Kapitalismus am Abgrund

Tomasz Konicz 25.01.2009 10:06 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Angesichts der im atemlosen Tempo voranschreitenden Implosion des in den letzten drei Dekaden errichteten, internationalen Finanzsystems ist allenthalben eine hektische Suche nach den Ursachen dieses Zusammenbruchs ausgebrochen, die oftmals in der mit neoliberaler Deregulierung und Liberalisierung einhergehenden Expansion der Finanzmärkte verortet werden.
Der vorliegende Text sieht hingegen bereits die Genese des Neoliberalismus – mitsamt der von den Finanzmärkten dominierten Ökonomie – als die Folge einer fundamentalen Krise des Kapitalreproduktion in der realen, warenproduzierenden Wirtschaft.

Dies ist eine Zusammenfassung der "Kleinen Geschichte der Weltwirtschaftskrise", publiziert bei "Telepolis":
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29184/1.html
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29235/1.html
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29356/1.html
Der Aufstieg des neoliberalen, durch die Dominanz der Finanzmärkte geprägten Weltwirtschaftssystems – dessen Finanzüberbau gerade über uns zusammenbricht – resultierte aus der tiefgreifenden ökonomischen Krise der frühen 70er Jahre, die nahezu alle westlichen Industrie­länder erfaßt hatte. Diese Krise beendete eine seit den frühen Fünfzigern anhaltende Periode wirtschaftlicher Prosperität. Die führenden westlichen Wirtschaftsnationen verbuchten zwischen 1950 und 1970 ein rasantes ökonomisches Wachstum, das wesentlich zur Vollbeschäftigung, ja zum Arbeitskräftemangel in etlichen Industrieländern beitrug.

Dieses »Goldene Zeitalter« (Hobsbawm) des Kapitalismus fußte auf einer »inneren Kapitalexpansion« in den avancierten kapitalistischen Ökonomien, innerhalb derer zuvor ausgeklammerte Gesellschafts- und Lebensbereiche für die Kapitalverwertung erschlossen wurden. Durch die stürmisch voranschreitende wissenschaftlich-technische Entwicklung der Produktionsmittel boomten zwischen 1950 und 1970 beispielsweise die Haushaltsgeräteindustrie, die Nahrungsmittelkonzerne, die Unterhaltungselektronik und der zivile Flugzeugbau. Zudem erlebten die ersten Einzelhandelskonzerne und der Massentourismus ihren wirtschaftlichen Durchbruch. Neue Werkstoffe wie Kunstfasern oder Plastik führten zu einer weiteren Umwälzung bereits etablierter Industriezweige.

Im Zentrum dieses langanhaltenden, stürmischen Wachstums stand die Massenmotorisierung. Von der Autobranche ging der größte Impuls für die Massenbeschäftigung bis in die 70er aus. Das vorherrschende Produktionsprinzip bei den Fahrzeugherstellern wie auch in vielen anderen Gewerbezweigen war der Fordismus: Mittels Fließbandproduktion und unter intensivem Einsatz von Arbeitskraft und Maschinen wurden Massengüter hergestellt, die – dank relativ hoher Löhne – in ihren Produzenten zugleich ihre Konsumenten fanden. Begleitet wurde diese Expansionsbewegung des Industriekapitals auf den sich neu formierenden Märkten von der – zur Zeit eine scheinbare Renaissance feiernden – keynesianistischen Wirtschaftspolitik. Im Kern handelte es sich hierbei um einen nachfrageorientierten Politikansatz, der dafür Sorge zu tragen hatte, daß die massenhaft hergestellten Güter auch auf eine massenhafte kaufkräftige (staatliche wie private) Nachfrage trafen.

Tendenzieller Fall der Profitrate

Für die nahezu alle westlichen Industrieländer spätestens seit 1973 erfassenden wirtschaftlichen Verwerfungen etablierte sich der Begriff der Stagflation – einer überhandnehmenden Inflation, die mit einer stagnierenden Ökonomie einherging. Die besagte Phase der »inneren Expansion« war ab den 70er Jahren abgeschlossen, so daß sich das rasante Wirtschaftswachstum des »Goldenen Zeitalters« angesichts erschlossener Märkte erschöpfte. Zudem erwies sich der immer enger mit der Industrie verzahnte wissenschaftlich-technische Fortschritt der Produktionsmittel als ein zweischneidiges Schwert: Konnten Produktivitätssteigerungen und neue Technologien bis in die 70er Jahre zur Erschließung neuartiger Märkte beitragen und immer mehr Arbeitsplätze schaffen, als durch Rationalisierungen in älteren Industrien wegfielen, so kippte diese Entwicklung ab 1973.

Ab diesen Zeitpunkt – dem letzten Jahr mit Vollbeschäftigung innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – kehrte die seit Jahrzehnten nicht mehr in den Industrieländern gekannte Massenarbeitslosigkeit zurück. Die immer schneller um sich greifende Rationalisierung und Automatisierung führte dazu, daß immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt werden konnten. Neue Industriezweige wie die Mikroelektronik und die Informationstechnik beschleunigten diese Tendenz in den kommenden Dekaden noch weiter, da die neuen Technologien weitaus weniger Arbeitsplätze schufen, als durch deren gesamtwirtschaftliche Anwendung wegrationalisiert wurden.

Dieser qualitative Sprung innerhalb der Verbindung von Produktivkraftentwicklung und Massenbeschäftigung – die ab den 70er Jahren beständig erodierende Verausgabung »abstrakter Arbeit« (Marx) innerhalb der industriellen Kapitalverwertung – ließ die der kapitalistischen Wirtschaftsweise immanenten Widersprüche voll aufbrechen. Der Neoliberalismus trat ab den 80er Jahren gerade mit dem Anspruch an, diese Krisentendenzen zu »überwinden«. Zentral war hierbei der tendenzielle Fall der Profitrate, der sich vollends durchsetzte, als die besagte Phase stürmischer Marktexpansion abgeschlossen war und sich die kapitalistische Konkurrenz auf den gesättigten neuen Märkten auswirkte (siehe Grafik). Wie von Marx im »Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate« (MEW 25, S. 221ff.) dargelegt, läßt die beständige Produktivitätssteigerung durch den Einsatz neuartiger Produktionsmittel (Automatisierung) den Anteil des konstanten Kapitals (Maschinerie) im Verwertungsprozeß steigen und den des variablen Kapitals (Arbeitskraft) sinken. Ein Unternehmen, das durch die Einführung neuer Produktionstechniken mehr Waren in kürzerer Zeit mit weniger Arbeitskräften herstellen kann, erwirtschaftet Extraprofite, da es für seine Produktion weniger als die durchschnittliche gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit aufwenden muß, die ja die tatsächliche Wertgröße einer Ware bestimmt (siehe MEW 23, S. 49ff.). Sobald aber der Einsatz der neuartigen Produktionsmittel sich gesamtwirtschaftlich durchgesetzt hat, sinkt die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die zur Herstellung der betreffenden Ware aufgewendet werden muß. Die Extraprofite unseres »innovativen« Unternehmens schmelzen also mit der Zeit dahin.

Da im Produktionsprozeß verausgabte Lohnarbeit (variables Kapital) die Quelle des Mehrwerts bildet, geht diese »Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals« (Marx) bei gleichbleibenden Aufwendungen für das besagte variable Kapital mit einem Fall der Profitrate einher. Der (nun geschrumpfte) Anteil des variablen Kapitals innerhalb des Produktionsprozesses teilt sich bekanntlich in notwendige Arbeitszeit (Lohn) und Mehrarbeit (Mehrwert) auf – die Relation zwischen diesen beiden Elementen des variablen Kapitals konstituiert die Mehrwertrate.

Kapital wandert in Finanzmärkte

Hier setzten die neoliberalen »Reformen« der »Reaganomics« von US-Präsident (1981–1988) Ronald Reagan und des »Thatcherism« der englischen Regierungschefin (1979–1990) Margaret Thatcher an. Sie zielten darauf ab, die sinkende Profitrate durch die Erhöhung der Mehrwertrate zu sanieren. Durch das Absenken der Kosten für die »Ware Arbeitskraft« konnte der Anteil der notwendigen Arbeitszeit am variablen Kapital verkürzt, derjenige der Mehrarbeit verlängert werden. Die Profitraten in den USA konnten sich tatsächlich merklich erholen, wobei dies auf Kosten der amerikanischen Arbeiterklasse geschah. So stagnieren seit der Reagan-Ära die realen, inflationsbereinigten Löhne der US-Bevölkerung. Heute verdienen sie faktisch weniger als 1973.

In dieser objektiv gegebenen Krise des Verwertungsprozesses des Kapitals in den 70er Jahren findet sich auch die Ursache für die überhandnehmende Inflation jener Zeit: Konfrontiert mit weiterhin erhobenen Gewerkschaftsforderungen nach substantiellen Lohnerhöhungen, gingen die Unternehmen dazu über, die Mehrausgaben für die Gehälter auf die Preise ihrer Waren draufzuschlagen. Eine Art lohnpolitischer, die Inflation antreibender Wettlauf setzte ein, in dem Gewerkschaften ihre Lohnforderungen an die immer schneller galoppierende Inflation anzupassen trachteten. Erst die neoliberalen Regierungen brachen den Gewerkschaften im angelsächsischen Raum das Rückgrat und setzten fortan auf den Monetarismus.

In unserem Zusammenhang sind vor allem die Folgen dieser mit Lohndumping, Sozialabbau und Outsourcing einhergehenden neoliberalen Politik von Relevanz. Die von den Neoliberalen eingeleiteten Reformen brachten bald die ihnen immanenten, unüberwindlichen Widersprüche zum Vorschein. Die stagnierenden Löhne, die Steuergeschenke an Wohlhabende und der Sozialabbau ließen tatsächlich bald die Profite und die Vermögen kräftig wachsen, doch zugleich sank die Massennachfrage. Zu den Warenbergen, die keine Käufer fanden, gesellten sich Berge von Kapital, das kaum in der weiteren Warenproduktion profitable Investitionsmöglichkeiten finden konnte. Es drohten somit klassische Überproduktions- und Überakkumulationskrisen. Abhilfe schuf hier der seit den 80er Jahren immer weiter expandierende und fortwährend deregulierte Finanzsektor, der zu einer regelrechten finanziellen Explosion ansetzte, für die sich schnell im angelsächsischen Raum der Begriff »Financialisation of capitalism«, Finanzialisierung des Kapitalismus, etablierte.

Auf scheinbar magische Weise löst die Finanzialisierung dieses spätkapitalistische Dilemma. Die wild wuchernden Finanzmärkte nehmen das überschüssige Kapital auf, die während der Boomphasen diverser Spekulationsblasen generierten Gewinne sorgen hingegen für kaufkräftige – aber auch fiktive, kreditfinanzierte – Nachfrage, die stimulierend auf die Warenproduktion wirkt. Es sind also gerade die im spekulativen Fieber verfangenen Finanzmärkte, die der schwindsüchtigen realen Wirtschaft vermittels Nachfrage auf die Sprünge helfen. Dies ist auch das »Geheimnis« der anscheinend so stürmisch wachsenden US-Konjunktur in den 90ern: Die anhaltende Hightech-Spekulation ermöglichte den langen Aufschwung in der Regierungszeit von William Clinton (1993–2001). Die Vorstellung von einem zersetzenden Finanzkapital, das das kerngesunde produzierende Gewerbe mit in den Abgrund der Rezession reißt, stellt somit die Realität geradezu auf den Kopf.

Schwarzes Loch USA

Anhand der letzten Immobilienspekulationen können wir diesen Effekt im Rahmen einer regelrechten »Blasenökonomie« besonders gut studieren. Nach dem US-amerikanischen Ökonomieprofessor Rick Wolff können zwei Drittel des US-Aufschwungs der letzten fünf Jahre auf den wild wuchernden Immobiliensektor der USA zurückgeführt werden, sogar drei Viertel aller neugeschaffenen Arbeitsplätze in diesem Zeitraum sind aufgrund der Immobilienblase entstanden! Der Soziologe John Bellamy Foster faßte diesen Prozeß folgendermaßen zusammen: »Die Wahrheit ist, daß das avancierte kapitalistische System von dem Prozeß der Finanzialisierung (dem Anwachsen der finanziellen Struktur in Relation zur ›realen Ökonomie‹) abhängig war, der sich als das wichtigste Mittel erwiesen hat, die Stagnation in der Produktion und der Investitionstätigkeit in den vergangenen Dekaden zu bekämpfen – beginnend in den 60er Jahren, aber beschleunigend in den 80ern und nochmals zusätzliche Fahrt aufnehmend in den 90ern. Das war es, was vorwiegend das ökonomische Wachstum in den Vereinigten Staaten und anderswo im Zentrum des Systems anspornte – unter Berücksichtigung der Stagnation bei den Investitionen in neue Produktionskapazitäten (die wegen existierender Überkapazitäten niedrig blieben).«

Diese Finanzialisierung erreichte globale Dimensionen, indem sich mit der Zeit Defizitkreisläufe mit den USA als deren Mittelpunkt ausbildeten, die bis heute als eine Art globaler Konjunkturmotor fungieren: Die exportorientierten Länder wie China, Japan oder Deutschland liefern ihre Waren in die USA und investieren das Geld dort sogleich wieder – vornehmlich in deren Finanzsektor. Somit fließen in dem größten pazifischen Defizitkreislauf die chinesischen Waren in Richtung USA und auf dem Rückweg strömt ein geisterhafter Fluß von amerikanischen »Wertpapieren«, oder grün bedruckten Papierzetteln, die liebevoll »Greenback« genannt werden, in Richtung China zurück.

Die Vereinigten Staaten bildeten ein »schwarzes Loch der Weltkonjunktur«, in dem die Überschußproduktion der exportorientierten Volkswirtschaften verschwand. An die 20 Milliarden US-Dollar müssen monatlich in den Finanzsektor der USA fließen, um deren gigantische Defizite auffangen zu können. Das Handelsdefizit zwischen den USA und China betrug beispielsweise 2007 über 250 Milliarden US-Dollar. Die Chinesen leihen den USA somit das Geld, damit diese weiter ihre Produkte kaufen können. Es ist klar, daß die gute Konjunktur der letzten Jahre einfach auf Pump realisiert wurde, insbesondere durch die Verschuldung innerhalb der Vereinigten Staaten.

Inzwischen ist die Gesamtverschuldung der USA in wahnwitzige Dimensionen vorgerückt, die absolut keine Parallelen in der Geschichte dieser größten Volkswirtschaft der Welt aufweisen. Ende März 2008 standen die Vereinigten Staaten mit einer Summe, die 350 Prozent ihrer jährlichen Gesamtwirtschaftsleistung entspricht, in der Kreide! Man könnte dieses System auch als eine Art »privatisierter Keynesianismus« bezeichnen, in dem US-Bürger mit ihrem »deficit spending« (Defizitfinanzierung) die Konjunktur stützen. Dasselbe tut im Endeffekt der amerikanische Staat, dessen Verschuldung ebenfalls längst astronomische Höhen erreicht hat. Global ist dieses System deswegen, weil dieser schuldenfinanzierte Nachfrageboom im Zentrum der globalen Defizitkreisläufe steht, die auch die Volkswirtschaften in Südostasien und Europa über Wasser halten. Es ist dieses auf Pump betriebene weltwirtschaftliche Perpetuum mobile, das das Herzstück der globalen »Finanzblasenökonomie« bildete und nun im Zuge der Finanzkrise zum Stillstand kommt. Die Industrie des »Exportweltmeisters Deutschland« profitierte übrigens von der globalen Defizitkonjunktur im besonderen Maß. Die vermittels Hartz-IV-Gesetzen durchgesetzte Verelendung in der BRD dient der Zurichtung der deutschen Gesellschaft auf die Interessen des exportorientierten, »schaffenden« deutschen Kapitals, dessen Exportoffensive im Rahmen der globalen Defizitkreisläufe eine komplementäre Funktion zum steigenden Handelsdefizit der USA einnahm.

Lohnarbeit verflüchtigt sich

Der Zusammenbruch dieser nahezu drei Jahrzehnte andauernden Ära der Finanzialisierung des Kapitalismus läßt nun die der spätkapitalistischen Produktionsweise innewohnende Krisendynamik voll ausbrechen. Die zum Wesen des Kapitalismus zählende beständige Revolution der Produktivkräfte und die permanenten Produktivitätssteigerungen führen nun zu einer regelrechten »Krise der Arbeitsgesellschaft«, wie der linksliberale bürgerliche Ökonom Jeremy Rifkin konstatiert. Laut Rifkin gingen zwischen 1995 und 2002 über 31 Millionen Industriearbeitsplätze in den 20 größten Volkswirtschaften verloren, wobei jede Region der Welt einen Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Industrie verbuchte – und das in einem Zeitraum, in dem die globale Industrieproduktion um 30 Prozent anstieg. Ähnliche Entwicklungen prognostiziert Rifkin für den Dienstleistungssektor, in dem »intelligente Technologien« ebenfalls menschliche Arbeitskraft zusehends überflüssig werden lassen. Die bereits angedeutete, seit den 80er Jahren mit den Umwälzungen der Mikroelektronik und IT-Technik einhergehende »dritte industrielle Revolution« macht Lohnarbeit innerhalb des Reproduktionsprozesses des Kapitals in nie zuvor erlebtem Ausmaß überflüssig.

Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet der Fahrzeugbau sich im Zentrum der Wirtschaftskrise befindet. Dietmar H. Lamparter schrieb am 16.10.2008 in Die Zeit über die Auswirkungen erhöhter Produktivität auf die deutsche Autowirtschaft: »Die Crux an der Situation: Selbst wenn die deutschen Hersteller die Verkäufe ihrer Fahrzeuge konstant halten können, wächst mit jedem neuen Modell der Druck auf die Arbeitsplätze. Die Produktivität beim Wechsel von Golf V auf Golf VI sei in Wolfsburg um mehr als zehn Prozent und in Zwickau sogar um mehr als 15 Prozent gestiegen, verriet ein stolzer VW-Chef Winterkorn bei der Präsentation der Neuauflage des wichtigsten Konzernfahrzeugs. Das bedeutet, daß für die Montage der gleichen Zahl von Autos fünfzehn Prozent weniger Leute nötig sind. Wenn also vom Golf VI nicht entsprechend mehr abgesetzt wird, sind Jobs in Gefahr. Genauso läuft es bei neuen Modellen von BMW, Mercedes oder Opel. Teilweise werden dort Produktivitätssprünge von 20 Prozent erzielt.«

Die Lohnarbeit, letzten Endes die Substanz der Kapitalverwertung, »verflüchtigt« sich also aufgrund dieser ureigensten kapitalistischen Dynamik aus dem Akkumulationsprozeß. Der tendenzielle Fall der Profitrate – wie auch die damit einhergehende, von Rifkin konstatierte »Krise der Arbeitsgesellschaft« – scheinen auf eine innere Schranke des kapitalistischen Systems hinzuweisen. Obwohl Lohnarbeit seine Substanz bildet, ist das Kapital als »prozessierender Widerspruch« (Karl Marx) gesetzmäßig bestrebt, den Anteil der Lohnarbeit an seiner Reproduktion immer weiter zu senken. Die Finanzialisierung des Kapitalismus hat diese Krisentendenzen vermittels Defizitkonjunktur, Blasenbildung und Verschuldung für einige Dekaden absorbiert, doch nun brechen sie verstärkt hervor: »Die einzige wirkliche Barriere der kapitalistischen Produktion«, prognostizierte bereits Marx, »ist das Kapital selbst«. Wir befinden uns somit am Vorabend einer veritablen Systemkrise des kapitalistischen Weltsystems. Die sich im Schoße der kapitalistischen Produktionsweise beständig revolutionierenden Produktivkräfte geraten immer weiter in einen fundamentalen Widerspruch mit denselben kapitalistischen Produktionsverhältnissen, die inzwischnen als deren Fesseln fungieren.

Die Aufgabe der revolutionären, antikapitalistischen Linken besteht darin, das öffentliche Bewußtsein über diese höchst gefährliche Situation - die jederzeit in Barbarei umschlagen kann - zu verbreitern und postkapitalistische, jenseits der uferlosen, fetischisierten Kapitalreproduk­tion angesiedelte gesellschaftliche Alternativen zu diesem autodestruktiven, spätkapitalistischen System zu diskutieren und aufzuzeigen. Das Räsonieren über Konjunkturprogramme – die ohnehin nur die mit der Finanzialisierung untergegangene Defizitkonjunktur in staatlicher Regie bis zum Staatsbankrott fortführen werden – können wir getrost der CDU und SPD überlassen. Ein »Zurück« zum bereits in den 70ern in der Krise befindlichen Keynesianismus, zu massiven Konjunkturprogrammen, wird ebenso wirkungslos bleiben wie eine erneute Regulierung der Finanzmärkte. Genauso könnte man einen Krebskranken mit Hustenbonbons zu heilen versuchen.
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Ergänzungen

Bundesweite Demos am 28.3.

FF/M & Berlin 25.01.2009 - 10:22

Muss

Nixpeil 25.01.2009 - 16:50
Sachlich einwandfrei und hochinteressant! Ganz dickes Lob dafür!

Wenngleich der abschließend erwähnte Keynesianismus noch ein wenig mehr ausgeführt werden müsste, zumal er auch den wirtschaftspolitischen Rahmen der Partei DieLinke setzen soll.
Dabei gehts im Prinzip um antizyklische Fiskalpolitik im Gegensatz zum Monetarismus von Adam Smith der eine hohe Staatsquote grundsätzlich als schädlich erachtet.

In der der Theorie sinds bei Keyne dann 2 gegenläufige Sinuskurven, allerdings ist es tatsächlich so das der Staat auf Dauer die gesamte Wirtschaft übernimmt, ob er will oder nicht, so wie der Monetarismus auch automatisch zum Monopol hindrängt was dann allerdings privat ist.

Und bei aller liebe zu Marx: Ein funktionierendes Wirtschaftssystem das sich nicht auf Dauer totläuft hat auch er nicht entwickelt, da er den menschlichen Charakter zu wenig berücksichtigt hat. Man kriegt eben keine 7 Millarden Menschen davon überzeugt idealistisch und altruistisch zu denken und zu handeln, ich will mich da selbst nicht ausnehmen...

interessanter Link

Ich selber 25.01.2009 - 18:33
interessanter Beitrag: Geld als Ursache und die Abhilfe
 http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/

Alternativen zu diskutieren reicht nicht

XXX 25.01.2009 - 19:16
Der brillanten Analyse der Systemkrise ist nichts hinzuzufügen. Sie zeigt nochmal deutlich die Aktualität von Marx. Diskutabel ist allerdings ob ein wachstumsorientierter Sozialismus nicht auch irgendwann zwangsläufig an seine Grenzen kommt und ob das Streben nach Wachstum nicht das eigentliche Problem ist.
Leider ist der letzte Teil inhaltlich etwas dünn und wartet auf Ergänzung. Es ist doch nicht ausreichend Alternativen zu diskutieren und aufzuzeigen. Gerade weil die letzten Jahrzehnte diesbezüglich komplett desillusionierend waren und die Streitigkeiten mit fortlaufender Dauer eher größer als kleiner werden. Wir sind doch von einem schlüssigen Konzept, welches Mehrheiten hinter sich versammeln könnte meilenweit entfernt. Und was ist wenn die Barbarei ausbricht, wie der Autor es jederzeit für möglich hält? Nehmen wir dann eine Keule und machen mit? Sinniger wäre es doch, sich für diesen Fall zu positionieren und solidarische Netzwerke zu bilden.

expropriation der expropriateure

Spartakist 25.01.2009 - 21:19
der keynesianimus wurd von der dialektik hinweggefegt.der kapitalistische staat ist solange fordistisch ,neigt solange zum keynesianismus wie es die produktionsweise erlaubt ,wie die kapitalistische dynamik es zulässt.die angeblich sozialfordistischen *visionäre* der linkspartei waren in der tat zur servilität verdammte(und das nicht besonders unfreiwillig)architekten *neoliberaler* politik und steuergesetze und im wort fossile längst anachronistisch gewordene soziale alchimisten die die guten geister der klassenharmonie beschwören wollten.

ihre regierungsbeteiligung in berlin und mecklenburg vorpommern hat die linke nicht nur als politische banditen entlarvt sondern auch ihren intellektuellen bankrott aufgezeigt.

die wirtschaftskrise gibt weder den apologeten der unsichtbaren hand des marktes noch den archaischen sehnsüchten eines lafontaine und co recht.marx und lenin ,eben weil sie sich von den eklektikern und groben empirikern der heutigen zeit unterscheiden, haben nun 100 bzw 150 jahre nach erscheinen ihrer werke :das kapital bzw der imperialismus als höchstes stadium des kapitalismus post mortem wieder einmal ihre überlegenheit gegenüber den bürgerlichen wirtschaftsakademikern bewiesen. und auch in diesem beitrag der zwar zuerst sehr anschaulich das gesetz des tendenziellen falls der profitrate in der jetzigen supergaukrise(eben weil sie durch blasen an fiktivem kapital und spekulationen verzögert und damit aufgebläht wurde)aufzeigt aber doch wieder mit den typischen, kläglichen achselzuckresümee a la * wir müssen nach alternativen suchen und angeregt diskutieren* schließt.einzig die resümees der kommentatoren die von einer natur des menschen halluzinieren,von einer art determiniertheit des menschen durch seine wert moral und verhaltensschaffende physische hülle schwafeln und glauben eine renaissance des parlamentarischen kretinismus marke sozialreformismus könne abhilfe schaffen.klassenkollaborationistische anbiederungen an den kapitalistischen staat der die letzten jahre fieberhaft aufrüstete um dieser krise mit gewalt entgegenzuwirken stellen eine gefahr für die arbeiterklasse dar die nun abermals für das grade stehen müssen was die dekadente denkfaule räuberische bourgeoisie wiedereinmal anrichtete und weiter anrichten wird.

hier wird wiedereinmal das gemacht was die sozialreformistische intelligenz seit ihrer genese tut und wovor bereits lenin im vorwort zu staat und revolution warnte!

man pickt sich nicht zu bestreitende wahrheiten der marxschen lehre raus und verfälscht oder verschweigt die revolutionäre synthese seiner nicht segmentartig oder selektiv zu begreifenden lehre.man bricht die politische speerspitze der marxschen lehre einfach ab.die direktive die aus den widersprüchen folgen:globale produktion und gleivchzeitig nationale organisation ,nationaler fiskus ,nationaler staat ,nationale bourgeoisie und private aneignung trotz gesellschaftlicher produktion.diese direktive heißt expropriation der expropriateure!

der bürgerliche staat ist nicht nur knüppel des kapitalisten sondern auch sein herzschrittmacher und in dieser rezession zeigt er wieder seine hässliche fratze.
wenn nun diejenigen die deregulierten flexibilisierten privatisierten und liberalisierten nun das gegenteil tun tun sie es in ermangelung eines sowjetstaates und unter andren vorraussetzungen wie nach dem zweiten weltkrieg. die globalisierte produktion und die längst verlorene wirtschaftliche hegemonialstellung der vereinigten staatern lassen ihrem wesen nach weder sozialstaat noch keynesianismus zu.man wird milliarden in die rachen der kapitalisten werfen um die nächste konjunktur vorzubereiten freilich werden nur die großen kapitalisten *überleben* und der hang zum monopolismus und die verschmelzung von staat und ****freier**** wirtschaft wird weiterzunehmen.eine tendenz die von lenin untersucht wurde weil marx mit dem letzten werk von ´das kapital´nicht mehr fertig wurde.die NOCH stärkere verschmelzung von staat und wirtschaft und die gleichzeitige überakkumulation und überproduktion wird sich in der abermaligen neuaufteilung der welt äußern.konkurrenz wird zunehmend durch kriege ausgetragen. der georgienkonflikt war da ein kleiner vorgeschmack... ein säbelrasseln vor dem großen stahlbad.
es wird die nächsten jahrzehnte keine sozialfordistische tendenz mehr geben und es gibt keinen grund ihr nachzuweinen.

die einzige alternative die angesichts der aufrüstung des kapitalistischen pantheons deutlicher und dringender denn je wird ist ein kampf auf leben und tod zwischen proletariat und bourgeoisie,zwischen parasit und wirt aber auch zwischen leninistisch trotzkistischer avantgardepartei und sozialchauvinisten. zwischen militanten klassenkämpfern und salonkommunistischen attendisten.zentralistischer demokratismus gegen dezentrale anarchosyndikalistische föderalisten.
wer nicht selbstgefälliger teil des mörderischen elend hunger und blut reproduzierenden zyklus des kapitalismus werden will ,der mehr sein will als ein sozialromantischer bohem. der muss diesen politischen banditen die sich hinter ihrer volksfront ihrer pluralen buntscheckigen zusammenarbeit mit bullengewerkschafltern oder verwaltern von teilaspekten des bürgerlichen apparats den kampf ansagen. wer teil einer bewegung werden will die wahrhaftig totengräber und umstürzer der kapitalistischen ordnung sein will der darf auf einer solid oder junge weltsitzung nur opponierend auftreten. ihre lügen aufdecken,und darauf hinweisen das sie auf der andren klassenseite stehen.er darf sich nicht in ihr liquidiren und muss gleichzeitig versuchen die proletarische basis sozialchauvinistischer clubs und sozialforen in eine bewegung der arbeiterklasse zu assimilieren.


lasst keinen weiteren irak zu kein weiteres afghanistan und kein weiteres gaza schließt euch der machtvollen vierten internationale und der IKL an

sehende/ blinde Kuh, wer führet dich - wohin?

Irbis 26.01.2009 - 10:43
Schaut man sich all die Texte an, dann mangelt es gewißlich nicht an Theorie bzw. Diagnostik des Kapitalismus allgemein und seiner - aktuellen - Gebrechen insbesondere und dennoch beschleicht mich ein gewisses Unbehagen. Dabei denke ich an Marxens These 11 überFeuerbach: "Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern." Dabei ist es mir durchaus bewußt, dass die aufzuzeigende Praxis, gerade hier in Deutschland überaus schwierig ist, schon weil eine starke und vereinigte kommunistische Partei, anders als in der Weimarer Republik, einfach nicht existiert, jedenfalls bis jetzt nicht. So muß es denn wohl vorerst bei mehr oder minder großen geistigen Klimmzügen verbleiben, bevor eine größere linke Organisation nebst Praxis aufglimmt. Nun ist es aber auch so, dass ein Aufkeimen der Praxis, wiederum einer vorausgegangenen Theorie geschuldet ist, da andernfalls lediglich blinder Aktionismus bzw. bloßer Handwerkelei herauskommt. Gilt es nun also den Kapitalismus in seiner Gänze auszudeuten und ihn attackieren? Das wäre dann so was wie der große Rundumschlag und sicherlich wenig ergiebig, weil wiederum teils die Massen z.Z. überfordernd, teils wohl auch vorerst zu ausufernd und das, obwohl eins mit dem andern zusammenhängt, wie selbst das Merkel richtig feststellte. Dennoch sollte der Hebel zunächst einmal beim Finanzkapital angesetzt werden, dies der Kopf, der zuerst und am meisten zu stinken anfängt. Hier sind einerseits Forderungen an den bürgerlichen Staat allgemein, sowie der Regierung insbesondere zu stellen. Es ist klar, dass z.B. eine umfassende Finanzaufsicht von diesem/dieser nicht zu erfüllen ist. Es ist auch klar, dass die vielen verschleuderten Milliarden für den sogenannten Rettungsschirm eine ganz andere Staatsbeteiligung bei den Banken erheischt und dennoch ist dies m.E. zu fordern, einfach, um den Massen hierzulande den Sand aus den Augen zu nehmen und um sie möglichst zu mobilisieren. Es muß den Lohnabhängigen und den Arbeitslosen klipp und klar vermittelt werden, dass die 500 Mrd. Euros rausgeschmissenes Geld sind, die wir, das Volk zu blechen haben, hingegen die Banken Fässer ohne Boden sind, die lediglich das Geld abkassieren und noch nicht einmal einen Nachweis erbringen müssen, was sie eigentlich mit all der vielen Knete nun zu gedenken tun. Der bürgerliche Staat ist so frei und läßt sie ungezügelt gewähren. Das viele Geld wird also von den Bankrotteuren einfach eingesackt und weitere Forderungen zudem gestellt. Die Regierung, der Staat bittet regelrecht darum, das offerierte Geld nur ja in Anspruch zu nehmen. Als Krönung soll er nun auch noch eine sogenannte bad bank einrichten, wo alle faulen Kredite eingehen. Man fühlt sich an div. Kartenspiele erinnert, wo die schlechten Karten abgelegt werden, auf dass man dann um so besser spielen kann. Noch ziert sich die "Braut" (Staat) ein wenig, doch der fordernde "Bräutigam" wird nicht locker lassen, er bekommt schon noch auch seine bad bank, so bad ist das in diesem System. Wer nun meint, dass so die weltweite Wirtschaftskrise behoben sei, der irrt allerdings sehr. Die Höhe all der faulen Kredite bewegt sich nämlich im Billionenbereich, was tatsächlich kein Staat der Welt zu schultern vermag. Kein Mensch kann sagen, welch Ausmaß diese Krise noch nehmen wird, fest steht jedenfalls, dass sie gewaltige Dimensionen haben wird. Wenn jetzt die Linke nur theoretisiert, nur sich gegenseitig attackiert, dann werden wohl die Rechten den Reibach machen, Kapital aus dieser Krise herausschlagen, so meine Vermutung. Nun kommt es also darauf an, dass kommunistische Organisationen gestärkt werden und ein breites Bündnis von ganz Links bis attac, Demokratische Linke zumindest vorerst geknüpft wird. Was wir brauchen sind Demos und Streiks, die gegen das Finanzkapital und seinem mit ihm verbandelten Staat gerichtet sein müssen. Dazu gehört auch eine Kampfansage an das sogenannte Rettungspaket, das uns allen noch viel Leid und Elend bescheren wird. Natürlich ist in dem Zusammenhang auch auf den tendenziellen Fall der Profitrate zu verweisen, ist darzustellen, das in der sogenannten Realwirtschaft die dortigen Profitmöglichkeiten als nicht ausreichend von den Kapitaleignern angesehen werden und das wir eine Überakkumulation sowie damit zusammenhängend, eine Unterkonsumtion haben.
Jede Aktion gegen das Finanzkapital, dem mächtigsten Teil des Kapitalismus, ist sogleich ein allgemein antikapitalistischer Kampf, sofern die Stellung des Finanzkapitals innerhalb dieses Systems aufgezeigt wird. (Peter)

ergänzender artikel

ich 26.01.2009 - 10:52
bis auf die lösung des autors, ist der artikel auch recht gut und geht nochmal differenzierter auf den ablauf ein

 http://www.wildcat-www.de/aktuell/a068_khroth_krise.htm

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