Vogtland: Ein Aussteiger berichtet

kein name 05.03.2009 17:23 Themen: Antifa Bildung Medien
Am Mittwoch dem 04.03.09 fand im kleinen sächsischen Ort Brockau eine Veranstaltung der Friedrich Ebert Stiftung mit einem Aussteiger aus der rechten Szene statt. Nach mehreren Absagen diese Veranstaltung im Rahmen einer größeren Öffentlichkeit durchzuführen, wich man in das Bürgerhaus von Brockau aus.
Gabriel Landgraf stammt aus Berlin und war hier eine der Führungspersonen der Rechtsextremen „Berliner Alternative Süd-Ost“. Im Jahr 2005 wagte er den Ausstieg aus dem braunen Sumpf. Er war sechs Jahre lang in der organisierten Rechtsextremen Szene aktiv.

Als Landgraf begann über seinen Einstieg in die Szene zu berichten wurde schnell klar, dass sich dieses nicht mit ein paar Worten erklären ließ. In seiner Kindheit wurde er zum einen von seiner Mutter geprägt, die als Pädagogin in einem Walldorf Kindergarten arbeitete und ihn antiautoritär erzog. Zum anderen und das ist wohl bedeutender für seinen bis 2005 eingeschlagenen Lebensweg, war der Großvater eine wichtige Bezugsperson. Sein Großvater erzählte ihm viel über das Dritte Reich, leider unreflektiert. Bis heute hat sich der Großvater nicht mit seiner Vergangenheit auseinander gesetzt.

Anfangs war Landgraf auch Schüler einer Waldorfschule, später musste er diese verlassen. In dieser Zeit war er schon auf dem Weg vom Mitläufer zum organisierten Rechtsextremisten.

Mit 16 Jahren begann er sich intensiver mit dem Nationalsozialismus zu beschäftigen, lass Hitlers „Mein Kampf“ und andere Propagandaschriften aus dem Dritten Reich aber auch Schulungshefte der Mitte der 90ziger Jahre verbotenen FAP gehörten zu seiner Lektüre. Nach Beendigung der Realschule, machte er eine Ausbildung zum Metallbauer und driftete in die gewaltbereite Fußballszene ab, die damals wie heute rechtsoffen ist, ohne alle über einen Kamm scheren zu wollen.

Es scheint als wolle Gabriel Landgraf sich alles von der Seele reden, eine Verarbeitung der Vergangenheit die schon einige Jahre dauert. Wenn man ihn so vor sich sitzen sieht, jung und sympathisch, kann man sich nicht vorstellen, dass er eine gewalttätige und von Rechtsextremer Ideologie vereinnahmte Vergangenheit hat.

Landgraf erzählte weiter wie es dazu kam das er zu einer wichtigen Führungsperson der „Berliner Alternative Süd-Ost“ wurde.
Alles begann im Berliner Bezirk Treptow Köpenick, hier gab es viele rechtoffene Jugendliche. Hier knüpfte er auch neue Kontakte zu Nazis aus Berlin und aus der gesamten Bundesrepublik.

Anfangs begnügte man sich mit dem verteilen von Propagandamaterial, Klebeaktionen und so weiter. Mit der Zeit wurde man dreister, beteiligte sich an Bürgersprechstunden und baute eine, an Linke Ideen anknüpfende, Öffentlichkeitsarbeit auf. Es fiel ihnen auch leicht Veranstaltungen in Kneipen und Gasstätten durchzuführen, da es unter den Betreibern einige Sympathisanten gab. Auch das äußere Erscheinungsbild änderte sich in dieser Zeit, kurz nach der Jahrtausendwende. Der der Skinhead Subkultur entlehnte Kleidungsstil der Nazis wurde von einem eher nicht politisch zuordenbaren Kleidungsstil abgelöst. Auch ein Grund für den „Erfolg“. Die Gruppe wuchs immer weiter, der feste Kern bestand aus 13 Mitgliedern. Über SMS Verteiler konnten innerhalb kürzester Zeit locker 50 Nazis für Aktionen mobilisiert werden. Man schaffte im Bezirk ein Gefühl der Angst für politische Gegner und für alle nicht ins nationalsozialistische Weltbild passende Menschen.

Gewalt, so erzählt Landgraf weiter gehörte zum Alltag der Gruppe, da man es als legitimes Mittel zum durchsetzen von politischen Interessen sah. Während dieser Zeit trieb man auch die sogenannte Anti-Antifa -Arbeit voran, die in eine ungeahnte Sammelwut über alles und jeden den man im verhassten Lager der Gegner vermutete.

Man könnte noch Seiten mit seinen Erfahrungen in der rechten Szene füllen, doch was bewegte Gabriel Landgraf zum mutigen Schritt den Nazis den Rücken zu kehren.
Den Anfang machte wie Gabriel berichtet ein versuchter Brandanschlag, den seine Kameraden verübten, auf eine Bühne für ein geplantes Antifaschistisches Konzert in Königswusterhausen, sowie der brutale Überfall auf zwei vermeintliche Antifaschisten in Potsdam und der damit verbundenen Gerichtsverhandlung.

Er begleitete seinen angeklagten Kameraden zu der Gerichtsverhandlung. Durch die Einstellung, dass Sie selbst die Opfer sind kam er nie in Konflikt mit seiner Weltanschauung. Doch während einer Pause der Gerichtsverhandlung musste er sich unbequemen Fragen stellen.

Die Frage „Was stellst du eigentlich dar?“ ließ ihn an allem was er glaubte zweifeln. Widersprüchlichkeiten kamen oft auf, so sagt er, aber niemand vorher habe ihn so direkt darauf angesprochen.

Er dachte lange über diese Frage nach und ihm wurde bewusst, dass er am Rande der Gesellschaft lebt und in seinem Leben nichts erreicht hat. Ab diesem Tag brach er mit der Rechtsextremen Szene. Zum ersten mal schämte er sich für seine Taten und seine politische Einstellung.

Das der Ausstieg nicht von heute auf morgen passieren würde war ihm klar, denn er war viel zu integriert um einfach so verschwinden zu können. Mit Hilfe der Aussteiger Organisation „Exit“ gelang ihm der Ausstieg - wie er sagt ein schleichender Ausstieg.

Heute merkt man Gabriel Landgraf an, dass es ihm wichtig ist über die Fehler in seinem Leben zu berichten und andere davor bewahren möchte, die gleichen Fehler zu begehen wie er.

Landgraf sagte abschließend, dass er sich mit seinen Vorträgen ein Stück weit entschuldigen möchte und er damit versucht es ein bisschen wieder gut zu machen.

Vielleicht hat Gabriel Landgrafs Geschichte den Anwesenden gezeigt, wie schnell man in diese Szene abrutschen kann und das es an der Zeit ist, auch im Vogtland mehr von bürgerlicher Seite gegen Rechtsextremismus zu unternehmen.
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Ergänzungen

Kader

Egal 06.03.2009 - 09:57
Informierte AntifaschistInnen werden wissen, dass Gabriel Landgraf tatsächlich eine wichtige Fühungspersönlichkeit in der Berliner und Brandenburger Kameradschaftsszene war.
Ohne ihn wäre weder die BASO, noch der Märkische Heimatschutz das gewesen, was sie waren.
Bemerkenswert ist, dass sehr viele Nazis im berliner Raum, nur noch kurzzeitig in der Naziszene unterwegs sind. Entweder steigen sie nach 3 Jahren wieder aus oder sie sitzen im Knast. Das Konzept des aktionsorientierten Black Blocks hat für die Nazis in Berlin nicht nur den Vorteil eines schnelleren "andockens" an andere Millius und Subkulturen gehabt, sondern auch entscheidend dazu beigetragen, dass die Leute genauso schnell gehen, wie sie gekommen sind. Und das meist schon nach den ersten ERfahrungen mit AntifaschistInnen.

Ich kenne Gabriel L.

ehem. Mitschüler 06.03.2009 - 10:51
Er war schon immer Rechts. Mit 15 und 16 Jahren hatte er schon rechte Ambitionen und danach wahrscheinlich auch. Dennoch war er nie ein furchterregender Schläger damals gewesen, eher zurückhaltend und hat sich auch mit uns "Anderen" des öfteren abgegeben, um mal an der "Tüte" mitzuziehen.

Er ist auf die Otto-von-Guericke Oberschule in Wilmersdorf gegangen und zwar in der Zeit ab 93(?)-95 mit Abschluß mittlere Reife in einer Parallelklasse zugegen.

Er wurde aber des öfteren wegen seiner offenen rechten Gesinnung schon damals in der Schule schon gehänselt. Gekifft während der Schulzeit und danach hat er mit uns. Wahrscheinlich konnte er bei uns mal nicht "Rechts" sein, durften seine Kumpels damals nichts von seinem heimlichen Tun des Kiffens wissen (zumindest nicht Alle).

Ach ja, er ist Hertha-Fan und war schon damals des öfteren bei Hertha Spielen anwesend.

Ich hab Ihn als ruhigen Typen kennengelernt, mit 15 bzw. 16 Jahren hatte ich damals auch noch keine politischen Ambitionen. Er ist aber auch in einer Gegend zur Schule gegangen, wo Rechtsextremismus damals scharf bekämpft worden ist (...auch von der Otto-von-Guericke Oberschule). Also für eine grosse Klappe war der Ort eh schlecht.

Trotzdem gut zu Lesen, daß er aussteigen will bzw. schon ist!

Walldorf

wolf 06.03.2009 - 11:22
Zweiter Versuch - anscheinend sitzen in der Redaktion Steiner-Apologeten!

Im Text fehlt die Verzahnung zwischen Steiners rassistischem Weltbil und dem der Nazis. Walldorf-Zurichtungsanstalten, der Begriff Schule wie auch Pädagogik ist angesichts einer esoterischen Sekte fehl am Platze, fußen auf Steiners wirren Gedanken. Dass ein Walldorf-Besucher per se nicht in die rechte Szene abrutschen kann ist so wahr wie die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe.

(Anm.d.Mod.: sorry, 1. Versuch war im Spamfilter)

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Titel — AutorIn

verdammt — fgzu

Kritikpunkt — Die drei ???

das — tolle