Oakland: Polizist wg. Mordverdacht verhaftet

Norbert Ratenbecher 19.01.2009 14:47 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
In der Sylvesternacht 2008/09 erschoss der damalige Bahnpolizist Johannes Mehserle (27) in Oakland, Californien den Fahrgast Oscar Grant III (22). Nachdem die zuständigen Behörden zunächst versuchten, diese Tat zu verheimlichen, konnte sie spätestens nach der Veröffentlichung zahlreicher Handy-Videos auf Indymedia-Seiten und lokalen Fernsehstationen in der Bay Area Californiens nicht mehr verschwiegen werden. Nach vielfältigen Protesten, gewaltsamen Übergriffen der Polizei gegen Demonstrant_innen und 105 Festnahmen ist am 14. Januar zunächst der mordverdächtige Ex-Polizist festgenommen worden.
Zunächst hatte sich Johannes Mehserle aus Lafayette dadurch aus der Affaire gezogen, dass er am 7. Januar 09 den Polizeidienst kündigte. Einen Tag später hätte er zu einer internen Bahnpolizei Untersuchung erscheinen sollen, die nach seiner Kündigung einfach ausfiel.
Auch der zuständige Bezirksstaatsanwalt zögert seit über zwei Wochen, eine Anzeige wegen Mordes zu stellen.

Aus behaupteter Angst um sein Leben hatte sich der Ex-Polizist nach Douglas County in den US-Bundesstaat Nevada abgesetzt. Die Behörden in Californien liessen ihn ziehen. Er wurde jedoch am 14. Januar von der Polizei in Douglas festgenommen, ein Richter aus dem californischen Alameda hatte einen Haftbefehl wgen Mordverdacht ausgestellt.

Verschiedene Gemeindevertreter in Oakland wiesen darauf hin, was Demonstrant_inne seit Tag 1 nach der kaltblütigen Exekution Oscar Grants III durch Johannes Mehserle ( Tatvideo  http://salsa.democracyinaction.org/o/600/t/8452/tellafriend.jsp?tell_a_friend_KEY=3805 ) sagen: Dieser zynisch und in aller Öffentlichkeit vorgetragene Mord macht die rassistisch motivierte Polizeigewalt in Californien deutlich, die sich häufig in überzogener Härte gegen schwarze Jugendliche ausdrückt ( siehe dazu auch SF Gate vom 14. Januar 09  http://www.sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/2009/01/13/BAM615A08A.DTL&tsp=1 ). Oscar Grant III war schwarz, der Polizist ist weiss.

Oscar Grant war in der Sylvesternacht gegen 2 Uhr morgens zusammen mit anderen Fahrgästen von der Bahnpolizei festgenommen worden, als diese wegen einer Auseinandersetzung in einem Zug Ermittlungen aufnahm. Zahlreiche Handyfotos und Videos zeigen, wie der mit dem Gesicht auf dem Boden liegende und wehrlose Oscar Grant mehrfach völlig grundlos von Mehserle getreten und danach zum Schrecken aller Umstehenden erschossen wird.

Der Druck auf die Behörden war durch die nicht endenden Proteste stark angewachsen (siehe hierzu auch den Bericht der Mumia - Hörbuchgruppe  http://de.indymedia.org/2009/01/239129.shtml ).
Selbst die BART (BAY AREA RAPID TRANSPORT) Polizei reichte inzwischen ihre internen Ermittlungen an den zuständigen Bezirksstaatsanwalt (DA) Orloff ein, verbunden mit der Bitte, schnell zu handeln.

Bereits Anfang Januar hat ein Anwalt der Familie Grant BART auf 25 Mio. US $ Schadensersatz verklagt.
Nach der Beerdigung von Oscar Grant am 8. Januar 2009 beteiligten sich ca. 1000 Menschen an einer Trauerdemonstration von der Station Fruitville, wo Oscar Grant getötet wurde. Der friedliche Umzug wurde jedoch von der Polizei mehrfach gestoppt und provoziert, so dass es in Folge zu Auseinandersetzungen mit vielen Festnahmen kam.

Am 16. Januar 2009 wurde Johannes Mehserle zum ersten Mal für fünf Minuten im Alameda County Court vernommen. Er plädierte auf "nicht schuldig". Er machte seine Angaben aus einer verdeckten Position, den Blicken der allermeisten Zuschauer_innen entzogen. Das Gericht ordnete seine weitere Inhaftierung bis zum 26. Januar an. Dann soll die nächste Anhörung stattfinden.

Der Gerichtssaal war voll mit Angehörigen des Polizisten als auch von Oscar Grant III. Beide Zuschauergruppen waren räumlich voneinander getrennt.

Während weltweit in den letzten Wochen Erschiessungen von Menschen durch Polizisten bekannt wurden, hat es bisher nur in Griechenland und Oakland starke Proteste gegeben, die die Behörden unter Zugzwang setzten.

Ähnliche Meldungen aus Lissabon, Portugal (  http://de.indymedia.org/2009/01/238550.shtml ) und Berlin (  http://de.indymedia.org/2009/01/239542.shtml ) führten zwar zu Protesten von Angehörigen, wurden aber von der Öffentlichkeit bisher kaum aufgenommen.

Ob es eine Ausnahme darstellt oder eher der Regel entspricht, dass Menschen durch Kontakt mit der Polizei in sog. "westlichen Demokratien" in Gefahr um ihr Leben sind, ist eine gerade beginnende Debatte. Unter Verweis auf den peinlichen "Aufklärungsversuch" des Mordes an Oury Jalloh durch Polizei und Justiz in Dessau ist vielmehr davon auszugehen, dass es durch moderne Kommunikationsmedien leichter wird, Meldungen auszutauschen und Öffentlichkeit herzustellen. Somit entsteht der Eindruck, dass gängige Gewaltbereitschaft seitens der Polizei in verschiedenen Ländern erst jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird.

Das von Behörden und kommerziellen Medien keine Transparenz und Einblicke zu erwarten sind, ist offensichtlich.
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Ergänzungen

Berichtigung zur Schadensersatzforderung

Norbert Ratenbecher 19.01.2009 - 15:41
Berichtigung: Die Familie Grant verklagt die BART auf 25 Millionen US $ Schadensersatz und nicht, wie fälschlicherweise angegeben um 25 $.

weitere Berichte über BART & Rassismus

rap 19.01.2009 - 17:41

Indymedia Opferfestival

scheissegaldu 19.01.2009 - 18:59
Wer sich das Video genau anschaut, wird sehen, dass der Bulle tatsächlich seinen Taser mit seiner Knarre verwechselt hat. Ein Argument dafür, keine Taser in D-Land einzuführen, wie kürzlich in Hamburg geschehen.

Kein Argument für die moralischen Anbiederungen, bei denen (wie sooo oft bei Indymedia) Opfer gegen Täter ausgespielt werden. Absolut überflüssig solche Artikel.

Dass es ein "weißer Bulle" war, der Oskar Grant (III?!hä?!) getötet hat, macht schwarze Bullen nicht automatisch sympathischer! Indymedia war in letzter Zeit häufig Ziel merkwürdig moralischer Opferfeierlichkeiten. Wäre schön, wenn das bald mal ein Ende nimmt. Diese blutrünstige Gier!

Opfer und Täter, Rassimus und Polzeigewalt

bitte ganz langsam nachdenken 19.01.2009 - 23:16
Manchmal drängt sich einem die Frage auf, warum es betont werden muss, wenn Weisse Schwarze ermorden? Die Antwort ist leider immer wieder ganz einfach: weil es in den sog. "westlichen Demokratien" einfach viel öfter passiert als in anderen Konstellationen. Ist das rassistisch motivierte Gewalt? Natürlich.

Und die Frage, warum ein Polizist einfach herumlaufen und Menschen umbringen ("ermorden" ist neuerdings ein bei juristisch interessierten Indymedia-LeserInnen heiss umkämpfter Begriff) dürfte, wird auch nur durch die ungehinderte Macht eines Staates und die Ignoranz gegen die eigenen Bürger erklärt werden können.
Wenn Behörden zwei ganze Wochen brauchen, um einen öffentlich bekannten Täter überhaupt erst mal fest zu nehmen, haben sie offensichtlich wenig Interesse. Hier mal eine Frage: was passiert wohl, wenn auf Handyaufnahmen von Passanten ein Schwarzer dabei gefilmt wird, wie er einen Weissen erschiesst?
Braucht es auch 14 Tage, bis sich ein Sheriff mal zu ihm bequemt? Natürlich nicht, ein Schelm, wer hier an Rassismus dächte...

Ausserdem: warum empfinden es scheinbar einige als hinnehmbar, dass ein wehrloser Mensch, der am Boden liegt und offensichtlich keinen Widerstand leistet, von bezahlten Hooligans in Uniform getreten und geschlagen werden darf? Ich rede hier nicht über den Todesschuss.

Auch hier bleibt nach reiflicher Abwägung nur eine Antwort: das ist Polizeibrutalität.

Die Mitgefangenen, allesamt weisse Fahrgäste, leben noch und haben, wie auf vielen Videos erkennbar ist, deutlich mehr Glück bei ihrer Behandlung gehabt.

Also, Oscar Grant III (III steht hier für die bei vielen Afroamerikaner_innen gebräuchliche gleiche Namensgebung innerhalb der Familie) ist rassistischer Polizeigewalt zum Opfer gefallen.

Ob es Mord oder Totschlag (1.rts oder 2nd degree) ist, ist nicht zuletzt eine Frage der Jurybesetzung, Wieviele (oder wenige) Schwarze in die Jury zugelassen werden, ob der DA überhaupt ein wirkliches Interesse hat, den Fall zu verfolgen und ob die sicherlich nebenklagende Familie genügend eigene finanzielle Mittel aufbringen kann, um selbst professionelle Ermittler beauftragen zu können.

So sieht das leider für Menschen nicht-weisser Hautfarbe in den USA aus. Und ich bin mir sicher, dass die "Ermittlungen" gegen den polizeilichen Todesschützen von Dennis J hier in Berlin nicht groß anders laufen.

Mit Taser verwechselt?

Fraglich! 20.01.2009 - 19:34
Wobei es natuerlich unwahrscheinlich erscheint, dass ein Polizist eine gefesselte Person am Boden absichtlich erschiesst so muss betont werden, dass Taser genau aus diesem Grund in grellen Signalfarben hergestellt werden und auch von der Form sowie dem Gewicht voellig anders als Pistolen sind.

OSCAR GRANT -- and YOU

Mumia Abu-Jamal 26.01.2009 - 21:11
OSCAR GRANT -- and YOU
[col. writ. 1/17/09 (c) '09 Mumia Abu-Jamal


Like you, I've seen the searing phone-camera tape of the killing of 22-year-old Oscar Grant, of Oakland, California.

And although it's truly a terrible thing to see, it's almost exceeded by something just as shocking. That's been how the media has responded to this police killing, by creating a defense of error.

This defense, that the killer cop who murdered Grant somehow mistook his pistol for his Taser, has been offered by both local and national news reporters -- even though they haven't heard word one from Johannes Mehserle, the BART (Bay Area Rapid Transit) cop who wasn't even interviewed for weeks after shooting an unarmed man!

If you've ever wondered about the role of the media, let this be a lesson to you. You can see here that the claim that the corporate media is objective is but a cruel illusion.

Imagine this: if the roles were reversed, that is, if bystanders had footage of Grant shooting Mehserle, would the media be suggesting a defense for him?

Would Grant have been free to roam, to leave the state a week later?

Would he have made bail?

The shooting of Oscar Grant III is but the latest, West Coast version of Amadou Diallo, of Sean Bell, and of hundreds of other Black men -- and like them, don't be surprised if there is an acquittal -- again.

Oscar Grant is you -- and you are him, because you know in the pit of your stomach that it could've been you, and the same thing could've happened.

You know this.

And what's worse is this: you pay for this every time you pay taxes, and you endorse this every time you vote for politicians who sell out in a heartbeat.

You pay for your killers to kill you, in the name of a bogus, twisted law, and then pay for the State that defends him.

Something is terribly wrong here--and it's the system itself.

Until that is changed, nothing is changed, for we'll be out here again (in the streets) -- chanting a different name.

--(C) '09 MAJ

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25 US $ — Schadensersatz