Bertelsmann Kommunalkongress in Berlin

Alexander Brabandt 09.03.2009 01:59 Themen: Globalisierung
Am 9. und 10. März veranstaltet die Bertelsmann Stiftung ihren Kommunalkongress 2009 in Berlin (http://www.kommunalkongress.de). Die Stiftung ist Mehrheitseigentümerin von Europas größtem Medienkonzern Bertelsmann, der über seine Tochterfirma Arvato auch Dienstleistungen der Kommunalverwaltung, sogenannte „Government-Services“, verkauft. Auch der Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit hat seine Beteiligung zugesagt. Weitere Veranstaltungspartnerin ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers WPG AG. Gemeinsam mit Bertelsmann forciert sie den neoliberalen Umbau der Kommunalverwaltung nach Maßstäben des New Public Managements.

700 TeilnehmerInnen, davon weit überwiegend „kommunale Führungskräfte aus dem gesamten Bundesgebiet“, sollen sich laut Bertelsmann-Homepage bereits angemeldet haben. Veranstaltungsort ist das Estrel Convention Center in Berlin.
Das Motto der Veranstaltung deutet an, worum es geht: "Herausforderung Führung - zwischen Wahlen, Sachzwang und Visionen". Das Stichwort ist der „Sachzwang“. Offenbar sollen auf die Haushaltslöcher durch Rettungsprogramme für Banken und Konzerne mit drastischen Einsparungen im Haushalt der Kommunen reagiert werden. Unter diesem Finanzdruck sollen weitere Umbaumaßnahmen vorgenommen werden. Das nennt sich dann: „Politische Gestaltung im Spannungsfeld zwischen Sachzwängen und Wahlterminen.“ Die TeilnehmerInnen können nun von Bertelsmann lernen, die „notwendigen Kurskorrekturen“ zu „kommunizieren“. Dabei werden alle Register gezogen, die Akzeptanz schaffen sollen: Das reicht von den Kriterien für Kandidaten bei Kommunalwahlen, geht über die Einbeziehung traditionell marginalisierter Gruppen wie Frauen und MigrantInnen bis hin zu den Führungstechniken und psychologischen Operationen, mittels denen unliebsame Maßnahmen durchgesetzt werden sollen. So werden die anwesenden lokalen Entscheidungsträger auf dem Kongress speziell in der LIFO®-Methode geschult:

„Die LIFO®-Methode ist eine der fundiertesten Typologien, mit der das menschliche Verhalten in unterschiedlichen Situationen seriös eingeschätzt werden kann. LIFO® vermittelt ein Verständnis für die eigenen Stärken in prägnanter Form. Die Auswertung analysiert das eigene Verhalten und wiederkehrende Verhaltensmuster Dritter. Unter professioneller Anleitung können Sie vertraulich Ihren LIFO®-Fragebogen ausfüllen.“ So wirbt ein Ankündigungstext für eine Veranstaltung.

Auch Bürgerhaushalte sollen als "Führungsinstrument" diskutiert werden. So heißt es auf einer Webseite, die von der Bundeszentrale für politische Bildung mitgetragenen wird: "Bürgerhaushalte könnten als ein Führungsinstrument in Zeiten der Finanzkrise eingesetzt werden, nicht nur um die kritische Situation in Kommunen besser für die Bürgerinnen und Bürger verständlich zu machen. Sie liefern auch wichtige Bürgerexpertise für das Führungspersonal, das dadurch seine Entscheidungen zusätzlich qualifizieren könnte. (...) . Dass durch mehr Bürgerbeteiligung ein mehr an Führung möglich werden könnte, klingt zunächst paradox. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern in dem 1. Forum das Thema „Führung durch Bürgerbeteiligung“ zur Sprache kommt, oder ob Instrumente wie Bürgerhaushalte überhaupt in diesem Zusammenhang diskutiert werden."
http://www.buergerhaushalt.org/termine/berlin-kommunalkongress-2009-der-bertelsmann-stiftung
Kritisch zum Konzept der Bürgerhaushalte, wie es von Bertelsmann als Teil eines umfassenden strategischen Konzepts vorangetrieben wird:
Moe Hierlmeier: Bertelsmann meets Porto Alegre. Der Bürgerhaushalt als Modell kapitalistischer Modernisierung, Dez. 2007 http://www.anti-bertelsmann.de/2007/Portoallegre+Bertelsmann.pdf

Prominenter Gast und Redner bei der Eröffnungsveranstaltung ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. 2007 veröffentlichte Wowereit seine Biografie mit dem Titel "... und das ist auch gut so" beim Blessingverlag (Random House, Bertelsmann). Offizielle Buchvorstellung war übrigens in der Berliner Bertelsmann Repräsentanz, beste Adresse versteht sich: Unter den Linden 1. Im Zusammenhang mit seiner Buchpräsentation soll Wowereit dem Bertelsmann Boulevard-Blatt „stern“ erzählt haben „dass die Deutschen auch einen schwulen Regierungschef akzeptieren würden“ - und sich damit als zukünftiger Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht haben. Passend zu Wowereits Vortrag findet eine weitere Veranstaltung statt: „Führen statt verführen: Finanzpolitik zwischen Wahlversprechen und Finanzkrise. Nachhaltige Haushaltspolitik braucht neben der Methodenkompetenz insbesondere Führungspersönlichkeiten. Wie können die Verantwortlichen in den Kommunen wieder stärker in die Rolle des Gestalters kommen und wie sollen die notwendigen Kurskorrekturen kommuniziert werden?“

Mit dem Kommunalkongress betreibt die steuerbegünstigte Bertelsmann Stiftung jährlich unbehelligt ihr Lobbying auf Entscheidungsträger. Dabei verfolgt der Konzern durchaus ein eigennütziges Interesse. So bietet die Bertelsmann Tochter Arvato selbst Dienstleistungen im Bereich „Government Services“ an: In East Riding in England steuert Bertelsmann einen Landkreis und in Deutschland managt der Gütersloher Medienriese gerade die Würzburger Kommunalverwaltung.

In einem Ver.di-Bundesbeschluss von 2007 heißt es: „Wir haben den Eindruck, dass die Bertelsmann-Stiftung ihren politischen Einfluss benutzt, um den öffentlichen Dienst gezielt auf die "feindliche Übernahme" durch private Unternehmen à la ARVATO vorzubereiten. Sie bestellt das Feld für den Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen.“ http://bundeskongress2007.verdi.de/antraege_beschluesse/antrag.html?cat=A&sort=9

Weitere Information:

Ist die Bertelsmann Stiftung „gemeinnützig?“
http://de.indymedia.org/2009/02/241793.shtml

http://www.kommunalkongress.de
http://www.bertelsmann-stiftung.de
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-/- 09.03.2009 - 05:17
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Krise noch nicht bei der SPD angekommen...

keinE 09.03.2009 - 09:26
Obwohl die Finanzkrise ja ein Ende der neoliberalen Ideologie bedeutet hält die SPD unbeirrbar daran fest. Wowereit redet in der Öffentlichkeit ausschliesslich von Berlin als Produkt und wie gut es wäre, alles zu kommerzialiseren usw. Und der totalitäre Konzern Bertelsmann ist dagegen einfach so schlau, sich jetzt noch schnell die Reste an öffentlicher Verwaltung unter den Nagel zu reissen.

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