Totaler Kriegsdienstverweigerer verurteilt

Jonas Ahlgrimm 19.12.2008 22:53 Themen: Militarismus Repression
Stellungnahme der Linksjugend solid Basisgruppe Gießen zu meiner Verurteilung:

Wehrpflicht abschaffen!-Prozess gegen totalen Kriegsdienstverweigerer in Gießen

Beim Amtsgericht Gießen kamm es heute zur Verurteilung des totalen Kriegsdienstverweigerers Jonas Ahlgrimm. Jonas wurde zu einer Haftstrafe von 4 Monaten verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt...
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Die Staatsanwaltschaft forderte eine Strafe von 6 Monaten auf Bewährung zuzüglich Arbeitsstunden. Die Verteidigung plädierte für Freispruch. Der Verteidiger Christopher Spanke verwies auf die Wiedersprüche zwischen dem Gleichberechtigungsartikel und der Wehrpflicht, sowie zwischen der von Kriegsdiesnstverweigerern geforderten Distanzierung vom Militär und der Verflechtung des aus der Kriegsdienstverweigerung hervorgehenden Zivildienstes mit der Armee.

Jonas Ausführungen, welche in die gleiche Richtung zielten, stießen auf sehr positive Resonanz bei den ProzessbeobachterInnen. Jonas stellte klar, dass jegliche, auch indirekte Unterstützung des Militärs zu Wettrüsten, Imperialismus und somit zum Leid vieler Menschen weltweit beitragen. Außerdem sprach er sich gegen ein martialisches Männerbild aus, das Denken in nationalen und geschlechtersprezifischen Kategorien solle gesprengt werden, erläuterte der Angeklagte.

Auch Richter Dittrich blieb nichts weiter zu sagen, als dass das Gesetz nunmal so sei.
Unrühmlicher Höhepunkt der Verhandlung war der Ausschluss eines Prozessbeobachters. Nach Zwischenrufen wollte der Richter sogar den ganzen Saal ("von der hintersten Reihe her") räumen lassen. Nachdem sich eine Prozessbeobachterin in ihren Rechten verletzt sah (sie hatte nicht gestört) und sich raustragen lies, brach Herr Dr. Dittrich die Räumung des Saales ab.

Die Linksjugend solid Basisgruppe Gießen ruft alle zum Wehrdienst aufgerufenen Männer dazu auf, den Dienst ebenfalls total zu verweigern und so den Druck auf die poltischen Akteure zu erhöhen. Militärische Zwangsdienste, auch unterm pseudo-zivilen Deckmantel haben in einer solidarischen Gesellschaft keinen Platz!
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Ergänzungen

volle solidarität von mir

ehemaliger zivi 20.12.2008 - 02:54
ich habe mich damals für die vermeintlich einfachere lösung entschieden und habe zivildienst geleistet. heute muss ich zurückblickend sagen, dass ich mich anders entschieden hätte, hätte ich gewusst, was das bedeutet. als zivildienstleistender bist du soldat ohne waffe - und befehlsverweigerungen führen zu disziplinarmaßnahmen, dererlei es viele gibt. (sold nicht erhöhen, zwangsversetzung, wohnrecht entziehen und zwangsweise einquartierung... der zivibeauftragte zur lösung von konflikten ist übrigens echt scheiße! seine lösung lautete in allen mir inzwischen bekannt gewordenen fällen: versetzung in eine andere dienststelle. ) und verweigerungen von zwangsfütterungen, fixierung und anderen methoden aus dem vorletzten jahrhundert, die ich aus ethischen wie erziehungstechnischen gründen ablehnte, bedeuten eben diese befehlsverweigerung.
die hierarchie ist nicht nur formell da, der zivi bekommt sie oft zu spüren - auch wenn die meisten zivis so ihre methoden gefunden haben, damit umzugehen. (z.b. extrem langsames arbeiten, viele seminare besuchen etc.)
darüber hinaus dachte ich vorher immer, dass zivildienst z.b. im schwerbehindertenbereich (dort hatte ich zivildienst geleistet) eine gute sache seien. ich musste allerdings feststellen, dass für die betroffenen der zivildienst oft eben nicht die richtige hilfe darstellt - mit den geldern, die dafür draufgehen (und von denen der zivi nur nen winzigen bruchteil bekommt) könnten mehr ausgebildete menschen in diesen berufen arbeiten. das ist ein fakt, den ich auch erstmal schlucken musste.
wie auch immer - totalverweigerung finde ich heute super!
es müsste viel mehr aufklärung geben, damit mehr leute das machen.
meine hochachtung und hoffentlich erhöht das auch den politischen druck, denn als persönliche totalverweigerung ists heute wohl einfacher, sich ausmustern zu lassen. das können ja mittlerweile sogar zivis.

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Toby 20.12.2008 - 04:35
ich selbst habe auch den einfacheren Weg geleistet und meinen Zivildienst "abgeleistet", ob ich heute total verweigern würde weiß ich nicht, denn meine Erfahrungen mit dem Zivildienst waren soweit durchweg positiv. Natürlich muss man hier von Dienststelle zu Dienststelle diverenzieren, wo es einfach nur um die Pflege zu teuer gewordener Personen geht ist ein Zivi absolut fehl am Platz. Ich selbst war in einer Stätte für Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen angestellt, hauptsächlich hieß dass das ich mit anderen Zivis und Ehrenamtlichen Fußballgruppen, Jugendclubs, Fernsehabende... angeleitet habe. Die zumeist recht fitten Jugendlichen brauchten in der Regel alles andere als Pfleger, sie brauchten Kumpels die ihnen hier und da ein wenig unter die Arme greifen. Für die Jugendlichen war es allemal "cooler" mit anderen Jugendlichen um die Häuser zu ziehen als von Erwachsenen im alter ihrer Eltern beaufsichtigt zu werden, oder hättet ihr mit 16/17 Jahren bock dazu gehabt mit euren Eltern einkaufen oder ins Kino zu gehen? Auf dieser freundschaftlichen Ebene war dann auch der geringe Anteil an Grundversorgung problemlos auf würdevolle Art und Weise zu bewältigen.

Zivildienst muss als bei weitem nicht zwangsläufig auf die Kosten der zu betreuenden Menschen gehen, im Gegenteil es gibt sogar Fälle in denen ein engagierter Jugendlicher dem routiniertem Sozpäd oder Pfleger vorzuziehen ist. Meine Vorgesätztinnen, die mir im übrigen weit mehr Mitbestimmungsrecht und Freiheiten einräumten als mir gesetzlich überhaubt zugestanden hätten, wären bei der Fußballgruppe einfach Fehlbesetzt gewesen und ich gehe fest davon aus dass die Jugendgruppe bei weitem nicht so gut und vorallem nicht so integrativ angenommen worden wäre, wäre sie von z.T. über 50 jährigen alleine ausgeführt und geplant gewesen. In diesem Bereich war ein junger und frischer Wind absolut angebracht und unabdingbar und genau wie viele anderen Zivis besuche ich die Jugendgruppe sofern ich die Zeit finde noch immer gern von Zeit zu Zeit und werde noch immer freudigst z.T. mit Umarmungen empfangen.

Eine Erfahrung die ich jedem wünschen würde, ich habe gelernt dass Menschen mit geistigen Behinderungen im gleichen Maße auch Jugendliche sind wie jeder andere auch, mit den gleichen Problemen und Bedürfnissen wie jeder andere auch. Jedem aufgeklärten Menschen ist das auch so klar, dennoch, wer hat in seinem freundeskreis Menschen mit geistiger Behinderung? Kaum jemand weil auch unter den aufgeklärtesten Geistern Berührungsängste herrschen, erst wenn man verstanden hat dass man so genannte Behinderte nicht immer nur schützen muss, sondern in gleicher Weise behandeln und auch mal verarschen, necken, was man halt so unter Freunden macht, kann wie jeden anderen auch (dass tun sie übrigens genauso nach meiner Erfahrung), ist auch wirkliche Integration und Freundschaft möglich.

Dass wäre mal ein kurzer positiver Erfahrungsbericht aus der sicht eines ehemaligen Zivis, nichts desto trotz lehne ich aus von anderen bereits genannten Gründen an sich ab.

Ginge es dem Staat darum den Jungen Menschen ein soziales Handeln zu lehren und nahezubringen wäre es vielleicht noch hinnehmbar, obgleich es selbst dann eine perverse Absurdität darstellt zu glauben man könnte Menschen zu einer sozialen Gesinnung zwingen, sie dazu zu ermuntern hingegen, z.B. durch den Ausbau des freiwilligen sozialen Jahres oder einfach nur Unterstützung jener die sich in sozialen Einrichtungen engagieren hingegen würde ich persönlich begrüßen. Nicht zuletzt weil ein solches freiwilligenjahr für viele Jugendliche ein Auffangnetz zwischen Schule und Ausbildung sein kann und ihnen neben wichtigen Erfahrungne fürs Leben auch Zeit gibt sich über ihre Pläne für die Zukunft gedanken zu machen, würde ich letzteres Vorgehen begrüßen. Ob sich in die Richtung allerdings in absehbarer Zeit etwas ändert halte ich für Fragwürdig.

Das wirklich verabscheuenswerte an der Haltung des Staates ist aber dass die soziale Haltung der Jugendlichen, oder um genau zu sein der jungen Männer (womit wir bei einem weiteren Kritikpunkt wären), vollkommen irrelevant zu sein scheint, dass es eben nur darum geht die Kosten in sozialen Einrichtungen zu senken, weil alte Sack im Altenheim keinen voll bezahlten Job mehr wert ist. Da wird es wirklich pervers, da wird es wirklich kritikürdig.

Zudem sollte man auch nicht vergessen dass, ehemalige Zivildienstleistende noch immer, genau wie auch ehemalige Wehrdienstleistende, in Kriesenzeiten zum Kriegsdienst einziehen. Zwar nicht zum Dienst an der Waffe aber z.B. zum Dienst im Lazaret. Damit werden wir gezwungen jene wieder zusammen zu flicken die sich freiwillig und unter vollem Bewußtsein über die Gefahren ins Kreuzfeuer stellen um zu morden.

Deswegen hat der Autor so wie jeder andere Totalverweigerer meine vollste Unterstützung.

Kontinuität

Azzlam 20.12.2008 - 09:40
Ich schließe mich der Meinung von "ehemaliger Zivi" an.
Mit dem Irrglauben eine "gute Sache" getan zu haben, war ich staatlich dazu verpflichtet worden, einem kapitalitisch orientierten Metallverarbeitungsgewerbe (in dem hauptsächlich Menschen mit Behinderungen arbeiten) als billige Arbeitskraft zur Verfügung zu stehen und obendrein auch noch im Falle eines Krieges abrufbereit zu bleiben.
Fünf Jahre später wurden die Zivildienstleistenden hauptsächlich durch 1-Euro-Jobber ersetzt, was die Dimension der Perversion mancher, unter dem Deckmantel einer sozialen Einrichtung agierenden Werkstätten kollosal erweitert.
Daraus lässt sich das elitäre Vorgehen des Staates mit einfachen Worten darstellen: "Der Dreck kümmert sich um den Dreck", eine schier unglaubliche Adaption aus dem Dritten Reich, (damals) als Ghettowärter selbst Inhaftierte des Ghettos waren...
Entschuldigt bitte diesen dreisten Vergleich, doch im Geiste ändert sich nichts an den elitären Strategien der Machthabenden.


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