Internetzensur: Denic schaltet Wikileaks ab

e.goldstein 11.04.2009 11:58 Themen: Freiräume Medien Netactivism Repression
Kaum ist die Internetzensur vor zwei Wochen in Deutschland beschlossen worden, gibt es nun einen ersten Fall von politischer Zensur. Die deutsche Domain wikileaks.de wurde gestern abend von denic gesperrt. Wikileaks ist ein Nachrichtenprojekt, über welches geheime Informationen und Analysen veröffentlicht werden können und das sich sehr um die Erhaltung der Meinungsfreiheit im Internet bemüht.
Wikileaks wurde im Jahr 2006 von anonym bleibenden chinesischen Dissidenten, Journalisten, Mathematikern und Technikern von Startup-Unternehmen aus den USA, Taiwan, Europa, Australien und Südafrika gegründet um geheime Informationen und Analysen zu veröffentlichen (siehe:  http://de.wikipedia.org/wiki/Wikileaks).
Zuletzt engagierte sich Wikileaks gegen die in den meisten westlichen Ländern geplante Internetzensur und veröffentlichte eine geheime Filterliste der Australian Communications and Media Authority (ACMA), um zu belegen, daß von der Zensur nicht angebliche "Kinderpornographie", sondern auch politische Webseiten und private Weblogs betroffen sind.
In Deutschland wurde auf Initiative der Dresdener Staatsanwaltschaft in der Nacht vor dem Abnicken der Zensurliste die Wohnung des deutschen wikileaks-Domaininhabers durchsucht. Vorwurf: "Verbreitung kinderpornographischer Schriften". Laut Staatsanwaltschaft sei der Termin aber "rein zufällig" gewesen und es sei nichtbekannt gewesen, daß es sich bei wikileaks um ein international anerkanntes Pressemedium handele.
Gestern abend wurde nun die Domain wikileaks.de gesperrt, ohne daß Denic oder die Behörden zuvor mit dem Domainhaber Kontakt aufgenommen hätten. Aussagen eines Sprechers der ACMA gegenüber australischen Journalisten zufolge gab es auch keinerlei Amtshilfeersuchen gegenüber deutschen Behörden. Wikileaks stellt in einer Presseerklärung u.a. fest: "China - und nun Deutschland - sind die einzigen Laender dieser Welt, die versuchen eine ganze Wikileaks Domain zu zensieren."
Zuvor gab es bereits in den USA Versuche in einem Rechtsstreit mit dem schweizer Bank Julius Baer wikileaks zu zensieren, als Wikileaks Dokumente veröffentlichte, die die Steuerumgehung und das Verstecken von Vermögen auf den Kaimaninseln aufdeckten. Eine Sperrung der Domain durch einstweilige Verfügung wurde nach drei Tagen wieder aufgehoben.

Wikileaks ist weiterhin über internationale Domains der .org-registry zu erreichen. Siehe:  http://wikileaks.org/ und  http://wikileaks.org/wiki/Category:Germany

Presseerklärung von wikileaks zur Abschaltung der Domain:  https://secure.wikileaks.org/wiki/Deutsche_Wikileaks_Domain_ohne_Vorwarnung_gesperrt

Spendenaufruf: "Wer Wikileaks Bemuehungen gegen die Unterdrueckung von Pressefreiheiten durch deutsche Behoerden unterstuetzen moechte, kann dies ueber eine Spende tun."
 https://secure.wikileaks.org/wiki/Wikileaks:Donate

Artikel zur Hausdurchsuchung am 25.März:
 http://wikileaks.org/wiki/Hausdurchsuchung_bei_WikiLeaks.de_Domaininhaber
 http://wikileaks.org/wiki/Durchsuchungsbeschluss_Blog_wegen_Verlinkung_auf_Schutzalter_und_anwaltliche_Reaktion%2C_2009
"Razzia bei wikileaks.de-Domaininhaber" -  http://de.indymedia.org/2009/03/245078.shtml
"Dresden: Solidarität mit wikileaks.de" -  http://de.indymedia.org/2009/03/245137.shtml


Dokument "Bundestag: Sperrverfugung gegen Internet-Provider, 2009"
 http://wikileaks.org/wiki/Bundestag:_Sperrverfugung_gegen_Internet-Provider%2C_2009
Dokument "Vertragsentwurf BKA ISP, 11 Feb 2009"
 http://wikileaks.org/wiki/Vertragsentwurf_BKA_ISP%2C_11_Feb_2009


Artikel zu den Zensurlisten:
Westliche Internetzensur: Anfang vom Ende oder Ende vom Anfang?
 https://secure.wikileaks.org/wiki/Westliche_Internetzensur:_Anfang_vom_Ende_oder_Ende_vom_Anfang%3F


Im letzten Jahr wurde auch Wikipedia für einige Tage auf einen Internetfilter gesetzt:  http://netzpolitik.org/2008/wikipedia-in-grossbritanien-zensiert/

siehe auch:  http://de.wikipedia.org/wiki/Zensur_im_Internet
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Ergänzungen

Mahnwache geplant

updater 11.04.2009 - 12:23
Vorgestern einigten sich 5 deutsche Interprovider, die Internetzensur mit durchzusetzen...
Gegen die Unterzeichnung der Netzsperren-Verträge durch fünf große deutsche Internet-Provider am 17.04. wird es eine von zahlreichen Organisationen unterstützte Mahnwache geben.
 http://www.gulli.com/news/internetsperren-mahnwache-2009-04-11/

pherrex.de auch betroffen

... 11.04.2009 - 12:37
Die Domain pherrex.de vom gleichen Eigentümer gehört ist auch betroffen. Ist wohl die Webseite der Computerservice-Firma des wikileaks.de-Domaininhabers.

Alternative Zugänge

Arkanum 11.04.2009 - 15:32
Auch wenn die .de-Domain wegfällt, ist Wikileaks sogar ohne Nameserver unter der IP-Adresse 88.80.13.160 erreichbar!

Sollte die IP zensiert werden, was bisher nicht geschehen ist: wozu gibt es Proxys?

Merke: "Removing a document from the internet is like fishing pee out of a pool." ;-)

denic hält sich herraus

lotus83 11.04.2009 - 16:06
Die Denic kann in diesem fall gut die schuld von sich weisen.
Sie vergibt die registrierung und betreuung an sog. mitglieder.
diese können wie in diesem fall die betreuung der domain wikileaks.de abgeben.
in deisem fall verhält sie sich offiziell unpolitisch und ermöglicht es dem halter die betreuung jemand anders aufzutragen. möglich wären: ein anderer anbieter oder ein service der denic der diese aufgabe direkt übernimmt.
zwar ist es in bei wikileaks.de nicht so, dass die denic wikileaks zensiert, aber die hierarchische Struktur der Internetverwaltung an sich stellt ein problem dar.
da absehbar ist, dass die denic dauerhaft nicht ihre unabhängigkeit gegenüber der regierung bewahren kann, so wie sie sie schon gegenüber der gesetzgebung verloren hat, stellt sich die frage, ob eine solche machtkonzentration noch zeitgemäß ist.
vielmehr sollten die menschen überlegen ob sie ihr vertrauen nicht dezentraleren konzepten wie etwa opendns schenken sollten.
sichtbar ist, dass die denic mit ihrer struktur die macht hat domains effektiv zu zensieren.

temporäre Ersatzdomains

--- 11.04.2009 - 17:16
 http://www.wikileaks.de.vu/

 http://tr.im/wikileaks

Wer selbst Domains oder Subdomains besitzt, kann gegen die Zensur helfen, indem er/sie selbst Weiterleitungen auf  http://wikileaks.org anlegt und bekannt macht.

B und H

ja 11.04.2009 - 18:46

DENIC nicht unbedingt Schuld

J. 12.04.2009 - 00:11
Die Domain ist laut DENIC im TRANSIT-Status. Das kann vor allem dann passieren, wenn der bisherige Provider die Domain nicht mehr haben wollte. Das kann entweder so laufen dass irgendeine Behörde dort anruft und sagt "schmeißt raus oder wir machen euch fertig" und der Provider machts, oder per Gerichtsbeschluss (bezweifel ich), oder aber der Provider sagt "wir wollen da nicht mit reingezogen werden" und schmeißt die Domain raus. Es könnte natürlich auch sein dass DENIC die Domain in den Transit gesetzt hat, gegen den Willen des Providers, aber die anderen Möglichkeiten halte ich für wahrscheinlicher. Ich würde die Schuld daher weniger bei DENIC sondern eher beim bisherigen Provider suchen, zumindest solange er nicht behauptet nix damit zu tun zu haben. Weiß jemand welcher Provider das war?

Interessantes zu den Filterlisten

o_O 12.04.2009 - 10:20
Wirklich interessant ist der Punkt, daß Wikileaks nicht die komplette Zensurliste der ACMA veröffentlichte. Wikileaks veröffentlichte lediglich eine Liste der Webseiten, die zu
Unrecht unter dem Vorwand der Kinderpornografie zensiert wurden - etwa, weil sie politisch missliebigen Inhalt darboten oder halt zufällig drauf landeten.
Siehe Pressemitteilung  http://wikileaks.org/wiki/Deutsche_Wikileaks_Domain_ohne_Vorwarnung_
gesperrt
Diese falsche Information, Wikileaks hätte die gesamte Liste veröffentlicht und direkt auf Kinderporno verlinkt, wird für die Repression missbraucht.
Die Zensur und die Hausdurchsuchung ist eine rein politisch motivierte Repression, um Regierungskritiker mundtot zu machen. Vergleiche auch die Repressionswelle gegen Tor-Netz-Betreiber.

Seite wurde scheinbar nicht gesperrt

Heise-Leser 13.04.2009 - 17:50
In einer Heise.de-Meldung steht, dass der Vertrag zwischen dem Domain-Inhaber und dem Provider abgelaufen sei. Würde auch zum TRANSIT-Status passen:

 http://www.heise.de/newsticker/Wikileaks-de-Denic-wehrt-sich-gegen-Sperr-Vorwurf--/meldung/136096

Jetzt bleibt noch abzuwarten, was der Domain-Inhaber dazu sagt.

Viel Lärm um nichts

Poldi 13.04.2009 - 22:44
Der Titel dieses Beitrags sollte geändert werden. Es ist unwahrscheinlich und m.W. auch rechtlich nicht zulässig, daß die Denic einfach so Domains "abschaltet" und ist ziemlich reißerisch und wohl auch falsch gewählt worden.

Ich vermute, daß es sich ähnlich wie im Heise Artikel beschrieben abgespielt hat. Bei der Hausdurchsuchung vor einigen Wochen sind die Strafverfolgungsbehörden zunächst zu einer falschen Adresse gefahren, nämlich der, die für die Domain hinterlegt und offensichtlich nicht mehr gültig war.
Das würde auch erklären, warum die Kündigung des Denic Mitglieds, über den die Domain registriert wurde, den Domaininhaber nicht erreicht hat.
Es ist normales und auch richtiges Verhalten, die Domain dann irgendwann in den TRANSIT zu schieben.
Über dieses Verfahren ist die Domain nicht weg - im Gegenteil: es wird sichergestellt, daß der Besitzer der Donmain Gelegenheit hat, die Domain zu einem anderen Provider umzuziehen und sie nicht sofort von anderen Leuten registriert werden kann. Das ist alles, was der Besitzer der Domain machen muß, um wikileaks.de wieder "funktionsfähig" zu machen.

Ich denke, man sollte hier also nicht von einer plumpen Zensuraktion ausgehen, sondern nur von einem Provider und Denic Mitglied, der "kalte Füße" bekommen hat. Über die wahren Gründe, warum die Domain gekündigt wurde und die Domain somit im Transit gelandet ist, wird uns wikileaks hoffentlich noch aufklären.

Stellungnahme des Providers von wikileaks.de

Theartist 14.04.2009 - 09:49
Moin,
es gibt mittlerweile eine Stellungnahme des Providers. Es ist wohl kein Denicmitglied, sondern ein Reseller, der erstmal erreicht werden musste um die Gründe zu erfragen

 http://netzpolitik.org/wp-upload/wikileaksde_stellungnahme.pdf

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