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St.Pauli vs. Rostock - Fussball "unpolitisch"

Zinèdine Zidane 28.02.2009 22:16
Seit dem Abstieg des FC Hansa Rostock in die zweite Bundesliga wurden die Nordderbys zwischen den Hanseaten und dem FC St. Pauli in beiden Fanlagern sehnsüchtig erwartet. Und nicht nur dort: Nazis und Rassisten auf der einen sowie Antifas und linke Hooligans auf der anderen Seite bekamen feuchte Hände, als der Spielplan für Liga zwei veröffentlicht wurde. Denn in den neunziger Jahren bedeuteten Spiele zwischen den beiden Vereinen zweifellos ein Aufeinandertreffen von offen rechten und explizit linken Fussballfans. Die Rivalität zwischen beiden Lagern rührt aus dieser Zeit, auch wenn sich in der organisierten Fanszene seither einiges geändert hat. Doch was hat sich eigentlich geändert?
[Die ist kein Artikel der sich den staatlich gewollten Fussball-Gewaltdiskurs zu eigen machen will, oder Gewalt zwischen Fussballfans per se verurteilt. Es soll hier vielmehr um die Frage gehen wer mit wem und warum - Anm.d. Autors]

Während damals noch kleinere Gruppen von rechten Hooligans und neonazistischen Skinheads die mehr oder weniger organisierte Fansszene des FC Hansa Rostock ausmachten und auf der anderen Seite mit organisierter Fanszene höchstens die Fanclubs des FC St. Pauli genannt werden könnten, hat sich in deutschen Stadien heutzutage ein aus Italien importiertes Modell der Fanorganisierung etabliert. Die "Ultrà" oder "Ultras" genannten Gruppen sind für ihre Größe, koordinierten Gesänge und Choreografien bekannt und aus organisatorischen Gründen entsprechend gut strukturiert. Auch bei den Hanseaten aus Rostock und am Millerntor von St. Pauli sind diese Ultras zu finden und stellen jeweils die größte und bestorganisierteste Fangemeinschaft in ihrem Stadion dar.

Bei den sich "Suptras" nennenden Ultras des FC Hansa Rostock herrscht kein rechter, oder fremdenfeindlicher Konsens, vielmehr denken sie, dass "Jeder der Hansa unterstützen will (...) seine absolute Daseinsberechtigung" hat. Trotz einschlägiger Vorgeschichte der Rostocker Fanszene findet sich in ihrer Selbstdarstellung jedoch keinerlei Statements
zu Rassismus, rechter Gewalt, oder Ähnlichem. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es in dieser Gruppe genausowenig einen antirassistischen Konsens gibt. Vielmehr wird mit dem völlig sinnfreien, aber deshalb unter deutschen wie italienischen Ultrà-Gruppen nicht weniger beliebtem Label "unpolitisch" kokettiert.

Ganz anders sieht die Situation bei den Ultras des FC Sankt Pauli aus. In ihrem Selbstverständnis bezeichnen sie sich als "links, mit Fug und Recht und aus Überzeugung!" und betonen, dass es ihnen dabei um "Selbstorganisation, Kritik an der Gesellschaft, gelebten Antifaschismus, Freiheit und Solidarität" geht. Auch bei praktischen Aktionen kommt dieser Anspruch zur Geltung, etwa in der Unterstützung der Migranten aus dem Abschiebelager Horst, bei Solidaritätsaktionen für den inhaftierten Antifa Matti, in Aktivitäten gegen Naziaufmärsche, wie am ersten Mai 2008 in Hamburg, oder durch die selbstorganisierte Kampagne gegen das Deutsche Sportfernsehen (DSF).

Durch ihre Organisiertheit, spektakuläre Choreografien und ständige Präsenz bei den Spielen bestimmen die Ultras beider Vereine meistens das medial wahrgenommene Bild der jeweiligen Fanlager, auch wenn sie diese insgesamt nur zu einem winzigen Bruchteil repräsentieren. So vereinen die Ultrà Sankt Pauli nicht mehr als 400 Leute und bei den
Suptras sind nach eigenen Angaben 130 zahlende Mitglieder, das heisst insgesamt etwa 300 Personen assoziiert.

Konkret kann also davon ausgegangen werden, dass gerade bei Heimspielen, bei denen die organisierten Ultras im Vergleich zur Gesamtbesucherzahl äusserst marginal sind, kaum noch Einfluss auf das gesamte Fanlager genommen werden kann. Das hat fatale Auswirkungen auf das tatsächliche Bild im Rostocker Ostseestadion. Denn bei einem Verein wie dem FC Hansa Rostock, dem einzigen Profiverein in einer Region, in der die NPD mit mehr als sieben Prozent in den Landtag gewählt wurde, zieht der Fussball das vorhandene rechte Potential genauso magnetisch an, wie er es in jeder anderen Stadt auch tut. Dumm nur, dass das rechte Potential in Mecklenburg Vorpommern noch immer so groß ist.

In Hamburg stellt sich die Situation etwas anders dar, jedoch nicht in erster Linie, weil es dort wesentlich weniger Rechtsextreme geben würde. Immerhin wurde in der Hansestadt auch schon der Law and Order Richter Roland Schill zum Bürgermeister gewählt. Sondern weil sich hier ein weiterer Bundesligist in der Stadt und einige andere Profivereinein der Region befinden, die polarisieren, das rechte Potential binden und eine spezifisch linke Fankultur am Millerntor erst ermöglichen.

Die Diskrepanz zwischen Selbstbild der Ultras und tatsächlichem Ausdruck der gesamten Fanszene ist daher beim FC St. Pauli wesentlich kleiner als bei Hansa Rostock. Den Suptras scheint nicht wirklich klar zu sein, dass gerade gegen den St. Pauli, der auch unter "unpolitischen" Hansa-Fans als "Zeckenverein" gilt, besonders viele Neonazis ins Stadion kommen und den Fans der Braun-Weissen ein Bild vermitteln, das die Klischees aus den neunziger Jahren bestätigt.

So geschehen beim Hinspiel in Rostock: Während im Sonderzug der auswärts reisenden St. Pauli Fans noch Flyer verteilt wurden, die der Tatsache Rechnung trugen, dass sich gerade in der organisierten Fanszene Rostocks einiges zum Positiven gewendet hat, waren die Fans von St. Pauli im Stadion mit Provokationen konfrontiert, die vom Tragen von Thor Steinar Klamotten, über rassistische Parolen bis zum permanenten Zeigen des Hitlergruss reichten. Flankiert wurden diese rechten Rostock Fans, die sich neben dem Gäste Block eingefunden hatten, durch die "Scheiss St. Pauli" Rufe und das zur Gewalt auffordernde Transparent "Wo, Wann, Wieviele" aus dem Suptras Block.

Dass die Nazi-Hools nach Abpfiff die Forderung des Transparents aufgriffen und versuchten den Gästeblock anzugreifen, trug ebensowenig zum Abbau von Vorurteilen gegenüber den Hansa Fans bei, wie die Tatsache, dass das von den Suptras angefertigte Mobilisierungsvideo für das Rückspiel in Hamburg genau die Nazi-Hools abfeiert, um die es hier geht, obwohl sie dem klassischen Klischee des Rostocker Supporters über 90 Minuten und darüber hinaus entsprachen.

Da ist es nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein, wenn die Suptras auf ihrer Website für das anstehende Derby dazu aufrufen, dass der Support "frei von politisch motivierten Gesängen jeglicher Richtung" sein sollte. Um das rechte Klischee loszuwerden ist es notwendig einen klaren Trennungsstrich zur neonazistischen Minderheit beim FC Hansa zu ziehen. Das davon jedoch nichts zu merken ist zeigt wie marginal die linken und antifaschistischen Fans, die es es in Rostock zweifellos gibt, bei den Suptras sind. Dass sie es vor dem Hintergrund der weltweit Furore machenden Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen bisher noch nicht einmal geschafft haben ein antirassistisches Statement im
Selbstverständnis der Gruppe zu platzieren, ist äusserst schwach und sollte sie über den Sinn ihrer Arbeit im Stadion nachdenken lassen. Denn ein antirassistisches Statement sollte auch für "unpolitische" Organisationen drin sein, wenn sie ihre Stadt und nicht den dort in die Geschichte gegangenen rassistischen Mob angemessen repräsentieren will.

Fakt ist, dass am Freitag hunderte Nazis und sonstige Arschlöcher nach Hamburg kommen werden, deren vorrangiges Ziel es sein wird "Zecken zu klatschen". Schulter an Schulter mit "linken" und "unpolitischen" Hansa Fans, die die "Zecken" nur "klatschen" wollen, weil sie St. Pauli Fans sind, werden sie definitiv eine Gefahr für den Kiez und seine Bewohner darstellen. Daher ist es völlig legitim Selbstschutz zu organisieren und auch über das Fussball-Milieu hinaus zu mobilisieren - völlig egal ob das nun antifaschistisch genannt werden kann, oder nicht.
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Ergänzungen

Ja Ja

Red_Angel 01.03.2009 - 00:53
Mal wieder ein Artikel voller Sachkompetenz. Es ist ja schon peinlich, dass selbst ernannte Antifaschisten darauf hingewiesen werden müssen, geschaffene Stereotype kritisch zu hinterfragen.

a) die Nazis heulen rum, dass immer mehr 'Zecken' ins Ostseestadion kommen
b) die Polizei flennt rum, über die Verquickung von Antifas und Fussballern
c) eine Band aus dem Suptras-Umfeld veranstaltet Antifaschistische Konzerte ( http://de.indymedia.org/2009/01/239049.shtml), spielt zusammen mit Dritte Wahl in der Flora auf einer Soliparty für Antifas um ein Tag später nach Dresden (14.02) zu fahren um dort Soli zu spielen

P.S.

Beim Konzert in der Flora tauchten natürlich ein paar Spinner auf, die meinten, dass wegen der Band logischerweise Nazihooligans in der Flora am Start sind. Und auf indy wird wie irre getrommelt, um den 'Naziaufmarsch' zu verhindern.
Ihr Spinner, wo ward ihr Schreihälse denn, als die Nazis zweimal durch Rostock marschieren wollten, weil es am Naziladen ein bisschen gescheppert hat? So jetzt mal Hand hoch!

Wenn lokale Antifas wiederholt darauf hinweisen, dass diese ganze FCH - alles Nazis-Mist, nicht nur nicht stimmt, sondern auch gerade ziemlich kontraproduktiv ist, wird das konsequent ignoriert. Danke schön dafür.
Stattdessen ergötzt man sich in den Kommentaren daran, dass bei dem FCH nicht die Standards gelten, wie sie bei St.Pauli und einigen anderen Vereinen usus sind. Auf die Idee, dass man da vielleicht Äpfel mit Birnen vergleicht kommt man natürlich nicht.
Besserscheitern hatte die wohl beste Überschrift zu dem Thema schon bezüglich des Hinspieles verfasst: 'Die Welt ist ja so einfach von St.Pauli aus gesehen' - Dem ist wohl nichts hinzuzufügen, aber man bedankt sich natürlich artig für die vielen klugen Kommentare und Ratschläge, die in der letzten Zeit auf indy zu diesem Thema erschienen sind.

Immer noch nicht verstanden?

St. Pauli Fan 01.03.2009 - 02:08
Red Angel:

du machst es dir zu einfach. Anstatt eindeutige Bekenntnisse, dass vernünftige St. Pauli und Hansa Fans gemeinsam gegen Nazis vorgehen sollen, stellst du dich wieder in die "kollektive" Opferrolle. Wir armen, missverstandenen Hansafans, alles nur ein Problem der Vorurteile.


"Stattdessen ergötzt man sich in den Kommentaren daran, dass bei dem FCH nicht die Standards gelten, wie sie bei St.Pauli und einigen anderen Vereinen usus sind. Auf die Idee, dass man da vielleicht Äpfel mit Birnen vergleicht kommt man natürlich nicht."

Ihr müsst euch schon die Frage gefallen lassen, ob ihr die Standarts nicht etwas zu niedrig ansetzt. Bei vielen anderen Vereinen werden die Dinge zumindestens beim Namen genannt und es findet eine eindeutige Distanzierung zu Nazifankreisen statt.

Warum z.b. keine eindeutigen Stellungnahmen auf der Suptra-Seite, kein Eingehen auf vergangene Ereignisse, sondern stattdessen ein, ach so lustiges Mobilisierungsvideo. Zusätzlich der Aufruf, dass auch alle ohne Karte nach Hamburg fahren und der Ausspruch "Scheiß St. Pauli". Da verwundert es wohl nicht, wenn das Gästebuch dann von rechten Idioten frequentiert wird, die das alles so verstehen, dass hier zum Sturm auf die Zeckenhochburg aufgerufen wird. Die Gestaltung der Suptra Seite ist ein völlig falsches Signal.

Noch einmal, der linke, weltoffene, bunte Hansafan hat am Spieltag nichts zu befürchten und ihm sei die Freude am Spiel gegönnt. Nach den Erfahrungen der letzten Zeit sind aber auch viele bei uns vorbereitet, sich im Notfall verteidigen zu müssen.

Die wunderbare Welt des FCP...

Flussie 01.03.2009 - 07:32
In St. Pauli Antifa zu sein ist herrlich einfach und da fällt es auch nicht schwer auf andere Vereine herabzublicken. Beim FCSTP gehört es halt zum Mainstream Anitrassist und Antifaschist zu sein. Ich mag die Atmo am Millerntor, es ist angenem in ein Stadion zu kommen, in dem keine Nazis rumhängen... aber die Arroganz mit der auf die Bemühungen anderer Fangruppen herabgeschaut wird, ist zum Kotzen. In vielen Vereinen haben Antifas harte Ausseinadersetzungen um die Hegemonie in den Blöcken zu kämpfen und müssen dabei halt auch unangenheme Kompromisse eingehen..... aber es ist auch schon einiges erreicht worden, vergleicht man die heutige Situation in den Stadien mit den 90er Jahren. Hut ab vor den Leuten, die ein hohes persönliches Risiko in Kauf nehmen um die Faschos zurück zudrängen. Als STPler hat man solche Probleme nicht...Antifa sein ist hier nicht mit persönlichen Kosten verbunden. Davon abgesehen sind die meisten St. Pauli Fans keine politisch "Linken", sondern höchstens alternativ angehaucht, und ihr antifaschismus ist häufig genug ne hippe Attitüde.

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