Wien: Demo gegen den WKR-Ball

sgartieB sed nIrotua 02.02.2009 03:10 Themen: Antifa
Bericht über die Aktionen geegn den Burschenschaftsball in Wien.
Demo gegen den WKR-Ball

Hintergrund

Der Wiener Kooperationsring -WKR- ist die Vereinigung der Wiener Burschenschaften, die offen rechtsextrem, elitär, sexistisch, homophob,... agiert. In letzter Zeit gewannen diese Burschenschaften stark an Bedeutung. So ist momentan der 3. Nationalratspräsident, Martin Graf, Mitglied der Burschenschaft Olympia. Diese organisierte vor 6 Jahren gemeinsam mit Neonazis eine Demo gegen die Wehrmachtsausstellung, luden den bekannten Holocaust-Leugner David Irving ein, unterhalten enge Beziehungen zur NPD,...
Jedes Jahr veranstaltetet der WKR einen Ball in der renommierten Hofburg, die gleichzeitig Sitz des Bundespräsidenten ist. Dagegen gab es letztes Jahr erstmal Proteste.

Mobilisierung

Schon bald war klar, dass die diesjährige Demo gegen den Ball eine der grössten linksradikalen, antifaschistischen Ereignisse der letzten Jahre werden sollten. Es gab Infoveranstaltungen in ganz Österreich, einen Mobilisierungsaufruf in 6 Sprachen, verschiedenste Plakate, die in der ganzen Stadt zu Protesten gegen den WKR am Freitag, den 30. Jänner, aufriefen. Im Vorfeld wurde ein Riesenplakat am Westbahnhof geklebt und mehrere Transpis über vielbefahrene Strassen gehängt. All dies ist in Österreich relativ ungewöhnlich.

Beginn

Die Demo sollte um 17.00 beginnen, begann tatsächlich über eine Stunde später. Laut verschiedenen Angaben sammelten sich zwischen 800 und 1500 Menschen beim Westbahnhof. Die Presse schreibt von 1200 Menschen und dürfte damit ziemlich richtig liegen. Die Polizei zeigte massiv Präsenz, sowohl am Westbahnhof, als auch in der Innenstadt als auch vor so manchen Buden. Ein neuer Überwachungswagen kam zum Einsatz. Ansonsten hielten sie sich vorerst zurück.
Parallel dazu gab es ein Straßenfest am Marien-Theresien-Platz, nur wenige hundert Meter von der Hofburg entfernt.

Ablauf

Der erste Teil der Strecke führte über die Mariahilfer Strasse, der belebtesten Einkaufsstraße Wiens. Die Demo begann sehr lautstark mit verschiedensten Parolen, begleitet von mehreren Böllern und Leuchtraketen. Viele PassantInnen reagierten überraschend positiv auf die Aktion. Daneben gab es aber auch einige -hierzulande auf nahezu jeder Demo üblichen- Provokationen mancher Mitmenschen. Die Spitze bildete der "Black Block", ein Soundsystem sorgte für tanzbare Stimmung, Radical Cheerleaders für praktischen Antisexismus.
Als die Demo in die Innenstadt, und somit in die Nähe der Hofburg, kam, war die lautstarke Stimmung leider vorbei. Einige längere, unverständliche Pausen sorgten für Verwirrung, in den hinteren Reihen für Gerüchte("Die Polizei lässt uns weder links noch rechts gehen!") und bei der Kälte auch für etwas Demotivation. Die Cheerleaders taten ihr bestes, die Stimmung hochzuhalten.
Erst kurz vor dem Ballhausplatz, am letzten Teilstück der Demo, wurde die Demo wieder besser. Das Soundsystem drehte etwas auf, Am Ballhausplatz (näher ging es an die Hofburg nicht ran) gingen nach einigem Zögern ein paar Menschen zu den Absperrungen. Symbolisch versuchten sogar 2 Menschen,darüberzuklettern. Am letzten Stück wurde eine sehr einseitige Schneeballschlacht gestartet.Vereinzelt waren auch Plastikflaschen und Bierdosen darunter, die jedoch öfters bei MitdemonstrantInnen als bei der Polizei landeten.

Rummel beim Burgtor

Das Burgtor war die Schleuse für BallbesucherInnen. Bis auf ein Tor war sie jedoch geschlossen. Als die Demo sich diesem Punkt näherte, versuchte sie durch einen Sprint das Burgtor zu stürmen. Dies scheiterte, ein Polizist brach sich dabei 2 Finger, weil er sich beim schnellen Schliessen des letzten Tores die Finger einzwickte. Die meisten Leute zogen sich daraufhin etwas zurück, einge begannen, die Polizisten mit Schneebällen und pyrotechnischen Material zu bewerfen. Die Polizei bekam Verstärkung, verhielt sich jedoch weiterhin zurückhaltend. Gleichzeitig wurden 2 Feuerchen am Ring entfacht, um die restlichen DemonstrantInnen zu wärmen, und den Ring so zu blockieren. Die Demonstration wurde vom Veranstalter aufgelöst.
Nach einigen Minuten schien sich die Lage zu entspannen. Einerseits zogen sich viele Leute zum Straßenfest zurück, andererseits flüchteten sich viele WerferInnen vor der sich seitwärts positionierenden Polizei(die ebenfalls nichts tat).In diesem Augenblick kamen 3 BallbesucherInnen und verlangten Einlass. Sie wurden von 3 AktivistInnen bedrängt und beschimpft. Polizisten eilten herbei, um die Ballgäste zu schützen. Von dieser Aktion bekamen mehr Leute mit, und einige strömten zurück zum Burgtor. Das Wurfspiel ging von Neuen los. Diesmal formierte sich jedoch die Polizei neu, und drängte die Leute vom Burgtor und über den Ring zum Straßenfest. Dabei gingen sie mit gingen sie mit ziemlicher Härte gegen alle Menschen, die sich dort befanden, vor. scheinbar wahllos wurden ein paar Menschen herausgezogen. Als sie sich auch auf das Fest einkesselten, wurden ihnen Steine und Holzlatten entgegen geschleudert. 15 Minuten später wurde die Kesselung wieder aufgelöst.

Polizei

Es gab einen offensichtlichen Konflikt zwischen dem Einsatzstab und den PolizistInnen vor Ort. Die Taktik der Polizei war, Präsenz zu zeigen, alles mittels Kamera zu überwachen, sich ansonsten jedoch zurückzuhalten. Diese Taktik scheiterte am Burgtor. Dort hatte s den Anschein, als würden die Einsatzkräfte vor Ort die Aktionen mittels Knüppel Dicke beenden wollen. Während der Räumung des Ringes und der viertelstündigen Kesselung des Straßenfestes gingen viele PolizistInnen mit roher Gewalt vor. Es gab massiven Schlagstockeinsatz, Drohungen und Beleidigungen gegenüber PassantInnen. Laut einem Bericht hinderten Polizisten mit gezogener Waffe Menschen am Verlassen des Festes.
Laut Presseaussendung der Polizei wurden mehrere Beamte verletzt, in manchen Zeitungen war von 30 verletzten Polizisten zu lesen. Ein Aktivist, der sich bei der Räumung und Kesselung hinter den Polizeireihen befand, sagte, er habe keine einzige Verletzung beobachten können. Wahrscheinlich wurde nur ein Polizist verletzt (s.o.).

Gewalt ist keine Lösung...

...aber manchmal bitter notwendig. Weder Schneebälle noch Steine sind geeignet, PolizistInnen in Schutzanzügen zu verletzen(besonders dann nicht, wenn diese aus einer Distanz von 50 Metern geschossen werden). Der Sinn von solchen Aktionen ist, dass dabei eine Grenze gezogen wird. Es drückt eine Unversöhnlichkeit aus, eine unvereinbare Gegnerschaft zu bestehenden Verhältnissen aus. Gerade in Österreich, wo die Kultur des "Unter dem Teppich kehren" so hoch angesehen wird, wo es "normal" ist, mit rechtsextremen Parteien, Gruppen, und Personen zu paktieren, wo der rassistische Diskurs oft genug im Kleinen wie im Großen die Politik bestimmt, können solche Aktionen nicht hoch genug angesehen werden.(auch wenn diese Aktionen einen (pubertär-)spielerischen Charakter haben und einige ungute Eigenschaften so reproduziert werden)

Fazit

Bereits im Vorfeld konnten nur durch die Ankündigung der Demo Diskussionen erzeugt werden. Durch die Demoroute knapp an der Hofburg vorbei und die massiven Absperrungen spürten auch die BallbesucherInnen etwas vom Widerstand mitbekommen. Manche mussten Umwege nehmen, manche bekamen hautnah die Ablehnung von Rechtsextremismus mit. Positiv ist auch die -für Wiener Verhältnisse- große Zahl der TeilnehmerInnen.
Kritisiert werden muss die Kommunikation während der Demo. Oft war unklar, warum stehengeblieben wurde. Auch die Auflösung der Demo haben nur wenige Menschen mitbekommen. Am schwerwiegendsten war, dass viele Menschen auf der Demo die Rechtshilfeinfos nicht hatten-darunter auch einige der Verhafteten.
Ein generelles Problem ist die große Angst vor Autoritäten. Es wurde fast ständig darauf geachtet, großen Abstand zur Polizei und zu Absperrung zu halten. Dieses Verhalten fiel besonders bei den SchneeballwerferInnnen am Burgtor auf.(Wobei ich es vollkommen okay finde, Angst zuhaben und sich zurückzuziehen und auch einen Mackertum a la "wer traut sich mehr" nichts abgewinnen kann.) Zum Teil gab es auch eine ziemliche Konsumhaltung, wodurch vieles der Eigendynamik der Menschenmassen überlassen wurde.

Solidarität

Es gab mindestens 9 Festnahmen. Ihnen werden Delikte wie Körperverletzung oder Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen. EineR der Festgenommenen ist ins Landesgericht Wien in Untersuchungshaft überstellt worden und sitzt immer noch! Deswegen gibt es eine Solidemo!
Montag, 2.2., 20:00, Hauptuni Wien
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Einschätzung

la vera forza della strada 02.02.2009 - 17:27
Die Demoleitung hatte offensichtlich keine ordentliche Lauptsprecheranalge und deshalb hat die Auflösung der Demo auch kaum wer mitbekommen. Aber auch die Polizei hat es nicht nötig gefunden durchsagen zu machen. Im Prinzip hätten sie nach der Auflösung alle die sich beim Burgtor befanden wegen § 274 StGB Landfriedensbruch festnehmen können.

Neu für Österreich war der Einsatz von Greiftrupps. Es waren auch viele Zivis am Rande und auch in der Demo. Einige Zivis haben gefilmt und die Polizei meint aus der Auswertung dieser Aufnahmen Steinewerfer identifizieren zu können. Der hohe Vermummungsgrad und die Dunkelheit könnten das schwer machen, aber die Unachtsamkeit mancher könnte noch zu blöden Überrraschungen führen....

Das Straßenfest war widersprüchlich: Wegen des Festes gab es keinen geordneten Rückzug der Demo, weil viele, die nicht auf Konfrontation aus waren, am Ort blieben. Hätte sich die Demo zurück gezogen wären sicher einige (betrunkene) Heißsporne nicht noch übermütiger geworden und auch nicht verhaftet worden. Andererseits konnten die Polizei nach der Kesselung des Festes nicht einfach drauf los verhaften, weil viele Festbesucher sich nicht an den Steinwürfen beteiligt hatten.
Es wäre schlauer gewesen die Demo nicht am Burgtor aufzulösen bzw. spontan weiter zu laufen.

Die unschlüssig wirkende Polizei konnte die taktische Schwäche am Schluss der Demo nicht ausnutzen und im Endeffekt nur wenige Festnahmen machen. Insgesamt ist die Deeskalationsstrategie der Polizei, aber aufgegangen. Das sich die Polizei erst mal relativ lange bewerfen lassen hat, ohne etwas dagegen zu unternehmen führte dazu, dass viele Demonstranten nach Hause gingen.

In den Medien herrscht eine ziemlich ablehnende Stimmung gegen die rechtsextremen Burschenschafter. Die personellen Verbindungen der FPÖ, zur extremen Rechten, waren unter Haider nie so stark. Der Rechtsruck der FPÖ unter Strache hat zu einem leichten Aufschwung anderer rechtsextremer Gruppen geführt und viele Burschenschafter ins Parlament gebracht.
Politisch wäre es für die Polizei also schwer gewesen extrem repressiv vor zu gehen, weil z.B. auch der SP-Bürgermeister von Wien nicht Müde wird Front gegen die FPÖ zu machen.


Rechts von der FPÖ:
Video von einer NVP-Demo in der Kleinstadt Enns in OÖ:
 http://www.youtube.com/watch?v=EqfTTocFPqY&feature=related

Prozessbericht vom BFJ-Prozess:
 http://www.youtube.com/watch?v=JhTTEon5fFk&feature=related

Artikel im Kurier

Zappa 02.02.2009 - 19:32
So negativ finde ich diese Berichterstattung nun nicht - eher im Gegenteil:

 http://www.kurier.at/nachrichten/291163.php