Universitätsbesetzungen in Großbritannien

Vicky Thompson 28.01.2009 14:42

In Großbritannien protestieren Studierende gegen Israels Kriegsverbrechen an den PalästinenserInnen mit Universitätsbesetzungen. Ein Gespräch mit Vicky Thompson, Vicky Thompson ist Studentin der Religionswissenschaft an der Universität Manchester und Unterstützerin der Gruppe Permanent Revolution.

In Großbritannien haben jetzt Studierende aus Protest gegen den Krieg in Gaza zahlreiche Universitäten besetzt. Wie ist es dazu gekommen?

Die erste Aktion gab es in der SOAS, der Schule für Orientalische und Afrikanische Studien an der Universität London. Die Studierenden besetzten dort eine Ausstellung des Verteidigungsministeriums und forderten die Hochschulleitung auf, den israelischen Angriff auf Gaza zu verurteilen. Zwei Tage später geschah das auch, und zusätzlich bekam das Militär für die nächsten fünf Jahre verboten, das Uni-Gelände zu nutzen.

Der Erfolg der SOAS-Besetzung hat weitere Besetzungen im ganzen Land angespornt. Als nächstes wurde die London School of Economics (LSE) besetzt; die Studenten harrten dort sieben Tage aus, bis ihre Forderungen erfüllt wurden. Bis heute wurden mindestens 16 Universitäten in ganz Großbritannien besetzt. Es dauerte ein paar Tage, bis die Protestwelle auch den Norden Englands erreichte, aber am Ende kam sie auch dort an.

Was war der Auslöser für diese Proteste?

Viele Studenten waren wütend über die Massaker der Israelis in Gaza; darüber hinaus waren sie aufgebracht über die vielen Lügen in den Massenmedien und die Weigerung ihrer Universitätsleitungen, zum Krieg Stellung zu beziehen – geschweige denn ihre Investitionen in Israel bzw. in der Rüstungsindustrie zurückzuziehen. Für viele von uns wird ein Teil von den 3000 Pfund, die wir jedes Jahr als Studiengebühren zahlen müssen, für israelische Mordwaffen verwendet. Das macht uns krank.

Als Studierende fühlen wir uns schon lange machtlos. Wenn auch nur für kurze Zeit – wir Studierenden haben die Macht an den Universitäten in die eigenen Hände genommen. Das sind die ersten Besetzungen, an der meine Generation teilnehmen konnte. Es war eine aufregende Erfahrung.

Welche Forderungen wurden erhoben?

Die meisten Forderungen drehen sich darum, Investitionen in Israel rückgängig zu machen und palästinensische Studierende finanziell zu unterstützen. An manchen Universitäten wurde auch zum Boykott Israels aufgerufen. In Leeds forderten die BesetzerInnen gar die Ausweisung des Botschafters und das Ende jeder britischen Unterstützung für Israel. Sie haben unsere volle Unterstützung: Selbst wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, machen sie der Öffentlichkeit die Lage in Gaza und die Komplizenschaft vieler Universitäten beim Massaker bewußt.

Sie erwähnten die Erfolge bei der SOAS und der LSE. Ging es anderswo auch so reibungslos?

In Oxford war die Besetzung nach zwölf Stunden beendet, weil die Forderungen umgehend erfüllt wurden. Es dauerte zwei Tage, bis die Besetzung in Essex zum Sieg führte. An der Stadtuniversität von Manchester hatten wir schon nach 27 Stunden einen Teilerfolg. Viele Besetzungen gehen mittlerweile in die zweite Woche. Reibungslos war es aber nicht überall: In Birmingham wurde die Universität schon am ersten Tag von der Polizei geräumt. Die Ergebnisse sind also sehr unterschiedlich.

Sie haben an der Besetzung in Manchester teilgenommen. Wie war Ihre Erfahrung?

Ich studiere zwar an der anderen Universität der Stadt, bin aber mit zahlreichen KommilitonInnen aus Solidarität zur Stadtuniversität gegangen. Wir liefen zuerst die Oxford Road entlang – mit Sprechchören, Transparenten und Plakaten. Dann drangen wir in einen Hörsaal ein und besetzten anschließend das Geoffrey-Manton-Gebäude.

Das war eine spontane Entscheidung, wir hatten daher keinerlei Vorbereitungen getroffen. Erst am nächsten Morgen bekamen wir etwas zu essen und zu trinken, über Nacht knurrten uns die Mägen. Wir froren auch jämmerlich, da wir keine Schlafsäcke hatten. Das war bestimmt nicht die beste Nacht in meinem Leben. Es gab auch Ärger mit privaten Wachleuten – eine Frau wurde von ihnen verletzt. Insgesamt war es ziemlich schwierig.

Bekannte GewerkschafterInnen von UNISON und UCU verteidigten unser Recht auf Essen und Getränke, und sie setzten sich für uns bei der Unileitung ein. Am zweiten Tag waren wir erschöpft und auch weniger geworden (denn viele von uns hatten Prüfungen). Immerhin konnten wir einige Forderungen durchsetzen: Die Uni-Leitung verurteilte in einer öffentlichen Erklärung den israelischen Überfall auf Gaza, außerdem soll Tom Hurndall, ein von der israelischen Armee ermordeter Student der Stadtuniversität, ein Denkmal bekommen. Das sind zwar keine großen Erfolge – aber es ist ein guter Anfang.

Werden die Besetzungen weitergehen?

Ja, wir machen weiter. Ich weiß natürlich nicht, ob es neue Besetzungen geben wird, aber ich vermute, daß wir in Manchester einen neuen Anlauf starten. Es muß auch nicht immer eine Besetzung sein – es gibt viele andere Möglichkeiten für unseren Protest. Das Wichtigste ist jetzt die praktische Solidarität mit den Palästinensern – wir sammeln also Geld und Medikamente für die Hilfskonvois.

Unser Ziel muss sein, diese Besetzungen auszuweiten, nicht nur auf weitere Universitäten sondern auch auf Fabriken. Zum Beispiel, wenn ArbeiterInnen in der Rüstungs- oder Transportindustrie gegen das israelische Massaker streiken würden, könnten wir viel weitgehendere Forderungen erheben. Wir mussten uns nicht auf die öffentliche Verurteilung des Krieges beschränken sondern könnten den ganzen Militärapparat zum Stillstand bringen.

Interview/Übersetzung: Wladek Flakin, von der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION

Eine kürzere Version des Interviews erschien in der jungen Welt vom 28. Januar

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Ergänzungen

Und wieder...

vxe 28.01.2009 - 15:03
Und wieder ein Text der sich in unsäglicher Einseitigkiet mit dem hema befasst und nicht wenigstens versucht den Konflikt in seiner ganzen Breite darzustellen. Ist eigentlich nur mir aufgefallen das in dem ganzen Text nicht ein einziges Mal das Wort "Hamas" gefallen ist? Oder Selbstmordatentat? Oder Kassamreketen?

Der Frieden für Israelis scheint den tollen Friedensschützern da oben keinen Pfifferling wert zu sein, zum kotzen! Aber was erwartet man auch von Steinzeitkommies ala "Revolution".

Beindruckender Protest

gegen Israel 28.01.2009 - 15:04
Es ist schon interessant: sobald es gegen Israel geht, gibts nicht nur richtig viel Protest, sondern der Protest scheint dann auch seine "Ziele" zu erreichen. Sobald Israel (oder die USA unter Bush) an irgendwelchen Geschichten nicht beteiligt ist - Fehlanzeige.

Hunderte staatliche Morde im Iran, darunter viele an bekennenden oder angeblichen Homosexuellen? Mir ist nicht bekannt, daß Unis in London besetzt wurden, um gegen das iranische Regime zu protestieren. Tausende Tote an Europas Aussengrenzen als direkte Folge der Europäischen Ausbeutungs- und Abschottungspolitik? Da kräht auch an Londoner Unis kein Hahn danach.

Also, liebe Besetzer_innen: wenn ihr aus den besetzen Unis rausfliegt, wäre der Sache der emanzipatorischen Veränderung der Welt durchaus ein bisschen geholfen.

Inside Hamas

hui buhh 30.01.2009 - 17:55
ja das video hab ich mir ebenfalls gestern abend reingezogen, sehr schön darauf zu sehen sind zum einen der weg der hamas von der option, zu einer art regierung und die damit vebundenen probleme. und das nicht unter kontrolle haben der eigenen "Hamas-Polizei" sowie der Konflikt zwischen Fatah und Hamas, sowie die Entwicklung weiterer sich als ungebunden gebende "Splittergruppen".

Hier der Link zum Video:
 http://video.google.com/videoplay?docid=-1127653652241016730&hl=en

Interessant finde ich auch hier am ende die aussage eines Hamas-Obercheckers, hatte ungefähr den Tenor das "jede Guppe ihren eigenen Weg hat wie sie mit der Besetzung umgeht" und damit die Nichtverurteilung der Raketen auf israelische Gebiete.
Das zeigt wie sehr auch dort die "Gewaltfrage" eine essentielle Rolle spielt und zu solchen verklausulierungen führt. Ich stelle mir mal eben vor das es eine Gewaltdistanzierung aus diesem Mund gibt, uiuiui was da bei den "untergebenen Gruppen" los wäre, dat würde ganz schön rumoren und das wird wahrscheinlich auch der Grund sein für diese "Nichtaussage".

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 10 Kommentare an

Deutsche Reflexe — qwertz

Alles nur Hamas — gelogen

Differenzieren lieber Freund — kann ick nich

Wie völkisch... — Pfui...

pfui — ...

it isn`t so — bähhh

@bähhh — vxe