HH:Stadtteilversammlung St.Pauli erfolgreich

dabei gewesen 10.02.2009 02:49 Themen: Antirassismus Freiräume Soziale Kämpfe Ökologie
Hamburg. Das Aktionsnetzwerk gegen Gentrification hatte für den 7.2. zur Stadtteilversammlung geladen um die Privatisierung von St. Paulis Küste und den Widerstand dagegen auf breiter Basis zu diskutieren. Trotz der Falschmeldungen in der Presse , die Beachclubpläne für die Hafenstr. seien geplatzt, war das Interesse groß. 180 Teilnehmende, eine bunte Mischung von Anwohner_innen bis Autonomen, von jung bis alt, diskutierte die vorgestellte Resolution Punkt für Punkt und verabschiedete sie in einer geänderten Fassung. Das Ergebnis wurde am Montag auf einer Pressekonferenz den Medien vorgestellt.Zur Vorgeschichte siehe hier.

Stadtteilversammlung am 7.2.
Die Verlagerung von drei Beachclubs nach St. Pauli, an einen der letzten frei zugänglichen Uferbereiche der Elbe sorgt für Unruhe. Zur Vorgeschichte siehe hier. Die Stadteilversammlung fand am Samstag den 7. Februar um 16 Uhr in der Aula der Ganztagsschule St. Pauli stattfinden. Eingeladen hatte „Es regnet Kaviar“, das Aktionsnetzwerk gegen Gentrifizierung, unter Einbindung von weiteren Interessierten aus dem Stadtteil. Trotz der Falschmeldungen in der Presse ,die Beachclubpläne für die Hafenstr. seien geplatzt, war das Interesse groß, gut 180 Teilnehmende fanden sich in der Schule wieder. Das politische Spektrum war sehr breit, von Anwohner_innen über Autonome und Kulturschaffende, von jung bis alt, Zugezogene wie Alteingesessener waren vertreten. Offizielle Parteivertreter waren explizit unerwünscht.

In einem ersten Teil wurden die aktuellen Informationen zusammengetragen, nach denen ein Aus für die Beachclubs nicht sicher ist. Klar wurde das der Energiekonzern Vattenfall von dem geplanten Kohlekraftwerk Moorburg eine Fernwärmeleitung Richtung Altona unter dem Gelände bauen möchte. Das Kraftwerk ist allerdings stark umstritten. Die Baustelle soll aber erst 2010 eingerichtet werden und es ist nur ein Teil des Elbufers davon betroffen, der Teil der dem Bezirk Mitte zugeschlagen ist. Die Meldungen von Bezirk und Senat lassen viele Schlüsse zu. Deswegen waren sich die Anwesenden größtenteils einig das mensch sich nicht davon abhängig machen sollte was von offizieller Seite vorgeschlagen wird. Wichtig ist was wir selber wollen, nicht was uns irgendwelche Planer vorgeben.
Die Privatisierungspläne des Ufers wurden mit der Gentrifizierung des Stadtteil in Zusammenhang gesetzt und die Verdrängungsprozesse skizziert. Versuche von einzelnen sich nur auf die Beachclubs und den Lärm zu konzentrieren wurden von der überwältigenden Mehrheit des Versammlung klar zurückgewiesen. In der offenen Diskussion wurden auch weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit genannt, wie der Abriss der Trommelstraßenhäuser. Von der dort angekündigten sozialverträglichen Sanierung durch das städtische Wohnungsunternehmen SAGA-GWG blieb nichts übrig, statt dessen gab es Luxusgastronomie und deutlich höhere Mieten. Auch die Verdrängung von Illegalisierten wurde angesprochen. Die Neuordnung des Stadtteils zerstört die sperrige Struktur des Viertels (undurchschaubare Mietverhältnisse, tolerante Nachbar_innen, etc.) und entstandene Netzwerke, die das Leben für Illegalisierte deutlich erleichtern.

Resolution
Im Zweiten Teil der Versammlung wurde ein Entwurf für eine gemeinsame Resolution vorgestellt. Dieser war schon zu Anfang an alle verteilt worden. Die 10 Punkte der Resolution wurden in der nächsten Stunde Satz für Satz mit allen diskutiert auch mehrfach abgeändert. Am Ende dieses ca. 1-stündigen Vorgangs wurde die Resolution von allen gemeinsam verabschiedet. Angesichts der große der Versammlung ein überraschend gelungener Prozess. Den genauen Wortlaut der Resolution gibt es hier.

Aktionsplanung
Anschliessend wurden Ideen für Aktionen zusammengetragen. Dafür wurden bereits bestehende Neigungsgruppen vorgestellt, aber es gab auch Raum für neue Ideen. Zentraler Bestandteil ist die Wunschproduktion, mit der gemeinsam Ideen für eine öffentliche Nutzung entwickelt werden sollen. Dies hat sich in der Entwicklung des Anwohner_innenprojekts Park Fiction bewährt, allerdings soll diesmal der Prozess schneller verlaufen. Neben der „klassischen“ Öffentlichkeitsarbeit soll es große Transparentaktionen geben, Mieter der SAGA-Häuser kündigten Mietminderungen an (auch für die Vattenfall-Baustelle) und auch direkte Aktionen wurden vorgestellt. Als Anlaufpunkt wurde das „Anti-Beachclub-Café“ vorgestellt, jeden Sonntag von 14 – 18 Uhr im Buttclub (St.Pauli Hafenstr. 126). Neben aktuellen Informationen und Kaffe und Kuchen soll der Raum auch eine Art Werkstatt werden, in der die Ideen und Aktionen weiterentwickelt und vorbereitet werden. Am Sonntag den 8. Februar wurde das Cafe bereits rege von Interessierten und Aktivist_innen besucht.

Pressekonferenz
Am Montag den 9.2 wurden die Ergebnisse der Versammlung dann von „Es regnet Kaviar“auf einer Pressekonferenz im Golden Pudel Club der Presse vorgestellt. Dabei wurde auch nochmal auf unterschiedliche Vorstellungen von (Club-)Kultur eingegangen. Während in den Beachclubs auf Massenkonsum gesetzt wird steht der Golden Pudel Club für eine der wenigen Orte in Hamburg wo eine lebendige Clubkultur vorhanden ist. Die Distanz zwischen Besuchern und Aktiven ist eine ganz andere, Kultur wird noch selber produziert und nicht nur abgespielt. Die gut besuchte Pressekonferenz bestätigte das Medienkonzept, nachdem die Presse von der Versammlung ferngehalten wurde um entspannte Diskussionen zu ermöglichen und stattdessen die Ergebnisse separat vorgestellt wurden.

Und jetzt geht es erst richtig los:
Strand für alle statt Kommerzkultur
Starten wir die Wunschproduktion
Widerstand gegen Gentrifizierung und Verdrängung - Nicht nur auf St.Pauli!
weitere Infos unter:

http://esregnetkaviar.wordpress.com/

www.esregnetkaviar.de
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Ergänzungen

Resolution

strand für alle 10.02.2009 - 10:54
Hier nochmal der Text der Resolution:
Hamburg den 7. 2. 2009
Die Füße in die Elbe strecken
Resolution der Stadtteilversammlung St. Pauli-Süd gegen die Beachclubs

Noch immer sind die Beachclub-Pläne nicht vom Tisch: Wir lehnen die Ansiedlung von Beachclubs zwischen St. Pauli Landungsbrücken und Fischmarkt ab.

1. Das Ufer ist ein wertvoller öffentlicher Raum und darf nicht privatisiert werden.

2. St. Pauli ist ein Wohngebiet, nicht nur ein Vergnügungsviertel. Die Beeinträchtigung von Wohnraum und öffentlicher Sphäre ist ohnehin groß.
Die zusätzliche Ansiedlung der Beachclubs und deren Parkplatzsuchverkehr mit seinen Emissionen ist unzumutbar und wird von uns, besonders auch wegen der direkten Nachbarschaft zur Schule, nicht hingenommen.

3. Der Fischmarkt wird beschädigt. Kommen die Beachclubs, gibt es keinen Zugang für die Händlerinnen und Händler zum oberen, östlichen Teil des Fischmarkts - sie werden aus dem Geschäft gedrückt.

4. Die Privatisierung öffentlicher Räume auf St. Pauli ist gescheitert
- am Beispiel des Spielbudenplatzes wird das Elend dieses neoliberalen Modells täglich eindrucksvoll demonstriert. Das Kulturangebot beschränkt sich auf die Verköstigung des Publikums mit alkoholischen Getränken. Private Sicherheitsdienste üben das Hausrecht aus.
Beachclubs steigern die Ausgrenzung noch - Eintritt, Türsteher, Verzehrzwang.
Wir sagen: Nein!

5. Eventgastro eindämmen!
Durch den eventgastronomischen Umbau wird St. Pauli mehr und mehr zu einem Erlebnis-Einkaufszentrum unter freiem Himmel - ohne jeden Charme und ohne Sperrigkeit. Die Mieten steigen, das Gleichgewicht kippt.

6. Wo gestern Beachclubs waren, werden heute Bürobauten hochgezogen: Die Beachclubs sind ein Testballon und sollen St. Paulis Küste für Immobilienentwickler interessant machen. Wir werden diesen Testballon platzen lassen.

7. St. Pauli darf nicht vom Wasser abgeschnitten werden - im Gegenteil:
Die Stadt muss sich zum Fluss hin öffnen, der Hafenrand zugänglicher werden. Die Uferzone ist für ganz Hamburg von hervorgehobener Bedeutung - sie muss öffentlich, begehbar und zugänglich bleiben.

8. Wir starten einen selbstorganisierten Planungsprozess, der die Vielfalt der Interessen aller Nutzerinnen und Nutzer sowie der Anrainerinnen und Anrainer mit einbezieht. Park Fiction zeigt, dass Anrainerinnen und Anrainer aufregende urbane Räume mit hoher Aufenthaltsqualität gestalten können, wenn ein Planungsverfahren intelligent organisiert ist. Wir setzen auf Wunschproduktion statt einfältigen Kommerz!
Gegen die Zurichtung der Stadt nach Marketing-Gesichtspunkten: Die Behördenpläne sind stumpf und fördern die Verrohung der Atmosphäre noch - wir, die Anwohnerinnen und Anwohner, haben längst bewiesen, dass wir es besser können.

9. Ein öffentlicher Strand ohne Türsteher und ohne Überwachungskameras ist möglich.
Schnapp Dir die Platte!

Statt Beachclubs für wenige fordern wir:

Strand für alle!

Was tun...

N a m e 10.02.2009 - 12:05
gegen gentrification? Hier ein interessanter Lesetipp dazu - mit Bezug auf das Projekt mediaspree in Berlin:  http://sozialearbeit2punkt0.de.vu

Irie (T)*********(X)

Rote Flora 10.02.2009 - 17:11

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Nerv! — Mob Barley

@riotqueer — queer riot

auf der mopo homepage — Herr Müller