Dortmund: Sozialticket zum Nulltarif freigeben

Christopher Dömges 28.12.2008 00:40 Themen: Soziale Kämpfe
In Dortmund nutzen 20.000 die verbilligte Beförderungsberechtigung.

Wolf Stammnitz (69), für die Fraktion der ehemaligen PDS im Rat der Stadt Dortmund: „Fortbewegung ist ein elementares Recht. Deshalb fordern wir von der LINKEN einen kostenlosen Nahverkehr innerhalb Deutschlands. Gerade die sozial schwachen werden es danken.“ Bis dahin, ach, ist’s aber noch lang hin!
Dortmund. Erstmal ist lediglich in einer handvoll deutscher Städte das Sozialticket für Leistungen empfangende Bürger eingeführt. Nicht zum 0-Tarif, wie es die LINKE (einst) verlangte. Aber bis um die Hälfte billiger, als die normal zur Personenbeförderung erhobenen Kosten. Berlin machte zu Beginn des neuen Jahrtausends den Anfang. In Dortmund gründete sich im Jahr 2003 die Initiative Sozialforum unter Beteiligung der Ex-PDS mit der Forderung nach einem kostenfreien Sozialticket zur Personenbeförderung im Nahverkehr innerhalb der BRD. Vorbild: Wie gesagt Berlin. Was ist draus geworden – in der Ruhrmetropole? Nach Ratseingaben der damaligen PDS, aufgrund einer breiten Basis und daraus folgender Unterstützung durch andere Parteien, startete 2007 unter Hoheit des Verkehrsverbunds Rhein Ruhr (VRR) der „Sozialmodellversuch“ mit der Mehrheit aus SPD, GRÜNEN und LINKEN. Zu deutsch: Seither dürfen die Dortmunder Leistungsempfänger, sofern sie es beantragen, mit dem Sozialticket für 15 Euro durch Dortmund fahren. Günstigster Preis im bundesdeutschen Vergleich! Aber: Im Hartz IV-Gesetz sind genau 15,46 Euro für die Personenbeförderung vorgesehen. Insofern ist eine kürzlich von der SPD für Dortmund geplante, abgeblockte Sozialticketpreiserhöhung um zehn Euro nicht gerechtfertigt. CDU und FDP plädierten ohnehin für eine Abschaffung, so Stammnitz, das Ratsmitglied. Er erläutert weiter: „Alle damit verbundenen Kosten tragen die Stadtwerke, über deren Gewinn hinaus springt die Stadt Dortmund ein.“ Rund 20 Tausend Menschen nutzen das Sozialticket allein in Dortmund, wo nicht nur dort der Zuspruch sehr groß ist. Eine dieser 20 Tausend ist Cora S. (Name bekannt), Hilfeempfängerin. Sie sagt: „Mit wenig Geld kann ich wenig machen. Es ist schon gut, dass es das Sozialticket gibt. Klar hätte ich mehr Möglichkeiten, wenn es gar nichts kostete. Aber man muss ja zufrieden sein.“ Das sehen die Dortmunder Demonstranten von der auch bundesweit stattfindenden Montagsdemo gegen Hartz IV anders. „Sozialticket zum 0-Tarif!!“, steht da auf Transparenten. LINKE-Mann Wolf Stammnitz war mal bei den Protestierern, berichtete von seinen Erfahrungen mit dem „Ticket“ im Rat. „Es wird beansprucht und gebraucht – nicht nur hier in Dortmund sondern flächendeckend - bundesweit – kostenfrei!“, so der „Rote“.
Letzter Stand in der sozialpolitischen Außeinandersetzung im viel besungenen Revier: Der VRR hat den Kommunen untersagt, Großkundenrabatte zu gewähren. Darauf beruht die Finanzierung des Sozialtickets. Der Zuschuss der Stadt müsste ergo steigen. „Es ist ungewiss, ob wir das im Rat durchkriegen“, meint Wolf Stammnitz. Weiter wird kontrovers diskutiert – außer/parlamentarisch!
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Berliner Sozialticket

Roland Ionas Bialke 28.12.2008 - 02:38
In Berlin ist das Sozialticket "Berlin Ticket S" auch noch nicht kostenlost. Es kostet 33,50 Euro und dazu wird eine Grundkarte gebraucht. Das heisst dann wieder: Rennereien und Kosten - Mindestens ein Mal im Jahr Fotos machen lassen und auch bezahlen (~ 10 Euro) und jedes halbe Jahr zum Jobcenter umd sich die Grundkarte abstempeln zu lassen. Das ginge auch einfacher bzw. unbürokratischer.

Sozialticket in Dortmund läuft aus

Martin 28.12.2008 - 16:53
Stadtwerke weisen auf Kündigungsrecht hin

Ein 15 Euro billiges Sozialticket wird nach Ablauf des zweijährigen Modellversuchs Ende Januar 2010 in Dortmund nicht ausgestellt.

"Finanziell wird das in dieser Form nicht mehr zu machen sein, das gibt der Haushalt nicht mehr her", setzt SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse einen vorläufigen Schlusspunkt. Wie berichtet, muss die Stadt den Stadtwerken allein für 2008 Mindereinnahmen von 4,9 Mio. Euro ausgleichen - und 2009 vermutlich 7 Mio. Euro. Die Überweisungen drohen künftig sogar noch höher auszufallen. Grund: Die CDU im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat durchgesetzt, dass die lokalen Verkehrsunternehmen ihren Großkunden (Betrieben wie dem Klinikum oder den Stadtverwaltungen) keinen Rabatt mehr beim Verkauf der Tickets gewähren darf. Fällt die Ermäßigung in Höhe von 16 Prozent weg, muss die Kämmerin noch tiefer in die Schatulle greifen - nicht mehr zu leisten. Gleichwohl kündigt Prüsse einen neuen Vorstoß "noch vor der Kommunalwahl" an, um das auch in anderen Städten diskutierte Sozialticket auf Landesebene ins Gespräch zu bringen. "Wenn, muss das Sozialticket landesweit kommen und das Land sich auch an der Finanzierung beteiligen."

Unterdessen sind die AboZahlen in Dortmund auf 23 500 gestiegen. Jeder, der mit einer 15 Euro billigen Fahrkarte unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, dass der Modellversuch Ende Januar 2010 endet - Beginn war im Februar 2008.

Ab Februar 2010 wird das Sozialticket in ein Ticket1000 der Preisstufe A umgewandelt. Es kostet zurzeit 48,90 Euro, ab August 2009 50,48 Euro. Wer bereits ein Sozialticket hat, kann sein Abo nach Ablauf eines Jahres jederzeit kündigen - auch kurz vor Auslaufen des Modellversuchs. Neue Kunden, die erst im Laufe des nächsten Jahres zum Sozialticket greifen, sollen nach Vorstellungen der Stadtwerke unterschreiben, dass sie über die Preiserhöhung ab Februar 2010 informiert sind.

Der Kampf für´s Sozialticket ist Klassenkampf

Dortmunder 29.12.2008 - 00:28
Beitrag Sturmi Siebers für Sozialforum Dortmund:

Kolleginnen und Kollegen,

während wir hier stehen, um Druck zu machen dafür, dass erwerbslos Gemachte, prekär Beschäftigte und Niedriglöhner sich auch in der ZWEITEN Monatshälfte noch die Fahrt zum Facharzt in die Stadt leisten können, zu Bekannten und Verwandten, die Fahrt zu Beratungsstellen, Veranstaltungen, Behörden, die Fahrt zum Einkauf, zur Tafel, Suppenküche, Kleiderkammer oder einfach mal die Fahrt ins Grüne ...

... während wir hier also stehen, knallen andernorts die Sektkorken. Gestern ging durch die Medien wieder der Bericht von einem neuen Rekord: „Größter BRD-Finanzkonzern feiert mit sechs Milliarden Euro ein Gewinnplus von 70 Prozent und eine Eigenkapitalrendite von 25%“. Die Rede ist von der Deutschen Bank, die in den letzten Jahren weltweit 30.000 Arbeitsplätze abgebaut und damit IHREN Teil zur skandalösen Massenerwerbslosigkeit beigetragen hat. Sie ist keineswegs ein Einzelfall. Die im Deutschen Aktienindex geführten großen Unternehmen sahnten allesamt kräftig ab.

Zwei Seiten der gleichen Medaille. Das Volkseinkommen, die Gesamtheit aller Einkommen stieg im letzten Jahr um 42 Milliarden € und unsere Gesellschaft - als Ganzes betrachtet - wird immer reicher. Aber dieser Reichtum wird immer einseitiger auf dem einen Pol dieser Gesellschaft angehäuft, dem der Kapitalbesitzenden, während auf dem anderen Pol die Armut immer drastischere Ausmaße annimmt.

Doch nicht diese unleugbare Tatsache wird von den Hartz-IV-Parteien in Berlin, Düsseldorf und Dortmund angegriffen! In Frage gestellt werden vielmehr die Löhne, soziale Standards und Sozialleistungen, die über Jahrzehnte hinweg erkämpft wurden. Finanzminister Steinbrück forderte im August letzten Jahres, wir sollten im Interesse unseres Landes weiteren Sozialabbau durch Verzicht auf Urlaubsreisen ausgleichen. Übersehen hat er dabei wohl, dass sich Millionen von Menschen Urlaubsreisen schon längst nicht mehr leisten können. Während der Bevölkerung in diesem Jahr Steuern und Abgaben um über 30 Milliarden € erhöht werden, wandert ein Drittel davon direkt in die Taschen der Unternehmer in Form von Steuersenkungen. Ein weiterer Teil geht in die Rüstung und Auslandseinsätze der Armee.

Die Reichen werden reicher, weil die Lohnabhängigen ärmer gemacht werden. Die Regierung hilft dabei. Nicht etwa, weil sie inkompetent und zu blöd ist oder falschen Wirtschaftslehren hinterherläuft. Diese Politik hat System und Methode und lässt sich auf einen Nenner bringen: die Kapitalverwertung, siehe Eigenkapitalrendite von 25% bei der Deutschen Bank, muss maximal gefördert werden, um im globalen Konkurrenzkampf die Nase vorn zu haben, die Nase der Konzerne. Das geht nur, wenn den Lohnabhängigen, den erwerbstätigen wie den erwerbslosen, die Nasen noch tiefer in den Dreck gesteckt werden.

Doch zurück zu unserem heutigen Thema: Es gibt Leute, die die Forderung nach einem Soliticket zum Nulltarif nicht unterstützen wollen, weil das ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, es müsse vielmehr Arbeitslosengeld und Sozialhilfe in einer Höhe gefordert werden, dass sich ein Soliticket erübrige. Recht haben sie: Arbeitslosengeld II und die Leistungen nach dem SGB XII müssen tatsächlich massiv erhöht werden, um denen, die ins Heer der – für die Kapitalverwertung - Überflüssigen gezwungen werden, ein einigermaßen erträgliches Leben und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe zu ermöglichen.

In den neuen sozialen Bewegungen hat sich inzwischen weitgehend durchgesetzt, als ersten Schritt eine Erhöhung auf mindestens 500 € plus Miete und HK zu fordern. Diese Forderung ist gut begründet. Am Stand des Sozialforum Dortmund liegt ein Argumentationsblatt dazu aus. Die Durchsetzung sollte mit aller Kraft angegangen werden, ist aber sicher kein sehr kurzfristiges Unternehmen, wäre immer noch ein Armutseinkommen, und erübrigt damit keineswegs die Forderung nach einem Sozialticket zum Nulltarif im ÖPNV hier und jetzt. Ein Sozialticket kann bei entsprechendem politischen Willen, sprich Druck von unten, sehr schnell vor Ort realisiert werden, würde den Berechtigten zumindest auf einem Teilgebiet, dem sehr wichtigen der sozialen Mobilität, Entlastung bringen. Sie würde im übrigen die Kommune mit Sicherheit nur einen Bruchteil dessen kosten, was jährlich allein in die Subventionierung des Flughafens geht. Lasst uns gemeinsam den notwendigen Druck machen!

Warum aber ein Sozialticket zum NULLtarif? Weil im Arbeitslosengeld II und Eckregelsatz des SGB-XII gerade mal 14,03 € pro Monat für sogenannte „fremde Verkehrsleistungen“ vorgesehen sind.

Wenn ich einmal im Jahr meine Kinder und meine Eltern besuche, sagen wir in Frankfurt und Bremen (so weit ist das ja nicht), ist schon der gesamte JAHRESsatz für Verkehrsleistungen futsch. Da bleibt für den ÖPNV NullKommaNichts über. Wer das nicht berücksichtigt, geht m.E. an der üblen Hartz-IV-Realität vorbei.

Ein zusätzliches Argument für den Nulltarif auf Dortmund-Pass ist die Tatsache, dass er so gut wie keine Verwaltungskosten nach sich zieht. Den Dortmund-Pass gibt’s eh schon bei den Sozialämtern der Stadtbezirke und damit hätte es sich dann. Allerdings muss viel besser und breiter über den Dortmund-Pass informiert und aufgeklärt werden!

Durchsetzen werden wir unsere Forderungen nur, wenn sehr viele aufstehn und aktiv werden - insbesondere auch die unmittelbar Betroffenen, und wenn wir uns vor allem nicht auseinanderdividieren lassen.

Die Grenzen verlaufen nämlich nicht zwischen Erwerbslosen und Erwerbstätigen, nicht zwischen Jungen und Alten, nicht zwischen Eingeborenen und Menschen ausländischer Herkunft, nicht zwischen den Völkern! Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten.

In diesem Sinne: Glück auf!


Und noch ein Link zu einer Umfrage zur Preiserhöhung:

 http://www.buergerforum-phoenix.de/de/dortmund-barometer/september-2008/meinungen-zur-erhoehung-des-preises-fuer-das-sozialticket/index.html

stand der dinge in hamburg

hvv-hasser 29.12.2008 - 01:54
in hamburg ist das sozialticket grade mal 18€ "günstiger" als das normale. statt 48 nun 30. wie sollen hartz4 beziherInnen das bezahlen?? kommt pünktlich mit der tariferhöhung im november.

dafür haben wir aber eine u4 und kontrolletis, die auch sonntags im bus kontrollieren!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

. — .

@um 0-Tarif!! — revolutionäre ideen

Grundrecht — mobi

@ Grundrecht — Zappa