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Deutschland: Und wieder ein Amoklauf

Mackie Messer 11.03.2009 14:20
Egal wie die Bilanz beim Amoklauf am heutigen 11. März aussehen wird, er wird auf jeden Fall Thema werden im Bundestag und für Entsetzen sorgen in der Bevölkerung. „Wie kann so etwas passieren ?“, werden sich die Menschen fragen. Und – was man oft hört: “Wir haben von nichts gewusst.“ Dass sich aber bevorstehende Amokläufe in der Regel schon sehr früh bemerkbar machen, davon handelt dieser Kommentar.
Ein Hilferuf, der zu spät kommt

Für die einen ist es ein zu später Hilferuf, ein Aufmerksammachen auf eine Misere, aus der es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt. Für viele ist es nur ein Abrechnen. Ein Abrechnen mit der Gesellschaft und sich selbst. Oft ist lange angestaute Rache das Motiv, die Abläufe, die während einer solchen Tat vor sich gehen sind bereits zig Mal geübt oder zumindest durchdacht worden. Doch was führt zu solch einer – gelinde gesagt – Überreaktion. Oft ist es der Mangel an Zukunftsperspektiven, wohlgemerkt nicht die Perspektiven, die herkömmliche Schulen oder die Gesellschaft vorsehen, das nicht. Das Problem liegt tiefer.


Ständiger Druck und Angriffe auf die Psyche

Vor allem in der Pubertät befindet sich der Körper von Jugendlichen im Umbruch, bei vielen wird der Beginn der Pubertät beschleunigt oder verzögert, das bedeutet, dass sich die Jugendlichen oft in einem völlig unterschiedlichen Stadium befinden. Zusätzlich müssen sich diese jungen Menschen aber vergleichen und zwar ständig, so schreibt es das System vor. Täglich werden die Jugendlichen unter einander vermessen, ganz egal ob es jetzt die Notengebung sein mag, oder wer welche Musik hört, oder Klamotten trägt. In dieser „Brutstätte“ der Gesellschaft wird, in dem die jungen Menschen geformt werden, unser soziales Gefüge gezimmert.


Amoklauf – kein Einzelphänomen

Doch was ist mit denen, die es nicht in solche Peer-Gruppen, zu deutsch Ebenbürtigennetzwerke schaffen. Für die gibt es immer noch die natürlich für das Kind nicht unbedingt bewusste Wahrnehmung von Ersatzrollen. Da wäre zum Beispiel die des Strebers, die des Klassenclowns, oder die des Rowdys. Am Rowdy kann man ganz gut ein erstes Stadium zum „kleinen Amoklauf“ erkennen, indem dieser andere MitschülerInnen ärgert und hier und da auch mal Gewalt anwendet, lässt dieser seinen innerlich angestauten Druck und Frust raus. Oft passiert auch das sogar in Gruppen, teilweise bilden sich innerhalb einer Schule diverse Paralellgesellschaften, Schule wird im allgemeinen als Scheiße empfunden, es zählt wer am meisten trinkt, provoziert, zerstört etc. Im Grunde kann man in den Unruhen in Frankreich 2005 einen gemeinsam ausgeführten Amoklauf erkennen, der sich auf eine Aussage des heutigen Präsidenten Sarkozy stützte, nämlich eine ganze Generation einfach „weg zu kärchern“.


Destruktivität – eine natürliche Reaktion ?

Auch hier in Deutschland gibt es immer wieder solche Auswüchse, wie man zum Beispiel in den kürzlichen Ausschreitungen um die Fußballspiele, welche zur Zeit von der Politik und natürlich auch von der Polizei kritisch unter die Lupe genommen werden. Oft fehlt den sogenannten Erwachsenen, die in dieser Gesellschaft leben und handeln der Sinn für ein Verständnis an diesen Auswüchsen. Teilweise ist so ein Verhalten verständlich, nicht umsonst spricht man ja bei der Ausübung einer kriminellen Ader, die im übrigen jeder Mensch besitzt, da er um die Existenz der Kriminalität weiß, von der schiefen Bahn, auf die man geraten könnte. Was also tun ?!


Veränderung im kollektiven Bewusstsein

Die Polizei kann und wird nicht, so wie es in den Amokläufen in Erfurt, Emsdetten, Freising oder auch Winnenden der Fall war, ständig ausreichenden Schutz liefern. Angesichts der Wirtschaftskrise und den daraus resultieren Enttäuschungen, die in einer Gesellschaft auf Grund dieser passieren, werden Amokläufe, oder derartige Auswüchse von Gewalt zunehmen. Es liegt an uns, der Gesellschaft diese richtig zu interpretieren, um die Prävention nicht durch noch mehr Überwachung oder Waffen zu sichern, sondern diese durch eine gut funktionierende Gesellschaft schaffen, die radikale Verlierer nicht ausschließt, sondern auffängt. Wir brauchen eine wandlungsfähige Gesellschaft, die aus Fehlern lernt und nicht einen nach dem anderen immer und immer wieder macht. Für diese Veränderung braucht es ein kollektives Bewusstsein.


Frühwarnsysteme schaffen – Warnzeichen erkennen

Oft merkt man es den agierenden Personen nicht an, ob sie frustriert sind, es gilt nicht als schick in der Öffentlichkeit von seinen Problemen zu reden, womöglich sich sogar noch Hilfe von jemandem zu erhoffen. Psychotherapeuten haben in Zeiten wie diesen Hochkonjunktur. Natürlich ist das kein schlechtes Zeichen, allerdings wäre die Verhinderung eines „Seelenschadens“ doch ein ernst zu nehmendes Ziel in einer Gesellschaft. Wir brauchen also kein stures, ja fast schon stupides ständiges vor sich hinarbeiten, sondern ein ständiges lernen, mit dem zugehörigem Hinterfragen.


Waffen raus aus der Gesellschaft

Des weiteren müssen Waffen aus der Gesellschaft isoliert werden, das heißt, wir brauchen nicht nur eine oft geforderte Abrüstung des Staates, sondern die Abrüstung im Inneren unserer Gesellschaft. Auch wenn der damals 19-jährige Robert Steinhäuser nicht mit seiner Waffenbesitzkarte in den Besitz von einer Pumpgun oder Glock 17 hätte kommen können, so ist es doch ein leichtes Kontakte zu knüpfen, beispielsweise passiert es nicht selten, dass sich der ortsansässige Polizeisportverein auch Außenstehenden öffnet. In Deutschland haben wir zwar nicht solche Vereinigungen wie die NRA (National Riffle Association), jedoch ist man auch hier von Seiten der Industrie auf den Absatz seiner Produkte bedacht. Geht es in erster Linie um den weltweiten Absatz von Kriegswaffen an Militärs, ist auch der Bereich der Jagd- und Sportwaffen für diesen Industriezweig nicht uninteressant.


Wer schweigt, macht sich mit schuldig

Besonders interessant, aus soziologischer Sicht, ist auch die Tatsache, dass Amokläufe in den seltensten Fällen von Frauen ausgeübt werden. Oft wirken sich, wegen gesellschaftlichen Strukturen die Ursachen von Ausgeschlossenheit in der Gesellschaft anders aus. So gibt es bei Frauen beispielsweise einen höheren Anteil an essgestörten oder Borderline Patientinnen. Eine weiter Erklärung dieses Phänomens würde hier den Rahmen sprengen, allerdings muss dieser Aspekt erwähnt werden. Während dieser Kommentar entstand ist mittlerweile das Ende des Amoklaufs von Baden-Württemberg bekannt, es sind 16 Tote. Mit nur wenigen Stunden Abstand ist dies heute der zweite Amoklauf, im US-Staat Alabama starben mindestens neun Menschen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich etwas ändern – wir uns ändern.


Ich möchte diesen Kommentar mit einem abgewandelten Zitat von Jane Elliot beenden:
„Damit Amoklauf funktioniert, reicht es für die braven Leute aus, nichts zu tun.“
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Ergänzungen

Waffen von den Eltern ?

http://www.tagesschau.de 11.03.2009 - 14:58
Täter soll Waffen von seinen Eltern benutzt haben
 http://www.tagesschau.de/inland/amoklauf128.html

In Deutschland sind es jetzt 17 Tote

Bakunin 11.03.2009 - 16:10

Vater ein Waffennarr ?!

Maik der Seemann 11.03.2009 - 16:14
Nach SWR-Informationen hat die Polizei bereits das Haus des mutmaßlichen Amokläufers in Leutenbach durchsucht und 16 Waffen gefunden. Der Vater des jungen Mannes ist Mitglied eines Schützenvereins und hatte sie legal erworben. Eine der Waffen und 50 Schuss Munition fehlten.

Inne Halten Bitte!

sozialarbeiter 11.03.2009 - 16:42
Ich kann nicht fassen, wie andere Menschen immer gleich am Klären von Tatmotiven, Schuldzuweisungen oder Absprache von Mitgefühl von Politikern sind. Auch wenn das formulieren von Beileidsbekundungen schon so oft gehört wurde, vielleicht sind sie einfach ernst gemeint. Können wir nicht einfach Mal Inne halten?

Und die Sensationspresse geilt sich auf...

M. Gaffer 11.03.2009 - 20:47

War ja klar - Polizei gegen Gesetzesänderung

http://www.spiegel.de 11.03.2009 - 20:50
(...)Nach dem Amoklauf von Winnenden diskutieren Politiker eine erneute Verschärfung des Waffenrechts. Lobbyisten wehren sich, die Polizeigewerkschaft hält schon das gegenwärtige Gesetz für "so was von dicht".(...)

Ganzer Artikel:  http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,612735,00.html

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Waffenverbot ist nicht radikal — Roland Ionas Bialke

@ Bialke — Mahatma Ghandi

@ n — Baracuda

na ja – — plastique

@ name — Marotte

@ plastique — Kirby

@Kirby — plastique

@ plastique — Kirby

Andere Sicht (zu lasches Waffengesetz) — Roland Ionas Bialke