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Gegen die herrschende Drogenpolitik

riotqueer 22.02.2009 20:39
Seit einiger Zeit hat der Konsum und Handel illegalisierter Drogen um sog. Freiräume herum stark zugenommen. Der Unmut eines Teils der AnwohnerInnen darüber ist groß. Seit einer Ewigkeit hat die Polizei unter Federführung engagierter BürgerInnen mit der gezielten Verfolgung von Drogenabhängigen und Dealern im Viertel drum herum begonnen. Nix geschehen außer die Kohle durch gesnieft und den Joint abgespeichert. Unter anderem deshalb nicht, weil wir Schwierigkeiten hatten, aus unseren eigenen Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten heraus zu einer Position zu kommen und zu einem breit getragenen Umgang mit der Situation zu finden.
Die Drogenpolitik

Die bisherige Drogenpolitik hat mit ihrer widersinnigen und verlogenen Einteilung in legale und illegale Drogen und den zwangsläufig scheiternden Versuchen, den Konsum und Handel von letzteren zu verhindern, zu der heutigen Situation geführt.

Einzig und allein die Illegalisierung bestimmter Drogen ist für die Verelendung – und letztlich: den Tod – eines Teils der KonsumentInnen verantwortlich.
Sie führt zur Kriminalisierung der Abhängigen und HändlerInnen und des zwischen ihnen stattfindenden Handels, der durch Vertreibung und Repression nirgends auf korrekte Art stattfinden kann.
Die Folgen sind zwangsläufig: Der Drogenhandel folgt den eigenen eines illegalen Markts, der Stoff wird teuer und selten. Abhängige müssen für den Erwerb der Drogen viel Geld aufbringen, dessen Beschaffung die KonsumentInnen oft rund um die Uhr beschäftigt. Wohnungen und vernünftige Lebensmittel können kaum noch bezahlt werden. Diese Umstände können die so Betroffenen in die "Beschaffungskriminalität" drängen. Die Engpässe in der Versorgung führen zum Strecken des Stoffes mit teils gesundheitsschädlichen Substanzen und das in stets wechselnden Dosierungen, sowie zum Beikonsum unterschiedlichster Drogen. Erst das bedingt die offensichtlichen, gesundheitsschädigenden Wirkungen des z. B. Heroinkonsums; Heroin ist in reiner Form körperlicher Form relativ unschädlich.
Den für die HändlerInnen gefährlichsten Teil des Drogehandels, den Kleinhandel auf der Straße betreiben fast nur noch Leute, die sowieso schon in einer verzweifelten Lage sind: Abhängige, die damit ihren Konsum finanzieren und junge Flüchtlinge, die hier eine Möglichkeit zum Überleben suchten und nun durch Arbeitsverbote und drohende Abschiebung keinen anderen Weg zum Gelderwerb sehen. Die Bereitstellung der Drogen, die auf der Straße gehandelt werden, läuft über GroßhändlerInnen und Handelsstrukturen, die in der Öffentlichkeit nicht auftauchen, jedoch wesentlich die Menge, die Qualität und die Preise des Stoffes bestimmen (und auch die entgegen den üblichen Behauptungen eher geringe Gewinnspanne der Kleindealenden).
Diese Drogenproblematik – eigentlich müsste es heißen: Drogenverbotsproblematik – kann nicht durch weitere Polizeiaktionen gelöst werden. Ganz im Gegenteil wird sie durch jede repressive Maßnahme weiter verschärft. Die einzige Lösung ist eine vollständige Änderung der Drogen(verbots)politik, und eigentlich wissen das alle.

Die HändlerInnen

Die Auflösung der bestehenden Konflikte ließe sich nur mit der vollständigen Legalisierung des Drogenkonsums und –handels realisieren.

Eine kontrollierte Abgabe von illegalisierten Drogen würde an den oben beschriebenen Zuständen wenig ändern, da lediglich sogenannte "Schwerstabhängige" in den Genuss eines solchen Programms kommen sollen. Weil selbst diese Änderung staatlicher Drogenpolitik in absehbarer Zeit aber nicht umgesetzt werden wird, bleiben außer Lippenbekenntnissen nur Forderungen nach Polizeieinsätzen und "mehr Härte der Justiz" übrig. In letzter Zeit wurde häufig das eigene repressive Verhalten und die Durchsetzung egoistischer Interessen mit dem Bekenntnis zur (begrenzten) Drogenfreigabe verbrämt. Die kontrollierte von Drogen zu fordern, d. h., die Situation von KonusmentInnen ernst zu nehmen und zugleich ins "Dealer raus"-Geschrei einzustimmen ist widersprüchlich. Schon allein deshalb, weil sich bis zu einer völligen Freigabe der Konsum und der Handel illegalisierter Drogen nicht trennen lassen.
Überhaupt "die Dealer": sie, bzw. die öffentlich sichtbaren Kleindealenden, sind gemeinhin das am schärfsten angegriffene Ziel des Unmuts sowohl der AnwohnerInnen als auch der PolitikerInnen und der Medien, die immer wieder ein noch härteres Vorgehen fordern. Dabei werden die Lebensumstände von Menschen, die dealen, völlig missachtet. Man muss sich doch nur die Bedingungen des Drogenhandels auf der Straße vor Augen führen, um zu begreifen, dass niemand so ganz "freiwillig" dealt, solange er echte Wahlmöglichkeiten hat. Und die oben geschilderten brutalen Geschäftsbedingungen des Dealens auf der Straße sind auf die Illegalität ihrer Arbeit und eben nicht auf "böse" Charakterzüge der Dealer zurückzuführen.

Für'n angenehmen Umgang mit illegalisierten Drogen...
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Ergänzungen

Drogenfachgeschäft

p.ny 22.02.2009 - 20:56
Die Grüne Jugend hat vor einiger Zeit über das selbe Thema intensiv dikutiert und ist zu einem interessanten Schluss gekommen: Die Einführung von Fachgeschäften zum Verkauf der bisher legalen und illegalisierten Drogen.

Details zum Konzept und zu Umsetzungsideen unter drogenfachgeschaeft.de

Drogen sind nicht harmlos

Ex Abhängiger 22.02.2009 - 22:10
Die Verschärfung staatlicher Maßnahmen gegen Dealer zu fordern ist natürlich keine linke Forderung. Und dass die Illegalisierung von Drogen zu noch viel größeren Problemen führt, als es die Drogen sowieso schon sind ist auch klar.

Als Reaktion auf die staatliche Drogenpolitik so zu tun, als ob Drogen selbst völlig ungefährlich wären ist aber gefährlich und falsch.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich in der Zeit, als ich noch regelmäßig Joints geraucht habe, wesentlich weniger Antrieb für politische Aktivitäten hatte. Ganz zu schweigen davon, dass mir diese leichte Droge den Verstand derart vernebelt hat, dass ich auch in nüchternem Zustand kaum in der Lage war komplexe Probleme zu verstehen.

Wesentlich schlimmer ist es dann mit dem Koks gewesen. Irgendwann bin ich nur noch bis 22 Uhr mit den Leuten unterwegs gewesen, die mir eigentlich am sympathischsten sind. Danach habe ich dann lieber mit Leuten gefeiert, die genau wie ich gekokst haben. Ganz abgesehen davon, dass ich auf Partys ohne Koks sowieso nicht mehr abgehen konnte.

Geld ist in diesem Zusammenhang nie das Problem gewesen, denn ich verdiene als Programierer noch immer sehr gut. Das Problem ist gewesen, dass ich mein Leben irgendwann nicht mehr selbstbestimmt geführt habe. Das Koks hat bestimmt wie ich meine Freizeit verbringe, mit wem ich mich umgeben habe, irgendwann sogar auf welche Partys ich gegangen bin.

Und selbst als ich aus genau diesem Grund die Entscheidung getroffen habe mit den Drogen aufzuhören, hat das Koks noch über mein Leben bestimmt. Zwei Entziehungskuren habe ich bereits hinter mir. Ich hoffe, dass die Zweite die letzte war.

Und richtig, es ist meine eigene Entscheidung gewesen diese Drogen zu konsumieren. Und sicher werden die scheiss Verhältnisse, die einen auch ohne Geldprobleme fertig machen ihren Teil dazu beigetragen haben.

Trotzdem spielt es auch eine Rolle, ob dir dieses Verhalten in deinem Umfeld und in den Räumen, in denen du dich aufhältst vorgelebt wird. Deswegen bin ich heute Gegner von Drogenkonsum auf linken Partys. Denn auch dort gibt es Hierarchien, Leute die IN sind und Außenseiter und Leute, die sich profilieren wollen und sich an angeblichen Vorbildern orientieren. Deswegen ist es doppelt scheisse, wenn die ach so coolen Checker öffentlich ihren Drogen Hedonismus zur Schau stellen. Weniger Selbstbewusste werden denken sich daran orientieren zu müssen.

Zwei Politik-Ansätze

International Brigades 22.02.2009 - 22:53
Nicht 'nur' das internationale, linksradikale Militanz sich von den Transfers um Drogengeldern fern halten sollte, auch die Betroffenheit ist eine solche, die schon jedes Projekt mit sich führte....

Die konkreten Auseinandersetzungen in der links-radikalen Drogendiskussion bewegten sich in den letzten Jahren entlang mehrerer zusammen-hängender Fragen: Wie finden wir das Benutzen von Drogen? Wie stehen wir zu den Ängsten der AnwohnerInnen gegenüber der Drogenszene? Wie zu unseren eigenen? Ist die Forderung nach mehr 'Sucht'räumen im Viertel unterstützenswert? Wie-viel "Ausgrenzung" oder "Vertreibung" ist legitim, wenn es um die eigenen halb- oder nicht-öffentlichen Räume geht?
Zwar gab es zu den einzelnen Fragen meistens mehr als zwei Positionen, und nicht immer bedeutete die gleiche Position bzgl. einer Frage auch das Übereinstimmen bei den anderen Fragen. Trotzdem lassen sich aus einer bestimmten Perspektive etwas vereinfachend zwei Arten von Positionsbe-stim-mun-gen ausmachen, die offenbar von grund-legend verschiedenen Politik-Ansätzen aus-gehen. Stehen die nicht eigent-lich auf unserer Seite und müssen nur noch davon überzeugt werden, oder ging es "denen" – wie den meisten von "uns" - schon vor zehn Jahren haupt-sächlich darum, "unser" Viertel vor fremden Ein-flüssen zu schützen – nur dass es damals die Yuppies und Bullen waren und heute die "Junkies" und "schwarzen Dealer"?
Die grundlegende Verschiedenheit der Politik-Ansätze macht sich an den verschiedenen Vorstellungen vom Verhältnis zwischen linksradikaler Politik, dominanten Bevölkerungsmehr-heiten und marginalisierten Min-der--heiten fest. Zentral für eine mehrheitsorientierte Position ist die Vorstellung, daß ein politischer Kampf nur gewonnen werden kann, wenn viele Menschen mobilisiert werden können und nicht nur, wie jetzt, versprengte und isolierte kleine Grüppchen daran beteiligt sind. Im Vordergrund steht damit das Ziel, für linksradikale politische Inhalte eine breitere Basis herzustellen, was im Allgemei-nen durch Aufklärung, Agitation und Bündnis-Arbeit, oder allgemeiner: durch Auseinandersetzungs- und Kompromiss-Bereitschaft zu erreichen versucht wird. Im Kampf gegen Ausgrenzung von marginalisierten Minder-heiten steht deshalb der Versuch im Vordergrund, Teilen der an Ausgrenzung beteiligten Mehrheit die Problematik und die Konsequenzen ihrer Denk- und Handlungs-muster bewusst zu machen. Im Schanzen-viertel bekommt dabei der gute Kontakt zu den AnwohnerInnen und die Vermittelbarkeit des eigenen politischen Handelns eine essentielle Bedeutung. In Abgrenzung dazu ist für die minderheitenorientierte Position die (kritische) Solidarität mit den marginalisierten Minderheiten und das konsequente Angreifen jeder (möglicherweise sehr subtilen) Form von Ausgren-zung voranging - auch wenn dadurch Sympathien verspielt werden und mensch damit selbst ins politische Abseits gerät. So ging es in der Diskussion also vor allem auch darum, inwieweit es richtig oder sinnvoll war sich gegen die große Mehrheit der – zwar vielleicht ein bißchen rassis-tischen aber immerhin links-alternativen – AnwohnerInnen zu stellen und damit endgültig außerhalb des Viertels zu stehen und möglicherweise gar keinen Einfluß mehr zu haben.
Offensichtlich ist, daß zwischen den beiden Politik-Ansätze kein notwendiger Widerspruch liegt, da der Unterschied ja nur darin besteht, was an erster Stelle steht: die Größe und Kraft der Bewegung gegen Ausgrenzung oder das direkte und konsequente Angreifen jeder Form von Ausgrenzung. So können diese beiden Ansätze im Normalfall ganz gut neben- bzw. miteinander Grundlage einer linksradikalen Politik sein. Allerdings gibt es natürlich immer wieder Situationen, in denen die Prioritäten im Sinne des einen oder anderen Ansatzes gesetzt werden müssen. So z.B. um den Beschluss von VVs, Drogen-Konsum und –Handel um 'unsere' Freiräume herum zu tolerieren, innerhalb des Gebäudes aber nicht zu dulden.


Warum minderheitenorientiert?

Zunächst wollen wir versuchen zu erklären, warum wir im Kontext der Drogenverbotsproblematik im Stadtteil eine minderheitenorientierte Position für notwendig halten. Linksradikale Politik muss immer den gesellschaft-lichen Rahmen innerhalb dessen sie agiert, berück-sichtigen und sich darauf beziehen. Wir sehen gegenwärtig im Schanzenviertel eine starke Tendenz hin zu einer Mehrheits-gesellschaft: Während die Mehrheit der Viertel-BewohnerInnen immer mehr in die herrschenden Macht-strukturen integriert wird, werden bestimmte Minder-heiten um so stärker sozial und politisch ausge-schlossen. Diejenigen, die auf dem Weg des Stadtteils zu einem angesagten, schicken und für die Stadt repräsentativen Viertel dienlich sind, werden mit ihrem Anders-Sein, ihrem Protest, ihrer Kritik einbe-zogen: so kann der türkische Gemüse-händler genauso wie das "pittoreske Abbruch-ambiente" der/die Squats zum alternativ-multi-kuturellen Flair der Location beitragen – der Schwarze auf der Straße, der nur noch als Dealer identifiziert wird, kann das aufgrund der Dealer-Hetze schon nicht mehr und muss deshalb weg. So wird der Teil des Anders-Seins, der als immer wieder notwendige Auffrischung der Strukturen und Ausdrucks-formen der Gesellschaft die Akzeptanz ihrer Herrschaftsformen sichert, aufge-nommen, der Rest wird davon abgetrennt und ver-schwindet sang- und klanglos. Diejenigen, deren Anders-Sein nicht in einer solchen Weise nützlich ist, werden ausge-grenzt, vertrieben, ihnen werden immer mehr die Exis-tenz--grundlagen entzogen, ihre Handlungs-spiel-räume werden immer weiter einge-schränkt.
So befinden wir uns in einer Situation wo diejenigen, die unter der herrschenden Ordnung ganz offen benachteiligt werden, keine oder kaum noch Möglich-keiten des Widerstandes haben, und diejenigen die diese Möglichkeiten haben, entweder so weit eingebunden sind, daß sie dies gar nicht (mehr) wollen oder in ihrem Kampf selbst immer wieder zum Teil dessen gemacht werden, was sie bekämpfen. Eine Politik, die sich gegen soziale Ungleichheit richtet, muß daher vor allem ver-suchen, dieses Zusammen-spiel von Integration und Ausgrenzung zu durch-brechen. Für uns als radikale Linke ist es daher in der aktuellen Situation von essentieller Bedeutung, ob wir es schaffen, unsere Politik solchen integrierenden Mechanis--men zu entziehen. Die Orientierung an der dominanten Mehrheit bzw. die Öffnung ihr gegenüber zum zentralen Ansatzpunkt linksradikaler Politik zu machen, geht deshalb in die falsche Richtung.
So wirkt z.B. die angeblich offene und gleichberechtigte Dis-kussion zwischen VertreterInnen von Minderheiten-Positionen und denen von Mehrheits-Positionen in seiner Funktion im Allgemeinen in einer solchen integrieren-den Weise: Aufgrund des Machtgefälles zwischen den beiden Positionen werden die Vertre-terInnen der Minderheiten-Position dazu ge-nötigt, von vorneherein und immer wieder Zugeständ-nisse an die VertreterInnen der Mehrheits-Position zu machen:


Konkretisierungen

Anhand von zwei Diskussionen innerhalb der linksradikalen Szene, die mit der Drogenszene in Zusammenhang stehen, wollen wir einige Konkreti-sierungen des minderheitenorientierten Ansatzes vornehmen, die unserer Ansicht nach notwendig sind, um eine sinnvolle politische Praxis entwickeln zu können.
Der Umgang mit Ängsten / kritische Solidarität
Das aus linksradikaler Sicht wohl stärkste Argument von vielen AnwohnerInnen gegen die Drogenszene war der Bezug auf ihre Ängste: vor Spritzen, Depots, Waffen usw. Aus der mehrheitsorientierten Position wurde gefordert, diese Ängste erstmal ernst zu nehmen, um nicht von vorne herein die Gesprächs-ebene, ohne die nichts bewirkt werden könne, zu zerstören. Einige der Ängste seien ja aus eigener Erfahrung auch berechtigt, ansonsten gäbe es auf der Gesprächsebene die Möglichkeit, diese Ängste mit guten Argumenten nehmen zu können. Dagegen wurde aus der minderheiten-orinetierten Position argumentiert, daß das öffentliche Reden von den eigenen Ängsten im Kontext einer Medien-kampagne über die "Verslummung" des Schanzen--viertels und einem verstärkten Bezug polizei-licher Vertreibungs-maß-nahmen auf ein "subjektives Sicher--heits-bedürf-nis" vor allem dazu diene, Ausgren--zug, Vertreibung und Rassismus zu legitimieren. Ein erstmal-Ernstnehmen dieser Ängste hieße in diesem Kontext, den realen Ausdruck dieser Ängste – die Platzverweise für Drogen-konsu-men-tInnen, die Kontrollen von Menschen aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe, die rassistischen Äußerungen im Hausflur – als diskutabel anzuerkennen und ihm damit mehr Legitimation zu verschaffen. Wenn die Ängste der meist gutsituierten Viertel-bewohne-rInnen nicht über die existentielle Bedrohung für Obdachlose, Drogen-UserInnen und Schwarze gestellt werden sollen, müsse öffentliches Reden über diese Ängste politisch angegriffen werden, und das gilt natürlich auch für die eigenen Ängste.
Auch wenn wir diese minderheitenorientierte Argu-men-tation schlüssig und ihre Implikationen prinzipiell richtig finden, bleibt dabei offen wie denn mit diesen Ängsten umgegangen werden soll. Zunächst kann es unserer Ansicht nach nicht darum gehen, von richtigen oder berechtigten Ängsten versus falschen oder irrationalen Ängsten zu reden. Ängste sind Gefühle und lassen sich nicht in solcher Weise bewerten. Das heißt aber nicht, daß deshalb alle Ängste politisch ernst genommen werden müssen. Erstmal ist zu beobachten, daß vieles von dem, was unter Ängste gefaßt wird, eher der eigene Nerv mit Einzelnen ist, den wir alle kennen. Dabei ist klar, daß ein Genervt-Sein politisch sicherlich einen anderen Stellenwert hat, als ein direktes Angstgefühl, und deshalb auch so benannt werden sollte. Ausgrenzung Einzelner läßt sich aufgrund von Genervt-Sein kaum rechtfertigen, aufgrund eines direkten Angstgefühls möglicherweise schon. Wenn es nun tatsächlich um Angst geht, muß unter-schieden werden: Sicherlich gibt es Ängste, die sich auf Menschen beziehen, die der Drogenszene zugerechnet werden, und die aufgrund ihrer Begründung ernst-zunehmen sind: z.B. die Angst vor einer Person, von der schonmal jemand mit einem Messer bedroht wurde. Was aber im Normalfall geschieht, ist daß Ängste, die in persönlichen Erfahrungen oder Erzählungen wahrer oder unwahrer Geschichten begründet liegen, von den konkreten Personen, auf die sich diese Begründungen beziehen, übertragen werden auf die vermeintlich homogene Gruppe, die um sie herum konstruiert wird: "die Junkies", "die schwarzen Dealer" usw.
Solche Übertragungen finden nicht nur bei vielen AnwohnerInnen statt: Etwas verdeckter lässt sich eine ähnliche Übertragung in einem Text der "einige Flora-UserInnen" finden. Offensichtlich aus Angst durch die Solidarität mit einer Gruppe, auf die momentan der gemeinsame Hass des Viertels projiziert wird, selbst noch mehr ins Abseits zu geraten, wird in diesem Text eine grundsätzliche Abgrenzung zwischen linker Szene und Drogenszene vorgenommen - da "sie ganz grund-sätzlich andere Dinge wollen". Weil sich einzelne Drogen-KonsumentInnen auch mal gewalttätig oder sexistisch verhalten, sollte den UserInnen im Allge-meinen die Solidarität verweigert werden. Damit wird Solidarität zu etwas, was nur denjenigen gebührt, die einer Gruppe zugerechnet werden, deren vermeint-liche Mitglieder allesamt in jeder Hinsicht politisch korrekt sind. Verallgemeinernde Übertragungen werden dabei genauso verwendet wie wenn umgekehrt Solidarität als etwas verstanden wird, das allen Menschen, die einer bestimmten marginalisierten Gruppe zugerechnet werden, immer und in jeder Situation gebührt - wie das manchmal bei Soli-Gruppen für nationale Befreiungs-bewegungen vorkommt.
Stattdessen müßte eine kritische, kontextbezogene Solidarität angestrebt werden, die sich auf die unterlegene Position bezieht, die Angehörigen einer bestimmten Gruppe in einem bestimmten Herrschafts-verhältnis zukommt, und nicht auf die Menschen dieser Gruppe an sich. Eine solche kritische Solidarität wäre immer abhängig davon, welches Herrschafts-verhältnis in einem bestimmten Kontext im Vorder-grund steht. Damit ist auch klar, dass mit kritischer, kontextbezogener Solidarität auf keinen Fall gemeint sein kann, einen Drogen-Konsumenten, der in einem Hauseingang einer Frau einen sexistischen Spruch an den Kopf wirft, zu verteidigen, wohingegen es angebracht wäre, den gleichen Menschen zu unterstützen, wenn ihn am nächsten Tag eine Streife mitnehmen will.
Allerdings wird an diesem Beispiel auch schon klar, daß eine solche kritische, kontextbezogene Solidarität, oft eine Form von Umschalten bedeutet, die nicht immer so einfach zu bewerkstelligen ist. Insofern ist klar, daß ein Gerechtwerden der Einzelnen und der konkreten Situation gegenüber selten 100%-ig möglich ist, aber trotzdem angestrebt werden kann. Eine solche Haltung kann mensch auch nicht von heute auf Morgen einnehmen, es geht vielmehr um die stetige selbst-kritische Hinterfragung der eigenen Wahrnehmungen.
Trotzdem bleibt offen, wie ein öffentliches Reden über diese Ängste möglich ist. Ist es möglich, durch konkrete Erfahrungen begründete Ängste vor bestimmten Personen öffentlich zu be-nennen ohne damit die Tür für verallgemeinernde Übertragungen durch andere zu öffnen? Und wie ist es mit den anderen, auf solchen Übertragungen basierenden Ängsten? Auch wenn ein öffentliches Reden darüber aus oben genannten Gründen äußerst problematisch ist, müßte das lang-fristige Ziel doch sein, eine kritische Auseinander--setzung mit diesen Ängsten, von denen wir selbst ja auch nicht frei sind, zu initiieren. Aber wie ist das möglich, ohne dabei gleich wieder für Ausgrenzung, Vertrei-bung und Rassismus funktionalisiert zu werden? Wir denken, daß diese Fragen nicht offen bleiben können, wenn ein minderheitenorientierter Ansatz in der politischen Praxis umgesetzt werden soll.


oh man

ai 23.02.2009 - 03:34
eine revulotion, in der ich noch nicht mal einen rauchen darf, ist nicht meine revulotion.


legalisierung UND prävention müssen keine wiedersprüche sein.




 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora/texte.html?PHPSESSID=cd4587c90df4c967f1cc602ff199cdc3#drogen

drugs-inside

gradtabakgeraucht 23.02.2009 - 14:28
1. das drogenfachgeschäft

das kommt nicht von "den Grünen" sondern von einem! menschen, Max Plenert, der seinerzeit sprecher der fachforums drogen der grünen jugend war. und ist nicht sinnvoll, weil nichts wirklich neues darin zu finden ist. es geht um eine apotheke mit beschränktem angebot und kontrolliertem zugang. wie die daten geschützt werden könnten, die dabei anfallen, wurde ausgeklammert. die frage im zentrum des fachgeschäftlichen schlingerkurses ist: wie können wir die jugend beschützen (also aufzwingen und kontrollieren, andere reden lieber von regulieren) und letztlich habe ich mehrfach erlebt wie sich sogenannte alt-grüne echauffierten und den ach so "modernen" ansatz, als kleinbürgerliche spiesserei bezeichneten: "typisch deutsch. alles kontrollieren und regeln" sagte mal ein bekannterer grüner... ;) ich stand mit megaphon autonom daneben (ju-infostand besprechen und gegen panzer demonstrieren, war auf einer art consumer-messe) und habs gehört. und an dem konzept mitdiskutiert habe ich zudem... drogenpolitik der parteien hat einen sinn: jugendliche kifferinnen einbinden und zur wahl bewegen und wird ansonsten nicht ernst genommen. drogenfachgeschäfte sind gut gemeint, aber zu kurz gegriffen.

2. die drogenhilfe
hier habe ich eine zeitlang mitgespielt und festgestellt:
wenn es ernst wird stehen plötzlich nicht mehr die konsumenten im vordergrund, sondern die zichtausende von euronen der projektfinanzierung zudem werden ausschliesslich projekte finanziert die einen wert als "ablassbrief" darstellen. "Wir, die Stadt, tun etwas für die armen kranken" oder wahlweise "schützen die jugend". doch wenn menschen die es besser wissen sich und ihre zielgruppe trotzdem verkaufen, kann ich da nicht mitspielen. mein bsp. ist das alice-project - ursprünglich safe party people, war ein authentisches peergroup projekt.
jetzt ist es voll durchkommerzialisiert. und noch schlimmer: wolfgang von sterneck, der ja noch immer mit links-alternativ kokettiert, nutzt das ihm mittlerweile ausgelieferte projekt schlicht um 1. werbung für seine bücher zu machen und 2. jobs für seine freundinnen generieren. das waren auch die gründe mich von diesem projekt zu trennen und radikalere wege zu beschreiten... daraus entstand der Autonome Drogeninfostand - sinnvoll chillen auf partys - und wie mir gründerinnen der safe party people bestätigten, das war auch deren ursprünglicher ansatz.

3. drogenpolitik
ich fand die vorhergehenden und etwas längeren texte ernsthaft interessant und hatte mal wieder das gefühl: ich bin nicht allein!
vom 10-13.4. findet in berlin der akongress statt, dieser rahmen könnte genutzt werden zum austausch von ideen, sichtweisen, ansätzen für eine autonome rauschposition (mir fällt grad nix besseres ein, neue begriffe müssen gefunden werden), drogenpolitik impliziert für meinen geschmack zuviel negatives. (ich hoffe nur, dass es da auch einen raucherraum gibt... werde mich mal zu einem vorbereitungstreffen begeben) btw  http://www.akongress.org

4. es gibt keine schlechten, gefährlichen, fiesen drogen. es gibt wirksame substanzen und konsummuster. konsummuster können bspw. eine physisch/psychisch schädigende frequenz aufweisen. das ist alles.

5. "wer druff ist, ist nicht mehr so sehr politisch aktiv" <--pfui
also ohne drogen würde ich jetzt nicht hier sitzen und schreiben. ich bin kiffer. und kiffen regt mich zum denken an. wenn ich demonstriere kiffe ich mittlerweile seltener. eine "spontane kette" bildete sich und hielt... stand mal auf indy zu lesen... 3 kiffer in der ersten reihe mitte, bissi druff und anscheinend effektiver als andere nüchterne ;) das treibt mir ein breites grinsen ins gesicht. ähnliches kam öfter vor. jedenfalls schliesst sich das nicht aus. und kiffen hatte damit auch gar nix zu tun. sondern allein die menschen und köpfe die bereit waren diese auch hinzuhalten ob bekifft oder nicht.
ich gehöre jetzt leider zu den menschen die tatsächlich weniger effektiv sind in bekifftem zustand, so what? ich glaube selbstbestimmt entscheiden zu dürfen wieviel ich bereit bin zu geben.

6 i take drugs seriously =)

7 ...und jetzt werd´ ich erstmal meinen frühstückskaffee trinken.


Würde mals sagen das ist aus einer...

florist 23.02.2009 - 17:10
...älteren Erklärung der Roten Flora geklaut. Der Text enstand damals nicht nur als Stellungnahme des Plenums, sondern als Ergebnis eines monatelangen Diskussionsprozesses mit zahlreichen Vollversammlungen und bedeutete eine grundlegende Wende im Verhältnis linksradikaler Gruppen zu Dealerei und Drogenverbotspolitik. Vor dieser Zeit dominierte eine vor allem in den Achtzigern "Heroindealer verpisst Euch"-Haltung.
Wer das ganze Flugblatt lesen mag:
 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora/texte/zwergenflugblatt.html

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@ International Brigades — ex- (nicht: flora-)user