Weitere Proteste in Agri nach Wahlbetrug

Delegation in Agri 02.04.2009 11:43 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Kurzer Zwischenbericht der Delegation in Agri
wir sind heute Mittag nach Agri gefahren. Die Stadt war problemlos zu erreichen, vom Ausnahmezustand von Montag Abend war nichts mehr zu spüren. Die DTP hatte eine mehrstündige Mahnwache mit einigen Hundert Teilnehmern vor dem DTP-Wahlbüro im Zentrum veranstaltet. Neben Musik – auch Guerillaliedern – sprachen auch zwei DTP-Abgeordnete. Die Menschen skandierten Parolen wie „Agri wird das Grab von Erdogan werden“ und „Wir sind die PKK“. Die Polizei war in den Seitenstraßen mit Robocops, Zivilbullen mit Knüppeln, Panzerwagen und Wasserwerfern präsent. Ein vermummtes Özelteam mit Schnellfeuergewehren war auch in der Nähe. Außerdem fuhren Panzerwagen mit aufgesetzten MG durch die Straßen. Es blieb aber alles ruhig.

Die erste Instanz der Wahlkommission hat heute entschieden, die Beschwerde der DTP zurückzuweisen, da die ungültigen bzw. ungültig gemachten Stimmen das Wahlergebnis nicht beeinflusst hätten. Nicht berücksichtigt wurden dabei freilich andere Manipulationen. Z.B. waren in mehreren Wahllokalen bei der Auszählung keine DTP-Beobachter zugelassen. Am Mittwoch soll um 13 Uhr die Entscheidung der zweiten Instanz der Wahlkommission fallen. Es wird hier ebenfalls von einem negativen Bescheid ausgegangen. Die DTP hat für 13 Uhr erneut zu einer Kundgebung aufgerufen. Wenn die Forderung nach Neuwahlen abgelehnt wird, könnte es zu größeren Protesten kommen. Eine dritte Instanz der Wahlkommission befindet sich in Ankara und könnte dann immer noch angerufen werden.

Ein Vertreter des islamischen Menschenrechtsvereins Mazlum Der berichtete uns, dass bei den Protesten am Montag Polizeiprovokateure anwesend waren, von denen militante Aktionen ausgingen. So sind hier alle Bankenfenster beschädigt worden. Diese Aktionen dienten der Polizei dann als Vorwand, mit Tränengas, Wasserwerfern und scharfen Schüssen gegen die Demonstranten vorzugehen. Zivilbullen haben dabei Demonstranten mit Eisenstangen zusammengeschlagen. 18 Personen wurden festgenommen.
Rund 100 Verletzte haben sich nicht ins Krankenhaus getraut aus Angst vor Repressionen. Von den zwei Schwerverletzten wurde einer mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. Den anderen haben wir heute im staatlichen Krankenhaus besucht. Es ist ein 45 jähriger Mann, den die Bullen mit einer Eisenstange am Kopf getroffen haben. Außerdem hat er eine Armverletzung. Der verletzte Freund erzählte, dass ihn die Polizei in der Vergangenheit schon 11 Mal gefoltert habe. So wurden ihm von den Folterern die unteren Schneidezähne ausgeschlagen. Er hat aber viel mehr über die Unterdrückung des kurdischen Volkes als über sein eigens Schicksal gesprochen. Er machte einen kämpferischen und in keinster Weise eingeschüchterten Eindruck. Nach einer Viertelstunde kamen dann Krankenhausmittarbeiter, Polizisten und offensichtliche Geheimdienstleute und zwangen uns, dass Zimmer zu verlassen. Uns wurde Tee angeboten. Dabei versuchten die Leute, uns Informationen zu entlocken. Schließlich verkündete uns die Krankenhauschefin, wir bräuchten eine Genehmigung des Valis (Gouverneurs), wenn wir mit dem verletzten Freund sprechen wollten. Es handle sich um keinen normalen Patienten, da er an den Auseinandersetzungen am Montag beteiligt gewesen sei. Wir willigten ein, zum Vali zu fahren und zu fragen, warum wir nicht einem verletzten Freund einen privaten Besuch abstatten könnten. Doch der Vali war schon weg.
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Ergänzungen

Journalistische Grundfertigkeiten

Erbsenzähler 02.04.2009 - 23:34
Ich möchte eure Entschlossenheit, dem kurdischen Volk durch Besuche und Berichterstattung zu helfen, nicht miesmachen, aber wenn ihr nicht mal erwähnt, wo Agri liegt, wer die DTP ist, wann der mutmaßliche Wahlbetrug stattgefunden hat, erscheint der gesamte Artikel in einem unseriösen Licht. Sämtliche Informationen (Kommunalwahl in der Türkei, Mutmaßlicher Betrug bei dieser Wahl, Demo mit Polizei-Repression) sind entweder nicht erwähnt oder so geschrieben, als ob jeder wüsste, dass sie stattfanden. Ansonsten gibt es ein Interview ohne weiteren nachprüfbaren Informationsgehalt sowie den Hinweis, dass Krankenhausleitung und Lokalpolitiker anscheinend nicht kooperationsbereit sind und der Geheimdienst wohl am Start ist. Mit solchen Artikeln muss man sich nicht wundern, wenn Indymedia eine Kommunikationsplattform von Leuten bleibt, die sich eh mit dem Thema beschäftigt haben, anstatt wirklich als Nachrichtenquelle für den "Normalbürger" von Nutzen zu sein.
Wer? DTP = „Partei der demokratischen Gesellschaft“
Was? Kommunalwahl, Betrugsvorwürfe, Demonstration mit Repression
Wann? So,29.03. Mo,30.03. Mi,09.04.?
Wo? Agri/Kurdistan/Ost-Türkei
Wie? OK, Ungültig gemachte Stimmen und die Repressionsmaßnahmen auf der Demo habt ihr benannt
Warum? Nationalismus, Unterdrückung der Kurden
Welche Quelle? OK, den Islamischen Menschenrechtsverein habt ihr benannt
Dazu noch Begriffe wie "Robocops", "Özelteam", naja...
Sorry, und viel Erfolg da drüben noch.