Sinus-Studie: Ohrfeige für die aktuelle Antidiskriminierungspolitik

Andreas Kemper 06.04.2009 17:15 Themen: Antirassismus Gender Soziale Kämpfe
Die Studie "Diskriminierung im Alltag" des Sinus-Instituts im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine schallende Ohrfeige für deren Politik.
Um es kurz zu machen: Die Bundesregierung weigert sich die soziale Benachteiligung als Diskriminierung aufzufassen. Die Bevölkerung weigert sich mehrheitlich, die Antidiskriminierungspolitik der Bundesregierung anzuerkennen.

Man kann erschüttert sein über die Befunde der Studie, die der deutschen Bevölkerung eine extrem diskriminierende Einstellung attestieren, wie dies zuvor schon die EU-Barometer taten. Wenn man überlegt, wie diese zu ändern ist, kann es jedoch nicht bei einem erschrockenen Kopfschütteln über die deutsche Misere bleiben.

Klassenspezifische Diskriminierungsmerkmale wie "Soziale Herkunft" und "Vermögen" finden sich zwar in der EU-Charta der Menschenrechte und eine Diskriminierung aus diesen Gründen ist verboten. Sie finden sich aber nicht in den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien oder im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Dabei findet für die überwiegende Mehrheit Diskriminierung vor allem gegenüber Armen statt in Form von sozioökonomischer Benachteiligung. Diese ist jedoch von der Bundesregierung gewollt. Sie folgt mit der Schaffung einer sozialen Ungleichheit vor allem in den Bereichen Alter und Gesundheit den Empfehlungen des 20-Punkte-Planes der "Fünf Wirtschaftsweisen" von 2002/2003. Ein horizontaler Ansatz, der alle Diskriminierungsmerkmale in gleicher Weise behandelt und einer intersektionelle Wahrnehmung von Diskriminierung folgt, wird weiterhin abgelehnt.

Unterstützt wird die Antidiskriminierungspolitik der Bundesregierung derzeit nur von wenigen privilegierten Milieus, die aber aufgrund der Nicht-Betroffenheit nicht als engagierte VerfechterInnen einer Antidiskriminierungspolitik zu gewinnen sind. Eine Antidiskriminierungspolitik könne laut der Studie nur dann auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, wenn diese zum einen sich selbst betroffen fühle und bereit wäre auch andere als die eigenen Diskriminierungsmerkmale gelten zu lassen. Obwohl die Werte "Gleichberechtigung" und "Soziale Gerechtigkeit" von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt würden, sei jedoch eine Aktzeptanz der derzeitigen Antidiskriminierungspolitik nicht in Sicht.

Von der Bundesregierung, der ja quasi das Antidiskriminierungsgesetz durch die EU aufgezwungen wurde, ist eine Erweiterung um klassenspezifische Diskriminierungsgründe nicht zu erwarten. Als Akteure kommen eher die Antidiskriminierungsgruppen in Betracht, die Antirassismus, Antisexismus und Antiheterosexismus fokussieren - diese sollten sich um eine nicht-hierarchisierende Diskriminierungspolitik bemühen und Antiklassismus in ihr Politikfeld integrieren.
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Ergänzungen

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Nixpeil 07.04.2009 - 19:02
Diese Studie ist einseitig und sagt im Prinzip nur aus das es die Menschen nen feuchten Dreck interessiert ob da jetzt Antidiskriminierungspolitik betrieben wird oder nicht. Auch wenn viele dann gerne den Schluß ziehen wollen das also explizit eine diskriminierende Politik gefordert wird, so ist dies dann noch lange nicht der Fall.

noch eine sinus-studie

dieter 09.04.2009 - 22:57
Hier gibt's noch eine Kritik einer weiteren Sinus-Studie, die es nicht in die Newswire-Liste geschafft hat:  http://de.indymedia.org/2009/04/246619.shtml

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