Sinus-Studie, die Zweite

grrrrrrr 08.04.2009 02:42
Hier eine weitere Darstellung der Ergebnisse der Sinusstudie "über Migranten-Milieus in Deutschland".
Zunächst einmal: Diese Studie wurde obrigkeitsstaatlich und unter Brechung sämtlicher Datenschutzbestimmungen und Rechte der Befragten durchgeführt. Das NRW-„Kultus“-Ministerium ließ über die Schulen minderjährige SchülerInnen (ausschließlich Kinder von „Migranten“) dazu verpflichten, mit ihren Eltern bei der Befragung teilzunehmen! Das widerspricht allen ethischen Standards, die bei solchen Untersuchungen zu beachten sind.
Die Studie wurde durchgeführt im Auftrag von:
– Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Kultur
– Deutscher Caritasverband
– Konrad-Adenauer-Stiftung
– SWR Südwestrundfunk & Landesanstalt für Kommunikation Baden Württemberg
– vhw Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung e.V.
– Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
In der Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie heißt es dann u.a. (Quelle:  http://www.sinus-sociovision.de/Download/ZentraleErgebnisse09122008.pdf):
„Der Integrationsdiskurs in Deutschland erscheint im Licht der Untersuchungsbefunde allzu stark auf eine Defizitperspektive verengt (…).“

Das ist aber nicht Ergebnis sondern der Ausgangspunkt der ganzen Befragung, indem sie nicht die sozioökonomische Lage der Befragten untersucht sondern lediglich eine Typologie der Gruppe der Befragten aufstellt anhand der Zustimmung, deren Ausmaß unter solchen Umständen kaum verwundern dürfte, zu den zugeschriebenen „Lebenszielen“. Es wird der ausschließlich amtlich-populistisch gestiftete „Integrationsdiskurs“ an sich gar nicht in Frage gestellt. Obwohl ausdrücklich festgestellt wird:
„Man kann also nicht von der Herkunftskultur auf das Milieu schließen“,
geht die Untersuchung genau davon aus, indem sie „Migranten“ zum Gegenstand einer Typologie von Milieus erklärt. Daher ist die Studie auch wissenschaftlich fragwürdig, denn die Trennschärfe des Merkmals „Herkunftskultur“, das der Begriffsbildung „Migrant“ zugrundeliegt, ist in Bezug auf das Milieu gerade zu verneinen. Das zeigt, daß hier andere Ziele als wissenschaftliche Begriffbildungen eine übergeordnete Rolle spielen, nämlich die Gewinnung und Verbreitung von Stereotypen zur politischen Instrumentalisierung.
Das zeigt sich dann in einem geschönten Bild, das über eben das sozioökonomische Elend und den von derselben Regierung, die diese Befragung in Auftrag gegeben hat, betriebenen strukturellen Rassismus, hinwegtäuschen soll. So in einzelnen Aussagen wie z.B., eine „Ausgrenzung“ werde v.a. in den „Unterschichtenmilieus“ verstärkt empfunden, die „migrantischen“ Oberschichtmilieus seien hingegen gut integriert. Hier werden sozioökonomische und subjektive Faktoren einfach vertauscht: nirgendwo ist der ‚subjektive‘ Rassismus größer als innerhalb der „Oberschicht“, bei der „Unterschicht“ steht im Vordergrund des Begriffs „Ausgrenzung“ aber die sozioökonomische Marginalisierung. Etc.
Fop off!
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Ergänzungen

Methoden, Methoden …

Fred 08.04.2009 - 10:48
" […] dazu verpflichten, mit ihren Eltern bei der Befragung teilzunehmen! Das widerspricht allen ethischen Standards, die bei solchen Untersuchungen zu beachten sind."

Das ist, mit Verlaub, ziemlicher Mumpitz. Die amtliche Statistik kennt die verpflichtende Teilnahme durchaus, nämlich beim Mikrozensus. Auch die (natürlich anonymisierte) Verwendung prozessproduzierter Daten, z. B. vom Arbeitsämtern, zur wissenschaftlichen Forschung Bedarf keiner Zustimmung. Klar, man kann das kritisieren, aber dann darf man sich auch nicht um die Frage herumdrücken, auf welcher Datengrundlage fundierte Aussagen über die Situation von z. B. Arbeitslosen oder Migrantinnen und Migranten getroffen werden sollen. Die Schwierigkeit bei Erhebungen ist ohnehin, dass es einen sogenannten Mittelschichtsbias gibt, d. h. dass sich eher bildungsnahe, gutsituierte Personen beteiligen und gerade die armen, bildungsfernen Schichten, deren Situation man in den Blick bekommen möchte, sich nicht beteiligen. Die verpflichtende Teilnahme vor diesem Hintergrund als einzig gangbare Möglichkeit erscheinen.

So einfach, dass man das einfach alles als "Herrschaftswissenschaft" abqualifiziert sollte, man es sich nicht machen. Politik wird mit dem Kopf gemacht, und nicht mit dem Bauch und seiner Portion Halbwissen.