[Berlin] Liebig14 Update

die Bewohner_innen 24.12.2008 02:25 Themen: Freiräume
Die Situation des Hausprojekts Liebig14 spitzt sich weiter zu. Inzwischen wurden sechs der insgesamt neun Wohneinheiten erstinstanzlich verloren und sind akut räumungsbedroht. Die Urteile der übrigen Prozesse werden in den kommenden Wochen verkündet.
Das Haus.
Die Liebig14 wurde wie viele der noch existierenden Berliner Hausprojekte Anfang 1990 besetzt. Nach der Räumung der Mainzer Str. im November desselben Jahres entschieden sich die Besetzer_innen mit dem Senat über eine Legalisierung des Hausprojektes zu verhandeln. 1992 gelang es, Mietverträge für insgesamt neun Wohneinheiten abzuschließen. Faktisch bedeutete dies, dass mit Ausnahme der Erdgeschosswohnung das gesamte Haus weiterhin kollektiv bewohnt werden konnte. Eigentümerin war die Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain (WBF).
Dies änderte sich im Jahr 1999. In diesem und im darauf folgenden Jahr kaufte ein junger Öko-Ingenieur gleich mehrere ehemals besetzte Häuser: Die Liebig14, sowie die angrenzenden Häuser Rigaer 94, 95 und 96. Suitbert Beulker war aufgetaucht und machte sich alsbald unbeliebt im Friedrichshainer „Nordkiez“. So wollte er die Häuser sanieren, mit eigener Stromversorgung eine Art Öko-Wohnblock für Mittelschichtler schaffen. Dass er sein ehrgeiziges Projekt gegen die Interessen der Bewohner_innen (kollektives, selbstbestimmtes und erschwingliches Wohnen) durchzusetzen suchte, sorgte in der Folge für bis heute andauernde, teils heftige Auseinandersetzungen.
Zur Zeit konzentriert sich Beulker offensichtlich auf die Räumung der Liebig14, was sich anhand einer Welle von Kündigungen aller bestehenden Mietverträge ausdrückt, aber dazu später mehr im Text.

Die Bewohner_innen.
Zur Zeit wohnen 29 Leute im Alter von zwei Wochen bis 37 Jahren in der Liebig14. Die Herkunft der Bewohner_innen erstreckt sich beinahe über den gesamten Erdball. Menschen aus Peru, Bolivien, Marokko, Slowenien, Israel, dem Sudan, Österreich, Frankreich, Russland, Ungarn und der BRD leben hier unter einem Dach. Drei davon haben erst kürzlich das Licht der Welt erblickt und sind gerade noch dabei sich daran zu gewöhnen. Die anderen beschäftigen sich mit künstlerischer und politischer Arbeit. Mehrere Leute verdingen sich als Musiker_innen oder DJ. Andere studieren, leben von Hartz4 und oder sind in verschiedenen Bereichen politisch aktiv.
Auf wöchentlichen Plena wird versucht, das Chaos aus verschiedenen Herangehensweisen und Erfahrungshintergründen konstruktiv zu nutzen. Manchmal klappt das ganz gut, manchmal nicht so. Die Hausgemeinschaft verbindet die Lust auf kollektives Zusammenleben und der Versuch, der grauen kapitalistischen Realität etwas entgegenzusetzen.
Leider versucht sich nun genau diese Realität daran, uns das Haus zu nehmen, die Liebig14 zu kapitalisieren.

Die Prozesse.
Wie bereits erwähnt wurden alle bestehenden Verträge durch Beulker und Edwin Thöne (Mitgesellschafter der Liebig14- Eigentümerin „Lila GbR“) mit unterschiedlichen Begründungen gekündigt. Dies wurde auch gleich mehrfach gemacht und mit so ziemlich jedem Schreiben wiederholt, das bei uns eingeht.
Die Klagen gegen diese Kündigungen wurden und werden derzeit vom Lichtenberger Amtsgericht verhandelt. Nachdem sechs der neun Urteile gefällt wurden, zeichnet sich eine klare Tendenz ab. Das Gericht hält immer mindestens einen Kündigungsgrund für rechtens und beschäftigt sich nicht oder nur am Rande mit Verfehlungen der Lila. (So wurden bereits seit mehreren Jahren keine Instandhaltungsmaßnahmen mehr durchgeführt, zu denen die Lila verpflichtet ist. Außerdem wurde das vertraglich garantierte Recht, die Verträge an andere Personen zu überschreiben, von der Lila nicht gewährt.) Wir gehen inzwischen nicht mehr davon aus, dass sich die anderen Richter_innen des Lichtenberger Amtsgericht anders entscheiden werden.
Ohnehin werden zumindest einige Prozesse nochmalig vor dem Berliner Landgericht verhandelt. Ob es dort zu anderen Entscheidungen kommt, ist unklar.
Prekär ist die Lage schon jetzt, denn bereits die erstinstanzlichen Urteile besagen, dass ebensolche sofort vollstreckbar sind – unabhängig von der Tatsache, dass sie noch nicht rechtskräftig sind. Soll heißen: die Liebig14 ist akut räumungsbedroht! Es ist jederzeit möglich, dass ein Brief des Gerichtsvollziehers ins Haus flattert. Zwei Wochen später könnten dann mehrere Hundertschaften der Polizei erneut ihren Stumpfsinn unter Beweis stellen und für Unmut im Kiez sorgen.

Wie weiter.
Auch wenn die Lage brenzlig scheint, gehen wir nicht davon aus, dass Beulker vorschnell Tatsachen schaffen wird. Es ist eher davon auszugehen, dass er die Prozesse vor dem Landgericht abwartet, um kein unnötiges (finanzielles) Risiko einzugehen.
Um genau jene Prozesse überhaupt führen zu können, benötigen wir noch einige Tausend Euro, weshalb ein Augenmerk auf dem Organisieren von Soli-Veranstaltungen liegt. So fand am vergangenen Freitag bspw. eine Party in der benachbarten Kommerzkneipe Zimt & Zunder (Rigaer96) statt. Im Januar steigt eine Party im WB13 (Hohenschönhausen) und im März im Rauch-Haus (Kreuzberg). Außerdem findet an jedem dritten Montag im Monat ein Soli-Tresen in der Kadterschmiede (Rigaer94) statt.
Politisch steht eine Demonstration mit anderen bedrohten (Haus-)Projekten im Februar/ März an.
Unterstützen kann mensch die Liebig14 aber nicht nur durch das Mitlatschen bei einer Demo oder dem gemütlichen Bier in der Kadterschmiede. Auch kreative und direkte Aktionen gegen Beulker, die Lila (Herrmann-Scheffler-Str. 11, 16540 Hohen-Neuendorf), die Hausverwaltung Oliver Rohr (Großbeerenstr. 2-10, 12107 Berlin-Mariendorf; Lessingstr. 28, 12305 Berlin-Lichtenrade) oder den Kinderschutzbund-Vorsitzenden von Unna, Edwin Thöne, sind ausdrücklich erwünscht.
Wer will, kann sich auch zu den kommenden Urteilsverkündungen im Amtsgericht Lichtenberg (Roedeliusplatz 1) einfinden. Sobald wir die nächsten Termine wissen, werden wir sie veröffentlichen.

Solidarität mit allen bedrohten (Haus-)Projekten in Berlin und überall!
Liebig14 forever!
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ich bin keiner von denen die . . . . .was? — Mensch-Meier-Erfinder

Nobelkarossentod — böder