Rassismus, Unrecht und Gewalt in Italien

EveryOne Group 04.03.2009 00:13 Themen: Antifa Antirassismus Repression Weltweit
Eine Vergewaltigung in Rom, zwei Roma als Verdächtige verhaftet - Politik missbraucht den Fall zur Durchsetzung rassistischer Gesetze und zur Räumung der letzten Roma-Siedlungen - rassistische Schlägerbanden springen auf den Zug auf - Recherchen lassen bezweifeln, dass die Verhafteten tatsächlich die Vergewaltiger sind.
Samstag, 28. Februar 2009 - PolitikerInnen, AktivistInnen und antirassistischen JournalistInnen zur sorgfältigen Beachtung.

Wir senden Ihnen hiermit die Ergebnisse einer Gegenuntersuchung, die von der EveryOne Group zum Fall der Vergewaltigung im Caffarella-Park in Rom durchgeführ wurde. Es geht um ein schweres Verbrechen, das ein großes Presseecho und viele Vorfälle von Intoleranz in ganz Italien ausgelöst hat. Das ebnete den Weg für neue diskriminierende Maßnahmen wie die "Sicherheitsgesetze", die Räumung von Roma-Siedlungen, Vertreibungen und neue Regeln für Roma-Lager. Wir sprechen den jugendlichen Opfern dieses furchtbaren Verbrechens unser Mitgefühl und unsere Solidarität aus. Ungeachtet dessen sind wir der Ansicht, dass es ernsthafte Zweifel an der Aufklärung dieses Falles gibt, und fürchten, dass die ZeugInnen, die Racz und Istoika entlasten können, von weiteren Einschüchterungen und eventuell sogar der Räumung ihres Lagers bedroht sind. Wir sind überzeugt, dass nicht einmal ein Transfer der Angeklagten nach Rumänien sie schützen würde, da viele rumänische Behörden sich als unzuverlässig erwiesen haben, wenn es um den Schutz von Roma-Bürgern aus ihrem Land geht. Seit wir uns mit diesem Fall befassen, wie wir das gewöhnlich tun, wenn Roma betroffen sind -- weil wir sehen, wie in der Vergangenheit auf ihren Rechten herumgetrampelt wurde -- haben wir eine Menge Druck bekommen, teilweise in extrem bedrohlicher Form. Auch deshalb senden wir Ihnen das folgende Dossier, das Überlegungen in Verbindung mit dem Vorfall im Caffarella-Park enthält; die allgemeine Lage der Rechte der Roma und allgemein von ImmigrantInnen in Italien; sowie die großen Schwierigkeiten, mit denen AktivistInnen konfrontiert sind, die in so einem feindseligen Klima arbeiten.
Roberto Malini, Matteo Pegoraro, Dario Picciau
EveryOne Group

Rassismus in Italien, Kriminalisierung der Roma und die Vergewaltigung im Caffarella-Park in Rom
Rom, 24. Februar 2009

Direkt nach dem Erscheinen der Nachricht über die brutale Vergewaltigung einer 14-jährigen im Caffarella-Park in Rom am 14. Februar 2009 gaben die italienischen Behörden die Täterbeschreibung bekannt, die das Opfer und ihr 15-jähriger Freund abgegeben hatten: Zwei dunkelhäutige Personen, einer mit langen Haaren und einer gequetschten Nase wie ein Boxer.

Laut dem jugendlichen Vergewaltigungsopfer fehlten einem der Männer an einer Hand zwei Finger, eine Beschreibung, die auf keinen der Angeklagten zutrifft. Es wurde berichtet, dass die zwei Teenager zuerst davon sprachen, die Angreifer hätten "einen arabischen Akzent" gehabt, laut den ZeugInnen, die ihnen vor einem Café zuerst zu Hilfe gekommen waren, und wie es online bei Repubblica TV ( http://tv.repubblica.it/copertina/lei-e-piccolissima/29454?video) veröffentlicht wurde.

Der römische Bürgermeister Gianni Alemanno hingegen meldete sich aus Slowenien, wo er dienstlich unterwegs war, und teilte (ohne Nennung irgendeiner Quelle) mit, die Vergewaltiger hätten mit osteuropäischem Akzent gesprochen. Er bestätigte, dass die Männer dunkelhäutig waren, deutete an, dass sie gut Roma sein könnten und informierte die Öffentlichkeit, dass am nächsten Tag bedeutende Räumungsaktionen gegen illegale Lager, die es in der Hauptstadt immer noch gibt, durchgeführt würden.

 http://www.ilmessaggero.it/articolo.php?id=46617&sez=H

 http://www.romatoday.it/cronaca/indagini-stupro-parco-caffarella-identikit-stupratori.html

 http://www.rainews24.rai.it/notizia.asp?newsid=10691

Gemäß vergleichenden Überprüfungen der Aussagen der Opfer und der römischen Polizei, die durch die EveryOne Group durchgeführt wurden, passen die zwei verhafteten Rumänen nicht zu der Beschreibung, die direkt nach dem Angriff veröffentlicht wurde. Einer von ihnen hat kurzes, blondes Haar und helle Haut; der andere ist dunkel und wird allmählich kahl. Auch ein Video, das kurz vor dem Verbrechen bei einer polizeilichen Inspektion des Romalagers in Primavalle aufgenommen wurde, zeigt ihn mit kurzen Haaren.

Zudem hatten einige in Rom lebende Roma die EveryOne Group schon vor der Verhaftung der beiden Beschuldigten informiert, dass die Behörden bereits zwei andere Rumänen wegen desselben Verbrechens verhaftet und eingesperrt hatten. Wenn sich diese Information bestätigt, könnte man vermuten, dass sie als "Reserve" dienten, die zum Einsatz gekommen wäre, wenn die anderen verhafteten Männer nicht zu den Berichten der Opfer, des römischen Bürgermeisters und der italienischen Behörden gepasst hätten.

Alexandru Loyos Isztoika, von der italienischen Presse "Il Biondino" genannt, hat angeblich das Verbrechen in der Nacht des 17. Februar gestanden, wobei er laut den Behörden eine "erschreckende" Beschreibung des Geschehens geliefert habe: "Die zwei jungen Leute weinten, was uns erst recht anstachelte, das Mädchen zu vergewaltigen", sagte er angeblich zu den ErmittlerInnen, laut der nationalen Presse.

Die Behörden informierten die Öffentlichkeit, sie seien im Besitz unwiderlegbarer Beweise: Die DNA der Angreifer, Fingerabdrücke, Blut und Proben von Körperflüssigkeiten, die von vielen Tageszeitungen als "wichtig" beschrieben wurden, zusammen mit zwei ausgeschalteten Handys in den Händen der beiden Vergewaltiger -- alles am Tatort gefunden.

Karol Racz bestand hingegen von Anfang an auf seiner Unschuld. Er war auch in der Lage, ein Alibi vorzuweisen: Zum Zeitpunkt der Vergewaltigung war er im Roma-Lager Torrevecchia in Gesellschaft anderer rumänischer Roma. Seine Version wurde von sieben ZeugInnen bestätigt, von denen vier bereits vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt haben.

Am 20. Februar bekannte sich Alexandru Loyos Isztoika vor dem für die Vorermittlungen zuständigen Richter Valerio Savio ebenfalls nicht schuldig und machte geltend, er sei zu einem Geständnis gezwungen worden, nachdem er von der Polizei brutal misshandelt und geschlagen worden sei. Er lieferte das gleiche Alibi wie Karol Racz.

"Ich wurde gezwungen zu gestehen. Diese Aussagen wurden mir auf der Polizeiwache in der Nacht vom 17. Februar von der römischen Polizei mit körperlicher Gewalt und psychologischem Druck abgenötigt." Der Ermittlungsrichter glaubte ihm nicht, und die beiden Männer wurden ins Gefängnis gebracht, wegen "Flucht-, Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr".

Isztoikas Anwalt bestätigte, sein Mandant habe das Geständnis zurückgezogen und erklärte, das jugendliche Opfer habe auf dem Foto auf den ersten Blick nicht seinen Angreifer erkannt, sondern nur, nachdem die ErmittlerInnen nachhakten. Anzumerken ist, dass es keine direkte Gegenüberstellung zwischen Angreifern und Opfern gab und die Identifikation nur über Fotos durchgeführt wurde. Nachdem "Il Biondino" die Verantwortung für das Verbrechen zurückwies, wertete der Ermittlungsrichter Alexandru Loyos Isztoikas neue Version der Fakten als unglaubwürdig. Was die Schläge betrifft, denen er unterworfen worden sei, stellte er fest, dass Isztoika "nur Anzeichen einer Rötung in den Achselhöhlen zeigt" (wobei zu bemerken ist, dass es möglich ist, jemanden so zu misshandeln, dass für das bloße Auge nur sehr wenige Spuren zu sehen sind). Jedenfalls bestätigte er nicht die Existenz irgendwelcher anderen Beweise: DNA, Blutproben, Fingerabdrücke, Handys -- all das wird plötzlich zur Seite geschoben und vergessen.

Die EveryOne Group meint, dass die Rechte von ImmigrantInnen, insbesondere die Rechte von Roma, nicht immer respektiert werden, wenn sie in Gerichtsverfahren geraten. Während der Befragung sollten VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen anwesend sein, angesichts der zahlreichen Berichte über Schläge, Bedrohungen und die häufige Verzerrung der Aussagen der Angeklagten (oft durch Einsatz unqualifizierter ÜbersetzerInnen).

Ein Beispiel für die Missachtung der Rechte eines Bürgers im Ermittlungsverfahren ist der Mord an Giovanna Reggiani. Auch in diesem Fall behaupteten die ErmittlerInnen, sie hätten die DNA des Angreifers und Zeugenaussagen, aber letztlich wurde Romulus Mailat zu 29 Jahren verurteilt, nur auf Grundlage der Aussage einer Frau, die an schwerer Verwirrung litt, eine Tatsache, die durch lange Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken bestätigt wird. Am 22. Februar wurde der Übersetzer der Aussagen Mailats und der "Super-Zeugin" von einem Unbekannten im Gebiet Petralata in Rom angegriffen und zusammengeschlagen.
(Bericht über den Angriff auf den Übersetzer: "Il Messaggero", Montag, 23. Februar, S. 1 und 9)

Ebenfalls am 22. Februar 2009 machten vier Roma aus dem Lager Torrevecchia in Rom bei den Ermittlungsbehörden eine freiwillige Aussage zu Karol Racz, einem der Angeklagten wegen der Vergewaltigung im Caffarella-Park. Sie bestätigten die Geschichte des Angeklagten: Am Abend des 14. Februar 2009, als das Verbrechen stattfand, war Karol Racz bei ihnen und anderen Personen in dem Lager, das sich in der Nähe von Santa Maria della Pietà befindet, "von fünf Uhr Nachmittags bis ungefähr neun Uhr".
(Aussage der vier Roma, "Il Messaggero", 23. Februar 2009, S. 9)

Die Vergewaltigung fand um 18:30 statt. Die ErmittlerInnen versuchen jetzt, festzustellen, ob ZeugInnen und Angeklagte miteinander verwandt sind, um ihre mutige Aussage wertlos zu machen. Es gibt aber auf jeden Fall andere Roma, die Raczs Aussage bestätigen können. Ein weiterer Fehler der ErmittlerInnen war der Verzicht auf eine Gegenüberstellung mit mehreren Personen zur Identifikation. Dem Mädchen wurden nur Fotos der beiden Rumänen nach ihrer Verhaftung gezeigt. Trotz ihrer Beschreibung der beiden als dunkelhäutig mit schwarzem Haar (einer langhaarig) und gutgekleidet "identifizierte" das Mädchen -- mehr als wahrscheinlich wegen des Schocks nach ihrem furchtbaren Erlebnis -- zwei ärmlich gekleidete Männer mit kurzem Haar, von denen einer blond und hellhäutig ist.

Nach der Vergewaltigung im Caffarella-Park und der anschließenden Medienkampagne, die darauf abzielte, Roma und rumänische StaatsbürgerInnen zu kriminalisieren (ein Verstoß gegen die Gesetze, denen gemäß die Verantwortung für ein Verbrechen nur auf das Individuum fällt und nie auf eine ganze soziale oder ethnische Gruppe ausgedehnt werden darf) wurden Dutzende Angriffe auf Roma, RumänInnen und andere AusländerInnen verübt. Allein am 15. und 16. Februar wurden 18 Überfälle gemeldet. Am Abend des 15. führte in Rom eine rassistische "Patrouille" von rund 20 mit Knüppeln bewaffneten, maskierten Personen mehrere Angriffe auf fünf rumänische Roma durch, von denen sich zwei mit schweren Verletzungen im Krankenhaus befinden: auf einen Rumänen; eine junge Roma-Mutter mit ihrem kleinen Kind; zwei Roma-Jungen. Kurz darauf brach in einer Romasiedlung in Pisa ein Feuer aus und zerstörte zehn Behelfshütten, in denen eine Gruppe Roma lebte.

In Turin wurde ein 18-jähriger aus Peru von einer rassistischen Bande mit Metallstangen verprügelt. Drei Rumänen wurden in Sassari zusammengeschlagen. In Sesto San Giovanni (Mailand) verprügelte eine rassistische "Patrouille" mehrere Roma. In Sacrofano (Rom) schlug eine Bande von acht mit Knüppeln bewaffneten Rassisten drei rumänische Roma zusammen. In Ancona verprügelten rassistische Banden einen 19-jährigen Roma, dann einen 36-jährigen rumänischen Roma. Am 21. Februar warf eine Bande zwei Molotowcocktails in einen von Rumänen betriebenen Laden, wo sie explodierten. Abgesehen davon wurden Vorfälle von Beleidigungen, Bedrohungen und Schlägen aus Städten in ganz Italien gemeldet. In der Zwischenzeit nutzten die Behörden das Klima der Intoleranz, um weitere Roma-Siedlungen zu räumen (über 40 in Rom zwischen dem 15. und 16. Februar) und Verhaftungen von Roma und RumänInnen als Teil ihrer Operation "gegen Kleinkriminalität" durchzuführen.

In Pesaro tauchte ein Flugblatt auf mit der Parole: "Adolf Hitler hat uns gezeigt, dass es kein Verbrechen ist, Zigeuner zu verbrennen. 10, 100, 1000 Patrouillen." In der gleichen Stadt beleidigte das Personal der Caritas (der christlichen "karitativen" Organisation) einen Roma-Jungen mit rassistischen Ausdrücken, und einige Einheimische jagten zwei Roma-Frauen grundlos aus einem Einkaufszentrum.

Denken wir einmal über die folgenden Verbrechen nach, die in Presse und Fernsehen viel Aufmerksamkeit bekommen hatten:

- den Mord an Giovanna Reggiani, für den Romulus Mailat ohne Beweise, aufgrund der Aussage einer unzuverlässigen Zeugin angeklagt und verurteilt wurde

- die versuchte Entführung eines Säuglings aus einem Appartement in Ponticelli (Neapel), für die ein Roma-Mädchen rumänischer Herkunft, Angelica V., verhaftet und ohne Beweise verurteilt wurde

- die Verhaftung und "mediale Verurteilung" von Karol Racz und Alexandru Loyos Isztoika, die nicht zu der von den Opfern gegebenen Täterbeschreibung passen, die ihre Unschuld beteuern und ein wasserdichtes Alibi haben (mit eindeutigen Zeugenaussagen vor dem Ermittlungsrichter im Fall von Karol Racz).

Alle drei Verbrechen fanden jeweils wenige Tage vor der Verabschiedung neuer "Sicherheitsgesetze" statt, die zahlreiche fremdenfeindliche und rassistische Maßnahmen enthalten. Zudem malten die Behörden in allen drei Fällen den "gesellschaftlichen Notstand" an die Wand und zeigten dabei auf Roma, RumänInnen und AusländerInnen. Da sind schwere Zweifel angebracht, ob es sich bei diesen Zusammentreffen um reine Zufälle handelte. Wir wissen, dass während der Jahre der Rassengesetze die SA und SS abscheuliche Verbrechen inszenierten und den Verdacht auf "Juden und Zigeuner" fallen ließen, was dann Verhaftungen, Pogrome, Deportationen und Strafverfolgungsoperationen rechtfertigte. Wir wissen auch, dass es in Italien Gruppen gibt, die Rassenhass, Fremdenhass und die Überlegenheit der ItalienerInnen über ImmigrantInnen predigen. Und wir wissen auch, dass solche Gruppen absolute Machtpositionen in Politik, Kommunikation, Militär, Polizeikräften und Medien erreicht haben.

Diese Überlegungen, zusammen mit der Beobachtung, dass die italienischen Behörden ärmere ImmigrantInnen systematisch verfolgen, und den zahlreichen Fällen von Polizei- und Gesetzesmissbrauch gegen die verwundbarsten ethnischen Gruppen bringen uns zu ernsthaften Zweifeln an vielen der Verbrechen, wegen derer Roma und ausländische StaatsbürgerInnen in Italien angeklagt und verurteilt werden.

Was die Kampagne betrifft, die von den Behörden betrieben und von den Medien verbreitet wird, müssen mehrere Halbwahrheiten aufgedeckt werden. Zuallererst: Der Rückgang der Zahl der Fälle sexueller Gewalt (laut Erklärung von Premierminister Berlusconi) wird nicht von den Tatsachen unterstützt: Die Daten des Istat-Berichts für 2007 zeigt, dass die Zahlen praktisch unverändert geblieben sind, ebenso wie der Anteil der Vergewaltigungen von Italienerinnen durch Ausländer. Dieser macht 3% der Fälle insgesamt aus, oder 6%, wenn die Fälle von Vergewaltigung einbezogen werden, die unter MigrantInnen stattfinden. 92% der Fälle von sexueller Gewalt werden Italienern zugerechnet.

(  http://spartacuslibero.blogspot.com/2007_12_01_archive.html).

In letzter Zeit haben die Medien dennoch nur jene Fälle sexuellen Missbrauchs herausgestellt, die von Ausländern begangen oder ihnen zugeschrieben wurden. Neun von zehn Vergewaltigungen werden in der Presse verschwiegen oder nur am Rande erwähnt, selbst wenn es sich um besonders brutale Verbrechen handelt wie Vergewaltigungen durch Banden, sexueller Missbrauch an kleinen Kindern durch Erwachsene und Gewalt, die von Italienern verübt wird, indem sie die Armut ihrer weiblichen Opfer ausnutzen. Besonders erwähnt werden müssen die wiederholte Vergewaltigung einer Vierjährigen durch ihren Adoptivvater, die Vergewaltigung eines neunjährigen Mädchens, der Mailänder, der ein Mädchen aus Mosambik lange einsperrte und ihr Gewalt antat, sowie der ständige Missbrauch, der von italienischen Männern gegen rumänische Kinder und junge Mädchen verübt wird, deren Vertrauen sie oft durch das schlichte Angebot gewinnen, ihnen eine Mahlzeit zu kaufen. Die rumänischen Behörden jedoch verhielten sich wie die von Mosambik während der Ermittlungen diskret, auch um die Intimsphäre der Opfer zu schützen. Wenn die dortigen Behörden und Medien eine fremdenfeindliche Politik betrieben hätten, wäre wohl auch rassistischer Hass geschürt worden und die öffentliche Meinung hätte sich wahrscheinlich gegen die örtlichen italienischen Exilgemeinden gewendet. Es bleibt dennoch die ernstzunehmende Gefahr, dass die nationalistischen Bewegungen von EU-Mitgliedsstaaten und Ländern außerhalb der EU sich von diesem "italienischen Modell" inspirieren lassen und eine neue Ära von Ausländerjagden, eine Welle von rassistischen und fremdenfeindlichen Ressentiments auslösen. So etwas würde ItalienerInnen im Ausland betreffen, indem es Stereotypen wiederbelebt, die unsere Landsleute in der ganzen Welt begleiten.
 http://www.corriere.it/cronache/09_febbraio_18/varese_arrestato_violenza_sessuale_figlia_adottiva_3a38e83e-fda2-11dd-aa50-00144f02aabc.shtml
 http://www.repubblica.it/2009/01/sezioni/cronaca/violenza-sessuale/palermo-violentata-9-anni/palermo-violentata-9-anni.html

 http://www.ilmessaggero.it/articolo.php?id=46441&sez=HOME_NELMONDO

 http://www.nigeriavillagesquare.com/forum/woman-woman/28758-italian-arrested-raping-african-girl.html

Die italienische Regierung ist dabei, der rumänischen Regierung ein Dossier vorzustellen, das zeigen soll, wie weit verbreitet rumänische Kriminalität in Italien ist. Das Dossier, von dem wir ein Exemplar gesehen haben, würde offizielle Statistiken der Lüge bezichtigen, die zeigen, dass die Häufigkeit von Verbrechen, die von rumänischen StaatsbürgerInnen begangen werden, in der proportionalen Norm liegt.

Anzumerken ist, dass es in einem demokratischen, toleranten Staat keine Diskrepanz zwischen den Anteilen der ethnischen Gruppen in der Gesamtbevölkerung und in den Gefängnissen geben dürfte. Soziologie, Anthropologie und Kriminologie bestätigen, dass keine Nationalität genetisch dazu veranlagt ist, mehr Verbrechen zu begehen als andere, und dass nur soziale Ungleichheit zu einer wesentlichen Abweichung kriminellen Verhaltens führen kann. Der SAPPE-Bericht von 2008, der von der Gewerkschaft des Gefängnispersonals zusammengestellt wurde, zeigt gerade das Gegenteil: In Italien, wo AusländerInnen nur 8% der Bevölkerung ausmachen, haben 46% der GefängnisinsassInnen ausländische Staatsbürgerschaften. Wenn wir nur die Wohnbevölkerung berücksichtigen (d. h. nach Abzug reisender Krimineller), sind 36% der Inhaftierten AusländerInnen.

Ebenso interessant ist eine Zahl, die die von der Regierung geschürten "Sicherheitsängste" in Frage stellt: Sowohl 2007 als auch 2008 gab es einen klaren Rückgang der Zahl von Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit, trotz des Eintritts des gescholtenen Rumäniens in die EU. Ungeachtet dessen bestätigte Außenminister Franco Frattini am 23. Februar 2009 die Sonderbehandlung, die Italien für Rumänien im Vergleich zu anderen EU-Staaten betreibt: "Italien möchte ein für allemal klarstellen, dass wir Rumänen, die arbeiten und sich an unsere Gesetze halten, willkommen heißen und auch weiterhin willkommen heißen werden, dass wir aber gleichzeitig im Umgang mit Rumänen, die das Gesetz brechen, hart durchgreifen werden."

Es ist eine wichtige Aufgabe der europäischen Zivilisation, dieses wieder auftauchende Phänomen des gewaltsamen Rassismus' und Fremdenhasses auszulöschen. Dieses Phänomens führt zu einer organisierten Bewegung, die an Gruppen erinnert, die für ethnische Säuberung und Rassenverfolgung stehen, wie der Ku Klux Klan, die NSDAP, die Pfeilkreuzer-Partei in Ungarn, die Ustasha, die Schwarzhemden (italienische Vorläufer der SA) und die Nationale Partei Südafrikas.

Um zu verhindern, dass die Romaverfolgung in Italien mit vollkommener Gleichgültigkeit oder sogar stillschweigender Billigung der EU stattfindet, ist es ratsam, sich bei jeder Gelegenheit die ernsten Warnungen derer wieder vor Augen zu führen, die am eigenen Leib Verfolgung und Massaker erlebt haben, die aus rassistischem Hass begangen wurden.

"Die Roma in Italien werden genau so verfolgt wie wir Juden damals in den Jahren der Rassengesetze."
Piero Terracina angesichts des Leids verfolgter Roma-Familien in einer Siedlung in Rom

"Wir Zigeuner stehen am unteren Ende der Gesellschaftshierarchie, in der Schule, bei der Arbeitssuche und vor dem Gesetz. Der Holocaust hat für uns nie aufgehört."
Goffredo Bezzecchi, italienischer Roma, Überlebender des Samudaripen

"Für uns Juden fing es damals genau so an. Behörden und Zeitungen fingen an, uns schrecklicher Verbrechen zu beschuldigen: Vergewaltigung, Kindermord, Verschwörung gegen das arische Volk, Gier, Vollzug abscheulicher Rituale. Die SA und SS inszenierten brutale Verbrechen und ließen die Schuld auf unschuldige Juden fallen, sogar auf Rabbiner, lösten dadurch schreckliche Pogrome aus und provozierten unter den Völkern Europas Gefühle von Hass und Misstrauen gegen die Juden insgesamt. Die Roma sind auch heute noch Opfer dieser rassistischen Strategie, weil einige der reichsten Länder in der EU, allen voran Italien, sie lieber Jahr für Jahr physisch eliminieren, statt bei ihrer Integration zu helfen. Die Lage der Roma in Italien ist die gleiche wie die der Juden in den Ghettos von Litauen und Polen während der Nazizeit. Ich fühle mich den Roma sehr verbunden und leide mit bei dem, was sie durchmachen."
Tamara Deuel, Holocaust-Überlebende in Litauen

"Das ist eine historische Wahrheit. Eine bittere, tragische Wahrheit. Wir selbst, wir Juden haben oft am eigenen Leib die Konsequenzen davon erfahren, unabänderlich Ausländer zu sein, dann parasitische Ausländer, verschwörerische Ausländer, Mörder von Christenkindern, und darum Menschen, die man deportieren, verfolgen und auslöschen muss -- was schließlich zur schlimmsten aller Verfolgungen führte, dem Holocaust. Uns Juden ist wohl bewusst, was es heißt, Opfer von Vorurteilen zu sein, die schließlich in "reinigende" gewaltsame Hassausbrüche münden. Wir wissen, was es heißt, als "Böses" dargestellt zu werden, das ausgemerzt werden muss. Als Jude wie als Bürger, der an demokratische Ideale glaubt, fühle ich mich einer Gemeinschaft nahe, der Gemeinschaft der Roma, die nicht zum Opfer neuer Pogrome werden darf."
Amos Luzzatto


EveryOne Group
28.02.2009
*****
Kontakt:
Gruppo EveryOne
(+39)331–3585406 - (+39) 334–8429527 - (+39) 334–3449180
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Demonstration in Milano

Beobachter 08.03.2009 - 20:00
Demonstration in Milano für ein soziales Zentrum - Bilder
 http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=998160