Mecklenburg-Vorpommern: Browntown Lübtheen

Paul B. 14.03.2009 01:12 Themen: Antifa
Die Strukturen im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust verfestigen sich zusehends. Der ehemalige DLVH-Aktivist Philipp Steinbeck kaufte sich nun kürzlich ein weiteres Haus.
Nachdem Philipp Steinbeck bereits im letzten Jahr durch den Kauf des Lübtheener Veranstaltungssaals „Volkshaus“ für Aufsehen sorgte und seinen Besitz im Sommer noch einmal um einen Garagenkomplex und ein Wohnhaus erweiterte, kehrte in der Berichterstattung über Lübtheens rechte Szene für einige Monate Ruhe ein. Die Befürchtungen ein Nazi-Zentrums könnte entstehen, wurden durch die Auflage keine politischen Veranstaltungen im „Volkshaus“ stattfinden zu lassen vorerst entkräftet. Nun sorgt ein weiterer Erwerb des „Schlossherren“ für Aufsehen. Anfang diesen Jahres erwarb er einen ganzen Wohnblock in der Paulstraße (Nr. 7 und 9).

Die andere Seite des Gutsherren

Anfangs versuchte sich Steinbeck im Landkreis noch als stattlicher Retter und Restaurateur verfallener Schlösser zu inszenieren. Er kaufte sich ein großräumiges Gutshaus im direkt vor Lübtheen gelegenen Jessenitz und danach das ruinierte Schloss Bernstorf, welches er versprach komplett in Stand zu setzten.Doch alsbald drohte der Glanz aus alten Zeiten wieder zu verfliegen, als man sich Gewahr wurde, mit wem man es eigentlich zu tun hatte. Der Gutsherr in Spe ist in der rechtsradikalen Szene nämlich kein Unbekannter. Als persönlicher Freund des NPD-Landtagsabgeordneten und notorischen Antisemiten Udo Pastörs bezeichnet er sich hingegen dennoch. Das er ihm auch politisch nicht allzu fern steht, lässt ein Blick in seine Vergangenheit vermuten. 2008 besuchte er seinen Freund nämlich während einer Plenarsitzung im Schweriner Landtag. Die Tatsache das er mit ihm auch geschäftlich verkehrt ist da nur ein weiterer Punkt der stutzig macht. So verkaufte er bereits Anteile einer seiner Unternehmen an Udo Pastörs. In einem seiner anderen Unternehmen hingegen war bereits der vorbestrafte Neonazi und ebenfalls NPD-Mitglied Thomas Wulff beschäftigt. Die Kontakte in die Hamburger Naziszene des Unternehmers Philipp Steinbeck gehen indes noch tiefer. So wurde er von Journalisten auf einer Kundgebung des NPD-Anwalts Jürgen Rieger, vor dessen Anwesen in Hamburg-Blankenese gesehen und darauf auch im angeregten Gespräch mit eben diesem in seiner Villa.[1]
Dazu passt auch Steinbecks eigene politische Vergangenheit. So arbeitete er laut einem Zeitungsbericht der TAZ in den 90er Jahren als Fraktionsmitarbeiter der rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) in Kiel.[2]

Braunes Siedlungsprojekt in der Region

Biografien dieser Art sind im Landkreis Ludwigslust jedoch keine Seltenheit. Seit Ende der 90er Jahre beklagen Szenekenner und zivilgesellschaftliche Initiativen den konzentrierten Zuzug rechtsradikaler Funktionsträger aus Hamburg und ganz Nordwestdeutschland. Ähnlich wie bei den Anhängern der „Artamanen“ im Raum Güstrow kann hier von einem regelrechten Siedlungsprojekt gesprochen werden.
Das ehemalige Mitglied der verbotenen „Wiking-Jugend“ (WJ) Udo Pastörs wohnt mit seinem neuerbauten Gehöft nach Vorbild eines „Wehrhofes aus dem Memelland“ beinahe in Sichtweite von Philipp Steinbeck. Auch der bereits erwähnte Thomas Wulff wohnt lediglich wenige Kilometer entfernt. Sein Einzug in ein altes Gutshaus, zusammen mit dem vor kurzem noch als „unbekannten Randalierer“ von der Rostocker Polizei gesuchten NPD-Funktionärs Michael Grewe, 1999 zog erstmals überregional Aufmerksam auf die Region.
Damals wurde, nicht zu unrecht, befürchtet das mit dem Mehrfamilienhaus der beiden in der verschlafenen Ortschaft Teldau ein Nachfolgeprojekt des berüchtigten und 1998 geschlossenen Nazi-Zentrums „Hetendorf Nr. 13“ geplant war.[3]
Wulff, Grewe und Pastörs folgten noch unzählige weitere Nazi-Aktivisten. Dies fiel auch dem niedersächsischen Verfassungsschutz auf, seine Begründung für die Attraktivität dieser Region war genauso einfach wie schauerlich: „Keine Ausländer, keine Antifa – und die Gebäude sind recht günstig“. Die Tatsache das in einschlägigen Zeitschriften der Szene bereits Werbeanzeigen auftauchten, die für die Umsiedlung in die Region warben, beweisen wie attraktiv die Bedingungen in dieser Gegend für Neonazis geworden sind.[4]

Konfrontationen im Alltag

Spätestens seit dem öffentlich Aufschrei und der nachfolgenden bundesweiten Berichterstattung anlässlich der Landtagswahl im September 2006 ist allen im Landkreis klar, was für ein Problem die braunen Siedler mit sich brachten. Die alltägliche Auseinandersetzung mit überzeugten Nazis ist seitdem Alltag geworden. Erschwert durch strukturelle Probleme und Politikverdrossenheit wurde der ein oder andere Kampf auch schon verloren. Der Einzug der NPD in den Landtag mit 7,3% gilt in diesem Zusammenhang nur als offensichtlichstes Beispiel, die Auswirkungen sind meist jedoch wesentlich gravierender. Die Versuche eines Lübtheener Sportvereins mittels der Veränderung der Vereinstatuten die Nazis fernzuhalten ist da einer der wenigen Lichtblicke in diesen Tagen. Oft zeigt sich jedoch, wie zum Beispiel in der Auseinandersetzung um das „Volkshaus“, dass die angestrebten Lösungen und Kompromisse der zivilgesellschaftlichen Akteure bereits dann als Erfolg gewertet werden, wenn lediglich ein Imageschaden von der Gemeinde abgewehrt wird. Dass viele der Aktionen zwar gut gemeint sind, aber über Symbolpolitik, wie etwa dem Besuch des Bundespräsidenten Horst Köhler, nicht hinausgehen macht sie in vielen Fällen ineffektiv.

Paul B.


Fußnoten:
[1] Vergleiche mit „Zuschlag geht nach rechts“ von Andrea Röpke und Andreas Speit in TAZ vom 09.09.2008 (auch online unter www.taz.de)
[2] Die DLVH wurde auch von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns als „rechtsextrem“ eingestuft. Siehe dazu die Drucksache 2/2832 vom 03.07.1997 „Kleine Anfrage“ von Peter Ritter
[3] Vergleiche „Kahlschlag in Amholz“ von Andreas Speit, veröffentlicht am 23. Februar 2000 in der Wochenzeitung „Jungle World“ Nr. 8/2000. (auch online unter www.jungle-world.com)
[4] Vergleiche mit dem Beitrag über die HDJ und die Siedlungsbewegung im Landkreis Ludwigslust von Andrea Röpke in „Provokation als Prinzip“, erschienen 2008, Schwerin, und Herausgegeben von Volker Schlotmann und Mathias Brodkorb
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