Polizei macht Jagd auf Antifas in Bergamo

abbasso maroni 01.03.2009 00:56 Themen: Antifa Repression Weltweit
Samstag Nachmittag in Bergamo. Antifaschisten versammeln sich, um gegen die Eröffnung einer Niederlassung der neofaschistischen Gruppierung Forza Nuova zu demonstrieren. Die Demonstration verläuft ohne Zwischenfälle, dann aber kommt es zur polizeilichen Menschenjagd. 59 werden festgenommen, fünf verhaftet.
Ein Bericht aus der Tageszeitung "Il Manifesto"

Come-back der Polizeiangriffe in Bergamo

28/02/2009

Giorgio Salvetti

Es schien, als sei alles gut ausgegangen. Die antifaschistische Spontandemonstration gegen die Eröffung einer Forza Nuova Niederlassung in Bergamo war im Begriff, sich aufzulösen, als es plötzlich zu heftigen Polizeiangriffen kam. Die Beamten behaupten, sie hätten auf Flaschenwürfe durch die Demonstranten geantwortet und ein aufgemotztes Grüppchen verfolgt - klagen verletzte Polizisten, die sagen, sie hätten eine Pickhacke beschlagnahmt. Tatsächlich wurden aber kalte Angriffe gestartet, die die gesamte Demonstration getroffen haben.

Die Demonstranten sind durch die Straßen der Innenstadt geflüchtet, sie wurden aber von den Beamten im Kampfanzug verfolgt, die damit fortgefahren sind, sie mit Schlagstöcken zu schlagen. 59 Antifaschisten wurden festgenommen und ins Polizeipräsidium bzw. in die Kaserne der Carabinieri gebracht. Vor dem Polizeipräsidium versammelten sich einge Dutzend Menschen, die wissen wollten, was mit ihren Mitstreitern geschieht. Auch sie wurden aber angegriffen und mit Schlagstöcken verprügelt.

Grundlos.

Es ist ein übler sehr übler Tag gewesen, der durch eine Reihe gewalttätiger polizeilicher Aktionen gekennzeichnet wurde, die nach von Oben befehligter Vorsätzlichkeit riechen - während in Mailand die Demonstration für Cox 18 abgehalten wurde.

Der Tag in Bergamo hatte schlecht begonnen, als Forza Nuova Boss Roberto Fiore gegen 15 Uhr 30 die Niederlassung seiner neofaschistischen Bewegung in der Via Quarenghi einweihte - in der multiethnischsten Gegend der Stadt, in der es bereits zur Begehung von einigen rassistischen Akte gekommen ist. Seit einigen Jahren ist in Bergamo eine Ortsgruppe von Forza Nuova aktiv, deren Aktivisten sich oft in städtischen Blogs zu Wort kommen, die früher in linker Hand waren.

Etwa tausend antifaschistische Aktivisten hatten sich gestern Nachmittag genau in Via Quarenghi verabredet, 70 Meter von der neofaschistischen Niederlassung entfernt. Von dort setzten sie sich durch die Straßen der Innenstadt in Bewegung und führten Straßenblockaden durch. Nichts weiter. Auch 200 behelmten Faschisten, die einer Journalistin von Antenna 6 die Kamera zerstörten, wurde gestattet, durch die Straßen zu ziehen. Die antifaschistische Demonstration erreichte nach zwei Stunden erneut die Via Quarenghi, wo sie begann, sich aufzulösen. Die Neofaschisten - etwa 400 Personen - waren abgezogen, und auch einige linke Aktivisten hatten begonnen, zu gehen, als es zwischen der Via Paglia und der via Paleocapa überraschend zu einem Polizeiangriff kam. Ein sehr harter und lange anhaltender Blitzangriff. Die Beamten verfolgten die flüchtenden Demonstranten mitten im Stadtverkehr und schlugen auf sie ein, vor den Geschäften, wobei sie mit ihren Schlagstöcken auch junge Leute verprügelten, die bereits am Boden lagen.

"Die Demonstration war bereits seit einer Stunde zu Ende" erzählt ein Demonstrant. "Selbst der Polizeipräsident Dario Rotondi hatte einige Veranstalter für die Handhabe der Demonstation beglückwünscht, als die Polizisten losgestürmt sind. Es juckte ihnen in den Fingern".

In Bergamo stehen Kommunal und Provinzialwahlen bevor - ein von der Polizei gegen linke Demonstranten mit harter Gangart abgewickelter Tag mit Auseinandersetzungen in den Straßen kommt für Minister Bobo Maronis Lega Nord wie gerufen.

Die Ordnungskräfte behaupten, dass sie gegen eine von außerhalb angereiste Gruppe vorgegangen waren - sie sollen es gewesen sein, die Hämme und Pickhacken mitbrachten. Die Festgenommenen wurden in einem Hof im Polizeipräsidium gesammelt. Es wird wahrscheinlich fünf Verhaftungen geben. Die anderen Festgenommenen wird man im Laufe der Nacht freilassen.

 http://www.ilmanifesto.it/archivi/fuoripagina/articolo/512/
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Ergänzungen

"Ordnungskräfte"?

Mhh 01.03.2009 - 01:06
Also soweit ich weiß, wird die italienische Polizei von Faschisten dominiert. Das ist nicht wie in Dtl., wo vielleicht ein Drittel der Polizei rechte Ansichten vertritt, sondern es sind echte bekennende Faschisten und sie bestimmen das Bild. Das "Tod den Juden"*-Jubelgesinge nach dem Mord an Carlo in Genua dürfte ja vielen noch bekannt sein**. Und nicht zuletzt sind die Faschisten Teil der Regierungskoalition und haben sehr viel Rückhalt in der Bevölkerung.


*Der gesamte Reim der Polizisten geht so: "eins, zwei, drei, es lebe Pinochet, vier, fünf, sechs, Tod den Juden, sieben, acht, neun, der Neger rührt sich nicht mehr - Sieg Heil - Apartheid."

**Selbst konservative Medien berichteten:
 http://www.tagesspiegel.de/politik/international/g-8-gipfel/art2648,2501267
(Bitte unbedingt lesen!)

Ausserdem:
 http://www.veritagiustizia.it/doc_deu/indymedia_auf_deutsch_bericht_des_il_manifesto.php

Im Buch von Dario Azzelini über Genua wird ziemlich ausführlich über die Polizeistrukturen (die seit Mussolinis Ende immer noch streng faschistisch organisiert und dominiert sind) berichtet. Nichtfaschisten werden gemobbt und haben keinerlei Einflussmöglichkeiten.

@ Mhh 01.03.2009

Da 01.03.2009 - 03:02
Quelle für das Tod den Juden Lied?

ähm...

bei aller liebe... 01.03.2009 - 03:32
Genua ist unvergessen, aber acht Jahre her. Es gibt Aktuelleres, worüber Ergänzungen gebracht werden sollten. Das mit Genua weiß jeder und Azzellini... na ja, der hat, bei Allem Respekt für die einstige Arbeit, schon lange nichts neues nachgetragen, obwohl sich in Italien einiges tut, das Alles, was man schon kennt, schwer verschärfen dürfte...

Wie die Jungs für's grobe gestrickt sind, ist klar. Weniger klar ist außerhalb und leider auch in beträchtlichen Teilen auch innerhalb Italiens wohl, dass einige Etagen höher gerade extrem aggressiv vorgegangen wird. Auch das war auch in Genua schon so. Und doch darf von einer deutlichen Verschärfung gesprochen werden. Die Medienmacht Berlusconis ist soweit, dass sie die Mehrheit derer, die Wählen gehen, für die derzeitigen reaktionären Kräfte, die an der Macht sind, zur Sicherung der aktuellen Machtverhältnisse zielsvöllig erfolgssicher mobilisieren kann (!!!). Eine parlamentarische Opposition, die diesen Namen verdient, existiert nicht mehr (!!!). Die regierende Mehrheit hat sich zu einer sich rasant drehenden Schleuder reaktionärster (Eil-) Gesetze gemausert (!!!). Die soziale Opposition, sprich, Menschen, die sich widersetzen, die existiet noch. Dass man in nächster Zukunft aber gegen diese härteste Bandagen anlegen will, ist offenkundig und so gut wie sicher (!!!), und die Ereignisse in Bergamo sprechen sehr dafür (!!!).

Schon der Kontext war explosiv: Das Forza Nuova Event hat parallel zu einer Demonstration in Mailand mit fünfzehntausend Teilnehmern stattgefunden, die sich - mit lokalem Bezug - auf die reaktionären Entwicklungen, die im ganzen Land um sich greifen, entschlossen positionieren wollte. Die Nachricht des Überfalls auf die Demonstration in Bergamo erreichte die Leute in Mailand, als sie noch unterwegs waren. Viele haben dann weiter demonstriert, damit die Leute in Bergamo frei gelassen werden, aber es hat leider nicht gekracht. Propagandistisch hätte ein riesenriot in Mailand hätte den Machern der neuen Regeln für den Straßenprotest sicher sehr gut in den Kram gepasst. Jetzt wird dann eben Bergamo ausgeschlachtet. Der allergrößte Teil der Presse schlachtet Bergamo exakt im Sinne des Innenministeriums aus. Speziell wird die Straßenblockade kriminalisiert, das Ziel dabei ist es, einen gesellschaftlichen Konsens zu ezeugen, um die (friedliche!!!) Straßenblockade von der Ordnungswidrigkeit in eine Straftat umwandeln zu können. Und ganz im Sinne einer neuen Verordnung über die Handhabe von Demonstrationen wurden die Tatvorwürfe gegen die bisher Freigelassenen (Unerlaubte Demonstration) formuliert - auch etwas, das ganz schön explosiv ist, übrigens, weil es in dieser Form in nicht gekannter Manier daherkommt.

Mindestens soviel muss gesagt werden (denn es könnte noch mehr gesagt werden), weil das Alles sogar noch mehr ernst ist, als die bekanntliche üble Gesinnung vieler Angehörige der Einsatzkräfte. Die haben ihrem Ruf in Bergamo auch wirklich entsprochen, wie es scheint: eine Indymedia Kurzmeldung (00:26 Uhr) besagt: "Gerade treffen Nachrichten aus Bergamo ein: zwei Compagni* wurden ins Gefängnis verbracht. Die Compagni, die als Festgenommene im Polizeipräsidium anwesend waren und nun mit einer Anzeige nach Paragraf 18 Tulps (Eine Art Polizeigesetz) auf freiem fuß sind, sagen, dass die beiden Compagni deutliche Verletzungen durch Die Schläge der Polizei aufweisen. Ein Compagno soll eine ausgedehnte Kopverletzung haben und der andere ein von Schlagstockhiebe gezeichnetes (geschwollenes) Gesicht. Ein Video zeigt eine Situation, die stark an Genua erinnert (wobei es quasi daily life mäßig immer wieder vorkommt): ein Mensch liegt am Boden, ein Ordnungshüter "sichert" ihn, in dem er seinen Treter auf seinen Kopf drückt. Der Ton gibt die von Genua auch Ausländern bekannte Aussage wieder: "Still, du Bastard!" (siehe:  http://lombardia.indymedia.org/node/14395#comment-17304 , eintrag 20:26 Uhr).

* das heißt "Genosse", was aber nicht wirklich befriedigend wiedergibt, was der Begriff wirklich bedeutet. Ist lange nicht so ausgelutscht und retro, wie in D.








Ergänzung der vorherigen Ergänzung

abbasso maroni 01.03.2009 - 03:58
Ein (!!!) Punkt ist liegen geblieben, der unbedingt erwähnt gehört. Das Klima ist dieser Tage auch wegen der Bürgewehren aufgheitzt, die das jüngste Eildekret ganz offiziell vorsieht. Etwas, das die Lega Nord (die Partei des Innenministers) auf dem Wunschzettel der politischen Gruppen der reaktionären Koalition an Berlusconi setzte, das aber auch sehr den Neofaschisten gefällt, die sich in Bergamo auch entspechend gebärdeten. Die neue Niederlassung von Forza Nuova in Bergamo liegt im Herzen des multikulturellsten Stadtteils Bergamos. Wie explosiv das ist, muss wohl nicht weiter erklärt werden... Eine genaue Definition der "Bürgerwehren" steht noch aus, weil sich die verschiedenen Kräfte innerhalb der Regierung darüber heftig streiten. Verteidigungsminister La Russa (Alleanza Nazionale, die traditionell am liebsten von Polizisten und Carabinieri gewählt wird) setzte eine vorläufige Klausel durch, die vorsieht, dass diesen Bürgewehren nur ehemalige Polizisten, Soldaten und Carabiniei angehören dürfen. Die Lega sieht es lockerer. Sie will durchsetzen, dass jeder x-beliebige "rechtschaffene Bürger" mit einschlägiger "Erfahrung" bzw. "Eignung" dabei sein darf. Bürgerwehren im do-it-yourself Stil gibt es ohnehin schon länger, gerade von der Lega Nord. Aber auch Forza Nuova ist nicht schlecht in Fahrt damit.

lesenswert!

... 01.03.2009 - 04:12
Bericht eines Genossen aus Bergamo über rechtsradikale Tendenzen in Italien

 http://linksunten.indymedia.org/de/node/417

Frau singt bei der Arbeit - gekündigt

News 01.03.2009 - 10:36
us arbeitsrechtlichen Gründen erhielt die aus Ghana stammende Metallarbeiterin jetzt sechs Monatsgehälter als Abfindung zuerkannt, darf aber nicht in ihren Betrieb zurück. Sie lebt seit zwei Jahrzehnten in Italien und war 17 Jahre lang in dem Betrieb im norditalienischen Bergamo tätig.

videos

ty 01.03.2009 - 16:51
Videos von den Übergriffen:

 http://www.youreporter.it/video_Scontri_a_Bergamo

Mehr Quellen

Azzoncao, ein Polit-Cafè 01.03.2009 - 17:43

Martin Zöller schreibt für die Welt:

Leser 01.03.2009 - 19:28

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