Berlin: Keine Immunität für NS-Verbrechen

Elisabeth 25.01.2009 18:06 Themen: Antifa
Heute haben in Berlin 50 Leute symbolisch die Neue Wache in Berlin gepfändet, um damit ihren Protest gegen die Klage der BRD gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof zum Ausdruck zu bringen und sich für die Entschädigung aller NS-Opfer einzusetzen.
Beschlagnahmung der Neuen Wache in Berlin
Unterstützung von NS-Opfern in Italien und Griechenland in ihrem Recht auf Entschädigung

Am Sonntag, 25. Januar 2009, wurde der Gedenkort Neue Wache in Berlin symbolisch beschlagnahmt, um die Forderungen von NS-Opfern nach Entschädigung zu unterstützen. Bis heute weigert sich der deutsche Staat, die Opfer von SS-Massakern in Italien und Griechenland zu entschädigen. Gegen rechtskräftige Urteile italienischer und griechischer Gerichte, die zu Entschädigungszahlungen verpflichten, reichte die Bundesrepublik Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein, und beruft sich dabei auf die Staatenimmunität.

Bei Massakern von SS und Wehrmacht in Italien und Griechenland wurden im Jahre 1944 zehntausende Zivilisten ermordet oder zur Zwangsarbeit verschleppt. Stellvertretend für zahlreiche Massenverbrechen stehen die Namen der Orte des Grauens: Civitella, St. Anna und das griechische Distomo. Klagen der Opfer bzw. ihrer Nachkommen auf Entschädigung wurden vor deutschen Gerichten abgewiesen oder durch Verschleppungstaktik ignoriert. Doch die NS-Opfer geben nicht auf und klagen in ihren Ländern im Rahmen von Strafprozessen gegen einstige NS-Täter und in Zivilprozessen ihr Recht auf Entschädigungsansprüche ein. Die Gerichte in Italien und Griechenland urteilten mehrfach rechtskräftig, dass die Bundesrepublik Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet ist.

Im Juni 2008 sprach das höchste Zivilgericht Italiens, der Kassationshof, auf Grund des vorliegenden Tatbestands „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ den Opfern ihr Recht auf Entschädigung zu. Daraufhin reichte die Bundesrepublik Deutschlands im Dezember 2008 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen Italien ein und bezieht sich dabei auf die Staatenimmunität. Damit versucht die deutsche Regierung zu verhindern, dass NS-Opfer ihre vom italienischen Kassationshof zugesprochenen legitimen Ansprüche auf Entschädigung geltend machen können.

Immer schon haben deutsche Regierungen jenseits von Globalabkommen Ansprüche von NS-Opfern auf Entschädigungsleistungen blockiert. Deutschland kann sich nicht auf die Staatenimmunität berufen, da diese bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, um die es bei nationalsozialistischen Massenverbrechen durch Nazi-Deutschland geht, nicht besteht. Die deutsche Regierung bricht in aller Öffentlichkeit internationales Recht und stilisiert sich mit ihrer Klage zum Opfer.

Der Kassationshof in Rom machte mit seinem Urteil deutlich, dass auch für Deutschland internationales Recht bindend ist, welches seit den den Nürnberger Prozessen weltweit anerkannt ist. Den Opfern nationalsozialistischer Massenverbrechen stehen individuelle Entschädigungsansprüche zu und sie können diese in dem Land geltend machen, in welchem sie begangen wurden. Dieser Erkenntnis verweigert sich die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Klage in Den Haag.

Die Entscheidung des Kassationshofes betreffen zum einen Entschädigungsansprüche ehemaliger italienischer Zwangsarbeiter und so genannter Italienischer Militärinternierter (IMIs), zum anderen die Anerkennung des griechischen Urteils im Fall Distomo, welches Deutschland ebenfalls zur Entschädigung griechischer Überlebender des SS-Massakers verpflichtet, sowie die Entschädigung von Opfern eines Massakers in Italien.

Der deutschen Regierung geht es mit ihrer Klage auf die vermeintliche völkerrechtliche Immunität vor allem um schlichte Zahlungsverweigerung. Gleichzeitig ist Deutschland mit großen Worten von Menschenrechten weltweit an Konflikten militärisch beteiligt. Die Souveränität anderer Staaten wird dabei mal eben ignoriert. Völkerrecht gilt eben immer nur dann und so lange, wenn es eigenen Interessen dient.

In der Bundesrepublik waren Nazi-Täter weitgehend vor strafrechtlicher Verfolgung sicher. Bei den aktuellen in Italien und Griechenland verhandelten Massakern wurde keiner der Mörder jemals von deutschen Gerichten verurteilt.

Die Durchsetzung der legitimen Ansprüche der Überlebenden und ihrer Hinterbliebenen ist das zentrale Anliegen der heutigen Beschlagnahmung der Neuen Wache in Berlin.

Wir fordern:

Schluss mit der juristischen Verzögerungstaktik!
Keine Immunität für deutsche Kriegsverbrechen!
Verurteilung aller noch lebender NS-Kriegsverbrecher!

NS-Opfer entschädigen-jetzt!
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Ergänzungen

Video von der Aktion

Entschaedigung-Jetzt 25.01.2009 - 21:50
Soeben ist ein Video von der Aktion bei dailymotion.com erschienen:

 http://www.dailymotion.com/Entschaedigung-Jetzt/video/13687159

Richtiges Verhalten der Bundesrepublik

Zappa 25.01.2009 - 22:08
Das italienische Zivilgericht ist nicht die höchste Instanz internationaler Gerichtsbarkeit. Gerade bei Verfahren zwischen EU-Staaten gibt es andere Instanzen, die anzurufen sind. Und eine Verzögerungstaktik ist es nur auf den ersten Blick, erst überweisen und dann Rechtssicherheit erlangen geht nicht. Bestes Beispiel dafür sind die Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter. Eine Summe wird fest zugesagt, dies wird als Schuldeingeständnis gewertet, um dann anschließend nachzukobern. Hier hat die Bundesrepublik mittlerweile ein gesundes Mißtrauen entwickelt, was sich nun leider nachteilig für die Betroffenen auswirkt.

Presse

Info 26.01.2009 - 10:34
Symbolische Besetzung
Berlin. Die sofortige Entschädigung für NS-Opfer haben Antifaschisten am gestrigen Sonntag in Berlin gefordert. Zwei Tage, bevor der Bundestag in einer Feierstunde anläßlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gedenken wird, kritisierten die rund 20 Aktivisten vor der symbolisch besetzten Neuen Wache, daß die BRD bei praktischen Konsequenzen der NS-Bewältigung kneift. In Flugblättern wiesen sie darauf hin, daß mehrere Gruppen von Naziopfern bis heute keinerlei Entschädigung erhalten haben, darunter ehemalige italienische »Militärinternierte« und Opfer deutscher Massaker in Griechenland und Italien. Ausdrücklich begrüßten sie, daß italienische Gerichte die BRD in mehreren Verfahren zu Entschädigungszahlungen verurteilt und eine in deutschem Staatsbesitz befindliche Villa am Comer See mit einer Zwangshypothek belegt haben.

Statt die rechtskräftigen Schadenersatzansprüche anzuerkennen, klagt die Bundesrepublik nunmehr gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Die Bundesregierung behauptet, sie könne nach internationalem Gewohnheitsrecht nicht vor dem Gericht eines anderen Staates verklagt werden – dieser Immunitätsschutz diene dazu, den Frieden zu erhalten. Die Anwälte der Kläger sehen darin einen zynischen Versuch, die Geschädigten als Friedensstörer zu diskriminieren. Außerdem bestehe zwischen EU-Staaten keinerlei Kriegsgefahr, die eine solche Begründung rechtfertigen würde. (fb)

über Konsequenzen nachgedacht?

redundant 26.01.2009 - 11:20
Da habt ihr euch wieder was gedacht... bzw. nichts^^

Habt ihr schonmal ernsthaft drüber nachgedacht, was für Folgen für das internationale System es haben würde, wenn souveräne Staaten einfach anfangen, andere souveräne Staaten zu verklagen? Es würde das internationale System der Staatensouveränität und damit der Demokratie völlig untergraben!
Entschädigungen für NS-Opfer sind auch historisch gesehen nicht korrekt, da nicht der heutige Bürger für die Verbrechen von damals verantwortlich ist, also warum ihn dafür bezahlen lassen, was die Nazis angestellt haben? Nazimörder einbuchten ganz klar, aber Finanzhilfen machen niemanden mehr lebendig und kosten Unmengen an Geld, die zur Zeit nur über die Neuverschuldung aufgebracht werden können und daher die Zukunft dieses Landes massiv mitbestimmen!

Wir müssen uns zu unserer Vergangenheit bekennen, Neonazis offensiv in den Weg stellen, aber sich mit den Geldansprüchen irgendwelcher Hinterbliebener von damals zu solidarisieren bringt vielleicht das Gewissen auf den ersten Blick in Ordnung, auf den zweiten Blick aber ist das unhaltbar.

Also bitte, wie so oft, reflektierend nachdenken bevor man wieder irgendwo ne Aktion startet, damit dieses Aktionen nicht nur schlicht dem Selbstzweck dienen sondern auch wirklich ne Wirkung auf Bevölkerung haben, damit man etwas erreicht. Alles andere ist nämlich ein äußerst seltsames Verständnis von Politik.

Stay antifascist.

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Warum — Anonymous

Völlig Richtig — Ann Tifa