Keine Verfahren gegen GenfeldbesetzerInnen

k.o.b.r.a.__antirepressionsplattform____ 09.02.2009 22:07 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
Vor knapp einem Jahr endete eine dreijährige Auseinandersetzung um Versuchsfelder mit gentechnisch veränderter Gerste in Gießen. Den Abschluss bildete eine spektakuläre Feldbesetzung im April 2008, wodurch die Aussaat der Gerste verhindert wurde. Gleichzeitig begann die Staatsanwaltschaft mit etlichen Ermittlungsverfahren gegen die GentechnikkritikerInnen wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Diese Verfahren wurden nun wegen Geringfügigkeit eingestellt – selbst ein bereits im vergangenen Jahr bereits angesetztes, aber nach Ankündigung offensiver Prozessführung kurzfristig abgesagtes Verfahren.
Mit der Einstellung der Verfahren zur Feldbesetzung zeigt sich, was schon Mitte der 90er Jahre für Gentechnik-Lobby und staatlicher Repression ein zentrales Problem war: Feldbesetzungen stellen irgendwie gar nicht so richtig eine Straftat dar. Hausfriedensbruch kommt in Frage, ist aber wackelig. Ist eine Einzäunung da, ist es klar. Aber was, wenn der Zaun fehlt, wenn im Morgengrauen der BesetzerInnenturm sichtbar wird? Kann nachgewiesen werden, dass die BesetzerInnen den Zaun entfernt haben? Oder war der schon vorher weg? Dann aber wäre es kein Hausfriedensbruch mehr ...
Die Straftat würde auch zutreffen, wenn sich mensch auf fremden Flächen aufhält und zum Verlassen aufgefordert wird, aber nicht geht. Doch was ist, wenn es dann gar nicht mehr geht (wegen Ankettung)? Oder nicht mehr sinnvoll nachweisbar ist, wer wann für welche Fläche zum Verlassen aufgefordert wurde? Wer ist das da oben auf dem Turm eigentlich ...

Die Einstellungen aus Gießen können Mut machen. Sie sind einerseits das Ergebnis kreativer Antirepression und offensiver Prozessführung. Aber sie deuten auch nach vorn: Das nächste Frühjahr kommt und kann nun offensiv angegangen werden. Selbst der Aufruf zu Besetzungen ist nur dann eine Straftat, wenn die Besetzung eine Straftat wäre. Das aber ist ja eher nicht so oder zumindest nicht klar.

Trotz der Einstellungen kritisieren Gießener FeldbesetzerInnen die Justiz weiter. Weiter läuft nämlich das spektakuläre Verfahren zur Feldbefreiung 2006, das im letzten Jahr unter Leitung des skandalösen Richters Oehm mit dem Verbot unangenehmer Fragen zur Gentechnik und einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe endete. Einer der Beteiligten an der Besetzung im Frühjahr 2008, kommentierte die jetzigen Einstellungen zudem so: „Inzwischen sind unzählige Verfahren und ja auch zwei hohe Verurteilungen gegen GentechnikkritikerInnen erfolgt. Gegen die Versuchsbetreiber, die etliche Sicherheitsvorkehrungen missachtet und zweimal die Gerste haben will wuchern lassen, ist nie irgendein behördliches oder Strafverfahren betrieben worden!“ Der Staat schütze die von den meisten BürgerInnen ungeliebte Gentechnik.

Die Gießener FeldbesetzerInnen wollen so oder so ihren Protest fortsetzen, denn die Gentechniker der Uni Gießen haben das umkämpfte Feld nun ins fernen Mecklenburg-Vorpommern verlegt. Ausgewählt wurden die Flächen des AgroBiotechnikums, eines dubiosen Gentechnik-Gründerzentrums in Groß Lüsewitz östlich von Rostock. Dort werden neben der Gerste auch Felder mit gentechnisch veränderten Weizen, Kartoffeln und Petunien stehen.
Die dortigen GentechnikgegnerInnen wollen die Gießener nun unterstützen. „Pollen und Saatgut kennen keine Grenzen – daher gilt hier nicht: Aus den Augen, aus dem Sinn!“ sagen sie und haben begonnen, für das zur Zeit laufende Genehmigungsverfahren des Gerstenfeldes auch in und um Gießen Unterschriften und Einwendungen zu sammeln. Das kann überall geschehen. „Es wäre ein schönes Zeichen, wenn möglichst viele Menschen aus dem Raum Gießen, aber auch von überall anders her jetzt mit ihrer Einwendung deutlich machen: Gentechnik ist überall gefährlich - wir wollen auch in Groß Lüsewitz kein Gerstenfeld!“ Am 18. und 19. Februar wollen sie bei Veranstaltungen in den Orten nahe des neuen Versuchsgeländes über den Verlauf des Gerstenversuchs in Gießen mit seinen Pannen und Vertuschungen informieren. Für alle Einwendungen und Proteste haben sie die Internetseite www.aggrobiotechnikum.de.vu eingerichtet.

Protest soll es zudem an auch an vielen anderen Feldern geben. Die Informationen dazu sollen wie im vergangenen Jahr immer zeitnah auf www.gentech-weg.de.vu eingestellt werden. Die Initiative "Gendreck weg!" mobilisiert wie letztes Jahr in den Landkreis Kitzingen - diesmal aber gleich an zwei Wochenenden: Eine Gegensaat und eine Feldbefreiung sind geplant. Weitere Auseinandersetzungen wird es vor Gericht geben: Die FeldbefreierInnen von Gatersleben (April 2008) wurden auf Schadenersatz verklagt. Andererseits ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) verklagt worden, weil es sich penetrant weigert, die gesetzlich vorgeschriebene Akteneinsicht zu gewähren. Es wird also nicht ruhig werden im Lande - auch eine Folge einer Organisierung, die weitgehend ohne die schwerfälligen Eliten aus NGOs, Parteien und linksradikalen Wichtigsphären auskommt.

Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen