Berlin: Kampf um die Stadt

wir bleiben alle 30.01.2009 18:51 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Im vergangenen Jahr ist Berlin in Bewegung geraten. Die Auseinandersetzung um die Entwicklung der Stadt und ihrer sozialen Verfassung hat an Schärfe gewonnen. Das Magazin „Zitty“ rief am Ende sogar den Kampf um die Stadt aus. Regional und überregional bekamen Themen rund um den Begriff Gentrification eine große Aufmerksamkeit. Das ist vor allem ein Verdienst linksradikaler Stadtpolitik, die auch 2009 weitergehen soll.
Das neu entstandene Interesse an Stadtpolitik ist nicht aus der Luft gegriffen. Zuallererst muss man feststellen, dass die kritischen Fragen nach den sozialen, ökonomischen und kulturellen Verhältnissen im Stadtraum ganz realer Natur sind. Gerade in Berlin lässt sich die neoliberal motivierte Transformation der Stadt hautnah und in rasantem Tempo erleben.


Soziale Spaltung, Aufwertung, Kapitalinteressen

Die gesellschaftliche Spaltung der Stadt verschärft sich weiter. Unzählige Menschen schlagen sich durch, sind in prekären Beschäftigungsverhältnissen, müssen von staatlichen Transferleistungen leben oder sind gar illegalisiert. Durch die Aufwertung billiger Wohngegenden werden sie systematisch aus der Innenstadt verdrängt. Steigende Mieten, Zwangsumzüge oder Verwaltungsterror wirken hier individuell und im Verborgenden. Die Immobilienbranche redet dabei in ihrer Sprache von hohem Gewinnmargen, die in Berlin zu erwarten sind. Die Verdrängten müssen dem neuen Berlin Platz machen. Geschaffen werden soll eine Kulisse aus Glas und Beton für die hochqualifizierte und kreative Elite, die gleich das dringend benötigte Geld in die Stadt bringen soll. Berlin will sich auf einer Stufe sehen mit New York, Paris oder London. Dass es dafür seinen eigenen Charakter der vielfältigen und unangepassten Stadt aufgibt, wird gekonnt übersehen.

Klar ist dabei auch, dass eine politische Kapitulation vor den tatsächlichen Problemen stattfindet. Im Bewusstsein, Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung, Jugendgewalt oder Kinderarmut nicht lösen zu können, werden diese Probleme in Richtung der Stadtgrenzen verdrängt. Die Stadt ist hier Spiegel der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse. Weil ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr für den kapitalistischen Prozess benötigt wird, wird dieser Teil ausgegrenzt und am Rande von Existenz und Würde verwaltet. Währenddessen werden neue repräsentative Räume für Kapitalverwertung geschaffen, die exklusiv und hochprofitabel sind. Im Falle Berlins gehen Regierung und Kapital eine verhängnisvolle Verbindung ein. Wann immer Investoren mit ihren Vorstellungen kommen, öffnet ihnen die Stadt bereitwillig Haus und Hof und stellt mit öffentlichen Geldern finanzierte Infrastruktur bereit. Im Gegenzug werden von der Kapitalseite neue Arbeitsplätze versprochen, die sich bei genauerem Hinsehen aber vor allem an diejenigen richten, die ohnehin Arbeit finden, oder die neue prekäre Beschäftigung bedeuten. Auch wenn die Zusammenhänge weitaus komplexer sind als hier dargestellt werde kann, gibt es auch an dieser Stelle schon genügend Anzeichen dafür, den Kampf gegen Stadtumstrukturierung und Gentrification unmittelbar als antikapitalistischen Kampf zu verstehen.


Alternatives Leben, Subkultur, Freiraum

Wo Stadtraum profitabel gestaltet werden soll, stören natürlich Orte, an denen alternative Ansätze von Wohnen, Wirtschaften, sozialer Arbeit und Kultur praktiziert werden. Als zu schmuddelig oder politisch unbequem geltend, sind sogenannte Freiräume permanent bedroht. Ob es um kollektive Hausprojekte, Umsonstläden, Nachbarschaftshilfen oder nichtkommerzielle Kneipen geht, stets stehen Projekte auf dem Spiel, die mit hohem Aufwand betrieben werden und die prinzipiell den Anspruch haben, allen Menschen offen zu stehen. Daher ist der Freiraumgedanke elementarer Bestandteil im Kampf gegen die Aufwertung, da es sich hier – wenn auch nur im kleinen Rahmen – um den Versuch handelt, Stadtraum kapitalunabhängig und inklusiv zu gestalten – bei allen bekannten Defiziten.

Die Umstrukturierung der Stadt führt zu immer höherem Druck auf bestehende Freiräume. So sind mindestens zehn Projekte in der Stadt akut oder mittelfristig von Räumungen bedroht. Ein Verlust dieser Räume wäre für viele Menschen in der Stadt fatal, sind sie doch Quelle politischer Ideen und Aktionen, Anlaufstellen oder auch einfach nur alternative Kulturorte. Dabei muss klar werden, dass ein Angriff auf diese Freiräume weit mehr Leute betrifft, als nur die, die sie bewohnen. Die 15-jährigen Schüler_innen, die am Wochenende auf ihr Punkkonzert gehen, sind genauso gemeint, wie die Vollzeitaktivist_innen. Zusammen nutzen und gestalten sie Freiräume und sorgen so für eine subkulturelle und politische Infrastruktur, die eine Alternative zu schicker Partyszene und parteipolitischem Engagement bietet.


Berlin in Bewegung, vielfältig und wirkungsvoll

Berlin hat ein turbulentes Jahr in Sachen Stadtpolitik hinter sich: Kiezspaziergang gegen MediaSpree, Aktionstage und Hausbesetzung, Gartenbesetzung, Boote gegen Investoren, Spreeparade, erfolgreicher Bürgerinnenentscheid gegen MediaSpree, Halleneröffnungsdesaster für o2, Mietdemo sowie unzählige weitere Aktionen, die unter anderem Polizeipräsident Glietsch zu dem Ratschlag veranlassten, einen Porsche nicht in Kreuzberg zu parken. Was diese Proteste trotz ganz unterschiedlicher Ansätze eint, sind ihre außerparlamentarische und aktionistische Ausrichtung und ihr radikaler Anspruch an Politik. Dabei gibt es nicht den einen großen Organisationszusammenhang. Vieles passiert lose, entsteht aus dem Nichts und verschwindet dann wieder. Einen Überblick kann man gerade gar nicht bekommen, und vor allem das ist gut.

Dass die Gentrification nun zu einem zentralen Thema in der Stadtöffentlichkeit geworden ist, darf man ruhig als Erfolg linksradikaler Stadtpolitik werten und sich einen Moment lang darüber freuen. Vor allem zeigt es, dass man trotz permanenter Marginalisierung und Kriminalisierung politische Anliegen in die Öffentlichkeit tragen kann, die sonst nicht formuliert werden würden. Ein weiterer ganz handfester Erfolg ist, dass es im letzten Jahr keine Räumung eines festen Hausprojektes gab.

Aber es gibt mittlerweile auch die Tendenz der Vereinnahmung. Zuletzt konnte man dies ganz deutlich im Vorfeld der Mietdemo beobachten, als sich Kreuzbergs Bürgermeister Schulz mit den Demonstrierenden solidarisieren wollte. Wie so oft stellt sich nun also die Frage, inwieweit man die gewonnene Aufmerksamkeit aus der Hand gibt.


Es geht weiter, auch in diesem Jahr

Das linksradikale Engagement im Kampf um die Stadt wird auch dieses Jahr weiter zu gehen. Leider sind weiterhin viele Freiraumprojekte bedroht. Daher wird für den 14.03. zu einer bundesweiten Freiraumdemo in Berlin aufgerufen. Denn auch 2009 soll es keine Räumung geben. Auch das Bündnis der Mietdemo hat schon eine zweite Demonstration angekündigt, die im Vergleich an Breite gewinnen soll. Und die Wir Bleiben Alle! – Kampagne kündigt Actionweeks im Sommer an, an deren Ende die öffentliche Massenbesetzung des ehemaligen Flughafen Tempelhofs steht. Man darf gespannt sein, wie die Obrigkeit auf all dies reagieren wird, ob repressiv oder opportunistisch. Der Bewegung ist auf jeden Fall zuzutrauen, weiterhin einen Schritt voraus zu sein.

Bei aller Euphorie muss es aber auch ein Wort der Kritik geben. So bedarf es sicherlich einer besseren Vermittlung so mancher Aktionsform. Es muss sich auch gefragt werden, warum nicht mehr Menschen erreicht werden. Außerdem könnte es eine bessere Vernetzung mit anderen Städten geben. Allein die unmittelbare Nachbarstadt Potsdam steht vor umfangreichen Veränderungen, gegen die auch dort auf die Straße gegangen wird. Die Auseinandersetzung um die Städte ist letztendlich nur als ein gemeinsamer Kampf zu gewinnen, in dem man sich gegenseitig unterstützt, so gut es geht. Nicht zuletzt braucht es eine Vertiefung der Begründung linksradikaler Stadtpolitik. Gerade vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise muss es gelingen, Stadtumstrukturierung und Gentrification in Verbindung mit Kapitalismus und dessen Versagen zu bringen, und das verständlich zu kommunizieren.


Einige Links:

united we stay – bundesweite Demonstration – 14.03. Berlin
Abriss Berlin
Wir Bleiben Alle! (Berlin)
Kampagne gegen Zwangsumzüge
Kreuzberg Info
AG Spreepirat_innen
Tempelhof für Alle!
Freies Radio für Berlin
Unverkäuflich gegen Privatisierung
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Ergänzungen

ups

wba 30.01.2009 - 19:07
So, bei den letzten drei links ist was schief gelaufen. Nochmal in der obigen Reihenfolge:

 http://tfa.blogsport.de/
 http://mikro.fm/
 http://www.unverkaeuflich.org/

sorry

tja

mhm 30.01.2009 - 22:40
"Wo Stadtraum profitabel gestaltet werden soll, stören natürlich Orte, an denen alternative Ansätze von Wohnen, Wirtschaften, sozialer Arbeit und Kultur praktiziert werden."

und oftmals (immer?) sind gerade alternative Ansätze, die eine nicht unerhebliche Rolle in dem ganzen Gewusel spielen. Die Nuss zu knacken ist nicht gelungen. Ernstzunehmende Ansätze, Gentrifizierungskritik "jenseits von Yuppiebashing" zu formulieren hinken dem Bedarf an Praxis hinterher. Hab schon irgendwo 'n netten Button gesehen - "D.I.Y. gentrify" stand drauf. möglicherweise triffts das.

Gespräch zu Gentrification

Radio Blau, Leipzig 99,2 MHz 30.01.2009 - 23:22
Gespräch zu Gentrification Teil 1
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=26070

Gespräch zu Gentrification Teil 2
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=26071

Veranstaltung zu steigenden Mieten

nächste Woche 31.01.2009 - 00:31
Hier sei noch ein kleiner Hinweis auf folgende Veranstaltung nächste Woche erlaubt:

Steigende Mieten stoppen!
Dienstag, 03.02.09, 19 Uhr NewYorck im Bethanien, Mariannenplatz 2, Kreuzberg

"Wir wünschen uns eine berlinweite Kampagne gegen steigende Mieten, Verdrängung und Stadtumstrukturierung. Wir wollen mit möglichst vielen über die steigenden Mieten und die Folgen für die betroffenen Menschen, vor allem aber auch über Möglichkeiten und Strategien des Widerstands diskutieren. Eine Großdemonstration im Sommer, Straßentheater, direkte Unterstützung von Betroffenen, Plakataktionen, Kiezspaziergänge, Protest gegen Privatisierung...auf viele Arten ist es möglich, gegen die steigenden Mieten aktiv zu werden."

Das Jahr 2008 war reich an Aktionen, daran besteht kein Zweifel. Doch bleiben viele Fragen offen, etwa die Frage, was denn konkret erreicht wurde. Wenn etwa ein Kreuzberger Bürgermeister einen offenen Brief an den Senat schreibt, dass die steigenden Mieten ein Problem sind, so ist das Kosmetik im beginnenden Wahlkampf 2009, und dürfte bei profitorientierten Immobilienbesitzer_innen in Berlin erstmal nicht zu schlaflosen Nächten führen.

Hier wäre etwa die Frage zu diskutieren: Wie können wir in Bezug auf die steigenden Mieten wirklich was verändern? Können wir, etwa im Rahmen der Kampagne "Wir bleiben alle", die steigenden Mieten wirklich stoppen, oder ist in Bezug auf steigende Mieten unsere Möglichkeit vor allem, das Thema wieder auf die politische Agenda zu setzen, und auf eine Kampagne zu hoffen, die weit über die sogenannte "Szene" hinausreicht? Und wie sind unsere Perspektiven?

Bei allem Schönen, was 2008 passiert ist, sollten wir uns nichts vormachen: die Perspektiven, eine Entwicklung in Berlin im Bereich Mieten zu verhindern, die irgendwo da endet, wo München, London, Paris bereits angekommen sind, sind nicht gut. Es ist ja nicht so, als ob es in München, London, Paris keinen Widerstand gegen die Entwicklung gegeben hätte - allerdings mit, wenn überhaupt, sehr begrenztem Erfolg.

Aber wer nicht kämpft hat schon verloren.

"Was diese Proteste trotz ganz unterschiedlicher Ansätze eint, sind ihre außerparlamentarische und aktionistische Ausrichtung und ihr radikaler Anspruch an Politik. Dabei gibt es nicht den einen großen Organisationszusammenhang. Vieles passiert lose, entsteht aus dem Nichts und verschwindet dann wieder. Einen Überblick kann man gerade gar nicht bekommen, und vor allem das ist gut." - so steht es in dem obigen Beitrag.
Das wäre noch genauer zu diskutieren. Denn vieles scheint doch an einzelnen Personen oder kleinen Gruppen zu hängen, und eine Kampagne, die so hoffnungsvoll begann wie "MediaSpree versenken", droht, auch und gerade u.a., weil es keine inhaltliche, gemeinsame Basis gibt, im Gerangel eines Sonderausschusses sich selbst zu begraben.

"Wo Stadtraum profitabel gestaltet werden soll, stören natürlich Orte, an denen alternative Ansätze von Wohnen, Wirtschaften, sozialer Arbeit und Kultur praktiziert werden." - auch das steht im obigen Text. Dieser Auffassung möchte ich hier doch dezidiert wiedersprechen, die Wirklichkeit ist da deutlich komplexer. So wird mittlerweile die Flora in Hamburg, im absolut gentrifizierten Schanzen-Viertel, wo ein großer Teil vor allem der Einwohner_innen mit migrantischem Hintergrund bereits verdrängt sind und die Mieten teils astronomische Höhen erreicht haben, von hamburgs Wirtschafts- und Politik-Elite nicht nur negativ betrachtet: "Die seitens Kulturbehörde, Handelskammer und IT-UnternehmerInnen der Roten Flora zugedachte Rolle ist die eines Standortfaktors "authentische Subkultur" ( http://www.google.de/search?hl=de&q=rote+flora+hamburg+handelskammer&btnG=Suche&meta=). Aber das ist wieder eine eigene Debatte.

Hier übrigens noch der Verweis auf ein höchstrichterliches Urteil, dass für manche Häuser von Bedeutung sein könnte: der Neubau von hochprofitablen Luxuswohnungen ist ab sofort möglicher Kündigungsgrund auch bei Mietverträgen für Wohnungen, wenn dazu ein Haus abgerissen werden muss. "...Eine Immobilienfirma hatte im Jahr 2005 das fast 100 Jahre alte Gebäude gekauft und will an dessen Stelle einen Neubau mit sechs hochwertigen Eigentumswohnungen errichten. Eine 2,5-Prozent-Rendite - die sich mit einer Sanierung des Altbaus erzielen ließe - will der Investor auf 16 Prozent steigern: Die Eigentumswohnungen auf dem 600-Quadratmeter-Anwesen sollen zwischen 430 000 und einer Million Euro kosten." ( http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/380063). Das wichtige ist hier wohl, dass nicht mehr die Frage ist, ob sich überhaupt Profit mit Sanierung erzielen lässt, sondern wie hoch dieser Profit ist. Und wenn sich etwa mit "CarLofts" hohe Profite machen lassen und das Konzept sich durchsetzt - welches Haus ist dann noch von Abriss geschützt?

Freiräume, ihre Bedrohung und Gentrification

Name 31.01.2009 - 02:31
Die Rolle der (bedrohten) Hausprojekte im Kontext von Gentrification ist eine mindestens dreifache: Hausprojekte als Motor der Gentrification; Hausprojekte als von Gentrification bedrohte Orte; Hausprojekte als Zentren des Widerstands gegen Gentrification.

Über den ersten und den dritten Punkt, Motor und Widerstand, möchte ich mich hier nicht auslassen. Also kurz zum zweiten Punkt, die Bedrohung von Hausprojekten, Wagenplätzen, unkommerziellen Kulturorten durch Gentrification-Prozesse.

"Wo Stadtraum profitabel gestaltet werden soll, stören natürlich Orte, an denen alternative Ansätze von Wohnen, Wirtschaften, sozialer Arbeit und Kultur praktiziert werden. Als zu schmuddelig oder politisch unbequem geltend, sind sogenannte Freiräume permanent bedroht." Ich glaube nicht, dass diese Analyse im wesentlichen stimmt.
Ich würde eine Gegenthese wagen, nämlich diese: Wo in Gebieten, die Aufwertungs- und Gentrification-Prozesse durchlaufen oder hinter sich haben, mit Immobilien große Profite zu erwarten sind, werden auch bislang widerständische Orte als zukünftige Orte der Profiterwirtschaftung interessant - ganz im Sinne der Marxschen Auffassung, dass das Kapital an sich zwar ein "scheues Reh" sei, dann jedoch, wenn hohe Profite winken, mutig wird, und, so Marx, bei der Erwartung sehr hoher Profite es wohl kein Risiko gibt, das das Kapital scheut, und auch keine moralische Schranke, die von ihm nicht überschritten würde.

Um das an ein paar Beispielen deutlich zu machen:
Der Schwarze Kanal: gelegentlich bedroht, weil die umliegenden Nutzer keinen Bock auf einen Wagenplatz haben (in diesem Sinne stimmt die These des Artikels), langfristig vor allem jedoch bedroht, weil das Grundstück einen Wert von ca. 5- 10 Millionen Euro haben dürfte, und hier, im Herzen von MediaSpree, natürlich große Gewinne zu erwarten sind.

Köpi: hier gilt das gleiche. Wenn es gelingt, das Haus für einen Schnäppchenpreis zu kaufen, wie dies der letzte Käufer tat, den Widerstand zu zerschlagen und einen schicken Neubau hinzustellen, winken gigantische Profite, und irgendein Kapitalist wird sich sicher finden, der das Risiko eingeht (im Moment dürften die Profite bei Luxuswohnungen sicherer sein als bei Büroneubauten).

Rigaer 94, Liebig 14: gehören beide Beulker, der wohl nicht unbedingt das Interesse hat, den Kiez schöner zu machen, sondern Profite zu machen. Beulker ist im unterschied zum Eigentümer der

Liebig 34, Padowicz, nicht immer ganz so professionell. Padowicz gehören ca. 2.000 Mietshäuser in Berlin.

Bei den anderen Häusern ist die Situation meist ähnlich; ein Sonderfall ist die NewYorck im Bethanien, die sich in einem (noch) in öffentlicher Hand befindlichen Gebäude befindet. Aber auch hier wird der Druck eher nicht vom Wunsch nach dem hübschen und sauberen Kiez produziert, sondern - umgekehrt zu den Profiterwartungen von Investoren - durch die hohen Kosten, mit denen der Bezirk belastet wird (sog. "kalkulatorische Kosten").

Ergänzung zum BGH-Urteil

Icke 31.01.2009 - 03:44
Interessant ist vielleicht noch, dass beim aktuellen BGH-Urteil die Begründung anscheinend war, dass eine Sanierung, bei der danach nur 2,5 Prozent Rendite zu erwarten ist, als "wirtschaftlich sinnlos" erscheint und deswegen ein Abriss völlig in Ordnung ist. 2,5 Prozent Rendite - ist uns noch viel zu viel! Keinen Cent Profit den Hausbesitzer_innen - die Häuser denen, die drin wohnen!

nachschlag

wba 31.01.2009 - 05:18
naja, ich will nur kurz was zu den ersten kommentaren hier loswerden. ein punkt stimmt auf jeden fall, die nuss ist nicht geknackt, nicht von mir und auch sonst noch nicht, soweit ich weiß. die drängenste frage, wo die gentrifikation aufhört, wer sie macht, und ob nicht gerade alternative räume sie bewirken, ist bislang nicht geklärt. auf indymedia wird das aber wohl auch nicht passieren. wahrscheinlich gibt es die antwort letztendlich nur in der praxis. jedenfalls stimmt die kritik, ich hätte diese grundproblematik erwähnen sollen.

aber sonst wieder die alten vorurteile. hab ich was von yuppiebashing geschrieben, hab ich behauptet, berlin versinkt im chaos, will ich den kommunismus und bin ich gegen haussanierungen? bezieht euch doch mal auf den artikel...

euer autor

Gentrificationkritik ist (noch) nicht radikal

Roland Ionas Bialke 31.01.2009 - 05:46
Wenn Wir radikal sein wollen, dann müssten Wir Uns mehr auf die Ursache(n) konzentrieren: Die Entmischung des Ghettopotenzials, die Urbanisierung (bzw. das Gegenteil, die Stadtflucht).

Es ist wichtig Gentrification kontrovers zu kritisieren! Eine einseitige oder dreidimensionale Gentrificationkritik kann jedoch zu Fremdenfeindlichkeit und Objektivismus führen.

Radikale Ansätze

Roland Ionas Bialke 31.01.2009 - 07:34
In Berlin kamen Menschen, die bewegungseingeschränkt sind, in den vergangenen 20 Jahren nicht auf den S-Bahnhof Ostkreuz. Gentrification sorgt dafür, dass auf dem Bahnhof Ostkreuz jetzt behindertengerechte Fahrstühle gebaut werden. Kaum jemand interessierte sich für den Zwang die bewegungseingeschrängte Menschen ausgesetzt waren. Trotzdem lässt sich dieser Umstand radikal kritisieren: Wenn bewegungseingeschränkte Menschen nicht oder nur wenig arbeiten können, dann werden sie sicher nicht viel Geld haben. Da die Mieten durch die Aufwertung steigen, müssen diese Menschen zwangsweise in ein anderes Viertel ziehen, wo die Mietpreise billiger sind. Zu kritisieren ist hier nicht, dass der behinderte Mensch durch Aufwertung eine Mobilitätshilfe bekommt, sondern dass er sie nicht nutzen kann, da er durch die Aufwertung nicht mehr an der Mobilitätshilfe wohnen kann. Radikal ist es daher, Zwangsumzüge zu kritisieren und Aufwertung zu erkämpfen, ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern!

Gentrification ist nicht plötzlich aufgetaucht, sondern ein ewiger Prozess. Schon zur Zeiten der Industriellen Revolution beschäftigten sich die Menschen mit "Landflucht" (Urbanisierung). Worauf ich anspielen will, sind die letzten 20 Jahre in Berlin. Wir haben da Subjekte (Menschen) die von der entstehenden Ghetto-Kultur profitiert haben und Subjekte die nicht davon Profitiert haben. Oma Klein lebt schon über 50 Jahre in Prenzlauer Berg, ihr Enkel sein ganzes Leben. Sie hat sich sehr engagiert, hat die Hundescheisse immer vor der Tür weggemacht und den zertretenden, matschigen Rasenstück an der Strasse liebevoll bepflanzt. Ihr Enkel sprühte schon oft coole Bilder an die Häuserwände in der Nachbarschaft. Der Lohn für die beiden: Oma Kleins Anpflanzung wurde zertrampelt, ein Hund hat draufgekackt und Ihr Enkel muss eine Geldstrafe wegen Sachbeschädigung bezahlen. Beide profitieren nicht von der Kultur die sie in einer heruntergekommenen Gegend geschaffen haben. Dem entgegen stehen Besetzer-Flake und und Tante Tacheles. Besetzer-Flake hat vor 19 Jahren ein Haus besetzt, in dem verkehrte übrigens auch Oma Kleins Enkel. Flake machte gern Musik und gründete dann eine Band, die bei dem Eröffnungsfeuerwerk der O2-Arena gespielt wurde. Die Band spielte im Prenzlauer Berg, aber da dort kein Geld zu machen war, zog Flake mit seinen Kollegen in die weite Welt um dort zu speilen. Er profitierte von der Ghetto-Kultur. Till, sein Kollege, kaufte sich erstmal ein Haus auf dem Land, flüchtete aus der Stadt. Tante Tacheles tat es ihm gleich. Sie machte erst kostenlos Kunst und verkaufte dann später die Bilder die sie malte an die enstande lokale Kunstszene. Das lief richtig gut und so zog Tante Tacheles in die Randbezirke (der Speckgürtel Berlins) und hat dort jetzt eine Eigentumswohnung im Grünen. Zur Arbeit fährt sie aber weiterhin in die ehemalige heruntergekomme Gegend (Mitte).

Genau hier haben Wir eine radikale Frage: Warum ist die eine Arbeit mehr Wert als die andere. Das kann ich beantworten, tu ich aber nicht - Denn mich interessiert nur, wie alle Menschen vernünftig leben können. Und das geht sicher nicht am Existenzminimum oder mit der Gefahr zwangsweise aus der Wohnung geschmissen zu werden. Und wieder zeigt sich, dass Gentrification nicht die Wurzel des Übels ist. Es ist sogar gut, dass unterschiedliche Bevölkerungsschichten zueinander finden und miteinander kommunizieren, sich austauschen. Wer nicht aus dem subkulturellen Bezirk wegen dem Materiellen geflohen ist, der blieb zurück. Die zurückgebliebenen Menschen waren nicht nur liebe Omis, sondern auch fiese Punks - Kulturbanausen, Menschen die keinen Schulabschluss haben, die sich nicht oder lieber mit Gewalt ausdrücken können, rauschgiftabhängige Menschen. Eine zweite Aufwertung dieser Stadtgebiete ist also notwendig. Hier muss radikale Politik ansetzen: Bildung für alle, Drogen legalisieren, kostenlose Workshops (z.B. Sport, Sprayen) anbieten.

Dass Menschen geldarme Menschen in den Aussenbezirken wohnen müssen, stimmt erstens nicht - der äussere Rand Berlins und die Brandenburgischen angrenzenden Gebiete sind beliebt bei der "Mittelschicht", die geldarmen Menschen müssen in die typischen ArbeiterInnenbezirke (Wedding, Neukölln, Marzahn, Spandau) ziehen - und zweitens, was ist, abgesehen vom Zwang, so schlimm daran? In Marzahn lassen sich ebenso Projekte starten. Hat eine "pseudoradikale Linke" etwa Angst vor Bewegung? Wann wird der erste Plattenbau in Marzahn besetzt? Wann gibt es "Volksküche" in Spandau? In Italien, beispielsweise in Neapel, besetzen ArbeiterInnen schon lange Plattenbauten - Na gut, bei der Volksküche macht da eher die Kirche was.

Dann ist da noch der im Radiobeitrag erwähnte "Heuschrecken-Diskurs". Es ist auffällig, dass neben der Gentrification-Kritik oft Fremdenfeindlichkeit mitläuft. "Die Schwaben" oder "die Studenten" höre ich oft. Auch "Bonzen" sind Feindbilder dieser Menschen. (Ich habe mich auch schon mal dabei erwischt einen anzugtragenden Menschen wegen seiner Kleidung nicht zu mögen.) Aber ist das echt radikal und antirassistisch? In einen Forum, in dem sich die Menschen als "Anti-Deutsche" bezeichnen, las ich etwas von "Vergleiche wie bei den Nazis". Das ist ganz sicher übertrieben und verkürzt, jedoch muss ich erwähnen, dass sich schon Josepf Goebbels mit Gentrification beschäftigte und die Gefahr besteht, dass Menschen wieder an pseudoradikalen Thesen der braunen Coleur glauben. Dem muss entgegengewirkt werden und ich würde mich zum Beispiel über einen Vortrag von Andrej Holm und anti-rassistische Strategien zu dieser Thematik freuen. In den Szenen sollte eh viel mehr über Gentrification kommuniziert werden.

Korrektur Bialke

Blub 31.01.2009 - 13:44
Das mit der angeblichen Fremdenfeindlichkeit ist ein Klischeebild von konservatoven Medien. Wenn die schnoddrige Berliner Schnauze gegen "Schwaben" lästert, sind damit bestimmte Prototypen von geheobene Mitteleklasse-Provinzler gemeint, die Berlin mit Gewalt in ein schwäbisches Dorf verwandeln wollen. Unglücklich gewähltes Wort, von den Angesprochenen Yuppies vor allem dazu gut, auf die Vorwürfe nicht einzugehen, sondern sich als Opfer darzustellen.

Mannheim-Jungbusch

Roland Ionas Bialke 31.01.2009 - 17:03
Ein weiteres Beispiel für Aufwertung und die damit verbundene Aufwertung ist Mannheim-Jungbusch. Dort eröffnete u.a. ein ziemlich cooles Projekt, die Popakademie, und verdrängte dort ebenso geldärmere Bevölkerungsschichten. Irgendwo hörte ich was von preiswerten oder kostenlosen Bandproberäumen in besetzten Häusern. In der "Popakademie" sind die Bandproberäume und Aufnahmestudios nur für eine geldreiche Elite. Dieser Unterschied kann auch im Bezug auf Gentrification thematisiert werden. (Wurde es auch!) Ein Problem ist jedoch, dass sich Menschen für Geld aktivieren lassen - Im Gegensatz dazu sind viele alternative/besetze Projekte fast Menschenleer.

Informationen zu Mannheim -  http://www.lfodemon.com/hausbesetzung/index.htm

KEG

deconstruction 01.02.2009 - 03:35
die KEG, Konversions-Grundstueksentwicklungsgesellschaft mbh in Frankfurt/m, uhlandstr.11,

tel. 069-405873-12


ist eine der gesellschaften, die im ganzen bundesgebiet ehem. militaergelaende in

hausbauprojekte verwandelt.die KEG hat mehrere untergesellschaften die ua in potsdam und

frankfurt/m taetig sind.die neubaurichtlinien werden ua vom BKA mitentwickelt,dh nach

aufstandbekaempfungsrichtlinien.was ua heisst leichte zugaenglichkeit und kontrollierbarkeit

der neuen wohnviertel.

Aktion gegen "Car-Lofts"in X-Berg

xxx 01.02.2009 - 18:57
Unbekannte beschädigten Fensterscheiben

Unbekannte Täter haben Fensterscheiben eines Wohnhauses in Kreuzberg beschädigt. Eine Polizeistreife bemerkte heute Vormittag gegen 9 Uhr insgesamt mehrere gesprungene, aber nicht zerstörte Scheiben an dem Gebäude in der Liegnitzer Straße. Ersten Ermittlungen zufolge soll das Haus bereits in der Nacht zum Sonnabend Ziel eines Angriffes mit Farbkugeln gewesen sein. Hinweise auf die Täter gibt es derzeit nicht. Da ein politischer Hintergrund für die Tat jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, hat der Polizeiliche Staatsschutz in beiden Fällen die Ermittlungen übernommen.
 http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/119522/index.html

Luxus-Auto-Lofts in Kreuzberg
 http://de.indymedia.org/2008/09/227175.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

is doch klar.. — hehe

Titel der Ergänzung — Dein Name

Fakt... — vxe

@ --- 31.01.2009 - 14:29 — Roland Ionas Bialke

widerspruch — hui

Also... — karl

@karl — wba