Rifondazione zur Revolte in Griechenland

Fabio Amato + ROSSO 23.12.2008 03:29 Themen: Globalisierung Repression Weltweit
Auch in Italien geht die Diskussion über die Revolte in Griechenland und ihre Einschätzung weiter. Auf der zum linken Flügel von Rifondazione Comunista (PRC) gehörenden Website www.esserecomunisti.it erschien am 20.12.2008 das folgende Interview mit Fabio Amato, dem Außenpolitischen Verantwortlichen der größten Partei der (sich selbst so definierenden) „radikalen Linken“ Italiens, die gut 80.000 Mitglieder zählt, in Umfragen landesweit derzeit bei rund 3 Prozent liegt und seit dem Sommer mit knapper Mehrheit von eben jenem, recht buntscheckigen linken Flügel dominiert wird.
„Griechische Revolte: Die erste gegen die Krise“

Von Agostino Giordano

Fabio Amato ist nationaler Verantwortlicher des PRC für Außenpolitik. Wir führten mit ihm ein kurzes Interview über die Lage in Griechenland.

Wie ist Deine Einschätzung dessen, was in Griechenland geschehen ist und weiter geschieht?

„Die Ereignisse in Griechenland zeugen von einer Unzufriedenheit, die es in ganz Europa gibt und die alle rosigen Prognosen deutlich widerlegt, die in neoliberalen Kreisen bezüglich Wirtschaftswachstum, weit verbreitetem Wohlstand etc. gemacht wurden. Ein zur Schau gestellter Optimismus, der sich mit der harten Realität der Fakten beißt.

In Griechenland ist die Wut am Thema Anti-Repression explodiert und hat sich gegen den Polizeiapparat gerichtet, der sich mit einem schweren Verbrechen befleckt hat: dem Mord an einem fünfzehnjährigen Jungen. Der Kontext ist allerdings der einer wachsenden sozialen Mobilisierung gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung, die nicht nur von Schülern und Studenten getragen wird. Einer Politik, die, wie die Universitätsreform, Kürzungen am öffentlichen Bildungswesen vorsieht und dem Privatsektor Tür und Tor öffnet, was bislang auch die Zustimmung der PASOK fand. Das Ganze passiert, während die griechische Politik, das heißt die der beiden großen Parteien ((Nea Dimokratia und PASOK)), zusammen mit dem Rest der nationalen Leitungsklasse, Unternehmen sowie militärischen und religiösen Autoritäten von schweren Korruptions- und Misswirtschaftsskandalen erschüttert werden, die unter der Bevölkerung und in der Gesellschaft viel Unzufriedenheit akkumuliert haben. Der Ursprung des weit verbreiteten Protests ist ohne Frage in der ökonomischen und sozialen Dimension zu suchen. Die ist für eine prekäre Generation sogar von existenzieller Bedeutung, weil sie sieht wie die Lügen, auf denen das politische und soziale System in Griechenland bis heute beruhte, offensichtlich werden und sich ihre Zukunft in Luft auflöst.“

Genau diese Dimension erlaubt es uns, Analogien zur Lage in Europa insgesamt und damit auch in Italien zu ziehen, wo das Scheitern der neoliberalen Politik und die Krise des kapitalistischen Systems offenkundig sind. Das schafft sehr viel Spielraum für die Wiederbelebung einer starken sozialen Opposition…

„Ganz genau. Man muss in der Tat berücksichtigen, dass Griechenland eines der europäischen Länder mit den niedrigsten Löhnen und einem sehr hohen und sehr weit verbreiteten Ausmaß an Prekarität ist. Es ist kein Zufall, dass die wichtigsten Protagonisten der griechischen Revolte zur so genannten ‚Generation der 500 Euro’ gehören, das heißt zu jenem, überwiegend aus Jugendlichen, Studenten, Migranten und prekär Beschäftigten bestehenden, Teil der Gesellschaft, der Mühe hat, das Monatsende zu erreichen. Eine Generation, die in vielerlei Hinsicht derjenigen in den anderen europäischen Ländern (Italien inklusive) ähnelt. Hinzu gekommen ist jedoch die Solidarität großer Teile der griechischen Gesellschaft, die selbst kämpfen – angefangen bei den Arbeitern, die gestreikt haben und weiterhin zusammen mit den Schülern und Studenten demonstrieren.“

Haben diejenigen Recht, die sagen, dass die Revolte in Griechenland eine Revolte gegen die Parteien und die Politik ist (und über kein politisches Kennzeichen verfügt)? Wie verhält sich die griechische Linke gegenüber dieser neuartigen Bewegung?

„Es ist klar, dass die Revolte überwiegend einen sozialen Charakter hat und das Ergebnis eines objektiven gesellschaftlichen Bedürfnisses ist. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass man von einer allgemeinen Antipolitik wie in Italien sprechen kann. Im Gegenteil, die Revolte hat eine tiefe politische Bedeutung. Es ist notwendig, dass sich die Linke und die Kommunisten die Forderungen nach einer Veränderung zueigen machen, die dieser Sozialrevolte innewohnen. Das gilt nicht nur für Griechenland, sondern auch für Europa in seiner Gesamtheit. Ich denke, dass die griechische Linke gar nichts anderes tun kann, als dem Bedürfnis nach Veränderung und einer Alternative zuzustimmen, die ihre Gesellschaft durchzieht. Ich glaube, dass sie das zum Großteil auch bereits macht. Wir haben gesehen, wie sie alle sofort auf die Straße gegangen sind. Ich glaube, es ist notwendig das Misstrauen und die Schüchternheit zu überwinden, d.h. die Angst vor einer Bewegung, die neue Formen und Modalitäten besitzt. Es ist falsch, hinter allen Situationen von Rebellion ein Komplott zu vermuten. Wer das tut, der irrt. Die Revolte in Griechenland ist die erste Revolte gegen die Krise. Deshalb sind wir – genau wie es früher einmal in der Sowjetunion hieß – Fans der Revolte und deshalb muss der Appell, den Kampf auf das gesamte Europa auszudehnen, ohne zu zögern aufgegriffen werden.“



((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügung in doppelten Klammern: * Rosso))

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover.
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Ergänzungen

3 Prozent

... 23.12.2008 - 11:11
Irgendwie bedrückend: vor einigen Jahren schon sah es in Italien so aus, daß Berlusconi 50% Zustimmung bekam und auf die anderen 50% entfiel alles von links über sozialdemokratisch bis konservativ. Und das Bündnis der Nichtfaschisten hat nach seinem Ende dann verheerende Zukunftsaussichten hinterlassen: spätestens nachdem in den letzten Wochen die mafiosen Korruptionsstrukturen der Vertreter des alten (in den 80ern untergegangenen) Parteiensystems, die am genannten Bündnis beteiligt waren, aufgeflogen sind, dürften die 3 Prozent dann beinahe schon die gesamte Opposition zu Berlusconi sein. Er zählt heute als beliebtester Politiker in der Geschichte des Landes, die Umfragen machen ihn zum Kaiser. Irgendwie macht das ein komisches Gefühl.
Gehörte jetzt zwar nicht direkt zum Thema, aber irgendwie doch.

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