch und Siegfried Borchardt - und eben Philipp Hasselbach, in München einer der Vorstände der "Bürgerinitiative Ausländerstopp"; außerdem wird er auf der Website der "Freien Nationalisten München" als Verantwortlicher genannt. NPD-Chef Udo Voigt hielt eine Rede, Thomas Wulff legte eine Hakenkreuzfahne auf den offenen Sarg, was ihm später ein Strafverfahren einbrachte. Mehr als 100 Polizisten waren im Einsatz, die Leitung hatte der Passauer Polizeichef Alois Mannichl, auf den kurze Zeit später ein Messerattentat verübt wurde. Bei dieser Tat wurde zunächst ein rechtsradikaler Hintergrund vermutet, sie ist jedoch bis heute nicht aufgeklärt.

Nach der Beerdigung formierte sich die Trauergemeinde zu einem Zug mit Fahnen und Transparenten. Am Rande dabei: Der Journalist Tobias Bezler, der seit Jahren im rechtsextremen Milieu recherchiert. Er dokumentierte den Zug mit seiner Digitalkamera. Das gefiel einigen der Neonazis nicht - mehrfach forderten sie ihn auf, mit dem Fotografieren aufzuhören.

Wenig später eskalierte die Situation: Etwa 30 Rechtsextreme umringten Bezler, schlugen ihn, traten nach ihm, versuchten, ihm die Kamera zu entreißen. Schließlich ging der Fotograf zu Boden, wo die Neonazis weiter auf ihn eintraten, so dass sie ihm mehrere Rippen brachen. Im Verlauf des Geschehens war das Objektiv aus der Kamera herausgebrochen worden - so massiv, dass beide Teile irreparabel beschädigt wurden. Das Objektiv flog Philipp Hasselbach, der etwas abseits stand, vor die Füße. Und der sprang laut Polizeibeamten, die als Zeugen aussagten, mit beiden Füßen darauf, so dass es zertrümmert wurde.

Das Objektiv hatte einen Wert von etwa 450 Euro - das gäbe bei einem Ersttäter nicht mehr als eine Geldstrafe. Doch Philipp Hasselbachs Sündenregister ist lang. Neben typischen Neonazi-Vergehen wie Volksverhetzung enthält es auch Verurteilungen wegen Betrugs und Körperverletzung. Deshalb befand er sich zum Zeitpunkt der Tat auch in einer offenen Bewährung. Der Szene-Anwalt André Picker versuchte zwar noch, mit juristischen Winkelzügen seinen Mandanten vor dem Gefängnis zu bewahren, doch das half nichts: drei Monate Freiheitsstrafe - ohne Bewährung.

Artikel auf:  http://www.sueddeutsche.de/250389/731/2846770/Trauermarsch-mit-Schlaegerei.html

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Gefälschte SMS — Watson

Haha — fuck bordin

Nazis machen "Straßentheater" — Drunken Sailor

To be continued... — Kommissar Hunter

@ Gegendemonstrant — Ikarus

Naziaufmarsch — atropa

@Ikarus — name

gegen protest in regen — re: Kommissar Hunter

@ name — Ikarus

@ atropa — Kapitän Hook

@ Durchreisender — Versenden,

@ Ikarus — Träum´ weiter!

@ Versenden, — Ephraim