Veranstaltung über Repression in den USA

Kurt Sonntag 14.03.2009 00:00 Themen: Repression Weltweit
Nach Obamas Wahl zum neuen Präsidenten der USA hatte wohl niemand ernsthaft damit gerechnet, dass es zukünftig Fairness im Umgang mit politischer Opposition geben würde. Aber es war schon erwartet worden, dass es konkrete Schritte in eine andere Richtung geben wird. Vor einigen Tagen fand eine Veranstaltung in Berlin mit Robert Meeropol über den gegenwärtigen Stand, Ursachen und Ausblicke von politischer Repression statt.
Als die Regierung der USA 1953 das Ehepaar Rosenberg hinrichten ließ, zerstörte sie damit nicht nur das Leben von zwei politisch Aktiven sowie in Folge die damalige KP der USA. Die Rosenbergs hatten zwei sehr junge Söhne. Einer davon, Robert Meeropol, war am 10. März in der Ladengalerie der Tageszeitung Junge Welt zu Gast und berichtete über seine Jugend als Linker in der von McCarthy Ära, die Todesstrafe in den USA sowie die innenpolitische Stimmung der gerade vergangenen Jahre unter der Bushregierung. Ein besonderes Augenmerk warf er auf die aktuellen Gesetzesverschärfungen in den USA, die politischen Widerstand als Terrorismus umdefinieren.

Zu Beginn las der deutsche Verleger Ronald Koch aus dem gerade erschienen Buch von Robert Meeropol. Es heißt "Als die Regierung beschloss, meine Eltern umzubringen" ( Zambon-Verlag, 2009, ISBN 978-3-88975-152-2,  http://www.zambon-verlag.de/zambon-frame/zambon-frame-deu/zambon-startdeu.html ).
Den Anfang bildete eine Passage, wie der damals sechsjährige Robert Rosenberg den Tag der Hinrichtung seiner Eltern erlebte. In einem Ausblick ging es um einen Vergleich der McCarthy-Kommunistenhetze im Vergleich zum Feindbild Islam und der inszenierten Gleichsetzung mit dem Begriff Terrorismus aus der Bush-Ära. Seit der Wahl Obamas lässt sich trotz einiger medialer Lichtblicke kein wirklicher Wechsel beobachten.

In einer kurzen Darstellung schilderte darauf Robert Meeropol die Prozessführung gegen seine Eltern. Obwohl ihnen der Geheimnisverrat der Atombombe an die UdSSR nicht bewiesen wurde, verurteilte sie die Jury wg. angeblicher Verschwörung dazu zum Tode. Angeklagt waren damals weitere Aktivisten sowie Bekannte. Während etliche in den Verhören anfingen, in den Mund gelegte Geständnisse zu machen, weigerte sich das Ehepaar Rosenberg, belastende Aussagen gegen andere zu machen. Daher wurden sie wegen "Verschwörung zur Spionage" zum Tod verurteilt. Der Vorwurf der "Verschwörung" entledigte die Ankläger, faktische Beweise vorzulegen.
Die Wirkung zielte damals ganz klar auf die US-amerikanische Linke, deren Anti-Militarismus vor dem Hintergrund des gerade ausgebrochenen Korea-Kriegs diskreditiert werden sollte. Da sich in diesem Krieg letztendlich die beiden Hauptparteien des kalten Krieges - USA und UdSSR - gegenüber standen, sollte jegliche linke Kritik am Krieg als Landesverrat um gedeutet werden.
In den 1980iger Jahren gestand der Hauptbelastungszeuge gegen die Rosenbergs, von der Polizei damals zu seinen Aussagen gezwungen worden zu sein. ( Mehr Details  http://www.rfc.org/therosenbergcase )

Anschließend schilderte Robert Meeropol den Werdegang seines älteren Bruders Michael und von ihm selbst. Die Presse verfolgte die Kinder, denen als einzigen bekannten US-Bürgern gleich beide Eltern von der Regierung hingerichtet wurden. ("Offiziell" hat es seit 1953 keine weitere Hinrichtung von politischen Gefangenen mehr in den USA gegeben.) Robert Meeropol (er wurde von den Meeropols adoptiert  http://en.wikipedia.org/wiki/Abel_Meeropol ) schilderte die starke Solidarität, die seinem Bruder und ihm das Überleben gesichert haben. Darauf stellte er seine Stiftung "Rosenberg Fund for Children" (RFC) vor (  http://www.rfc.org ). Der RFC unterstützt in den USA Kinder von Aktivist_innen, die von politischer Repression getroffen werden. Es werden Schulferienreisen, Ausbildungen oder auch Gefängnisbesuche zu den oft tausende Kilometern entfernt inhaftierten Eltern organisiert. Allein 2008 zahlte die Stiftung 75.000 $ für Kinder von Repressionsopfern.

Durch die Arbeit dieser Stiftung ist es Robert Meeropol ständig über die "neuesten Trends" politischer Unterdrückung informiert. Schließlich erhält die Stiftung jährlich mehrere hundert neue Anträge aus den gesamten USA.

Generell steht in der US-Rechtssprechung das Interesse von Konzernen über dem von Individuen. (Einschub: das ist natürlich in allen kapitalistischen Staaten gleich.) Meeropol benannte einige Beispiele: Aktionen, aus denen heraus Sachschäden entstehen, werden im Strafgesetzbuch zu Terrorismus erhoben. So wurde z.B. ein Umweltaktivist in Oregon zu 23 Jahren Haft verurteilt. Tatvorwurf: Brandstiftung an einer sehr viel Benzin verbrauchenden Luxusschleuder.
Gewisse Politikfelder werden gerade generell unter Terrorismusverdacht gestellt. So z.B. ein gerade beginnendes Verfahren gegen Tierrechtsaktivisten: wegen der Blockade des Haupteingangs eines Konzerngebäudes sollen einige jugendliche Aktivist_innen als "Terroristen" zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Das hierfür verantwortliche Gesetz ist das Animal Enterprise Terrorism Act (AETA), welches seit Ende 2006 in Kraft ist (  http://en.wikipedia.org/wiki/Animal_Enterprise_Terrorism_Act ). Der Ausgang dieses Verfahrens wird von vielen als Testfall für das zukünftige Verhältnis zwischen der neuen Regierung und ihren oppositionellen Bürger_innen gewertet (da die Frage besteht, ob dieser offensichtliche Blödsinn jetzt durchgezogen wird oder nicht).
Ein weiterer Aspekt der juristischen Methoden zur Unterdrückung politischen Widerstands stellt das Verwenden von unter Folter erzielten Beweisen. 1972 war in Kalifornien ein junger Black Panther Aktivist von der Polizei gefoltert worden. Er belastete darauf hin acht weitere Black Panthers, einen Polizisten ermordet zu haben. Das kurz darauf beginnende Verfahren brach zusammen, als die Verhörmethoden der Polizei zweifelsfrei bekannt wurden. 2007 jedoch kramte ein Staatsanwalt in San Francisco diese Akte wieder hervor und beantragte, das Verfahren erneut aufzurollen. Seitdem sitzen die acht ehemaligen Panthers in Untersuchungshaft und ein endlos langes Verfahren begann. Der Jüngste der Angeklagten ist inzwischen 55, der Älteste 70 Jahre alt. Alleinige Grundlage des Verfahrens ist nach wie vor die unter Folter zustande gekommene Aussage von 1972. Die SAN FRANCISCO 8 sind auf Unterstützung angewiesen (  http://www.freethesf8.org/index.html#CDHR )
Auffällig ist sowohl bei den Terrorismusvorwürfen als auch dem Einführen von Folterbeweisen: es sind Testverfahren, die sich gegen einen möglichst geringen Widerstand richten sollen, um juristische Grundlagen zu schaffen. Weder die Tierrechtsbewegung noch die ehemaligen Mitglieder der Black Panther Party erfahren bisher über den lokalen Rahmen hinaus große Unterstützung.

In der anschließenden Diskussion kam auch der Fall des seit über 27 Jahren im Todestrakt inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal zur Sprache. Der Umstand, dass weder die Todestrakte noch die vielen Langzeitverurteilten in den USA komplett aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden sind, liegt nicht zuletzt auch an seiner unermüdlichen Arbeit. Robert Meeropol wies auf Mumias prekäre Lage hin: sollte er in den nächsten Wochen kein Gehör vor dem US Supreme Court finden, habe er keine juristische Möglichkeit mehr, jemals frei zu kommen. Im Gegenzug hat der Bundesstaat Pennsylvenia aber noch zwei juristische Wege offen, die Hinrichtung von Mumia zu erreichen. Es erging der Aufruf, ihm zu schreiben und auch die laufende Petition (  http://www.petitiononline.com/supreme/petition.html ) zu unterstützen.

Natürlich wollten viele wissen, ob es überhaupt spürbare Veränderungen seit Obamas Amtsantritt gegeben habe. Auch die Rolle der (momentan) passiven Friedensbewegung war von Interesse.
Zunächst sprach Robert Meeropol über die Abwahl der Bush-Clique, wie er sie nannte. Das sei durch die Bank auch in der politischen Linken begrüßt worden. Alleine deshalb hätten sich viele Menschen an der Kampagne für Obama beteiligt. Warum selbiger allerdings Guantanamo erst in einem Jahr schließen wolle, verstehe niemand. Und dass das Gefangenenlager im Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan öffentlich gar nicht mehr erwähnt wird, zeige die Augenwischerei der "Menschenrechtsbemühungen" der aktuellen Regierung. Schließlich waren viele der Gefangenen in Guantanamo zunächst dort gefangen und gefoltert worden.
Auch die widersprüchlichen Äußerungen zur weiteren Kriegspolitik der jetzigen Regierung habe Verwirrung innerhalb der Friedensbewegung ausgelöst. Aber es werde wohl nicht mehr lange dauern, bis die Wahlkampfaussage vom "Truppenabzug" aus dem Irak ( bei gleichzeitiger Intensivierung des Afghanistan Krieges ) verarbeitet sei.

Ungefähr die Hälfte des 60-köpfigen Publikums war deutlich über dem Renteneintrittsalter. Einige berichteten von ihren Kindheitserinnerungen an die Kampagne zur Rettung der Rosenbergs, andere zogen Vergleiche zur Situation um Angela Davis 1972. Auf die Frage angesprochen, ob es noch Aktivisten aus der Zeit dieser vergangenen Kämpfe gebe, die sich bis heute mit der aktuellen politischen Repression auseinander setzen, nannte Robert Meeropol die Namen einiger Beratungsmitglieder der RFC-Stiftung: unter ihnen sein Bruder Michael Meeropol und Angela Davis.

Robert Meeropol und sein Co-Redner beendeten ihre Beiträge jeweils mit der Feststellung, dass politischer Repression nur gemeinsam über die Grenzen politischer Lager hinweg begegnet werden kann. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, aber auch in diesem Land leider keine Selbstverständlichkeit, wie in vielen Einzelgesprächen nach der Veranstaltung zu vernehmen war.
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Ergänzungen

Demo zum Tag des Politischen Gefangenen

Fight The Power! 13.03.2009 - 18:17
21.03. | Berlin
Demonstration
Fight the Power! Solidarität ist eine Waffe! Weg mit §129a + b!
Ort: S+U Bahn Schönhauser Allee (Prenzlauer Berg)
Uhrzeit: 13:00 Uhr

Unterstützungsaufruf für pol. Gefangenen Demo

Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal 13.03.2009 - 18:24
Fight repression!

Interview dradio

Internetfund 13.03.2009 - 18:55
dradio.de

11.03.2009
"Ich war sechs Jahre alt, als meine Eltern hingerichtet wurden"
Robert Meeropol über den Fall Rosenberg

Robert Meeropol im Gespräch mit Joachim Scholl

Sogar der Papst bat um Gnade - für Ethel und Julius Rosenberg nach dem Todesurteil, das ein amerikanisches Gericht 1953 verhängte. Der Vorwurf: Spionage für die Sowjetunion. Sohn Robert Meeropol äußerte sich über den Fall in unserem Sender - und über sein neues Buch.

mehr  http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/932537/

Staek, Wallraff und Baum sprechen über Mumia

Akademie der Künste 18.03.2009 - 22:40
Sonntag, 29. März 2009, 11 Uhr, Pariser Platz 4, Plenarsaal
Eintritt € 5,- / € 3,- / bis 18 Jahre Eintritt frei
27. Akademie-Gespräch
Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal
Johano Strasser im Gespräch mit Gerhart Rudolf Baum, Robert R. Bryan, Danielle Mitterrand, Günter Wallraff und Klaus Staeck
In Zusammenarbeit mit dem P.E.N.-Zentrum Deutschland
Medienpartner DIE TAGESZEITUNG
Amnesty International wird über die Todesstrafe informieren.
Der afroamerikanische Journalist und Schriftsteller Mumia Abu-Jamal sitzt seit 27 Jahren wegen angeblichen Polizistenmordes in der Todeszelle. Obwohl die Beweismittel dürftig und Manipulationen aus rassistischen und politischen Gründen naheliegend sind, schwebt Mumia Abu-Jamal immer noch in Todesgefahr. Sein Verteidigerteam, geleitet von seinem Hauptanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco, strebt ein neues und faires Verfahren an. Trotz der Wahl von Barack Obama schätzen die Anwälte die Chancen dafür nicht günstig ein. (Mumia is in greater danger than at any time since his 1981 arrest.) Die Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen. Deshalb wenden sich die Akademie der Künste und das P.E.N.-Zentrum Deutschland mit diesem dringenden Appell an die Öffentlichkeit.
Mumia Abu-Jamal wurde 2007 für seine publizistischen Tätigkeiten in der Haft (fünf Bücher, regelmäßige Radiosendungen und Zeitungskolumnen) vom American P.E.N.-Center zum Mitglied ernannt. Er ist Ehrenbürger von Paris und wird von einer weltweiten Solidaritätsbewegung unterstützt.

Gerhart Rudolf Baum Rechtsanwalt, Bundesminister a.D., Robert R. Bryan Hauptanwalt von Mumia Abu-Jamal, San Francisco, Danielle Mitterrand Paris, Günter Wallraff Schriftsteller, Johano Strasser Schriftsteller, Präsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland, Klaus Staeck Präsident der Akademie der Künste

Akademie der Künste T 030 200 57 1000 www.adk.de  info@adk.de
Pariser Platz 4 10117 Berlin-Mitte S-Bahn Unter den Linden, Bus 100, 200, TXL
Die Akademie der Künste wird gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.