DACHAU Amper Kliniken

Autonomia operaia Dachau 12.01.2009 17:35 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Prozesse wegen Hausfriedensbruch an den Amper Kliniken AG Dachau
Erster Prozess endet mit einem Freispruch und einer Vertagung

Am heutigen Montag, den 12. Januar 2009, standen 2 Aktivistinnen vor dem Amtsgericht Dachau. Sie sollen im Verlauf einer Kundgebung am 17. August 2007 Flugblätter innerhalb des Klinikgebäudes verteilt haben. Anlass für die Kundgebung der FREIEN ARBEITERiNNEN UNION München sind die seit Jahren immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen und der stetige Personalmangel am Klinikum.
Das Verfahren gegen die Anmelderin wegen Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz endete mit Freispruch. Das andere gegen eine weitere Aktivistin wegen Hausfriedensbruch wurde vertagt auf den 16. Februar 2009. Ein Grund dafür war unter anderem erhebliche Widersprüche seitens der Rechtsberaterin der Amper Kliniken, sowie eines weiteren Zeugen der Anklage, der die Veranstaltung laufend fotografierte.
Was war los und warum?
Die früher Landkreis eigenen Kliniken in Dachau und Markt Indersdorf wurden 2001 zur AG. Allerdings noch im Besitz des Landkreises. Bereits zu dieser Zeit wurde mit sämtlichen Mitteln der betriebsinternen Repression, wie beispielsweise Versetzungen, Abmahnungen und Anzeigen, gegen widersprüchliche Bestrebungen, aber auch nur Äußerungen, vorgegangen. 2005 wurde die Mehrheit der Anteile an den bundesweiten Klinikkonzern „RHÖN KLINIKUM AG“ veräußert. Dieser ist für sein expansives Vorgehen bekannt.
Was seitdem passierte, kann als sinnbildlich für so viele privatisierte Betriebe geltend gemacht werden: Personalabbau, Straffung des Arbeitsablaufs, Schaffung von Niedriglohngruppen. Die „RHÖN AG“ setzt auf „ausreichendes“ medizinisches Personal, gleicht das ganze aber durch Stellenstreichungen in anderen qualifizierten Berufsgruppen, wie z.B. der Pflege, Physiotherapie aus. Kompensiert wurde der Mangel durch ungelernte Hilfskräfte und Auslagerung von Reinigungspersonal und Wäscherei. Allerdings wurden seit 2003 ein Fitness- Center, ein sechsstöckiger Neubau, ein Parkhaus und ein zwar nicht direkt vom Haus gebautes, aber hauptsächlich von diesem genutztes, „Fachärzte – Zentrum“ errichtet.
Seit 2001 hat sich Gesamtzahl des Personals von 1100 MitarbeiterInnen auf 750 reduziert.
An eine kollektive Gegenwehr seitens der MitarbeiterInnen war nicht zu denken. Zwar existiert seit 2004 eine Betriebsgruppe am Klinikum. Aber diese musste auf Grund zu befürchtender Repressalien meist aus dem Verborgenen agieren. Und das auch nur punktuell.

Wer hat uns verraten.......
Auch der Betriebsrat war zu keiner einheitlichen Vorgehensweise fähig. Bewegung kam erst ins Spiel, als Ende 2005 der erste Haustarifvertrag zwischen „RHÖN“ und der Gewerkschaft ver.di verhandelt wurde. Ver.di sagte der Betriebsgruppe ihre Unterstützung zu, die sie nach einem Flugblatt über den aktuellen Stand der Verhandlungen bereits wieder im Sande verlaufen ließ. Ein Mitglied der ver.di - Tarifkommission sammelte sogar gemeinsam mit der Klinikleitung die Flugis wieder ein. Die Betriebsgruppe handelte wieder autonom, aber auch allein.

Power in the union?
Als 2007 das Pflegepersonal weiter gekürzt und durch ungelernte „Patientenservice“ ersetzt wurde, lief das Fass über. Daraufhin bewies die FREIE ARBEITERiNNEN UNION München Solidarität und organisierte besagte Kundgebung. Eine weitere und Veranstaltungen in Dachau folgten. Im gesamten Herbst bis Winter 2007 wurden die Arbeitsbedingungen an den Kliniken zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Auch auf Grund von ständigen Meldungen in der Lokalpresse.
2008 wurde es bedauerlich still und die Klinikleitung konnte den Konflikt aussitzen, beziehungsweise sitzt fester denn je in ihrem weichen Sattel. Auch die FAU konnte mit dem Konflikt bundesweites Aufsehen erregen und ihrem Anspruch eine „richtige“ Gewerkschaft zu sein einen Schritt näher kommen. Die Medaille hat allerdings zwei Seiten. Ein bereits zuvor, innerhalb der Münchner FAU gegründetes Gesundheitssyndikat/Sanita, lies den Konflikt auf eine rein rechtliche Schiene laufen, die der FAU/Sanita den verwehrten Zugang zum Betrieb verschaffen sollte. Die unabhängigen betrieblichen Aktivitäten gerieten in den Hintergrund. Nach Meinungsverschiedenheiten wurde Sanita schließlich bedeutungslos und ist mittlerweile aufgelöst. Ähnlich wie 2005 mit der ver.di zeigten sich Differenzen zwischen ArbeiterInnen und der Gewerkschaft. Auch wenn die FAU nicht, wie die ver.di, selbständige Meinungsbildung von oben herab nicht dulden wollte: Sie setzte ihre spezifischen politischen Interessen denen der ArbeiterInnen vor.

The spirit of Porto Marghera
Die Aktiven vor Ort ließen das Feuer dennoch nicht ganz verlöschen. Seit September 2007 findet einmal im Monat, nach dem italienischen Vorbild der autonomen Versammlungen, eine als „Stammtisch der Beschäftigten“ bezeichnete selbstorganisierte unabhängige Versammlung für alle Berufsgruppen an den Kliniken statt. Wenn auch in eher kleinem Rahmen, aber mit kontinuierlicher TeilnehmerInnenzahl. Aus ihr entspringen immer wieder Aktivitäten, wie Infostände, eine Betriebszeitung oder die Teilnahme an Demonstrationen. Leider haben im Laufe der Zeit viele aktive Kolleginnen die Amper Kliniken verlassen. Dennoch können die AktivistInnen offen im Betrieb auftreten.

Dies war nicht der erste Streich, aber der zweite folgt zugleich
Am 16. Februar haben die restlichen 4 TeilnehmerInnen ihren Prozess in Dachau. Und egal was war, was ist und was sein wird.
Ihnen gehört unsere Solidarität!

The Fire still burns!!
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Ergänzungen

Pressemitteilung Betriebsgruppe

Autonomia operaia 12.01.2009 - 18:09
Pressemitteilung

Am 12. Januar 2009 um 14 Uhr findet am Amtsgericht Dachau ein Prozess gegen 2 Personen statt. Ihnen wird vorgeworfen, Hausfriedensbruch an den Amper Kliniken Dachau begangen zu haben.

Anlass war eine eineinhalb Jahre zurückliegende Kundgebung der FREIEN ARBEITERiNNEN UNION München am 17. August 2007.
Dort stellte sich die FAU solidarisch hinter unsere KollegInnen am Klinikum, die den katastrophalen Arbeitsbedingungen nicht mehr standhalten zu vermochten. Und natürlich sollte auch öffentlich darauf aufmerksam gemacht werden. Die Kundgebung wurde von Anfang an von der Klinikleitung belästigt und ständig beobachtet, sogar fotografiert. Flugblätter, deren Inhalt nur auf Tatsachen beruhten, gelangten auch ins Klinikgebäude selbst. Grund genug für die Klinikleitung, wahllos gegen 5 KundgebungsteilnehmerInnen Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu erstatten.
Soweit zur Vorgeschichte.

Leider müssen wir feststellen, dass sich trotz des Engagements der Münchner KollegInnen die Situation in keinerlei Hinsicht verbessert hat. Sie hat sich, im Gegenteil, noch verschlechtert. Überstunden, Überlastungsausfälle, resultierend aus dem allgemeinen Mangel an Personal, sind v.a. in der Pflege allgegenwärtig. Der zur damaligen Zeit etablierte „Patienten-Service“ schuftet auch unter dem erwähnten Druck. Von den Bedingungen in der ausgelagerten Reinigung oder Bettenzentrale ganz zu schweigen. Sämtliche Missstände aufzuführen würde den Rahmen dieser Pressemitteilung sprengen. Es soll nur soviel gesagt sein, dass nach wie vor unsere KollegInnen nahe am moralischen Bankrott sind.
Trotzdem wird durch diesen Prozess mit einer bemerkenswerten Vehemenz versucht jegliche Art von Widerspruch im Keim zu ersticken, die wir nur als unverhältnismäßig bezeichnen können und bei der man sich immer wieder an das sprichwörtliche Schießen mit Kanonen auf Spatzen erinnert fühlt.

5 Menschen sind nun angeklagt. 2 am 12. Januar, die anderen Verhandlungen wurden auf Februar verschoben. Es geht dabei um Geldbeträge zwischen jeweils 400 bis 1600 Euro.
Wir möchten uns hiermit für die Unterstützung der FAU dankbar zeigen. Denn zu viele haben sich erst im Verlauf des Konflikts zu Wort gemeldet, als das öffentliche Interesse nicht abflaute.
Und an die Angeklagten: Ihr habt unsere uneingeschränkte Solidarität.
Denn:

GUTER RAT IST TEUER
SOLIDARITÄT IST UNBEZAHLBAR!!

Unabhängige Betriebsgruppe AmperKliniken

Dachau, im Januar 2009

Artikel Dachauer SZ

Autonomia operaia 12.01.2009 - 18:17
Kreisverband der Linken: „Das Vorgehen der Amperkliniken ist ein Skandal“
Anklage wegen Hausfriedensbruchs Teilnehmer einer Demonstration gegen schlechte Arbeitsbedingungen im Dachauer Klinikum heute vor Gericht
Von Melanie Staudinger
Dachau- Wegen Hausfriedensbruchs müssen sich zwei junge Erwachsene am heutigen Montag vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten. Sie sollen sich während einer Demonstration gegen schlechte Arbeitsbedingungen an der Amperklinik in Dachau unerlaubt Zutritt zum Krankenhaus verschafft haben. Die Klinikleitung hat sie angezeigt. Die Linke kritisiert dieses Vorgehen als Einschüchterungsversuch.
Am 17. August 2007 hatte die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) zu einer Demonstration gegen die schlechten Arbeitsbedingungen an der Dachauer Amperklinik aufgerufen. Obwohl die Zahl der Teilnehmer gering blieb, kam es zu Problemen. Eine Vertreterin der Amperklinik verbot der FAU, Flugblätter im privaten Klinikparkhaus zu verteilen. Einige Demonstranten sollen im Krankenhaus unerlaubt Flyer verteilt haben. Die Klinikleitung rief die Polizei. Die Kundgebung wurde beendet. Die Klinikleitung erhob gegen vier Teilnehmer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs – zwei von ihnen müssen sich heute um 14 Uhr vor dem Amtsgericht Dachau verantworten, die beiden anderen im Februar.
Die FAU bestreitet die Vorwürfe der Amperklinik AG. Niemand habe das Klinikgelände unbefugt betreten. Die Teilnehmer hätten draußen Flugblätter verteilt, Besucher und Beschäftigte hätten diese ins Innere mitgenommen. Die Klinikleitung um Vorstand Uwe Schmid will heute mit mehreren Zeugen beweisen, dass ihre Anschuldigungen stimmen. Über die FAU schreibt Klinikpressesprecherin Annette Schulz: „Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, handelt es sich um eine anarchosyndikalistische Gruppierung, die unter anderem für ‚eine Welt ohne Staat und Bosse eintritt‘.“ Zudem weist Schulz darauf hin, dass die FAU vom Verfassungsschutz als linksextreme Gruppierung eingestuft worden ist, „die bereits mehrfach auffällig wurde und nicht als Gewerkschaft anerkannt ist.“
Der Kreisverband der Linken und die Unabhängige Betriebsgruppe der Amperkliniken unterstützen die Angeklagten. „Das Vorgehen der Amper Kliniken gegen Kritiker ist ein Skandal“, schreibt die Kreisvorsitzende Eva Bernadi. Die Anzeige sei ein Versuch, Opposition gegen die Privatisierung im Gesundheitswesen zu verhindern und die Belegschaft der Amperkliniken einzuschüchtern. Ähnlich argumentiert die Unabhängige Betriebsgruppe der Amperkliniken: „Durch diesen Prozess wird mit einer Vehemenz versucht, jegliche Art von Widerspruch im Keim zu ersticken.“

Genehmigungsverfahren für Gewerkschaften?

Zoppo 13.01.2009 - 16:51
"Zudem weist (Klinikpressesprecherin) Schulz darauf hin, dass die FAU (...) nicht als Gewerkschaft anerkannt ist."

Der Frau scheint nicht bekannt zu sein, dass es in D'land kein "Gewerkschaftsstatut", "Genehmigungs-" oder "Zulassungsverfahren" für Gewerkschaften gibt und auch nicht geben darf. Da dies kaum bekannt ist, zitiere ich mal aus dem Syndikatsmanual der FAU:


(...) Die Rechtsgrundlage für Gewerkschaften in Deutschland ist die "Koalitionsfreiheit", die im Grundgesetz festgelegt ist. Sie ist eines der so genannten Grundrechte, die in den Artikeln 1 bis 19 geregelt sind. Konkretere Aussagen zur rechtlichen Stellung von Gewerkschaften und zum Streik sind dort allerdings nicht zu finden.

Grundgesetz Artikel 9 Absatz 3:
»Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.«

Damit ist garantiert, dass eine solche Koalition existieren kann, ohne dass es einer besonderen staatlichen Genehmigung bedarf. Die Koalition genießt Autonomie und hat das Recht, ihre internen Verhältnisse nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dem Staat ist es damit verboten ein "Gewerkschaftsstatut" zu erlassen, das diesen Rahmen einschränkt.
Das bedeutet, dass das Recht eine solche Koalition zu bilden, so weit geht, dass es eigentlich keinerlei Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren für sie geben darf. (...)

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oje — anarchosyndikalist