Finstere Aussichten mit Netanyahu-Regierung

Omri Evron + ROSSO 24.02.2009 18:08 Themen: Militarismus Weltweit
Der mehr als deutliche Sieg des rechten bis rechtsradikalen Lagers bei den israelischen Knessetwahlen am 10.Februar 2009 und der Auftrag an Likud-Chef Benjamin Netanyahu zur Regierungsbildung lassen eine weitere Zuspitzung des Palästina-Konflikts und einen neuen Krieg erwarten, da Netanyahu, u.a. aufgrund des Einflusses der Siedler im Westjordanland einen unabhängigen Palästinenserstaat ablehnt und offenbar auch den Druck auf die arabische Minderheit in Israel erhöhen will.

Zur aktuellen Lage und den weiteren Perspektiven brachte die von Rifondazione Comunista herausgegebene Tageszeitung „Liberazione“ am 22.2.2009 das folgende Interview mit dem Kriegsdienstverweigerer (Refusnik) und Mitglied der Kommunistischen Partei Israels (CPI-Maki), Omri Evron, der durch seine Ablehnung des Militärdienstes und seinen Kampf gegen die zionistische Politik auch international bekannt ist.
Omri Evron, Refusnik und Vertreter der israelischen KP

„Mit Netanyahu wird eine üble Phase beginnen“

Stefania Podda

„Das ist ein sehr gefährliches Abdriften, das das Überleben der Demokratie in Israel in Gefahr bringt. Diese Regierung wird ohne Frage eine der schlimmsten in der politischen Geschichte Israels werden und die Konsequenzen werden alle tragen müssen.“ Omri Evron (21 Jahre), Kriegsdienstverweigerer und Vertreter der Israelischen Kommunistischen Partei ist über den Rechtsruck nach den Wahlen besorgt. Er weiß, dass es diesen Trend seit Jahren gab, aber dieses Endergebnis (mit dem Likud an der Regierungsspitze und der Yisrael Beiteinu / Vaterlandspartei von Avigdor Lieberman als drittstärkster Partei) übertrifft dennoch die finstersten Erwartungen. Am Freitag war Omri wegen der vom Forum der Europäischen Neuen Linken (NELF) organisierten Konferenz „Ein anderes Europa, eine andere Welt“ in Rom.

Die letzten Meldungen besagen, dass Benjamin Netanyahu künftiger Ministerpräsident wird. Bei den vorletzten Wahlen vor drei Jahren schien er am Ende und nun steht er im Zentrum der politischen Bühne. Was ist passiert?

„Der Krieg in Gaza hat zu einem Klima der Angst geführt. Jedes andere Thema wurde aus der Debatte verbannt und die Rechte, die extreme Rechte, konnte ohne große Probleme siegen.“

Netanyahu will eine Regierung der Nationalen Einheit. Er fordert Livni ((Kadima)) und Barak ((Arbeitspartei)) auf, sich der Koalition anzuschließen. Was meinst Du, wie wird ihre Antwort lauten?

„Ich bin ziemlich sicher, dass Tzipi Livni akzeptiert. Man sollte nicht vergessen, dass die Gründung der Kadima eine Idee von Ariel Sharon war und aus einer Rippe des Likuds entstand. Der ideologische und politische Background ist genau derselbe. Viele Kadima-Mitglieder sehen die Zeit gekommen, sich wieder mit dem Mutterhaus zu vereinen, auch weil sie – wie man im Wahlkampf sehen konnte – dasselbe Regierungsprogramm haben. Zwischen ihnen gibt es keine wesentlichen Differenzen.“

Doch zumindest in Worten sagt die Livni, sie sei für den Friedensprozess, während Netanyahu nicht die Absicht hat, die Verhandlungen fortzusetzen.

„Wenn Livni sagt, sie trete für den Frieden ein, dann meint sie damit in Wirklichkeit die Vorstellung von Frieden, die Bush und die republikanische US-Administration hatten. Das heißt einen starken israelischen Staat und ein palästinensisches Gebilde, das geteilt, geschwächt und auf Bantustans reduziert ist. Außerdem redet Kadima von Frieden, führt aber weiterhin Krieg. Das hat sie nach den Wahlen von 2006 getan als sie den Libanon angriff und sie hat es erneut vor dieser Wahl getan, mit der Operation ‚Gegossenes Blei’ in Gaza. Livni und Netanyahu verfolgen dieselbe Strategie, auch wenn ihre Sprache unterschiedlich erscheinen kann. Das ist allerdings nur Schein.“

Was wird Barak tun?

„Er kann sich nicht an der Regierung beteiligen. Die Arbeitspartei ist bei diesen Wahlen fast am Nullpunkt angelangt. Barak steckt in den eigenen Reihen in großen Schwierigkeiten und würde vor allem in einer Rechtsregierung über keinerlei Verhandlungsmacht verfügen.“

Welches Ende hat die israelische Linke genommen?

„Wenn wir von der zionistischen Linken sprechen, das heißt von Meretz und der Arbeitspartei, dann waren diese Wahlen ein wirklicher Bankrott. Sie haben gezeigt, wie weit sich diese Art der Linken von ihren natürlichen Wählern entfernt hat. Vor allem im Fall ((der ursprünglich linkssozialdemokratischen)) Meretz-Partei hat sie an einem bestimmten Punkt die Fähigkeit verloren, sich von den Labour-Leuten oder auch nur von der politischen Mitte zu unterscheiden. Der Krieg im Libanon und dann auch der in Gaza wurden von Meretz unterstützt und das hat viele Sympathisanten verwirrt, die zumindest eine andere Position erwartet hatten – ein klares ‚Nein’ in einem Unterstützungschor. Dem war aber nicht so und die zionistische Linke hat für diese Unfähigkeit und diesen Mangel an Mut und Glaubwürdigkeit bezahlen müssen.“

Hadash, das heißt die nicht-zionistische Linke, hat vier Sitze errungen, also einen mehr als Meretz. Hältst Du das in einer so trostlosen Situation dennoch für ein ermutigendes Zeichen?

„Sicher, wir haben zugelegt. Und, was sehr wichtig ist, wir haben unter den Jugendlichen und vor allem unter den jüdischen Jugendlichen hinzugewonnen. Das ist keine Kleinigkeit. In Israel ist es für einen Jugendlichen nicht so einfach, eine nicht-zionistische Partei zu wählen, wenn man die allgegenwärtige Indoktrination berücksichtigt.“

Reden wir von der Wirtschaftskrise und den sozialen Themen, den großen Abwesenden des Wahlkampfes. Die Rezession hat auch Israel erreicht und macht Angst. Dennoch wurde nicht darüber gesprochen. Liegt das am Krieg oder an der Unfähigkeit der Politik, über die Kriegspropaganda hinauszugehen?

„Der Krieg hat die öffentliche Meinung dieses Landes bestimmt. Die Angst vor der Hamas hat jeden anderen Punkt der politischen Debatte zum Schweigen gebracht. Und doch ist Israel unter den westlichen Demokratien das Land mit der tiefsten Kluft zwischen Arm und Reich. Damit beschäftigt sich jedoch niemand. Die Investitionen gehen in die Militärausgaben und die sozialen Themen bleiben marginal. Und jetzt wird es noch schlimmer.“



((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))
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Gemach, gemach

Wolf 25.02.2009 - 08:02
Erstaunlich, dass randständige Organisationen in Alarmismus verfallen, wenn das Wahlergebnis in Israel kommentiert wird. Dass randständige Gruppen u. Personen - besonders in Deutschland beliebt als jüdische "Kronzeugen" nichts zur aktuellen Diskussion beitragen, nun ja (...)
Auch netanyahu wird sich dem Friedensprozess (eher dümpelnd) nicht verschließen können. Und der von indymedia-Lesern als Gott-Sei-Bei-Uns betrachtete Lieberman ist nur bedingt anschlussfähig an netanyahu. Zivilehe, Loyalitäserklärung von Orthodoxe und Arabern, Fortsetzung des Friedensprozesses, tja alles nur rechtsextreme Propaganda?

He Wolf!

Peter G. 25.02.2009 - 16:44
Zieh den Schafspelz aus!

Wenn es...

Pedder 25.02.2009 - 23:45
Wenn es Israel nicht gäbe, die AntiimperialistInnen würde es erfinden...

Antiimperialistisch und stolz darauf

Frankfurter 26.02.2009 - 00:07
Wenn es Israel nicht gäbe würden sich nationalistische IDF-Fanboys wie du halt einen auf Landser-Heftchen runterholen anstatt auf Merkava-Panzerbildchen.
Eure Dummheit kotzt einen an...