Serien-Wortbrecher am Frankfurter Flughafen

Wolf Wetzel 07.02.2009 20:49 Themen: Freiräume Medien Repression Soziale Kämpfe Ökologie
Der Ausbau des Frankfurter Flughafens führt über eine breite Spur aus Wort- und Rechtbrüchen. Der vorläufig letzte Wortbruch führt nach Kelsterbach, wo der SPD-Bürgermeister Ockel sein Wahlversprechen als Ausbaugegner gebrochen hat und die Klage gegen FRAPORT für 32 Millionen Euro zurückziehen will.
Vom doppelten zum dreifachen Wortbruch

Der Ausbau des Frankfurter Flughafens führt über eine breite Spur aus Wort- und Rechtbrüchen. Der vorläufig letzte Wortbruch führt nach Kelsterbach, wo der SPD-Bürgermeister Ockel sein Wahlversprechen als Ausbaugegner gebrochen hat und die Klage gegen FRAPORT für 32 Millionen Euro zurückziehen will.

Gegen die Stimmen der Wählerinitiative Kelsterbach und im Schutz von Polizeihundertschaften segneten am 5.2.2009 die Gefolgsleute des SPD-geführten Magistrats in einer gemeinsamen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Bauen, Planung und Umweltschutz den Deal zwischen Ockel und FRAPORT ab. Im Anschluss daran kündigten Ausbaugegner an, mit einem Bürgerbegehren gegen die Einigung vorzugehen. Ziel dieses Bürgerbegehrens ist es, den Vertrag mit Fraport aufzuheben und alle Rechtsmittel im Kampf gegen den Flughafenausbau auszuschöpfen.

Am 9.2.2009 steht der Deal in der Stadtverordentenversammlung in Kelsterbach zur Abstimmung. Stimmt diese zu, ist der dritte Wortbruch in Folge besiegelt.

Nachdem die Gewinnerin der Hessenwahlen 2008, Frau Ypsilanti (SPD), ihre Versprechen gebrochen hatte, um mit Duldung der Partei DIE LINKE ihr Wahlprogramm umzusetzen, entfachte man einen Sturm im Blätterwald. Von BILD bis Frankfurter Rundschau, von Rechtsaußen bis hin zum rechten Rand der SPD war man sich furchtbar einig: Das ist ein Wortbruch, der unsere Demokratie in den Grundfesten erschüttere, ein Wortbruch, den man nicht tatenlos hinnehmen dürfe. Wie wir wissen, fand man nicht nur vier ›Abweichler‹ in der SPD, sondern vor allem viel Kapital (einschließlich Schwarzgeld), um die bescheidenen Reformansätze der Ypsilanti-Regierung zu Fall zu bringen. Wie heuchlerisch diese Wortbruchkampagne war, belegt alleine die Zahl der Unterstützer, Sponsoren und Initiatoren, deren Wortbrüche hier aufzuzählen zu viel kostbare Zeit in Anspruch nehmen würde.
Keine Frage, ein Wortbruch ist ein Wortbruch – selbst dann, wenn er möglicher- und damit ausnahmsweise einer Mehrheit zugute gekommen wäre.

Über diesen Wortbruch wurde viel geschrieben – und ganz groß im Kurs waren dabei die Worte Ehrlichkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit….die man einforderte und für sich reklamierte.

Konzertiertes Schweigen herrscht hingegen hinsichtlich einer Serie von Wortbrüchen, die seit über 30 Jahren die hessische Politik bestimmen. Warum verschweigt man organisiert und absichtsvoll, dass der Flughafenausbau über eine breite Spur aus Wort- und Rechtsbrüchen führt – bis zum heutigen Tag?
Warum verschweigt man parteiübergreifend, dass jede Flughafenerweiterung anstelle eines gegebenen Versprechens einen geradezu paramilitärischen Gewaltapparat in Gang setzte?

Da bis heute die Presse der Großen Koalition kein einziges Wort darüber verliert, sei hier die Geschichte kurz erzählt:
Am Anfang des Startbahn-West-Konfliktes in den 80er Jahren stand ein eklatanter Wortbruch, nämlich die Zusage, dass ein weiterer Ausbau des Frankfurter Flughafens nur innerhalb des bestehenden Geländes, innerhalb des gezogenen Zaunes stattfinden werde.
Stattdessen wurde mit dem Instrument des ›Sofortvollzugs‹ Fakten geschaffen, bevor die noch anhängigen Klagen behandelt werden konnten. Selbst das von Innenminister Gries am 7. November 1981 gegebene Versprechen, »sich für ein Moratorium auszusprechen« , entpuppte sich als Lüge.
Anstatt Resignation und Ohnmacht auszulösen, stellten sich Zehntausende in den Weg. Das Gespenst von der ›Unregierbarkeit einer ganzen Region‹ ging um.
Zuerst erinnerte man:
»Die Befürchtungen, dass später eine weitere Start- oder Landebahn - etwa parallel zur Bahn 18-West - errichtet werden könnte, entbehren jeder Grundlage. Die Genehmigung einer solchen Maßnahme wird auf keinen Fall erteilt.«
Zehn Jahre später, auf dem Höhepunkt der Startbahn-West-Auseinandersetzungen erneuerte der damalige SPD-Ministerpräsident Holger Börner das Versprechen: »Nach dem Bau der Startbahn wird kein Baum mehr für den Flughafen fallen.«
Kaum war die Startbahn West 1984 mit Gewalt in Betrieb genommen worden, legten das Flughafenkartell seinen nächsten Ausbauplan vor.
Warum erinnert die Presse nicht an dieses Versprechen? Warum schweigt bis heute die SPD zu diesem Wortbruch?

In Kelsterbach, eine Nachbargemeinde des Frankfurter Flughafens, wird gerade der dritte Wortbruch in dieser Angelegenheit vorbereitet:
Die Stadtverordnetenversammlung in Kelsterbach hatte einstimmig beschlossen, den Klageweg zu beschreiten, um den Ausbau des Frankfurter Flughafens, die Enteignung öffentlicher Güter zugunsten privatkapitalistischer Interessen zu ver- bzw. zu behindern.
2008 hatte der jetzige SPD-Bürgermeister Ockel die Wahlen gewonnen, weil er sich als Ausbaugegner ausgegeben hatte. Kaum hatte er mit dieser eindeutigen Aussage das Bürgermeisteramt erklommen, nahm er Verhandlungen mit der FRAPORT auf, um sich das Klagerecht der Stadt Kelsterbach abkaufen zu lassen. Als wäre das nicht zynisch und wortbrecherisch genug, verkündeten FRAPORT und Herr Ockel am zweiten Tag der Rodungsorgie, dass man sich auf 32 Millionen Euro geeinigt habe.
Markant an dieser Mitteilung war nicht nur der lang vorbereitete Deal, sondern auch das Medienecho: Kein böses Wort, kein wütender Kommentar über diesen (erneuten) Wortbruch!
Keine lauten Klagen über Vertrauensverlust und drohende Politikverdrossenheit. Stattdessen allenthalben Verständnis und Genugtuung!

Herr Ockel begründete seinen Wortbruch damit, dass der Klageweg keinen Erfolg gehabt hätte und dass er unter diesen Umständen das Beste (für sich oder emphatisch gesprochen für seine Stadt) herausgeholt hätte. Eine Argumentation, die fadenscheinig und ohne Rechtsverstand ist:
Gemeinden und Umweltverbände klagen nicht zum ersten Mal gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Hunderte, tausende Klagen wurden in den letzten 40 Jahren vorgebracht. Keine einzige Klage konnte den Ausbau verhindern. Im besten Fall wurde der Ausbau mit minimalen Zugeständnissen garniert. Selbst der Versuch, über ein Volksbegehren und einen Volksentscheid 1981 die Ausbaumaschinerie zu stoppen, schlug fehlt: Regierung und Justiz schmetterten im Einklang und Gleichschritt jede demokratische Einflussnahme ab.
Zudem wurden in den letzten Jahren die Genehmigungsverfahren verschlankt und Klagemöglichkeiten zusammengestaucht. Es war also – von Anbeginn - klar, dass der Klageweg nicht wegen der Erfolgsaussichten, sondern aufgrund der bescheidenen Möglichkeiten, überhaupt Einfluss zu nehmen, gewählt wurde. Wer heute also behauptet, den Klageweg verkauft zu haben, weil er nicht erfolgreich ist, lügt mit Vorsatz und wider besseren Wissens.
Doch es geht hier nicht um einen Bürgermeister, der ein öffentliches Amt erschlichen hat. Es geht hier um Wahlbetrug: Die Bürgerinnen und Bürger Kelsterbachs hatten 2008 dem Bürgermeisterkandidanten der SPD ihre Stimme gegeben, weil er versprochen hatte, mit den bescheidenen Mitteln des Rechts gegen die Rodung des Bannwaldes zu protestieren.
Nun schickt er sich an, sich diesen Deal von der Stadtverordnetenversammlung am 9. Februar absegnen zu lassen.
Die Bürgerinitiatien und das Waldcamp rufen dazu auf, weder sich noch den Wald (ver-)kaufen zu lassen.
Die öffentliche Stadtverordentenversammlung findet am 9. Februar 2009 um 20 Uhr in Kelsterbach, Fritz-Treutel-Haus (ehem. Bürgerhaus), Großer Saal, statt.

Wolf Wetzel
Autor der dokumetarischen Erzählung ›Tödliche Schüsse‹, Die Geschichte der Startbahnbewegung, Unrast Verlag 2008
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Ergänzungen

Arbeitsplätze

Arthur H. Maul 08.02.2009 - 11:34
habe einen interessanten artikel in der zeitung zum arbeitsplätze rund um den flughafen gefunden.
 http://www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=710613

Weiß jemand was hierüber ?

Gerd 08.02.2009 - 23:49
Leider hab ich dieses Überbleibsel eines Artikels vom 06.02.09 im Internet gefunden. auf Echo Online scheint er gelöscht worden zu sein. Siehe:  http://www.echo-online.de/sonst/not-found.htm

Der Text, den man bei Google noch lesen kann, lautet so:
"Bei den Rodungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens ist am Donnerstag ein Waldarbeiter aus Polen tödlich verletzt worden..."

Widerstand in London

Samanta 08.02.2009 - 23:54
Hier ein englischer Artikel über den Widerstand um den Ausbau des Londoner Flughafens:
 http://www.indymedia.org.uk/en/2009/01/418105.html

Keine Ruhe im Forst

antifa.sozialbetrug 09.02.2009 - 13:36
Frankfurt/Main: Flughafengegner errichten zweites Camp im Kelsterbacher Wald. Nächtlicher Polizeiübergriff soll rechtliche Konsequenzen haben

Das Hüttendorf im Kelsterbacher Wald hat neue Nachbarn. Das Camp der Flughafenausbaugegner in Frankfurt am Main ist seit Mai 2008 besetzt, Mitte Januar hat die Polizei es eingezäunt. Zahlreiche Aktivisten hatten zudem nach der Besetzung von Bäumen und Rodungsmaschinen Platzverweise erhalten. Um die Aufenthaltsverbote zu umgehen und wieder etwas Bewegungsfreiheit zu bekommen, ist das neue Zeltlager Ende vergangener Woche knapp 500 Meter vom Hüttendorf entfernt errichtet worden. Es befindet sich auf öffentlichem Gelände, das die Stadt Kelsterbach bisher nicht beabsichtigt, an den Flughafenbetreiber Fraport zu verkaufen.

Das hat die Polizei allerdings nicht davon abgehalten, mit der Repression gegen die Umweltschützer fortzufahren. Bereits am Freitag seien Beamte mitten in der Nacht in das neue Camp eingefallen, berichtete die Umweltaktivistin Cecile Lecomte am Samstag gegenüber junge Welt. Gegen ein Uhr hätten Einsatzkräfte die Zelte aufgerissen, Schlafende an den Füßen rausgezerrt und ihre Personalien kontrolliert. Lecomte will eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen: »Wenn Polizisten nachts ohne Durchsuchungsbefehl in unseren Lebensmittelpunkt einbrechen, ist das Hausfriedensbruch«. Noch dazu sei die Aktion völlig unnötig gewesen, da die Polizei bereits vor dem Einsatz gegen 22 Uhr die Personalien der neuen Besetzer aufgenommen habe. Eine der Aktivistinnen habe wegen des nächtlichen Überfalls einen Nervenzusammenbruch erlitten und mußte noch nachts in die Stadt gefahren werden, so Lecomte.

Polizeisprecher Manfred Füllhardt bestritt gegenüber junge Welt das rabiate Vorgehen der – nach Aussage von Besetzerinnen – nur männlichen Polizisten. Er habe lediglich von der Kontrolle um 22 Uhr Kenntnis. Allerdings habe er bereits zahlreiche Nachfragen von der Presse erhalten. Die Besetzerinnen und Besetzer sind entsetzt, daß die Polizei den Einsatz einfach leugnet.

Trotz des Vorfalls hatten die Flughafengegner noch am Freitag mit dem Ausbau der Infrastruktur für das neue Camp begonnen. Küche und Wohnzimmer seien fast fertig gewesen, so eine Besetzerin am Waldtelefon gegenüber jW. Menschen aus der Region seien schon mit Kaffee und Kuchen gekommen. Doch dann habe man am Samstag im strömenden Regen noch einmal umziehen müssen. Die zynische Begründung der Polizei habe »Vogelschutz« gelautet.

 http://antifasozialbetrug.siteboard.de/antifasozialbetrug-about1471-45.html

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