Knastspaziergang in Stuttgart & Auseinandersetzung

Belinda 01.01.2009 21:25 Themen: Repression
Auseinandersetzungen und Festnahmen beim Silvester-Knastspaziergang in Stuttgart-Stammheim

Beim alljährlichen Knastspaziergang in Stuttgart Stammheim beteiligten sich diesmal etwa 50 Personen. Nachdem die Polizei Festnahmen durchführen wollte und mit Knüppeln und Hunden gegen vorging, kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen es auf beiden Seiten Verletzte gab. Noch längere Zeit danach kam es in Stuttgart-Stammheim zu insgesamt 12 Festnahmen (Zahl aus Polizeibericht), darunter auch PassantInnen.
Schon seit den 80er Jahren treffen sich linke AktivistInnen an Silvester vor dem Stammheimer Knast um sich dort mit Parolen und Feuerwerk mit den sozialen und politischen Gefangenen zu solidarisieren. In diesem Jahr fanden sich etwa 50 AktivistInnen ein. Zunächst wurde auf der Vorderseite mit dem Zünden von Böllern und Raketen und dem Rufen von Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität“, „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall“ und „No Justice, no peace – Fuck the police“ begonnen. Es wurde dann zu verschiedenen Stellen rund um den Betonklotz gezogen, damit möglichst viele der Gefangenen etwas mitbekommen. In einer per Megaphon verlesenen kurzen Rede wurde auf den momentan im Stammheimer Knast stattfindenden Prozess nach den §§129 hingewiesen und die Gefangenen gebeten den einsitzenden politischen Gefangenen Grüße auszurichten.

Die Gefangenen antworteten aus ihren Zellen wie üblich mit Jubel und Parolen insbesondere gegen die Polizei. Letztere lies nicht sehr lange auf sich warten: Es trafen nach und nach immer mehr Streifenwagenbesatzungen ein und versuchten eine Person festzunehmen, da sie, entgegen den Aufforderungen, eine Rakete in Richtung Knastgebäude abgeschossen haben soll. Die Festnahme misslang jedoch.

Nachdem noch weitere Parolen gerufen und Raketen gezündet wurden, gingen die AktivistInnen zurück Richtung Bushaltestelle. Durch das Eintreffen weiterer Verstärkung inkl. Schäferhunden fühlte sich die Polizei offenbar ermutigt, nochmals einen Festnahmeversuch zu starten. Da dies erneut misslang wurde im Gerangel willkürlich eine andere Person von mehreren Polizisten angegriffen und schließlich festgenommen. Daraufhin kam es zu weiteren Angriffen von Seiten der Polizei aber auch zur Gegenwehr einiger AktivistInnen die die Polizeischläger mit Tritten, Fahnen und Feuerwerkskörpern von weiteren Übergriffen abhielten. Als von allen Seiten weitere Polizeikräfte eintrafen, wurde wahllos Jagd auf diejenigen gemacht, die sich noch in der Gruppe der AktivistInnen befanden. Durch Bisse von Polizeihunden kam es zu mehreren Verletzungen (darunter auch ein Polizist), ebenso durch willkürliche Knüppelschläge auf die Köpfe der Personen, die vor den Angriffen der in immer größerer Zahl eintreffenden Polizisten flüchteten. Ein Verletzter wurde blutüberströmt festgenommen und erst nach etwa einer halben Stunde an einen Krankenwagen übergeben. Er musste im Krankenhaus mit mehreren Stichen am Kopf genäht werden und die Nacht im Krankenhaus verbringen.

Weiträumig führte das Aufgebot aus etwa 60 Polizisten (Zahl nach Polizeibericht) im folgenden Kontrollen in Stammheim durch. Insgesamt wurden so 12 Personen (Polizeibericht) festgenommen. Unter den Festgenommenen befanden sich allerdings auch Jugendliche, die weder vom Knastspaziergang, noch von den Auseinandersetzungen etwas mitbekommen hatten. Noch mehr als eine Stunde später wurde nach AktivistInnen gesucht und Polizeikontrollen rund um den Knast durchgeführt.
Die Festgenommenen wurden alle nach etwa 2 Stunden wieder freigelassen.


Fazit: Wenngleich sich viele an Silvester sicher angenehmeres vorstellen können, als vor dem abgelegenen und von Mauern, Stacheldraht und Kameras umgebenen Stammheimer Knast in der Kälte zu stehen, ist die Stimmung in jedem Jahr äußerst gut. Das trifft sowohl auf die Leute vor, als auch die im Knast zu. Der erfolgte Polizeiangriff ändert daran nichts und wird sicher nicht zur Einschüchterung beitragen.

Der Polizeiangriff inklusive Verletzten und Festnahmen verdeutlicht einmal mehr die repressive Situation in Stuttgart. Während es generell an Silvester zu wohl kaum zählbaren Sachschäden und Verletzten durch Feuerwerk, Schlägereien u.ä. kommt, ging die Polizei massiv gegen eine vergleichsweise harmlose Ansammlung von Linken vor. Ohne das Einschreiten der Polizei wäre der Abend wie auch die Jahre zuvor ohne Zwischenfälle abgelaufen. Zur Durchsetzung der immer mehr an einen Polizeistaat erinnernden Normen wurde ein Großeinsatz und Verletzte auch auf der eigenen Seite in Kauf genommen.
Die AktivistInnen des Knastspaziergangs waren dabei nicht auf eine Auseinandersetzung aus. Angriffsflächen hätte es zu Beginn, als noch nur wenige Vorstadt-Streifencops provozierten, mehr als genug gegeben. Wie auf zahlreichen Demos der letzten Jahre, wurde aber einmal mehr gezeigt, dass Besonnenheit und der Verzicht auf deutliche Antworten auf die Polizeiprovokationen offenbar als Schwäche ausgelegt werden und gerade dann Angriffe erfolgen. Dies sollte zur Kenntnis genommen werden und die direkte Gegenwehr, dort wo sie möglich und sinnvoll ist, wie zuletzt bereits auf einigen Demonstrationen, weiter entwickelt und organisiert werden.


Solidarität mit den Betroffenen der Repression!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
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Ergänzungen

Welche

Maßnahmen 02.01.2009 - 12:01
wurden denn in Folge der Aktion durchgeführt?
Komplette ED-Behandlung?
Da heißt es wohl jetzt erstmal aufräumen zu Hause...
Solidarische Grüße aus Thüringen

maßnahmen

blubb. 02.01.2009 - 18:42
nö, keine ED-Behandlung, die Festgenommen wurden nur durchsucht und verbotene Gegenstände wurden ihnen abgenommen. Nach einer Stunde war's für die meisten vorbei.