Provinzpresse zu Studi-Protesten

Karl Bernsteinzimmer 05.03.2009 19:28 Themen: Bildung Medien Repression
In NRW wurde die Einführung von Studiengebühren den einzelnen Universtäten selber überlassen. Daher kam es zu Protesten direkt an den Universitäten dagegen. Vielfach kam es auch zu gewalttätigen Polizeieinsätzen. In Bielefeld führte es dazu, dass die Staatsschutzabteilung der Bielefelder Polizei ihre Aufgabe überinterpretierte und teilweise Grenzen des rechtsstaatlichen Verhaltens verlassen hat. Die Hofberichterstattung der Lokalpresse hat sicher einen Beitrag dazu geleistet, das der Staatsschutz außer Kontrolle geraten ist.
An der Universität kam es nach dem nach der ersten Beschluss einen Regelung für die Einführung von Studiengebühren zu entwerfen zur spontanen Besetzung des Rektorats. Darüber hatte die Lokalpresse relativ positiv berichtet, obwohl der Rektor so seine Räume zwei Monate nicht benutzen konnte. Nach zwei Monaten hatte er den Studierenden ein Ultimatum gestellt, dass er wenn sie bis dahin das Gebäude nicht verlassen haben, er die Polizei mit der Räumung beauftragen würde.
Daraufhin haben die Studierenden das Rektorat freiwillig verlassen.
Im Sommer 2006 kam es dann zum endgültigen Beschluss von Studiengebühren. Bei einem Gerangel mit den protestierenden Studierenden hatte ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes PRODIAC einen Generalschlüssel verloren. Kurze Zeit später kam es zu mehreren Bränden an der Universität. Daraufhin wurde der Staatsschutz eingeschaltet und die Presse fing an negativ über die protestierenden Studierenden zu berichten. Es kam danach zu Hausdurchsuchungen bei einigen Studierenden, welche an der Besetzung beteiligt waren. Im nach hinein haben diese aber auf Grund der Akten festgestellt, dass die Polizei zuerst einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in Verdacht hatte für die Brandstiftungen verantwortlich zu sein. Dieser war dementsprechend vorbestraft und seine Dienstpläne stimmten mit den Tatzeiten überein. Die weitere Verfolgung der Spur wurde allerdings vom Staatsschutz und politischer Staatsanwaltschaft unterbunden.
In wieweit die Einstellung eines vorbestraften Brandstifters zur Gebäudebewachung ein Versehen war bleibt spekulativ. Tatsache ist, dass viele Sicherheitsdienste Mitarbeiter für spezielle Gelegenheiten direkt aus den Gefängnissen rekrutieren. Dies ist dann kein Resozialisierungsprogramm, sondern sie werden genau aus dem Grund eingestellt aus dem sie straffällig wurden.
Jedenfalls wurde über den Verdächtigen PRODIAC-Mitarbeiter nicht die Öffentlichkeit informiert. Anzunehmen ist das, dass zumindestens das Rektorat über den Verdacht informiert wurde. Stattdessen wurden ab da die protestierenden Studierenden in der Lokalpresse sehr negativ dargestellt.

Am 28.02.07 war der Innovationsminister Andreas Pinkwart zu Besuch an der Universität. Es wurde zu Protesten dagegen aufgerufen, weil Herr Pinkwart für die neoliberale Hochschulreform in NRW verantwortlich ist. Dabei wurde ein Student von einem PRODIAC-Mitarbeiter verletzt.
Dieser hatte darauf Anzeige erstattet, woraufhin die politische Staatsanwaltschaft eine Gegenanzeige stellte. D.h. die übliche Methode, wie in der Regel auf Anzeigen gegen Polizisten reagiert wird. Es lässt sich nun fragen wieso sich die Staatsanwaltschaft sich so für den Sicherheitsdienst einsetzt. Es entsteht der Eindruck, dass die Zusammenarbeit von Staatsschutz und Sicherheitsdienst enger ist als wie im gesetzlichen Rahmen vorgeschrieben.
Zu Einführung des Hochschulrats im Mai 2008 gab es dann wieder Proteste von Studierenden. Dabei wurde ein Student nach Aussagen des AStAs von einem Mitglied des neu ernannten Hochschulrates* tätlich angegriffen. Auf Grund dieser Aussagen hat die lokale der SPD nahe stehende Zeitung Neue Westfälische (NW) bei der Universität und bei anderen Medienvertretern nachgefragt ob sie dergleichen beobachtet hätten. Dieses wurde verneint. Bei einem sorgfältigen Journalismus hätte die NW nochmal beim AStA nachgefragt, wieso sie denn zu dieser Behauptung gekommen ist, wo das doch niemand anders beobachtet hätte. Vielleicht hätten sie dann erfahren, dass es dementsprechende Bilddokumente dazu gab und die Aufmerksamkeit der anderen Zeugen hätte ja zu dem Zeitpunkt gerade von anderen Ereignissen eingenommen worden sein.
Dieses ist nicht geschehen, sondern es gab es für den Kommentator der NW nur den einen Schluss, dass der AStA gelogen haben müsste (NW vom 30.05.08).
Richtig peinlich wurde es dann allerdings bei der Berichterstattung über den Prozess, welcher aus der vorher erwähnten Gegenanzeige resultierte. Bei dem Prozess ergab die Auswertung des Videomaterials, dass der Vorwurf der Gewaltanwendung von seitens des angeklagten Studenten nicht zu erhärten war. Auch verstrickten sich die Zeugen des Sicherheitsdienst anscheinend in peinliche Lügen, so dass sich auch die Richterin sich das Lachen teilweise kaum verkneifen konnte.
Auf Grund dessen war die Verurteilung nach der ursprünglichen Anklageerhebung nicht möglich. Der Angeklagte wurde dann wegen versuchter Nötigung verurteilt, nachdem er die Einstellung des Verfahrens abgelehnt hat. Die Verurteilung damit begründet, dass auf dem Videomaterial zu sehen war, wie er den PRODIAC-Mitarbeiter an der Jacke gezupft hatte. In der NW vom 5.11.08 stellte sich der Prozess dann folgendermaßen da: „ Damals hatte B. versucht, mit Gewalt den Kordon zu durchbrechen, den Polizei und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes Prodiac vor dem Eingang des Gebäudes gebildet hatten.“ Auch wenn der Reporter die Gerichtsverhandlung verschlafen hätte, müsste er sich fragen wieso bei solch einem Tatbestand die Einstellung ohne Auflagen angeboten wurde. Das tut er allerdings nicht, sondern er regt über die Undankbarkeit des Angeklagten auf, da er die Einstellung des Verfahrens abgelehnt hatte.
Ganz anderes ist dagegen in einem Forum von Mitarbeitern der Sicherheitsbranche zu lesen. Dort ist zu lesen: „ die Rolle der Staatsmacht einfach nur peinlich bis zum Ende“.
Am 4.02.2009 wurde dann die endgültige Einführung von Studiengebühren beschlossen (die vorherigen Regelungen waren nur befristet). Dabei gab es wieder Proteste. Der Sicherheitsdienst war dabei anscheinend außer Rand und Band. Das entzieht sich nicht einer gewissen Logik, wenn die Mitarbeiter von PRODIAC inzwischen wissen, dass sie bei gewaltätigen Übergriffen nicht bestraft werden. Anzunehmen ist auch, dass es inoffizielle Anweisungen vom Staatsschutz gab dementsprechend eskalierend aufzutreten. Auf Grund der Eskalation wurde dann die Einsatzhundertschaft der Bielefelder Polizei gerufen und ein Student als angeblicher Rädelsführer verhaftet.
In der NW vom 5.02.2009 wurde der Polizeieinsatz dann überhaupt nicht mehr erwähnt. Da es zu dem Vorfall keine offizielle Pressemitteilung des Polizeipräsidiums gab ist anzunehmen, dass die NW darum gebeten wurde den Vorfall nicht zu erwähnen.

*Der Hochschulrat ist ein Teil der Erneuerungen des Hochschulfreiheitsgesetz, welches durch Andreas Pinkwart nach einer Blaupause von CHE (Bertelsmann-Stiftung) eingeführt wurde.


Links:

Infoseite von den Ex-Besetzern: http://www.besetzung.kollima.de

NW vom 30.05.2008:
 http://hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=100&order=datum&richtung=DESC&z=1&id=19417

NW vom 5.11.2008:
 http://hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=100&order=datum&richtung=DESC&z=1&id=21335

Wachleuteforum: http://www.wachleute.de/forum/index.php?topic=4803.15)

NW vom 5.02.2009: http://www.nw-news.de/nw/lokale_news/bielefeld/bielefeld/?cnt=2827446

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Ergänzungen

(muss ausgefüllt werden)

(muss ausgefüllt werden) 06.03.2009 - 10:04
ein guter - und interaktiverer - web-ort, um sich tatkräftiger zu vernetzen, ist immer noch:

 http://www.emancipating-education-for-all.org/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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