Amoklauf in Winnenden
Am gestrigen Mittwoch gab es in Deutschland erneut einen Amoklauf eines Schülers. Diesmal war es der 17-jährige Tim K., der über ein Dutzend Menschen erschoss. Während die Medien mit dem Verweis auf seine psychatrische Behandlung das Bild des irren Einzelgängers bestätigt sehen, soll hier auf eine marxistische Erläuterung des Amok-laufens verwiesen werden.
Der nachfolgende Text ist die Mitschrift des Blogger MPunkt( http://mpunkt.blogsport.de) bei einem Vortrag vor über 2 Jahren, der allerdings an Aktualität nicht verloren hat.
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0.) Einleitung
Die Schulamokläufe werden in der Öffentlichkeit vornehmlich als „singuläre Taten“ besprochen. Gemeint ist damit, dass die Tat ausschließlich den „kranken Hirnen“ („verwirrt“) der Täter entsprungen sei. Mit der normalen Gesellschaft, so die Botschaft, hätten sie also nichts zu tun. Das soll im Folgenden widerlegt werden.
1.) Schulkonkurrenz
Die Schulkonkurrenz leistet eine Vorsortierung für die spätere Aufteilung auf die Berufe. Da auch und vornehmlich Material für die ‚unteren’ Berufe gebraucht wird, soll sie Verlierer produzieren. [Wollte man keine Verlierer, wäre ja auch Konkurrenz völlig unzweckmäßig.] Konkurrenz heißt dabei Leistungsvergleich, d.h., man muss besser als die anderen sein. Auf Basis der festgelegten Maßstäbe müssen die Schüler also darum konkurrieren, nicht zu den Verlierern zu gehören. Schließlich sind sie irreversibel dem Resultat dieses Vergleichs unterworfen. Das Ergebnis dieser Vorsortierung wird von der Schule an den Schülern und ihrer Persönlichkeit festgemacht („faul“, „zwecklos, dem
was beibringen zu wollen“). Das ist insofern eine Verkehrung der Sache, weil die Schule ja gerade Verlierer produzieren soll; nicht das steht jedoch in der Kritik, wenn es Verlierer gibt, sondern die Verlierer selbst.
2.) Die Stellung der Amokläufer zu diesem Urteil
Die Amokläufer haben zu den Schulverlierern gehört und akzeptieren dieses Urteil nicht. Sie legen sich also weder eine Scheißegal-Einstellung dazu zu, richten sich auch nicht darin ein und analyisieren es schon gleich nicht objektiv. Sie stört an dem über sie gefällten Urteil nicht so sehr die daraus resultierende materielle Schädigung, sondern sie fühlen sich in ihrem Wunsch nach Anerkennung gekränkt; es schlägt ihnen aufs Selbstbewusstsein. Sie vergleichen also ihr Konkurrenzresultat samt dem damit verbundenen Urteil über ihre Persönlichkeit mit ihrem Bild von sich als anerkennungswürdiger Persönlichkeit und kommen zu dem Resultat „das habe ich nicht verdient!“. Das ist erst einmal gar keine Abweichung von der Normalität, ganz im Gegenteil ist Selbstbewusstsein sogar ein Erziehungsziel. Schließlich sollen die Leute mit sich selbst, also überhaupt, zufrieden sein, ganz unabhängig von ihren Konkurrenzerfolgen. Eine erwünschte Form davon ist z.B. „arm aber anständig“, da sich hierbei mit der Armut abgefunden wird, indem man sich was auf den eigenen Anstand einbildet.
Deswegen wäre man auch trotz Mangel an Erfolg anerkennenswert. Eine geduldete Form davon
ist die Suche nach Bestätigung des Selbstbewusstseins in den Nebenkriegsschauplätzen einer privaten
Konkurrenz: sexuelle Höchstleistungen, Markenklamotten, schönster Rasen, …
3.) Der Rachegedanken
Die Schulamokläufer halten am Wunsch nach Anerkennung fest, sehen jedoch in der privaten Angeberei z.B. mit materiellen Gütern nicht ihr Mittel zu dessen Verwirklichung. Stattdessen verlegen sie sich auf den Wunsch nach demonstrativer Rache. Sie wollen den Schulbefund „Versager“ nicht auf sich sitzen lassen und kehren zur Schule zurück, um es Lehrern wie Schülern, welche ihnen die ihnen ihrer Auffassung nach eigentlich zustehenden Anerkennung verweigert hätten, mal so richtig zu zeigen.
Der Inhalt dieses Rachegedankens ist die Verdoppelung der erlittenen Schädigung. Statt sich
diese zu erklären und zu versuchen, diese abzustellen, wird Kompensation für sie in ihrer Verdoppelung gesucht. Auch andere, bevorzugt jene, welche für die Schädigung verantwortlich gemacht werden, sollen eine Schädigung erleiden. Auch dieser Rachegedanken gehört zur Normalität in dieser Gesellschaft und lässt sich selbst im Strafrecht noch finden. Der Staat schädigt den Verbrecher durch Strafe, weil dieser sich an seiner Rechtsordnung vergangen, also diese geschädigt, hat. Und der vom Verbrechen Betroffene kann sich dann so dazu stellen, dass er sich über die Schädigung des Verbrechers per Strafe freut, in ihr also die Kompensation für seine durch das Verbrechen erlittene Schädigung sieht.
4. Die Differenz – praktische Umsetzung des Rachegedanken
Die Amokläufer haben nicht einfach nur den Rachegedanken („dem zeige ich es!“), sondern setzen ihn auch brutal in die Tat um, indem sie andere umbringen. Normal ist es hingegen, wenn man aus Angst vor der Strafe darauf verzichtet. Schließlich würde man so erst recht zum Verlierer werden. Die Amokläufer überwinden hingegen diese Schranke, weil sie sich einen weiteren Übergang erlauben. Sie wissen sich zwar im Gegensatz zum staatlichen Recht (von wegen also „Mangel an Unrechtsbewusstsein“), sehen dieses jedoch als Unrecht an. Stattdessen wollen sie ihr Recht auf Erfolg und Anerkennung, wie sie ihnen ihrem Selbstbild nach zustünde, durchzusetzen. Diesen Übergang erlauben sie sich, weil sie die Frage nach Anerkennung zur zentralen ihres Lebens, zu einer der Ehre machen. Wenn sie ihre Ehre durch das Töten anderer erst wiederhergestellt haben, ist ihnen ihr eigenes Leben dann auch egal [-> es kommt ihnen also nicht mehr darauf an, wie sie nach der Tat dastehen würden], weshalb sie sich danach auch selbst umbringen. Schließlich haben sie mit der Wiederherstellung ihrer Ehre ihren Lebenssinn erfüllt.
5.) Von wegen „anormal“
Bis zu diesem letzten Schritt, der praktischen Durchführung der Rache, gehören alle Übergänge, welche die Amokläufer vollziehen, zur Psychologie des bürgerlichen Individuums, also zur Normalität dieser Gesellschaft. Insofern kann man die Amokläufe als unerwünschtes Resultat von in dieser Gesellschaft erwünschten Anpassungsleistungen fassen.
http://mpunkt.blogsport.de/images/Protokoll.Huisken.Amoklufe.pdf
Die Schulamokläufe werden in der Öffentlichkeit vornehmlich als „singuläre Taten“ besprochen. Gemeint ist damit, dass die Tat ausschließlich den „kranken Hirnen“ („verwirrt“) der Täter entsprungen sei. Mit der normalen Gesellschaft, so die Botschaft, hätten sie also nichts zu tun. Das soll im Folgenden widerlegt werden.
1.) Schulkonkurrenz
Die Schulkonkurrenz leistet eine Vorsortierung für die spätere Aufteilung auf die Berufe. Da auch und vornehmlich Material für die ‚unteren’ Berufe gebraucht wird, soll sie Verlierer produzieren. [Wollte man keine Verlierer, wäre ja auch Konkurrenz völlig unzweckmäßig.] Konkurrenz heißt dabei Leistungsvergleich, d.h., man muss besser als die anderen sein. Auf Basis der festgelegten Maßstäbe müssen die Schüler also darum konkurrieren, nicht zu den Verlierern zu gehören. Schließlich sind sie irreversibel dem Resultat dieses Vergleichs unterworfen. Das Ergebnis dieser Vorsortierung wird von der Schule an den Schülern und ihrer Persönlichkeit festgemacht („faul“, „zwecklos, dem
was beibringen zu wollen“). Das ist insofern eine Verkehrung der Sache, weil die Schule ja gerade Verlierer produzieren soll; nicht das steht jedoch in der Kritik, wenn es Verlierer gibt, sondern die Verlierer selbst.
2.) Die Stellung der Amokläufer zu diesem Urteil
Die Amokläufer haben zu den Schulverlierern gehört und akzeptieren dieses Urteil nicht. Sie legen sich also weder eine Scheißegal-Einstellung dazu zu, richten sich auch nicht darin ein und analyisieren es schon gleich nicht objektiv. Sie stört an dem über sie gefällten Urteil nicht so sehr die daraus resultierende materielle Schädigung, sondern sie fühlen sich in ihrem Wunsch nach Anerkennung gekränkt; es schlägt ihnen aufs Selbstbewusstsein. Sie vergleichen also ihr Konkurrenzresultat samt dem damit verbundenen Urteil über ihre Persönlichkeit mit ihrem Bild von sich als anerkennungswürdiger Persönlichkeit und kommen zu dem Resultat „das habe ich nicht verdient!“. Das ist erst einmal gar keine Abweichung von der Normalität, ganz im Gegenteil ist Selbstbewusstsein sogar ein Erziehungsziel. Schließlich sollen die Leute mit sich selbst, also überhaupt, zufrieden sein, ganz unabhängig von ihren Konkurrenzerfolgen. Eine erwünschte Form davon ist z.B. „arm aber anständig“, da sich hierbei mit der Armut abgefunden wird, indem man sich was auf den eigenen Anstand einbildet.
Deswegen wäre man auch trotz Mangel an Erfolg anerkennenswert. Eine geduldete Form davon
ist die Suche nach Bestätigung des Selbstbewusstseins in den Nebenkriegsschauplätzen einer privaten
Konkurrenz: sexuelle Höchstleistungen, Markenklamotten, schönster Rasen, …
3.) Der Rachegedanken
Die Schulamokläufer halten am Wunsch nach Anerkennung fest, sehen jedoch in der privaten Angeberei z.B. mit materiellen Gütern nicht ihr Mittel zu dessen Verwirklichung. Stattdessen verlegen sie sich auf den Wunsch nach demonstrativer Rache. Sie wollen den Schulbefund „Versager“ nicht auf sich sitzen lassen und kehren zur Schule zurück, um es Lehrern wie Schülern, welche ihnen die ihnen ihrer Auffassung nach eigentlich zustehenden Anerkennung verweigert hätten, mal so richtig zu zeigen.
Der Inhalt dieses Rachegedankens ist die Verdoppelung der erlittenen Schädigung. Statt sich
diese zu erklären und zu versuchen, diese abzustellen, wird Kompensation für sie in ihrer Verdoppelung gesucht. Auch andere, bevorzugt jene, welche für die Schädigung verantwortlich gemacht werden, sollen eine Schädigung erleiden. Auch dieser Rachegedanken gehört zur Normalität in dieser Gesellschaft und lässt sich selbst im Strafrecht noch finden. Der Staat schädigt den Verbrecher durch Strafe, weil dieser sich an seiner Rechtsordnung vergangen, also diese geschädigt, hat. Und der vom Verbrechen Betroffene kann sich dann so dazu stellen, dass er sich über die Schädigung des Verbrechers per Strafe freut, in ihr also die Kompensation für seine durch das Verbrechen erlittene Schädigung sieht.
4. Die Differenz – praktische Umsetzung des Rachegedanken
Die Amokläufer haben nicht einfach nur den Rachegedanken („dem zeige ich es!“), sondern setzen ihn auch brutal in die Tat um, indem sie andere umbringen. Normal ist es hingegen, wenn man aus Angst vor der Strafe darauf verzichtet. Schließlich würde man so erst recht zum Verlierer werden. Die Amokläufer überwinden hingegen diese Schranke, weil sie sich einen weiteren Übergang erlauben. Sie wissen sich zwar im Gegensatz zum staatlichen Recht (von wegen also „Mangel an Unrechtsbewusstsein“), sehen dieses jedoch als Unrecht an. Stattdessen wollen sie ihr Recht auf Erfolg und Anerkennung, wie sie ihnen ihrem Selbstbild nach zustünde, durchzusetzen. Diesen Übergang erlauben sie sich, weil sie die Frage nach Anerkennung zur zentralen ihres Lebens, zu einer der Ehre machen. Wenn sie ihre Ehre durch das Töten anderer erst wiederhergestellt haben, ist ihnen ihr eigenes Leben dann auch egal [-> es kommt ihnen also nicht mehr darauf an, wie sie nach der Tat dastehen würden], weshalb sie sich danach auch selbst umbringen. Schließlich haben sie mit der Wiederherstellung ihrer Ehre ihren Lebenssinn erfüllt.
5.) Von wegen „anormal“
Bis zu diesem letzten Schritt, der praktischen Durchführung der Rache, gehören alle Übergänge, welche die Amokläufer vollziehen, zur Psychologie des bürgerlichen Individuums, also zur Normalität dieser Gesellschaft. Insofern kann man die Amokläufe als unerwünschtes Resultat von in dieser Gesellschaft erwünschten Anpassungsleistungen fassen.
http://mpunkt.blogsport.de/images/Protokoll.Huisken.Amoklufe.pdf
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Erst denken, dann schreiben...
Was fuer ein Quatsch! Wenn etwas klar ist, dann doch wohl, dass mittlerweile von den meisten Firmen eben gerade Leute gebraucht werden, die z.B. eine Ingenieursausbildung oder aehnliches haben.
Das passt eventuell nicht in ein, im 19. Jahrhundert steckenden und sehr simplen Politik- und Weltbild, hat aber mit den Realitaeten nur noch wenig zu tun.
Ein Beispiel: Bei uns in der Firma hatten wir auf die letzten freien Stellen knapp 50 BewerberInnen, davon konnten 13 kaum den eigenen Namen schreiben, wollten aber im Vertrieb oder auf andere Posten, die anderen hatten Qualitaeten! die jenseits von allen vorhandenen oder fehlenden Qualifikationen bei einigen eine Beschaeftigung moeglich machten.
Es ist also nicht immer so simpel...
@sandankoro 12.03.2009 - 19:42
Infos
Mainstream
Na dann bis zum nächsten mal.
ändert die gesellschaft jetzt...
solange die sog. "looser" nicht raffen das durch ihren mord nichts besser wird,und nur
solange menschen nicht raffen das menschen am rand der gesellschaft mehr sind als nur "looser",
solange die bildzeitung nicht rafft das sog. "looser" oft zu dem gemacht werden was sie sind,
solange werden amokläufer immer und immer wieder der gesellschaft ihr brutales, selektierende und tödliche ich zeigen..
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
guter artikel
STARTSEITE
die ganzen medien sind dominiert von dem thema aber labern die ganze zeit nur scheiße und jetzt kommt hier mal so ein wirklich guter beitrag dazu auf indymedia und es wird versucht totzuschweigen von den mods.
@Denkender
Es ging in meinem Kommentar alleine um die Aussage, dass die Wirtschaft ein Interesse daran haette, dass es moeglichst viele "schlecht" bzw. "gering"(wie auch immer so etwas definiert wird) ausgebildete Arbeitskraefte gibt. Diese Aussage widerspricht allen demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten. Eine Zahl von ca. 1 Million Menschen in Deutschland, welche aufgrund von "schlechter" bzw. fehlender Bildung kaum noch in einen Beruf zu vermitteln sind spricht doch wohl fuer sich selbst.
Dass da nicht nur das Versagen eines antiquierten Schulsystems, sondern eben auch eine voellig verfehlte und unsoziale Wirtschaftspolitik schuld sind ist klar.
Beim ideologisch bedingten Festhalten vieler CDU'ler am dreigliedrigen Schulsystem schlagen daher nicht nur Bildungswissenschaftler, sondern vermehrt auch die Wirtschaft die Haende ueber dem Kopf zusammen.
Eventuell hilft allen politschen Stroemungen in Deutschland ja einmal ein Blick ueber den ideologischen Tellerrand und ein wenig Analyse anderer Loesungsansaetze.
Alles Gute aus Skandinavien!
@sandankoro
Besonders aus Finanzschwachen Familien