Nordirland: 20. Todestag von Pat Finucane

Uschi Grandel (Info Nordirland) 25.02.2009 22:26 Themen: Repression Weltweit

Am 12. Februar 1989 wurde der Menschenrechtsanwalt Pat Finucane in seiner Belfaster Wohnung ermordet. Seit 20 Jahren kämpft seine Familie um die Wahrheit über diesen Mord. Ausgeführt von pro-britischen Todesschwadronen führen die Spuren der Auftraggeber in die höchsten Ränge der britischen Regierung. "Die britische Regierung wird feststellen müssen, dass nicht nur der Fall Pat Finucane nicht einfach verschwindet, sondern dass es keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit gibt. ... Pat Finucane ist die Spitze eines Eisbergs, und die Regierung muss wissen, dass es keine Lösung ohne Wahrheit gibt." (Der Anwalt Michael Mansfield auf einer Veranstaltung zum 20. Todestag von Pat Finucane am 14. Februar 2009)

Forderung nach einer öffentlichen, unabhängigen Untersuchung

Eine öffentliche, unabhängige Untersuchung fordert das Plakat von Sinn Féin zum 20. Todestag von Pat Finucane am 12. Februar 2009. Das Plakat befindet sich auf dem Platz in West Belfast, auf dem bis zum Jahr 2005 eine monströse Polizeikaserne jede Bewegung der Bewohner West Belfasts überwachte. Pat Finucane war vor seiner Ermordung von der Polizei bedroht worden, die an seiner Ermordung direkt Beteiligten sind mittlerweile als britische Agenten bekannt. Alles weist darauf hin, dass der Befehl zur Ermordung Pat Finucanes aus den obersten Rängen der britischen Regierung kam. Pat hatte die britische Strategie des schmutzigen Krieges, des Terrors und der Todesschwadronen gegen irisch-republikanische Aktivisten und unbeteiligte Zivilisten juristisch sehr erfolgreich bekämpft.

Auf einer Veranstaltung zu Ehren des Ermordeten, erklärte die Familie Finucane, dass sie ihren Kampf um Wahrheit so lange führen werde, bis eine öffentliche, unabhängige Untersuchung die politischen Drahtzieher des Mordes entlarvt. Unterstützt wird die Belfaster Familie in ihrem Kampf u.a. von der Belfaster Menschenrechtsvereinigung "Relatives for Justice", von Sinn Féin und von der irischen Regierung, sowie weltweit von internationalen Menschenrechtsanwälten, darunter der kanadische Richter Peter Cory, der damalige UN Sonderbeauftragte für Menschenrechte Dato Param Cumaraswamy und der bekannte Londoner Anwalt Michael Mansfield.

"Die britische Regierung wird feststellen müssen, dass nicht nur der Fall Pat Finucane nicht einfach verschwindet, sondern dass es keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit gibt. ... Pat Finucane ist die Spitze eines Eisbergs, und die Regierung muss wissen, dass es keine Lösung ohne Wahrheit gibt." (Michael Mansfield in der Dubliner Trinity Universität auf der Veranstaltung zum 20. Todestag von Pat Finucane, 14. Februar 2009)

Man schätzt, dass über 1000 Menschen in Nordirland, Anwälte, unbeteiligte Zivilisten, irisch-republikanische Aktivisten Opfer von Collusion wurden, ermordet von pro-britischen Todesschwadronen, die im Auftrag britischer Polizei- und Militärsondereinheiten operierten.

Der folgende Bericht von Jim Gibney (Sinn Féin) erschien am 19. Februar 2009 in derIrish News in englischer Sprache:

"Die Wahrheit sickert heraus"

Fall Finucane zeigt Verantwortung der britischen Regierung für Todesschwadronen

Als der Menschenrechtsanwalt Pat Finucane auf der Höhe seines Schaffens als Anwalt war, gab es wenige Anwälte in Nordirland, die bereit waren, die Rechte der Menschen zu verteidigen, für die staatliche Organisationen nur Verachtung übrig hatten.

Loyalistische Auftragskiller (pro-britische Organisationen, die sich als loyal zur britischen Krone sahen und verschiedene paramilitärische Organisationen bildeten, die als Todesschwadronen mordeten) ermordeten ihn im Alter von 39 Jahren. Dieses Jahr hätte Pat Finucane seinen 60. Geburtstag gefeiert.

Man kann nicht sagen, welche Richtung Pat's anwaltliches Schaffen in den letzten 20 Jahren genommen hätte. Aber vor seiner Ermordung war ein klarer Schwerpunkt erkennbar. Er widmete beachtliche Zeit und anwaltliche Tätigkeit der Verteidigung derer, die der Staat durch eine Vielzahl repressiver Massnahmen, Mord eingeschlossen, brechen wollte.

Das anwaltliche Erbe, das Pat hinterliess, kann man in der Haltung seiner Familie erkennen, die seit 20 Jahren unermüdlich und unablässig gegen mächtige Gegner - innerhalb und ausserhalb der britischen Regierung - dafür kämpft, dass die Wahrheit über seine Ermordung ans Tageslicht kommt.

Als ich Pat und seine Frau Geraldine das erste Mal traf, lebten sie in einer kleinen Wohnung im dritten Stock eines Hauses in Lenadoon (ein Viertel in West Belfast). Es waren die frühen Jahre seiner Tätigkeit als Anwalt. In unserem ersten Treffen ging es um rechtliche Grundlagen für das Relatives Action Committee (RAC), eine Gruppe, die für den politischen Status der politischen Gefangenen eintrat und damit den Protest der Gefangenen unterstützte. Es war nicht unüblich, Pat auf RAC Treffen in Belfast zu sehen, wo er nervösen Angehörigen, die Angst um ihre in Haft befindlichen Angehörigen hatten, rechtlichen Beistand bot.

Ich erinnere mich an den Eifer, mit dem er internationale Protokolle über die Behandlung von Kriegsgefangenen in sogenannten "konventionellen Kriegen" studierte, um Sinn Feins Bemühen zu unterstützen, auf rechtlichem Wege die Forderungen der Gefangenen für politischen Status zu unterstützen, ihnen die rechtliche Anerkennung als Kriegsgefangene zu sichern und damit den drohenden Hungerstreik abzuwenden. Pat war immer Herr der Lage, unabhängig von den Bedingungen um ihn herum, ob in Zusammenarbeit mit protestierenden Angehörigen, im Gefängnis bei der Unterstützung politischer Gefangener, im Gerichtssaal, wenn er seine rechtlichen Argumente zu ihrer Verteidigung vor einem feindseligen Richter vorbrachte.

Pat gab den am meisten verwundbaren und machtlosen Menschen eine Stimme - denen, die durch die volle Gewalt des Staates niedergeworfen wurden. Für Menschen, die nach der Ermordung eines Angehörigen verwirrt und orientierungslos waren, war er ein Halt bei der Suche nach Wahrheit, genauso wie für Gefangene, die isoliert von Angehörigen und Freunden, lange Jahre im Gefängnis vor sich hatten.

Als die politischen Gefangenen in den H-Blocks sich ihrer grössten Bewährungsprobe gegenübersahen - dem Hungerstreik von 1981 - war Pat als Anwalt von Bobby Sands dabei. Für die, die Hilfe benötigten, war mit Pat's Ratschlägen die Zukunft weniger düster.

Bewaffnet nur mit seinem scharfen juristischen Verstand, war Pat Finucane ein gewaltiges Hindernis für diejenigen in der britischen Regierung und in der britischen Armee, die im Dunkeln arbeiteten und für die Menschenleben nichts wert waren.

Bevor er ermordet wurde, vertrat er die Familien der Opfer der britischen Todesschuss-Politik und des Einsatzes von Plastik-Geschossen. Diese Arbeit wurde durch seine Ermordung unterbrochen. Heutzutage kämpft sein Sohn, ebenfalls Anwalt, um Aufklärung für die Familien, deren Angehörige Opfer der Todesschuss-Politik der britischen Regierung geworden sind.

Diejenigen, die Pat ermordeten, wollten die Suche nach Aufklärung ermorden, die Angehörigen, für die er arbeitete, demoralisieren und verhindern, dass ihre dunklen Aktivitäten juristisch ans Licht gezerrt werden. Sie haben das Gegenteil erreicht, weil die Familie Finucane, vor allem seine Frau Geraldine, durch ihre unermüdliche Arbeit sicherstellte, dass Pat Finucane - auch nach seinem Tod wie zuvor in seinem Leben - ein Symbol der Hoffnung bleibt. Er steht noch immer als Hinderniss vor denen, die glauben, sie könnten morden und foltern, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, hier und überall auf der Welt.

Die Suche der Familie nach der Wahrheit über den Mord hat weltweite Aufmerksamkeit auf die britische Politik der Collusion (der Instrumentalisierung von Todesschwadronen durch die britische Regierung) gelenkt.

Wo immer Pat's Name genannt wird, wird die britische Regierung für seinen Mord verantwortlich gemacht, wie für den Mord an Hunderten anderer Opfer ihrer Politik der Todesschwadronen. Nach zwanzig Jahren kann das öffentliche Interesse nur durch eine unabhängige Untersuchung der Ermordung von Pat Finucane gewahrt werden. Die britische Regierung hat es bisher geschafft, den Deckel auf der Büchse der Pandorra zu halten, die das Thema "Collusion" bedeutet.

Aber die Wahrheit sickert heraus.

>> s. auch Hintergrundsbericht zum Thema Collusion auf Info Nordirland

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Ergänzungen

Korrekter Link zum Schwerpunkt Collusion

Uschi 25.02.2009 - 22:43

Sorry, der oben angegebene Link zum Schwerpunkt Collusion auf Info Nordirland war nicht vollständig:
>> Schwerpunkt Collusion auf Info Nordirland