Knast für Gründung baskischer Partei

Ralf Streck 27.01.2009 13:45 Themen: Repression Weltweit
Gestern wurde im Baskenland eine neue Wahlplattform registriert. Weit mehr als die nötigen 18.000 Baskeinnen und Basken ( http://www.info-nordirland.de/euskalherria/eh_new_119_d.htm) hatten mit notariell beglaubigten Unterschriften "Demokrazia 3 Milioi" (D3M) unterstützt ( http://de.indymedia.org/2009/01/239185.shtml). Schon bevor "Demokratie für 3 Millionen" (Basken) für die Regionalwahlen im Autonomiegebiet innerhalb Spaniens am 1. März eingeschrieben wurde, ließ der spanische Ermittlungsrichter Baltasar Garzón am Freitag acht Führungspersonen von D3M verhaften und dutzende Wohnungen durchsuchen. Sie wurden nach der Vernehmung am Montag ebenfalls in Untersuchungshaft genommen. Angeblich sollen es ETA-Mitglieder sein, welche die Tätigkeit der 2003 verbotenen Partei Batasuna fortführen wolle ( http://de.indymedia.org/2003/03/44768.shtml), lautet die immer gleiche Begründung, mit er erst kürzlich zwei Parteien verboten wurden ( http://de.indymedia.org/2008/09/227886.shtml).
Garzón behauptet, D3M versuche, die Aktivitäten der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) fortzuführen, aber seine Vorwürfe gelten auch der Liste "Askatasuna" (Freiheit), die schon seit 1998 im Wahlregister steht und 2001 an den Regionalwahlen in Konkurrenz zur Koalition Euskal Herritarrok (unter Führung von Batasuna  http://de.indymedia.org/2003/06/53812.shtml) teilnahm und bisher unbehelligt blieb. Plötzlich soll es sich hierbei ebenfalls, so Garzón, um eine strategische "Reserve" von Batasuna handeln. Er folgt er seiner bisherigen Logik, mit schon hunderte baskische Wählerlisten und Parteien von den Wahlen ausgeschlossen wurden ( http://de.indymedia.org/2007/05/175419.shtml). Obwohl auch den acht Verhafteten bisher nie etwas vorgeworfen wurde, sollen sie nun plötzlich Mitglieder der Untergrundorganisation ETA sein. Da die Wahlplattformen ebenfalls für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland eintreten, "vervollständigen sie die Strategie der ETA", konstruiert Garzón.

Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba bläst ins gleiche Horn. Man habe die "Fortpflanzung" von Batasuna verhindert, erklärte er. Die Verhafteten stünden "im Dienst der ETA", behauptet er, ohne einen Beleg zu liefern. Letztlich soll verschleiert werden, dass allein politische Vorstellungen kriminalisiert werden, denn es wird nicht einmal versucht, eine Verbindung zur ETA zu beweisen. Die Katze beißt sich damit in den Schwanz, die Anschuldigungen sollen in den neuen Verbotsverfahren als "Beweise" benutzt werden. Tatsächlich ist klar, dass es ein Teil der baskischen Bevölkerung das Recht genommen wird, sich im Parlament vertreten zu lassen.

Bisher wurde schon vielen baskischen Linken das Recht zur Kandidatur auf Listen abgesprochen, weil sie schon einmal legal für eine Partei kandidiert hatten, die Jahre nach deren Auflösung rückwirkend für illegal erklärt wurden, obwohl den Betroffenen nie die zivilen Rechte abgesprochen wurden. In jeder formalen Demokratie hätten sie damit das Recht zu einer Kandidatur, wo auch immer sie wollen. Doch schon in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Wählerlisten und Parteien verboten, auf denen dann solche Personen aufgetaucht sind, obwohl sie nie einer Straftat beschuldigt wurden, geschweige denn die Mitgliedschaft oder die Unterstützung der ETA.

Im Fall vom Teilverbot der antifaschistischen Traditionspartei EAE-ANV gingen die spanischen Sozialisten (PSOE) aber noch einen Schritt weiter in einer völlig absurden Gesetzesinterpretation. Sie verboten, je nach Gutdünken, die Listen für die Kommumalwahlen in der einen Stadt, aber im Nachbarort nicht, weil sie angeblich von Batasuna unterwandert sei. Insgesamt wurden damit zu den Kommunalwahlen 2007 mehr als die Hälfte aller Listen einer legalen Partei verboten ( http://de.indymedia.org/2007/05/176713.shtml). Auch so eine Besonderheit der spanischen "Demokratie", wie rückwirkende Verbote. Schließlich wurde Ende 2008 EAE-ANV und auch die baskischen Kommunisten (EHAK) verboten ( http://de.indymedia.org/2008/09/227265.shtml). Doch nun geht man noch einen Schritt weiter und verbietet es gut 200.000 Menschen vollständig, auch nur eine Partei zu gründen. Schon der Versuch macht sie zu Mitgliedern der ETA.

Madrid versucht mit derlei präventiven Verboten auch vor der Tatsache Fakten zu schaffen, dass der Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg derzeit darüber debattiert, ob das Batasuna-Verbot, über ein extra dafür geschaffenes Gesetz, rechtmäßig war ( http://de.indymedia.org/2007/12/202645.shtml), das ja letztlich der Hintergrund aller folgenden Verbote ist. Im Schnellverfahren hatte es die rechtsradikale Volkspartei (PP) mit Hilfe der Sozialisten durch die Instanzen gepeitscht, um Batasuna zu verbieten ( http://de.indymedia.org/2003/03/44127.shtml). Eine Partei kann verboten werden, weil sie Anschläge nicht so verurteilt, wie es die Regierung fordert. Eine Verbindung zur ETA wurde nie bewiesen, denn dann hätte man die Partei auch nach dem alten Gesetz verbieten können.

Die Vereinte Linke (IU) und alle baskischen Parteien verurteilen die Repression offiziell, mit der 10 bis 20 Prozent der Basken erneut keine Wahloption erhalten sollen. Für den baskischen IU-Chef Javier Madrazo handelt sich um Wahlmanöver der PSOE. Die PSOE will erstmals auch den baskischen Regierungschef stellen und unter Ausschluss der baskischen Linken stärkste Partei werden: "Wenn sie dafür eine politische Kraft von der politischen Landkarte verschwinden lassen müssen, dann werden sie es tun", sagte Madradzo. Bis zu 14 Sitze der linken Unabhängigkeitsbewegung entfallen bei einem Verbot auf die anderen Parteien, weil die Wähler der linken Unabhängigkeitsbewegung keine anderen Parteien wählen, weil sie sich von denen nicht vertreten fühlen. Sie geben ihre Stimme lieber für eine verbotene Liste ab, womit die ungültig gewertet werden, wie sie schon oft gezeigt haben. Allerdings tun die übrigen baskischen Parteien und die IU praktisch nichts gegen die Verbote und versuchen sogar davon zu profitieren.

Sie schielen stets auf die Wählerschaft der linken Unabhängigkeitsbewegung und hoffen mit ihnen ihre Wahlergebnisse zu verbessern. So hatte die IU im Baskenland vor vier Jahren gehofft auf 5 Sitze im Parlament zu kommen. Doch letztlich konnte sie mit 5,4 % ihre drei Sitze knapp verteidigen. EHAK erhielt aus dem Stehgreif aber 12,5 %. Derzeit buhlt vor allem die sozialdemokratische Baskische Solidaritätspartei (EA) um die Stimme der baskischen Linken. Sie kandidiert nicht mehr gemeinsam mit der christdemokratischen PNV, sondern distanziert sich von ihr und tritt verbal stärker für die Unabhängigkeit des Baskenlandes ein.

© Ralf Streck, den 27.01.2009

Weitere Bilder:  http://euskalherria.indymedia.org/eu/2009/01/57182.shtml
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Ergänzungen

@filip

max 28.01.2009 - 12:06
eine halbwegs kontinuirliche Berichterstattung gibt es hier:
www.info-baskenland.de

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