Berlin - Demonstration wegen Todesschüsse

Roland Ionas Bialke 16.01.2009 18:45 Themen: Repression
Heute, am 16. Januar 2009, fand in Berlin eine Gedenkdemonstration für den am Silvesterabend durch einen Polizisten erschossenen Dennis statt. Etwa 200 Menschen zogen vom Hermannplatz zum Berliner Polizeipräsidium.
Schon letztes Wochenende demonstrierten etwa 100 Menschen in Berlin-Neukölln spontan gegen die tödliche Polizeigewalt. Sie thematisierten die Gewalttaten der Polizei, bei denen Menschen in Oakland (USA), Athen (Griechenland) und Schönfließ (Deutschland) erschossen wurden. Täter waren Polizisten, die Menschen aus nächster Nähe erschossen. Nach Polizeiangaben wurden viele der spontan demonstrierenden Menschen festgenommen, nachdem diese den Verkehr auf der Sonnenalle blockierten.

Heute, nachdem Dennis, der am Silvesterabend durch einen Polizisten aus nächster Nähe erschossen worden war, am Vormittag bestattet wurde, versammelten sich etwa 200 Menschen auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln. Unter den DemonstrantInnen waren einige Bekannte und Angehörige von Dennis, viele Menschen aus dem Kiez und auch einige aus dem radikalen Spektrum.

Auf einen kleinen Fronttransparent war "Wir fordern U-Haft für den Schützen" zu lesen und es wurde lautstark "Was wollen Wir? Gerechtigkeit!" (vereinzelt wurde auch "Gerechtigkeit!" mit "Den Bullen töten!" oder "Dennis!" ausgetauscht) gerufen. Auf einen anderen Transparent wurde "Gleichberechtigung, egal ob Polizist oder Maurer" gefordert. Viele DemonstrantInnen forderten lautstark den Polizisten ins Gefängnis einzusperren, andere wollten ihn in Freiheit sehen. ("Sperrt den Bullen ein!" und "Lasst den Bullen frei!" - warum auch immer - wurde gerufen.) Die DemonstrantInnen schienen zurückhaltend zu sein, ab und zu schien aber die Emotionen hochzukommen. Zwei Personen forderten eher verhalten "Todesstrafe für den Bullen!" bzw. "Tötet den Bullen!". Auch eine rassistische Äusserung eines Jugendlichen gegen einen Passanten konnte ich wahrnehmen. Der Grossteil der DemonstrantInnen trug diese Äusserungen aber nicht mit. Viele Menschen hielten sich zurück oder liefen neben der Demonstration mit, um sich erstmal ein Bild von den Leuten zu machen, die da demonstrierten. Es wurden Fotos von Dennis hochgehalten, viele steckten sich auch das Foto von Dennis an die Jacke. Auch der Ausruf "Bullen sind bezahlte Mörder" war zu hören.

Die Polizei war nur mit wenigen Polizeiautos unterwegs. Es war keine Einsatzhundertschaft zu sehen, die begleitenden PolizistInnen, etwa ein Dutzend, blieben in ihren Fahrzeugen. Erst am Ende der Demonstration, waren einige PolizistInnen mehr zu sehen. Auf dem Platz der Luftbrücke stoppte die Demonstration etwa 5 Meter vor dem Polizeipräsidium. Etwa 10 PolizistInnen, mindesten 4 in ziviler Kleidung, beschützten das Gebäude vor einer Stürmung. Es wurde eine kurze Abschlusskundgebung abgehalten.

Flyer der Demonstration:

"Wir haben Zweifel an Euren Scheriffs...

Wieder einmal wurde jemand durch einen Bullen getötet. Wie immer wird dem Bullen, der einfach so entschieden hat jemanden zu erledigen nicht das Gleiche passieren, wie allen anderen Mördern. Er ist jetzt auf freiem Fuß. Angeblich soll die Unschuldsvermutung für ihn gelten. Bei wie vielen anderen, die heute in der JVA Moabit sitzen, gilt diese Unschuldsvermutung jedoch nicht. Anderen Mördern passiert es nie auf freiem Fuß zu sein, wenn ihre Tat zumindest nachgewiesen werden kann. Bei einem Bullen ist es anscheinend anders. In der Berliner Zeitung stand gestern, dass bei der Polizei Korpsgeist befürchtet würde, Herr Glietsch das jedoch nie zuließe. Aber wie erklärt man denn, dass 99% der Anzeigen, die gegen die Bullen gemacht werden mit einer Einstellung enden? Wir sagen, es gibt nicht nur Korpsgeist bei den Bullen, sondern auch die Justiz und der Knast spielen mit.

Wir möchten weiterhin erwähnen, dassvor einem Monat in Dessau die Bullen, die Oury Jalloh in seiner Gewahrsamszelle lebendig verbrannt haben freigesprochen wurden. Einen Tag später wurde der Arzt, der jemandem soviel Brechmittel eingeflößt hat, dass diese Person ertrunken ist, auch freigesprochen. Im Sommer wurde ein 19jähriger nach einer Festnahme tot in seiner Gewahrsamszelle gefunden - angeblich hatte er sich aufgehängt. Den Bullen ist da auch nichts passiert. Wir erwarten nichts anderes in diesem Fall, die Justiz wird immer irgendeine Geschichte erfinden um die Bullen freizusprechen. Die Wetten sind offen...

Deshalb sind wir da, wir haben keinen Bock mehr. Wir lassen uns von Menschen, denen man eine Waffe in die Hand gedrückt und gesagt hat "jetzt hast du immer recht - sollte das jemand bezweifeln, dann polier ihn die Fresse oder töte ihn" nicht mehr alles gefallen! Ihre Bosse, sprich PolitikerInnen sind auch gemeint. Wir wollen noch daran erinnern, dass zur Zeit weltweit Bullen die Scheriffs spielen wollen und die Leute erledigen, die ihnen nicht passen. In Oakland zum Beispiel wurde eine Person vor den Augen der Fahrgäste in einer U-Bahnstation einfach hingerichtet. (...) Nach dieser Hinrichtung haben sich die Leute gewehrt, sind auf die Strasse gegangen und haben ihre Wut gezeigt.

In Griechenland ist das selbe passiert nach dem Mord an dem 15jährigen Alexandros. Drei Wochen hat es dann dort gescheppert. Es handelt sich hierbei zwar um unterschiedliche Verhältnisse, in denen die Ereignisse geschehen sind, jedoch bringt so etwas das Fass dann zum überlaufen. In Griechenland wie auch in Oakland. Die Politik und die Bullerei haben da zumindest gespürt, was töten bedeutet.

Das ist eine Kriegserklärung.
Die unzufriedenen BürgerInnen..."
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Ergänzungen

Mehr Informationen

Roland Ionas Bialke 16.01.2009 - 20:26
Ich kannte keinen von den anderen DemonstrantInnen, von daher weiss ich auch nicht, welcher sozialen Schicht angehören oder ob sie MigrantInnen sind. Es waren mehrheitlich Menschen, wie sie auch sonst in Neukölln und Kreuzberg rumlaufen. Aus manchen Äusserungen kann ich aber schliessen, dass sich die meisten sonst nicht mit emanzipatorischer Politik oder Parteipolitik beschäftigen.

Wie die PassantInnen auf die Flyer reagiert haben, dass weiss ich nicht. Bis auf die Ecke am Mehringdamm waren relativ wenige PassantInnen unterwegs. Aber viele aussenstehende Menschen haben positiv auf die Transparente reagiert, also nicht nur auf das dumme mit dem Knast, sondern auch auf die anderen guten Transparente. Einige Leute haben sich auch spontan der Demonstration angeschlossen, aber wahrscheinlich ist es zu kalt zum demonstrieren.

Ich habe mittlerweile die Nachrichten auf RBB geschaut und kann jetzt besser nachvollziehen, warum einige auf der Demonstration extrem emotional reagiert haben. Mutter, Schwager, Cousine und andere enge Verwandte von Dennis haben an der Demonstration teilgenommen.

Fotos von der Demo

(muss ausgefüllt werden) 17.01.2009 - 07:12

Springer verteidigt Mord indirekt

gefunden 17.01.2009 - 14:04
Im rechten Hetzblat "Die Welt" werden wie üblich in solchen Fällen die Mörder indirekt verteidigt, unter der Überschrift: "Trauermarsch für einen Straftäter .... Von einem Polizisten in Schönfließ erschossener Krimineller beigesetzt"
Link: www.welt.de/welt_print/article3041609/Trauermarsch-fuer-einen-Straftaeter.html

video

bäm 17.01.2009 - 19:32
auf spiegel.de ist ein video zur demo erschienen :
 http://www.spiegel.de/video/video-47116.html

Angetrunkener stirbt in Polizeigewahrsam

Ilmenau, Thüringen 17.01.2009 - 22:06

ein weiteren bericht mit video

Medienkollektiv Berlin 19.01.2009 - 00:51
einen bericht mit video und links und in einigen tagen auch fotos gibt es auf unserem blog zu sehen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 10 Kommentare an

@ ueber mir — Troll

albern — sehr sogar

an "sehr sogar" — playitagainkarl

@jonas — d

sorry — xxx

und — piak

schön, — dass

?? — blablabal

??? — Skeptiker