Jena: Waffenkammer im Nazihaus

acab 26.02.2009 01:11 Themen: Antifa
Staatliche Schreckschüsse

Am Vormittag des 25. Februar veröffentlichte Spiegel Online ein Interview mit dem NPD-Aussteiger Uwe Luthardt. Dieser enttarnte schon früher den Biedermeier-Mantel der Neonazis. (siehe TA und Deutschlandfunk). Das neuerliche Interview, welches ein Auszug aus dem kürzlich erschienen Buch "In der NPD - Reisen in die National Befreite Zone" darstellt, sorgte insbesondere auf Grund der Beschreibung des „Braunen Haus“ für Aufmerksamkeit: „Im Keller jede Menge SS-Bilder. Es gibt auch einen Raum mit Waffen.“
Dass die Neonazis in ihrer Bude Waffen horten, ist nichts neues. Schon früher prahlten BesucherInnen des „Braunen Haus“ mit den dort vorhandenen Schlagringen, Gaspistolen und mindestens einer scharfen Handfeuerwaffe. Ohnehin bezeugen mehrere tätliche Angriffe auf GegendemonstrantInnen und PassantInnen mit Knüppeln und anderen Gegenständen vor dem Nazihaus die Gewalttätigkeit der NutzerInnen.


Die Aussage Luthardts alarmierte: Zunächst die Grünen, die gegen den Mieter der Jenaischen Str. 25, den Nazibarden Maximilian Lemke, Anzeige erstatteten. Nahezu zeitgleich dementierte die NPD auf ihren Internetseiten sämtliche Vorwürfe ihres ehemaligen Mitglieds. Im Laufe des Nachmittags gab dann die Polizei bekannt, „erste Überprüfungen im so genannten „Braunen Haus“ der Neonazis in Lobeda brachten keine Hinweise auf Waffen im Sinne des Waffengesetzes“. Welcher Natur diese „Überprüfungen“ waren, ist unklar. Klar ist jedoch, dass keine Durchsuchung des „Braunen Haus“ durch die Polizei stattgefunden hat.


Das LKA kündigt „weitere Ermittlungshandlungen zu NS- und SS-Propagandamaterial“ gegen den NPD-Kreisverband Jena / Saale-Holzland-Kreis an. Ebenso gut könnte man bei Wolle, Kapke, Kaiser und Co. schriftlich nach einem genehmen Termin für eine Hausdurchsuchung anfragen. Das zögerliche Vorgehen der Polizeibehörde gegen die Faschos wirkt umso lächerlicher, stellt man dem hiesigen Fall die Hausdurchsuchung bei NPD-Vize und Nazianwalt Jürgen Rieger am vergangenen Freitag in Hamburg gegenüber: hier genügte ein hetzerisches Flugblatt, um eine Hausdurchsuchung zu rechtfertigen, bei der schließlich ein funktionstüchtiges Sturmgewehr sichergestellt wurde (siehe  http://npd-blog.info/2009/02/23/npd-vize-rieger-entwaffnet/). Das Versagen der Jenaer Polizei zeigte sich jüngst beim Nicht-Vorgehen gegen Nazis, die auf der Rückreise der Demonstration in Dresden GegendemonstrantInnen am Rasthof Teufelstal überfielen (siehe  http://jena.antifa.net/cms/Aktuelles/920-polizei-laesst-angreifer-vom-teufelstal).
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Ergänzungen

Aussteiger-Interview

Dein Name 26.02.2009 - 01:23
1. "Man singt gern das Horst-Wessel-Lied"

Hitler-Gruß, SS-Bilder und Mauscheleien mit Quittungen: Uwe Luthardt war im Vorstand der Jenaer NPD. Nach nur drei Monaten in der Führungsspitze kehrte er der Partei angewidert den Rücken - jetzt erzählt er im Interview, was er dort erlebte.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind vor kurzem aus der NPD ausgestiegen, leben aber noch exponiert in Ihrer Heimatstadt. Haben Sie keine Angst?

Luthardt: Mir wurde von meinem örtlichen Parteichef gedroht: Ein Vorstandsmitglied tritt nicht aus der Partei aus, er wird rausgeworfen oder verschwindet. Ich habe geantwortet, dass ich mehr über ihn weiß als er über mich. Seither ist Ruhe. Jemand, der einfach so aussteigt, bekommt im Normalfall mächtig Probleme, der wacht unter Umständen auf der Intensivstation auf.

SPIEGEL ONLINE: Aussteiger werden also bedroht?

Luthardt: Das kommt vor, ansonsten gäbe es noch weniger Mitglieder. Die Stimmung ist zurzeit nicht gut, man bekommt ja mit, dass der Partei an allen Ecken und Enden Geld fehlt.

SPIEGEL ONLINE: Was hat Sie an Ihren Parteifreunden gestört?

Luthardt: Das war alles nicht meine Welt. Wenn man zum Kameradschaftsabend kam, sah man als Erstes die ganzen Glatzen - mit der schwarzen Sonne oder anderen Nazi-Symbolen auf dem Arm. Die haben nur gesoffen und rumgepöbelt. Wenn kein Gegner da ist, prügelt man sich halt untereinander.

SPIEGEL ONLINE: An der Basis tobt also nicht gerade der Intellekt?

Luthardt: Viele in JN (Junge Nationaldemokraten - d. Red.) und Kameradschaften haben einen IQ im Bereich meiner Schuhgröße. Die meisten sind einfach gescheiterte Existenzen: Hilfsschüler, Leute, die die Schule oder die Lehre abgebrochen haben, Alkoholiker, die woanders keinen Fuß auf den Boden kriegen, Schläger. Es gibt aber in jedem Ortsverband drei bis fünf Mann, die nicht vorbestraft sind. Die werden dann zur Presse oder an die Infostände geschickt.

SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie sich ursprünglich von der Partei erhofft?

Luthardt: Ich wollte etwas für Deutschland tun, ein Großdeutschland interessiert mich nicht. Und plötzlich heißt es, wir holen uns Schlesien wieder, und dann kriegen die Kommunisten aber mal so richtig auf die Schnauze.

SPIEGEL ONLINE: Wie finanziert sich die Partei?

Luthardt: Unter anderem über die Musikveranstaltungen, die kosten ja beträchtlichen Eintritt. Und dann natürlich über das Fest der Völker, das brachte anno 2007 eine Einnahme von knapp 17.000 Euro.

SPIEGEL ONLINE: Wovon man die Gagen für die Bands abziehen muss.

Luthardt: Nein. In der Regel tut man gegenüber dem Ordnungsamt so, als bekämen sie eine Gage. In Wirklichkeit gibt es einen Unkostenbeitrag und eine Quittung über eine angeblich gezahlte Gage. Die wird dann aber wieder an die Partei zurückgespendet. Und die Spende kann dann wiederum die Partei von der Steuer absetzen.

SPIEGEL ONLINE: Warum verzichten die Bands auf Geld, das ihnen zusteht?

Luthardt: Das sind Überzeugungstäter. Auch die Partei besteht aus Überzeugungstätern. Wenn ich eine Schulung hatte und nach Berlin musste, haben wir unsere Fahrtkosten erstattet gekriegt und haben sie unten dann wieder als Spende an die Partei abgeführt. Das gleiche Muster.


2. Teil: "Einen gemäßigten Flügel gibt es nicht"

SPIEGEL ONLINE: Wie werden die Spenden gewaschen - abgesehen von gefälschten Quittungen?

Luthardt: Nehmen wir die Spenden aus Südamerika …

SPIEGEL ONLINE: Spenden aus Südamerika?

Luthardt: Ja, das sind Zuwendungen von national gesinnten Deutschen, die schon etwas länger nicht mehr in Deutschland waren. Die spenden dann beispielsweise an irgendeinen mittelständischen Betrieb. Und die leiten den Betrag dann wiederum an die Partei weiter. (NPD-Chef - d. Red.) Voigts Hausmacht sind nicht zuletzt die Geldleute aus Südamerika - und eben Jürgen Rieger (sein Stellvertreter - d. Red.), der dorthin beste Kontakte hält.

SPIEGEL ONLINE: Gegenüber der Presse gerieren sich NPD-Funktionäre als rechtslastige Demokraten, verfassungsfeindliche Äußerungen versucht man zu vermeiden. Wie radikal ist die Partei wirklich?

Luthardt: Ziel ist die Wiedereinsetzung des Reichs, in dem sich eine neue SA an den Andersdenkenden rächt.

SPIEGEL ONLINE: Gilt das auch für den gemäßigten Flügel?

Luthardt: Einen gemäßigten Flügel gibt es nicht, die paar Versprengten haben nichts zu sagen. Die Medienschulungen in der Parteizentrale sind schon sehr effektiv. Die Kader wissen, wie sie sich verkaufen müssen. Das fängt bei der Anordnung an, sich mit Außenstehenden nur in unverfänglichen Räumen zu treffen. Das gilt für alle, außer für den Vorsitzenden. Da ist es gewollt, dass er vor massivem Schreibtisch und Parteifahnen in der Parteizentrale posiert. Die Jenaer Parteizentrale heißt jedenfalls nicht von ungefähr "Braunes Haus". Journalisten waren da noch nie drin.

SPIEGEL ONLINE: Was würden die dort sehen?

Luthardt: Im Keller jede Menge SS-Bilder. Es gibt auch einen Raum mit Waffen.

SPIEGEL ONLINE: Also ist die Behauptung, in der NPD sei das "Dritte Reich" kein Thema, eine Schutzbehauptung.

Luthardt: Reine Taktik. Man will so die Leute ködern, die noch nicht verstanden haben, dass die Partei nicht rechtsradikal, sondern noch radikaler ist. Es geht darum, in der Öffentlichkeit respektabel aufzutreten. Deswegen hat die Parteiführung auch Mitglieder mit einer ganz normalen Frisur und ganz normaler Kleidung am liebsten. Die kann man an die Infostände lassen.

SPIEGEL ONLINE: Besteht denn dann nicht die Gefahr, dass man die neonazistischen Aktivisten verprellt, wenn man sich allzu bürgerlich geriert?

Luthardt: Nein, denn es wissen ja alle, dass das reine Taktik ist. Die Flugblätter, die Plakate, das Aufspringen auf den Hartz-IV-Zug - da steckt nichts dahinter. Was man statt Hartz IV machen will, weiß keiner. Wir schmeißen die Ausländer raus, dann haben die Deutschen wieder Arbeit, das ist die Quintessenz der Konzepte, von denen die NPD spricht. Von den Güterzügen spricht sie nur, wenn kein Außenstehender zuhört.

SPIEGEL ONLINE: Von den Güterzügen aus dem "Dritten Reich"?

Luthardt: Von denen, in die man die politischen Gegner, die Juden und die Ausländer stecken will, wenn man mal die Mehrheit im Land hat. Intern wird Tacheles geredet, man singt auch gerne das Horst-Wessel-Lied. Kein Wunder, dass die Kameradschaften gerne akzeptieren, wenn der Wolf ein bisschen Kreide frisst.

SPIEGEL ONLINE: Das Verhältnis zu den Kameradschaften ist dennoch nicht immer konfliktfrei.

Luthardt: Absolut nicht. Die Freien Nationalisten lassen sich nicht gerne was vorschreiben und sind skeptisch gegenüber Parteien. Trotzdem lassen sich die meisten von der NPD benutzen. Das sind die nützlichen Idioten der Partei, vergleichbar mit der Rolle, die die SA für die NSDAP hatte. Ich sage denen auch immer: Schaut euch nur die Geschichte der SA an. Genauso wird es euch gehen, wenn die an der Macht sind.

SPIEGEL ONLINE: Wann haben Sie gemerkt, dass die interne Kommunikation der Partei sich so von der Außendarstellung unterscheidet?

Luthardt: Sehr schnell, nachdem ich im Vorstand war. Das ist ja auch nicht schwer, wenn man sieht, dass Leute sich mit gestrecktem Arm begrüßen.

SPIEGEL ONLINE: Wie kommt es denn, dass sich die Aktivisten in der Öffentlichkeit solche verfassungsfeindlichen Aktionen verkneifen?

Luthardt: Das Fußvolk hat strikte Order, auf gar keinen Fall mit der Presse zu sprechen. Es passiert auch ziemlich selten, dass sich einer verquatscht. Wenn doch, wird der sehr schnell eingeordert. Die Funktionäre haben alle entsprechende Schulungen hinter sich.

SPIEGEL ONLINE: In denen wird öffentliches Auftreten trainiert?

Luthardt: Das ist einer der Schwerpunkte. Es gibt interne Papiere, aus denen deutlich hervorgeht, wie sich jeder zu verhalten hat. Besonders heikel ist natürlich das "Dritte Reich". Also trainiert man Antworten auf Fragen wie "Was sagen Sie zum Holocaust?" Der erste Satz muss reichen, bei Nachfragen verstrickt man sich nur unnötig in Widersprüche.

SPIEGEL ONLINE: Fanden Sie die Schulungen überzeugend?

Luthardt: Wenn man eher zum gemäßigten Lager gehört, ist das ein Schock. Da überlegt man sich schon, ob man in der Partei richtig ist.

SPIEGEL ONLINE: Wer leitet diese Schulungen?

Luthardt: Thomas Salomon. Und der ist hundertprozentig von dem überzeugt, was er da erzählt. Der ist einer der Vordenker, zusammen mit Jürgen Gansel und Holger Apfel aus Sachsen.

SPIEGEL ONLINE: Von welcher Politik träumen die Herren?

Luthardt: Vom Deutschen Reich. Die sind vollauf davon überzeugt, dass sie irgendwann mal eine Wahl gewinnen und dass es dann richtig losgeht. Was dann passiert, kann sich jeder denken.

Die Fragen stellte Christoph Ruf

blalba

ausgefüllt 26.02.2009 - 16:28
laut altermedia wurde das braune haus schon längst wegen den stories des "aussteigers" nach waffen usw. durchsucht. gefunden wurde nix. also wohl mal wieder jemand, der mit der aussteigermasche ein paar kröten verdienen will...

Interview Spiegel

Wahrheit 27.02.2009 - 10:52
Die Schilderungen haben ein heute (25.02.09 Anm. Luthardt) durch das Landeskriminalamt Thüringen eingeleitetes Ermittlungsverfahren zur Folge. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen die NPD-Kreisgruppe Jena / Saale-Holzland-Kreis. Erste Überprüfungen am heutigen Tag erbrachten keine Hinweise auf Waffen im Sinne des Waffengesetzes. Weitere Ermittlungshandlungen zu NS- und SS-Propagandamaterial werden folgen.
Text: LKA Thüringen

Die so genannten ersten Überprüfungen, welche keine Hinweise auf Waffen im Sinne des Waffengesetzes erbrachten, sahen wie folgt aus: Einvernahme der Person Luthardt durch Staatsschutz und LKA mit nachfolgender Befragung. Nach Richtigstellung, dass es sich um ein Interview aus dem Jahr 2007 handelte, wurde keine Durchsuchung des Objektes durchgeführt.

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