Münster: Christ_innen blockiert!

antisexistisches Bündnis 14.03.2009 23:07 Themen: Antifa Gender
Der für heute, 14. März, in Münster (Westf.) geplante Kreuzzug christlich-fundamentalistischer Abtreibungsgegner_innen konnte für 2 Stunden blockiert werden. Ein antisexistisches Bündnis hatte zu kreativen Gegenprotesten geladen.
Es lief von Anfang an nicht segensreich für die selbsternannten "Lebensschützer" aus Münster und anderen Teilen der Republik, mobilisiert durch die christlich-fundamentalistische Organisation "Euro Pro Life". Hatte die lokale Presse beim letztjährigen Kreuzzug noch 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt, waren es in diesem Jahr vielleicht 200.

Verhagelte Rosenkränze

Der religiöse Wahn auf Beinen traf sich um 14.00 Uhr in der Münsteraner Aegidii-Kirche zum besinnlichen Auftaktgottesdienst und zur Durchführung eines "schmerzhaften Rosenkranzes". Doch mit der Besinnlichkeit war es spätestens um 14.30 Uhr vorbei, als partywütige Personen die bis dato reichlich zugeknöpfte Veranstaltung mit Konfetti, Kondomen und Aufklärungsflyern auflockerten.

Doch auch der lustigste Gottesdienst hat irgendwann ein Ende. Gegen 15.00 Uhr wurde sich vor der Kirche formiert, um die Kamerad_innen auf dem eigentlichen Auftaktort des Kreuzzuges, dem Domplatz, abzuholen. Die Christ_innenschar kam keinen Meter weit - eine Blockade durchkreuzte bereits hier ihren Zug. Ca. 100 Personen stellten sich den Fundamentalist_innen in den Weg - etwa die gleiche Anzahl stand um die vom Donner gerührten Kreuzträger_innen herum und informierten: "Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder werden alle queer!".

Die Polizei war zwar inzwischen anwesend, aber völlig überfordert und musste zwei Stunden lang auf Verstärkung von ausserhalb warten. In der Zwischenzeit stimmten die homosexualitätsfeindlichen Kreuzanbeter_innen das ein oder andere "Ave Maria" an und schwadronierten in frauenfeindlichen Tönen wie: "Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, dann hatte sie wahrscheinlich keinen richtigen Draht zu Gott."

Satanischer Kondomregen

Erst dann kamen die himmlischen Heerscharen in Erzengelgrün und sorgten für Recht und Rettung, indem sie die satanische Blockade kesselten, zur Seite schoben und bis ca. 20.00 Uhr festhielten.
Erst jetzt konnte sich der Kreuzzug in Bewegung setzen - doch auch jetzt alles andere als ungestört. Die Spitze übernahmen ein antisexistisches Transpi und "My body - My choice"-Schilder.
Andere Gegendemonstrant_innen mischten sich kreativ unter den Zug, warfen auch hier mit Kondomen und Konfetti oder begleiteten ihn lautstark von der Seite mit Parolen wie "Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland - Abtreibung in Frauenhand!" Die Recht(s)gläubigen waren reichlich schockiert, als Protestierende ihnen verkündeten, sie würden noch alle in der Hölle braten.

Vernageltes Weltbild

Die in diversen Städten veranstalteten Gebetszüge "1000 Kreuze für das Leben" werden organisiert von verschiedenen christlich-fundamentalistischen Organisationen, die sich unter dem begrifflichen Dach des "Lebensschutzes" vernetzen.

Selbsternannte "Lebensschützer" zählen zum extrem rechten Flügel innerhalb der christlichen Kirchen. Hinter der Maske "lebensbewahrender" Friedfertigkeit verbirgt sich ein reaktionäres Weltbild, welches sich grob mit den Schlagworten Frauenfeindlichkeit, Homosexualitätsfeindlichkeit, völkisches Denken, Shoarelativierung kritisch umreissen lässt.

So zeigen beispielsweise die aktuellen Debatten um die Rehabilitierung der erzreaktionären Piusbruderschaft durch einen erzreaktionären Papst oder die Exkommunikation der Mutter eines neunjährigen Mädchens, das nach einer Vergewaltigung abgetrieben hatte (vgl.  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29872/1.html), das Spektrum auf, in dem sich auch der christliche angebliche "Lebensschutz" bewegt.

Nur einige wenige Beispiele von vielen:
Immer wieder wird in diesen Kreisen beispielsweise Abtreibung als "Babycaust" mit der Shoa gleichgesetzt.
Gemeinsam ist den AbtreibungsgegnerInnen vor allem ihr reaktionäres Frauenbild: die Frau als Hausfrau und Mutter (möglichst vieler Kinder), die hierin ihr biologisches Schicksal erfüllt und ihre persönliche Erfüllung findet.
Nicht nur ideologisch bestehen Schnittstellen zum organisierten neonazistischen Spektrum - regelmäßig nehmen Neonazis an derartigen christlich-fundamentalistischen Kreuzzügen teil. So reihten sich im Herbst letzten Jahres in München bei einen vergleichbaren "Lebensschützer"-Aufmarsch wie in Münster dutzende Faschist_innen ein (vgl.  http://asabm.blogsport.de/2008/10/05/chaos-marsch-der-lebensschuetzer/). Auch heute nahmen bekannte Neonazis aus Münster an dem unheimlichen Zug teil.
Homosexualität wird in christlich-fundamentalistischen Kreisen allgemein als "Krankheit" oder "Strafe Gottes" angesehen - dementsprechend ist für homosexuelle Menschen in ihrem Denken kein Platz. In München wurde beispielsweise ein küssendes homosexuelles Pärchen mit einem grossen Holzportrait der "Jungfrau Maria" tätlich angegriffen (Link s.o.).



Fazit:
Nachdem die extrem rechten Abtreibungsgegner_innen im letzten Jahr ungestört durch Münsters Straßen ziehen konnten, um ihre shoarelativierenden, frauen- und homosexualitätsfeindlichen Einstellungen unter dem Deckmantel des "Lebensschutzes" zu verbreiten, stießen sie in diesem Jahr auf vielfältigen Widerstand. Ein voller Erfolg für das antisexistische und feministische Bündnis, dem es gelang, mit einer relativ kurzen Mobilisierungszeit von ca. drei Wochen einen bunten und kreativen Protest zu organisieren. Zudem gelang es, den Sinn des Protestes durch eine Vielzahl von Flyern auch Passant_innen zu vermitteln. Trotzdem Münster als eine erzkatholische Hochburg gelten muss, bekamen die Protestierenden viele viele positive Rückmeldungen auf ihre Aktionen.
Ein riesiges Dankeschön an alle, die dabei waren und geholfen haben!

Hintergrund und weitere Informationen...
... Grundsätzliches zum Thema:
 http://de.indymedia.org/2008/09/226357.shtml
 http://asabm.blogsport.de/2008/10/16/analysekritik/

... zu den Ereignissen in Münster:
 http://muenster.antifa.net/eam

...organisierter Widerstand gegen die "1000 Kreuze-Märsche":
Bündnis München:  http://asabm.blogsport.de/
Bündnis Berlin:  http://no218nofundis.wordpress.com/

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Parolen zum Üben für´s nächste Mal - in Münster und anderswo:
- "Religion ist Scheisse und Opium fürs Volk - wir entscheiden selber, auch wenn ihr das nicht wollt."
- "Wir werden euch suchen, wir werden euch finden - wir sind die Strafe für eure Sünden."
- "Alerta, alerta - Antisexista!"
- "Freie Entscheidung - Beratungsschein ins Klo - Selbstbestimmung sowieso!"
- "Hät´ Maria abgetrieben, währt ihr uns erspart geblieben."
- "Kämpft und leistet Widerstand - gegen den sexistischen Normalzustand!"
- "We are here and we will fight - abortion is every womens right!"
- "Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland - Abtreibung in Frauenhand."
- "Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat."
- "Schlechtes Wetter, harte Zeiten - für den Feminismus fighten!"
- "Wir sind viele, wir sind wild - wir scheissen auf´s herrschende Frauenbild!"
- "Wir sind eine kleine, radikale Minderheit, fürchtet euch nicht - doch eines Tages werden wir siegen, das Patriarchat wird unterliegen - fürchtet euch doch!"

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Ergänzungen

bisschen weniger ironie

wäre vielleicht gut gewesen 15.03.2009 - 12:06
ihr beschwert euch das dort abtreibung als "babycaust" bezeichnet wird,
und dadurch der holocaust verharmlost wird.
aber selbst bezeichnet ihr ein paar arme irre, die mit kreuzen durch die stadt rennen
als kreuzzügler? nochmal im geschichtsbuch nachschlagen, ob der vergleich nicht genauso
hinkt, wie der der gegenseite...

Polizeischikane

Ergänzer_in 15.03.2009 - 13:40
Gleich am Anfang wurden einige Personen von der Polizei zusammen getrieben und gekesselt diese mussten eine halbe Stunde warten bis sie wieder frei kamen. Ihnen wurde jegliches untersagt, so durften sie nicht auf Toilette gehen, haben als Grund gesagt gekriegt:"Es seien mehrere Demos angemeldet, und sie sehen aus wie Potentielle Teilnehmer_innen". Alle Personen die sich in dem Kessel befanden mussten ihre Personalien abgeben und wurden Überprüft.
Die besagten Personen ca 15 Leute wurden zusammen getrieben und ihnen wurde dann gesagt dass sie eine Versammlung seihen, doch dass die Polizei die vereinzelten Gruppen zu einer Versammlung gemacht haben wollten sie nicht wahr haben.
Ihnen wurde desweiteren nur der Name des Einsatzleiters an dem Tag genannt: Herr Kramer.

kreuzzügler

jan 15.03.2009 - 14:04
zum thema shoarelativierung und relativierung der kreuzzüge bzw. ihrer teilnehmer wollte ich nur kurz anmerken, als Kreuzzügler bezeichnet man jeden der "das kreuz nahm". das betrifft nicht nur igendwelche ritter/soldaten/berufsmörder sondern auch kinder, mönche und priester. kreuzzügler beschreibt einfach militarisierte christen, ist also in diesem zusammenhang völlig korrekt.

Kondome auf reaktionäre Christen

http://www.jungewelt.de 15.03.2009 - 22:40
Bei einer Demonstra­tion von Abtreibungsgegnern hat die Polizei am Samstag in Münster 129 Gegendemonstranten teilweise für Stunden eingekesselt. Wie die Behörde laut WDR mitteilte, hatten die Aktivisten mehrmals den Demonstra­tionszug der rund 150 Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen behindert. Die seit Jahren in mehreren Städten veranstalteten Gebetszüge »1000 Kreuze für das Leben« werden von christlich-fundamentalistischen Gruppen organisiert, unter die sich immer wieder Neonazis mischen.

Nach Berichten von Gegendemonstranten wurde schon der Auftaktgottesdienst der Fundamentalisten gestört. Auf der Straße seien sie dann mit Konfetti und Kondomen beworfen worden.

Nicht nur Euro Pro

Schicksal 16.03.2009 - 00:04
Ein Bekanntes Gesicht in der "Euro Pro life" demostration. Er ist der autonomen nationalen Scene zuzuordnen. Laut Informationen ist er aus dem Umfeld Reihne bekannt, allerdings auch in Münster aktiv. Der Mensch mit der günen Jacke ist bereits im vergangen Jahr in Müster zusammen mit anderen Nationalisten erkannt worden.

Pauschalisierung hilft nicht!

name 16.03.2009 - 01:22
Echt schade, dass hier nicht nur gegen ein paar Menschen, die scheinbar die letzten hundert jahre verschlafen haben Stimmung gemacht wird, was absolut berechtigt ist.
Statt dessen wird von 150 Leuten, die in Münster auf nem Kreuzzug o. ä. sind auf die gesamte katholiche oder alle christlichen kirchen geschlossen, was unberechtigt und schade ist.
wer das tut, hat genau so unrecht wie der, der von den taten der RAF und den maikrawallen jährlich in berlin auf die gesamte linke szene zu schließen versucht.
Die kirchen sind ähnlich pluralistisch wie der rest der gesellschaft, fundamentalisten wie die hier in Münster sind in den großen dt. kirchen zur zeit recht isoliert - weiterhin gibt es viele kirchliche institutionen, die sich der sorgen und nöte der menschen - ALLER MENSCHEN - so annehmen, dass sich viele der ja ach so menschenfreundlichen kirchenhasser ruhig ne scheibe abschneiden könnten - und kirchenasyl und transfairkaffee sind hier häufiger zu finden als im AZ um die ecke!

wer alle in einen topf schmeißt, muss noch viel lernen!

Artikel in der Borkener Zeitung:

Leserin 16.03.2009 - 02:01
Das Thema Abtreibung polarisiert nach wie vor: Eine Kundgebung von Abtreibungsgegnern rief am Samstag über 100 meist junge Gegendemonstranten auf den Plan. Demonstranten und Gegendemonstranten standen sich in Höhe der Aegidiistraße gegenüber. Über eine Stunde lang ging hier nichts mehr. Erst durch einen massiven Polizeieinsatz, bei dem 129 Gegendemonstranten festgesetzt und die Personalien festgestellt wurden, konnte der Gebetszug der Abtreibungsgegner seinen Weg bis zum Domplatz fortsetzen.(...)

Ganzen Artikel lesen:  http://www.borkenerzeitung.de/lokales/muenster/nachrichten/998152_Protest_gegen_Abtreibungsprotest_Polizei_setzt_129_Demonstranten_fest.html

Zahlendifferenzen

Schmalhans Küchenmeister 16.03.2009 - 18:55
Die Tatsache, dass in Medien und Polizeipressemitteilung zuvor von 129 und später von 26 separierten Gegendemonstranten die Rede ist, wie auch diejenigen Fotos, welche nicht nur Demoausschnitte(!) sondern Gesamteindrücke zeigen, beweisen doch, dass es sich (wenn man bedenkt, dass sogar nicht wenige Leute sich dem Polizeizugriff entziehen konnten) um weit mehr als 150 Gegendemonstranten handelte. Dennoch sprechen die Printmedien und ihre Internetartikel in Überschriften und Kopfzeilen lediglich von "ca. 150 Abtreibungsgegner" und "über 100 Gegendemonstranten".

In Tat und Wahrheit jedoch waren die Teilnehmer des Kreuzesmarsches den Abtreibungsbefürwortern zahlenmäßig weit unterlegen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

kjli, — ghd

Sprüche — sdf

Religion — Qwert Zuiop

Verbesserung — Qwert Zuiop

Super Aktion — Anarcho-Syndikalist

Schlimm, — Giordano

Reflections? — Nixpeil