Straßenschlachten in Agri nach Wahlbetrug

Wahlbeobachterdelegation Agri 02.04.2009 22:42 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Am vierten Tag der Proteste gegen den staatlichen Wahlbetrug bei der
Oberbürgermeisterwahl in der kurdischen Stadt Agri kam es am
Donnerstag Abend zu schweren Straßenschlachten zwischen der türkischen
Polizei und jugendlichen Anhängern der linken kurdischen Partei für
eine Demokratische Gesellschaft DTP.
Bericht der Wahlbeobachterdelegation aus Agri / Nordkurdistan 2.April 2009

Aufstand gegen staatlichen Wahlbetrug in Agri

Straßenschlachten zwischen kurdischen Demonstranten und türkischer Polizei

Am vierten Tag der Proteste gegen den staatlichen Wahlbetrug bei der
Oberbürgermeisterwahl in der kurdischen Stadt Agri kam es am
Donnerstag Abend zu schweren Straßenschlachten zwischen der türkischen
Polizei und jugendlichen Anhängern der linken kurdischen Partei für
eine Demokratische Gesellschaft DTP. Die DTP hatte vor der
Wahlkommission Einspruch eingelegt, weil Tausende DTP-Stimmen bei der
Kommunalwahl am Sonntag für ungültig erklärt worden waren und so der
Kandidat der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP knapp
gewann. Es wurden auch verbrannte Wahlzettel im Müll gefunden.

Ab 11 Uhr beteiligten sich Tausende Teilnehmer an einer
Protestmahnwache vor dem Wahlbüro der DTP im Stadtzentrum.
Parlamentsabgeordnete der DTP sprachen und die Menschen tanzten zu
Guerillaliedern. Die Demonstranten riefen Parolen wie Vali
(Gouverneur) verpiss dich , Agri wird zum Grab von Erdogan werden
und Die Jugend ist bereit, sich für Apo (Abdullah Öcalan) zu opfern .
Als bis zum frühen Abend immer noch keine Entscheidung der örtlichen
Wahlkommission über Neuwahlen vorlag, riss jugendlichen
Kundgebungsteilnehmern der Geduldsfaden. Gegen 17 Uhr begannen zum
Teil vermummte Jugendliche die an der Hauptstraße aufmarschierten
gepanzerten Polizeieinheiten mit Steinen zu bewerfen. Die Polizei ging
sofort mit Tränengasgranaten, zwei Wasserwerfern und einem Räumpanzer
gegen die Demonstranten vor. Polizisten warfen auch selber mit
Steinen. Die Jugendlichen verschanzten sich in einer Bazarstraße
hinter einer brennenden Barrikade. Es gelang ihnen vorübergehend,
einen Wasserwerfer mit Steinwürfen zurückzudrängen.

Insbesondere die an den Auseinandersetzungen unbeteiligten
Kundgebungsteilnehmer wurden von der Polizei äußerst brutal
angegriffen. Ein Wahlbüro der DTP, in das sich vor allem Frauen und
ältere Menschen geflüchtet hatten, wurde von Wasserwerfern attackiert
und mit Gasgranaten beschossen. Polizisten in Uniform und Zivil
schlugen auf fliehende Frauen und ältere Menschen mit langen Knüppeln
ein und traten die am Boden Liegenden. Auch der Park einer Moschee
wurde mit Tränengas beschossen und dahin geflüchtete Menschen von der
Polizei gejagt und zusammengeschlagen. Die genaue Zahl der
Festgenommenen und Verletzten ist uns noch nicht bekannt.

Eine Armeeeinheit marschierte nationalistische Parolen rufend auf der
Hauptstraße auf. Mit Maschinengewehren ausgerüstete Panzerwagen fuhren
auf. Wir konnten zudem beobachten, wie Schusswaffen an die Polizisten
ausgeteilt wurden. Gegen 19 Uhr zogen sich die Jugendlichen zurück.
Polizisten besetzten die zentralen Plätze der Innenstadt. Demonstrativ
warf ein Polizist die Scheiben des DTP-Büros mit einem Stein ein.

Wieder einmal hat der türkische Staat seine demokratische Maske fallen
gelassen. Unsere Wahlbeobachterdelegation mit Teilnehmerinnen und
Teilnehmern aus Berlin, Köln und Karlsruhe schließt sich der Forderung
der DTP nach Neuwahlen in Agri an. Die bei den schweren
Polizeiübergriffen am Montag sowie am heutigen Donnerstag
Festgenommenen müssen freikommen. Gegen die Polizisten, die
unbeteiligte Kundgebungsteilnehmer angegriffen haben, müssen
disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden.

Im Anhang sind einige Fotos der heutigen Proteste. Auf Youtube.com
werden wir Videos von den Polizeiangriffen auf das DTP-Büro setzten.
Den genauen Link werden wir dann auf der Website des
Kurdistan-Solidaritätskomitees Berlin angeben.
www.kurdistan.blogsport.de Hier finden sich auch weitere
Hintergrundinformationen zu den Kommunalwahlen in der Türkei und dem
Wahlbetrug in Agri.

Kontakt zur Wahlbeobachterdelegation: 0090-534 295 37 51

Videos:
 http://www.youtube.com/watch?v=FXdEIyW7_-k&feature=channel_page
 http://www.youtube.com/watch?v=SNPaDbBsj9M&feature=channel_page
 http://www.youtube.com/watch?v=NBYCNCrVrRE&feature=channel_page
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Ergänzungen

Steinewerfender Polizisten (zum Foto oben)

Wahlbeobachterdelegation Agri 03.04.2009 - 08:49
Der steinwerfende Mann auf dem Foto am Artikelbeginn ist ein Polizist (mit Schlagstock und Schutzweste), das ist vielleicht nicht ganz so klar erkennbar.

rotes wasser?

--- 03.04.2009 - 12:04
weiß jemand, was dem roten wasser beigemischt ist, welches aus den wasserwerfern gefeuert wird?

rotes wasser

christa 03.04.2009 - 12:46
Nach Berichten von Menschen vor Ort ist es einerseits Farbe, um die menschen zur FEstnahme zu markieren, andererseits ein Kampfstoff der zu starken Hautreizungen führt. Ob das CN oder was anderes ist weiß ich auch nicht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Guter Artikel — Erbsenzähler

Scheiß Sexismus — Mein Name

respekt an die Delegation — r. müller