Mittelbaden: Verfahren eingestellt!

teddy thäl. 12.02.2009 21:45 Themen: Antifa Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Etwas mehr als ein halbes Jahr nach der größten Repressionswelle gegen linke und fortschrittlichen Bewegungen in Mittelbaden sind fast alle der eingeleiteten Verfahren eingestellt worden.
Am 16.07. des vergangenen Jahres durchsuchten ca. 60-70 PolizistInnen, BeamtInnen der örtlichen Ordnungsämter sowie KriminalpolizistInnen des Dezernat Staatsschutz in einer großangelegten Aktion 18 Häuser und Wohnungen in Achern, Bühl, Gaggenau und Gernsbach. Hintergrund war eine am 4.07.2008 erfolgreich durchgeführte Partybesetzung in Bühl, welche sich kritisch mit städtischer Jugendpolitik und fehlendem Freiraum in Selbstverwaltung auseinander setzte. Nach dem Ende der Besetzung war es zu Auseinandersetzungen zwischen PolizeibeamtInnen und TeilnehmerInnen der Besetzung gekommen. Mehrere BesetzerInnen wurden durch aggressives Vorgehen der Polizeikräfte teils erheblich verletzt. Zwei Jugendliche wurden festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und verbrachten die Nacht auf dem Revier. Ein dritter Jugendlicher wurde kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Einer der Festgenommen verlor bei seiner Festnahme kurzzeitig das Bewusstsein. Die Polizei stellte in einer nächtlichen Durchkämmungsaktion in Bühl die Personalien von 15 größtenteils jugendlichen PassantInnen fest. Diese 15, sowie die Fest- und Ingewahrsamgenommen sahen sich wenig später mit den Durchsuchungen konfrontiert.

Schon im vergangenen Juli und ebenso in den darauf folgenden Monaten versuchten wir in Kooperation mit den lokalen linken und fortschrittlichen Strukturen auf den rein repressiven Charakter der polizei- und staatsanwaltlichen Aktion hinzuweisen, diesen öffentlich zu machen und die Betroffenen solidarisch zu unterstützen.
Das Ergebnis dieses Prozesses war vielfältig und bestärkend. Neben erfolgreichen Solipartys und Konzerten zur Finanzierung der Anwaltskosten sowie einer überregionalen Infotour zur Repressionswelle, stand vor allem eine regionale Kampagne im Vordergrund. Deren Höhepunkt war eine erfolgreiche Demonstration gegen die repressiven Maßnahmen und für eine solidarische Linke mit knapp 300 TeilnehmerInnen in Bühl.

Die jetzt erfolge Einstellung der Verfahren macht noch einmal den repressiven Charakter der Durchsuchungen deutlich. Polizei und Staatsanwaltschaft ist es logischerweise nicht gelungen durch die Durchsuchungen zu handfesten Beweisen zu kommen. Wie auch. Ein Großteil der Durchsuchten hatte mit der Besetzung nachweislich nichts zu tun. Diese Tatsache war den Behörden schon vor der Durchsuchungswelle bekannt. Ebenso konnten trotz des großen Aufwands von Seiten des Repressionsaparats keinerlei Foto- bzw. Videodokumente oder ähnliches zur Besetzung festgestellt werden. Die Auffindung solcher Dokumente war der scheinbare Grund der Hausdurchsuchungen gewesen.
Das Ziel der Repression offenbaren jedoch die Einstellungen der Verfahren: die gezielte Bekämpfung, Verunglimpfung und Kriminalisierung alternativer Jugendlicher, linker und fortschrittlicher Bewegungen in einer eher ländlichen Region, war der eigentliche Aktionsschwerpunkt der Behörden.
Das dieses Ziel zumindest in Ansätzen erreicht wurde ist zu einem nicht geringen Teil der lokalen Presse zu verdanken. Diese betrieb bemerkenswerte Hetze, die sich jedoch nicht auf Tatsachen stütze, wie die Verfahrenseinstellungen belegen, sondern sich auf Verleumdungen und Beleidigungen fokussierten.

Festzuhalten bleibt, dass der Versuch der Schwächung der alternativen und linken Strukturen in der Region Mittelbaden misslungen ist. Statt sich der Repression zu beugen schafften es die örtlichen Strukturen ohne Hilfe durch bürgerliche Organisationen oder die, mit der Polizei kooperierenden, Medien eine Öffentlichkeit zu schaffen und die eigene Position zu stärken. Solidarität wurde praktisch und nicht nur die Anitrepressionsdemonstration oder die gemeinsamen Solikonzerte haben die Kollektivität der Bewegungen gestärkt. Die Bestrebungen zur Schaffung einen Jugendraums in Selbstverwaltung wurden intensiviert und ausgeweitet. Mehr als deutlich wurde doch die Notwendigkeit eines solchen Freiraums zur Weiterentwicklung fortschrittlicher und linker Strukturen in einer bürgerlich-konservativ geprägten Region.

Unterstützen wir weiter das Bestreben der linken Jugend nach einer Räumlichkeit in Selbstverwaltung und den Aufbau antifaschistischer, antikapitalistischer und fortschrittlicher Bewegungen in Bühl und Mittelbaden. Solidarität ist unsere Waffe!

Antirepressionsgruppe Mittelbaden, 31.01.2009

Rückfragen an mittelbaden[at]web[dot]de



Im Hinblick auf den Nato-Gipfel in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden machen wir darauf aufmerksam, dass es auch in Mittelbaden wieder zu staatlicher Repression kommen wird. Vorboten davon sind u.a. mehrere Anquatschversuche des VS und verschärfte Verfahrensbedingungen bei linken AktivistInnen. Weitere Informationen zu den Vorfällen und dem Verhalten bei Anquatschversuchen, Hausdurchsuchungen etc. findet ihr in einer von uns erstellten Broschüre.


Links:
Repressionswelle  http://de.indymedia.org/2008/07/222474.shtml
Demonstration  http://akb.blogsport.de/2008/10/21/die-letzte-schlacht-gewinnen-wir/
Broschüre  http://gruppe76.blogsport.de/infos/broschuere-der-antirepressionsgruppe-mittelbaden/

„Jede fortschrittliche politische Bewegung, die gegen die herrschenden Zustände kämpft, wird über kurz oder lang mit den Repressionsorganen des Staates konfrontiert werden. Die kapitalistische Profitwirtschaft wird mit allen Mitteln verteidigt.“ (Rote Hilfe e.V.)
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Ergänzungen

Bericht

AMK*rn 13.02.2009 - 02:14
einen umfassenden Überblick der Vorkomnisse sowie eine breite Presseschau liefert der Bericht des Autonomen Medienkollektivs Rhein-Neckar.

email-adresse

abcde 13.02.2009 - 02:40
wieso nutzen so viele leute email-adressen aus deutschland??? dienste wie hushmail.com, derin den usa und auf antigua sitzt, sind um einiges wirkungsvoller und sicherer. 1. sind diese adressen technisch besser geschützt, 2. können die deutschen behörden nichts von einem email-anbieter auf einer karibikinsel erwarten.