Delmenhorst: In alle Richtungen ermitteln!

AutorIn 31.01.2009 13:56 Themen: Antifa
Am 31.01.2009 berichtete die Delmenhorster Zeitung, eine seichte Lektüre die in der gesamten Stadt kostenlos verteilt wird über “volksverhetzende Graffitis” und ihre Urheber. Die perfide These des Artikels lautete: Die delmenhorster Neonazis würden geschickt vorgehen, somit sei es logisch, dass andere Personenkreise, womöglich sogar AntifaschistInnen die antisemitischen und rechtsextremen Sprühereien an Hauswände in der gesamten Stadt anbrachten.
Der Hintergrund des Artikels sind Graffititags die unter anderem vom 02. auf den 03. Januar, sowie in den Wochen nach der israelischen Offensive im Gazastreifen gesprüht wurden. Unter anderem lauteten die Parolen “tötet Juden”, “Intifada”, “Nie wieder Israel!”, “Kindermörder Israel”, weiter wurden die Adressen der regionalen Naziwebsites an Wände gemalt.

Die Theorie der Zeitung, sowie einiger Staatsschützer ist es nun, dass AntifaschistInnen die Aktionsform nutzten um die Neonazis in Bedrängnis zu bringen. Interessant an der Veröffentlichung ist auch, dass die Theorie zunächst auf der Website der “Aktionsgruppe Delmenhorst” nachzulesen war; hier behaupteten Neonazis, AntifaschistInnen würden die Parolen anbringen um die FaschistInnen in eine kriminelle Ecke zu rücken. Somit nutzte die Presse eine von Nazis erstellte Theorie, stärkte und verwendete sie.

"[...] Mittlerweile sind an einer Grundschule in der Beethovenstraße Hakenkreuze und Parolen wie “Tötet Juden” aufgetaucht, es ist davon auszugehen, dass “AntifaschistInnen” diese anbrachten um NationalistInnen in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu rücken, was die Presse natürlich gerne angenommen hat." - Website der “Aktionsgruppe Delmenhorst” am 17. Januar 2009.

- “[...] die Rechtsextremen in Delmenhorst gehen geschickt vor!” -
Weiter berief sich die Zeitung auf Angaben der delmenhorster Polizeidirektion, Vertreter des Staatschutz behaupteten die Graffitis der Nazis würden nicht in das übliche Vorgehensmuster passen!
Normalerweise würden sie geschickter handeln. Diese Verdrehung der Tatsachen bestätigt die vollkommene Unkenntnis und das Verkennen der Situation in Delmenhorst durch polizeiliche Ermittlungsbehörden! Denn bereits im Jahr 2008 verklebten Nazis mehr als 10000 Aufkleber, plakatierten, sprühten - somit ist die nun genutzte Aktionsform weder neu, noch unbekannt.

Gefährlicher ist allerdings die Intention des Berichts, AntifaschistInnen sollen diffamiert werden - und die Absurdität der Behauptungen ist enorm. Nach unserem Selbstverständnis agieren wir um Faschismus und all seine Wurzeln zu bekämpfen, weiter sehen wir die absolute Notwendigkeit neofaschistische Strömungen in allen Variationen mittels aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu bekämpfen!
Dies bedeutet insbesondere und auch: Nazipropaganda, die dazu dienlich ist etwa jugendliche zu manipulieren bzw. sie ideologisch zu indoktrinieren muss bekämpft werden! Es ist somit geradezu lächerlich und gefährlich zugleich wenn nun Journalisten, die allem anschein nach nur auf der zwanghaften Suche nach neuen Schlagzeilen zu sein scheinen, behaupten AntifaschistInnen würden im völligen Widerspruch zur Doktrin ihres Handelns rechtsextremes Material produzieren. Mehr als einmal wurde bewiesen, dass autonome AntifaschistInnen meist die einzigen Kräfte sind die neofaschistische Propaganda (z.B. Aufkleber oder Plakate), nicht ignorieren, sondern schnellstmöglich entfernen. Wäre es nicht ein Widerspruch in sich, wenn nun diese AntifaschistInnen, die bereits seit Jahren vor einer erstarkenden Naziszene warnen Parolen anbringen die einer Ideologie angehören, die nach unserer Auffassung mit allen Mitteln bekämpft gehört?

Es gehört bereits seit langem zu den Aktionsformen der delmenhorster Nazis durch Straßenpopaganda an Menschen zu treten - dies ist nicht zuletzt durch die tausenden Aufkleber im letzten Jahr sichtbar gewesen.

- “Könnte sich anders zugetragen haben.” -
Im weiteren Verlauf des Artikels, der in Detektivmanier aufdecken möchte welche Szene denn nun wirklich hinter den offenkundig rechtsextremen Aktivitäten steckt, wird behauptet der Überfall auf einen Jugendlichen mit einem Auto am 17. Dezember 2008 sei womöglich erfunden - oder habe sich zumindest anders zugetragen, denn immerhin sei dieser nicht zur Anzeige gebracht worden.
Wir können nur wiederholen, dass es mehr als nur gefährlich ist Naziaktivitäten (wie Übergriffe) zu negieren, nur weil diese nicht bei der Polizei, die ohnehin meist wenig zu tun pflegt, angezeigt wurden.
Weiter stellen wir die Frage ob es nicht im Gegenteil des Interesses eines Jugendlichen wäre, wenn dieser bereits von Neonazis verfolgt wurde, nun auch seine Adresse durch eine Anzeige an diese direkt oder indirekt weiterzugeben? Es hat sich oft genug gezeigt das Nazis nicht nur im Internet Personen namentlich bedrohen, sondern vielmehr noch zum direkten Angriff übergehen.

Dennoch sehen wir die Notwendigkeit die Ereignisse des 17. Dezembers 2008 erneut und strukturierter darzustellen, hiermit veröffentlichen wir einen Auszug aus dem Erlebnisbericht des betroffenen Jugendlichen:

"Was ist dir passiert?
Als ich auf dem Weg nach Hause war versuchte ein Grüner VW Passat mich zu überfahren, ich wich aus aber er erwischte trotzdem mein Bein und traf es, zum Glück ist durch meine schnelle Reaktion nichts passiert. Nachdem ersten gescheiterten Versuch mich zu überfahren wendete der PKW auf einem Autohof und wartete auf mich. Als ich dann vorbeifuhr kam das Auto erneut mit quitschenden Reifen auf mich zugerast, im letzten Moment konnte ich gerade noch ausweichen und mich zwischen parkende Autos retten, die vermummten Personen im Auto öffneten eine Tür und gröhlten „Hasta la vista Antifascista“.

Wie reagierten andere Menschen - oder z.B. die Polizei auf den/die Vorfälle?
Ich habe vielen Leuten von dem Vorfall erzählt, alle waren entsetzt und geschockt von dem Vorgehen der Nazis, denn schließlich wollten sie mich verletzen oder noch schlimmer, mittlerweile behauptet allerdings sogar die Polizei ich würde Lügen weil ich niemanden angezeigt habe!"

- Wem nutzt es? -
Zunächst möchten wir erneut feststellen wie absurd es ist zu behaupten AntifaschistInnen würden Übergriffe nur erfinden - letztendlich hilft die Agitation der Delmenhorster Zeitung den Nazis. Die Relativierung neofaschistischer Aktivität ist äusserst gefährlich: Es ist deutlich, dass Neonazis in einem Klima, in dem geschwiegen und nichtbeachtet wird umso besser ihre Struktur errichten können - auch in Delmenhorst - und eben nicht nur in der tristesse der ostdeutschen Provinz.
Autonome AntifaschistInnen zu diffamieren, anstatt endlich die realen Verhältnisse zu reflektieren hilft letztendlich nur den Nazis: Diese können auch weiterhin meist ungestört agieren, gedeckt durch Relativierer in Presse und Polizei!
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Ergänzungen

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Rocko sagt.... — egal

Phantasie — Nixpeil

Nazipostings? — AntifascistRuhrpott