Neues aus Griechenland

Ludwig Börne 16.12.2008 21:17 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Auch über eine Woche nach dem Tod Alexis Grigoropoulos ist kein Abruch der Proteste in Sicht. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der Zeitung „Kathimerini“ sehen 60 Prozent der Griechen in den Unruhen nicht nur die Reaktion auf den Tod des Jugendlichen, sondern einen sozialen Aufstand und nicht einen als Exzess, einer kleinen Gruppe gewaltbereiter Krawallmacher, 76 Prozent waren zudem mit dem Verhalten der Polizei unzufrieden. Während dessen ist es auch die letzten Nächte erneut zu Ausschreitungen gekommen. Gerüchte in den Medien, italienische Anarchisten und Autonome seien nach Athen gekommen, wurden nicht von offizieller Seite bestätigt.
Situation am Sonntag – ein kurzer Einblick

Gegen 01.00 Uhr früh, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, ging die Polizei gegen Teilnehmer einer Mahnwache auf dem zentralen Syntagma-Platz vor, einige Jugendliche besetzten daraufhin die nahe gelegene Technische Universität und bewarfen die Polizei mit Steinen, wie es in den Medien hieß. Eine Polizeiwache im Stadtzentrum sowie mindestens drei Banken und mehrere Geschäfte wurden mit Brandsätzen angegriffen. Im Stadtzentrum und im Viertel Exarchia flogen Molotowcocktails, Menschen zertrümmerten Schaufenster und demolierten mit Vorschlaghämmern mehrere Bankfilialen. Die Polizei solle das Viertelverlassen, forderten Anwohner. Am Sonntag Mittag besetzten rund 30 Demonstranten der Organisation „Netz für Menschenrechte“ den Radiosender der Stadt Athen „Athina 984“. „Wir erleben etwas Großes“, sagte ein Sprecher, weltweit solidarisieren sich tausende Menschen mit uns. Die Besetzer sendeten die Internationale, das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung, und verließen dann den Sender wieder. In Thessaloniki gab es Auseinandersetzungen von rund hundert Jugendlichen mit der Polizei, bevor diese sich auf das Universitätsgelände zurückzogen. Auch in der Stadt Wolos in Mittelgriechenland kam es nach einer Protestdemonstration zu geringeren Unruhen, niemand wurde dabei verletzt. Auf der Insel Korfu und in den nordgriechischen Städten Serres und Xanthi sowie in der Hafenstadt Volos gab es Proteste gegen Polizeiwillkür, Korruption und Missstände im Bildungswesen. Zudem berichteten die Medien von Lasern, die von den Demonstranten in Athen eingesetzt würden, deren Strahlen gefährlich für die Augen seien und zum markieren und enttarnen von Zielen verwendet werden würden (  http://uk.youtube.com/watch?v=qtdXCnaRsGs).


Situation am Montag – kurze Zusammenfassung

Erneut rankten sich die Gerüchte um eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Faschisten. In den frühen Morgenstunden des Montags soll einem Blog zufolge ein lokal bekannter Faschist die Besetzer des Rathauses von Chalandri in Athen mit einer Waffe bedroht haben und gezwungen haben, es zu verlassen. Später gab es dann eine neue Besetzung des Gebäudes. Am Montag morgen waren dann wieder „offizielle“ Proteste von Schülern angemeldet. Aus Kreisen der Aufstandsbewegung wurde angekündigt, dass der Druck der Straße andauern werde, bis die Forderungen nach Konsequenzen in der Regierung und einer neuen Wirtschaftspolitik erfüllt seien. Jugendliche kündigten abermals an, sie wollten in dieser Woche täglich auf die Straße gehen. So begannen hunderte von Studenten am Montag Montag wieder einen Sitzstreik und blockierten damit die stark befahrene Chaussee Alexandras. Die Versammelten stellen keine Forderungen und beschränken sich zunächst auf einen Schweigeprotest. Es wurden noch mehrere Stadtstraßen blockiert, darunter am Gefängnis Koridallos, in der Nähe des Gerichtsgebäudes und vor dem historischen Haus der Universität Athen. Bei einer Protestkundgebung vor einem Gefängnis sei mit Molotow-Cocktails geworfen worden, wie die Polizei mitteilte, diese setzte Tränengas ein. Weitere rund 100 Menschen nehmen an einer Kundgebung vor dem Bildungsministerium teil. Im Zentrum von Athen versammelten sich ca. 3000 Schüler vor der Polizeidirektion (Alexandras Avenue), die von einem Großaufgebot an Sicherheitskräften geschützt werden musste, einige Demonstranten trugen Transparente mit der Forderung „Entwaffnet die Polizei“ oder „Sturz der Regierung“, wie das Fernsehen berichtete. Die Demonstration verlief zunächst ruhig. Auch vor dem Justizpalast war einiges los, dort sollten fünf der Festgenommenen, deren Zahlen schwankt immer noch zwischen 200 und 400 Personen, einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden. Als einige wenige Aktivisten vor dem Polizeirevier die Polizei mit Mehl bewarfen, feuerten die Beamten erneut Tränengas und nahmen Menschen fest. Vereinzelt warfen die Demonstranten dabei Orangen oder Plastikwasserflaschen dagegen, auch Eier kamen zum Einsatz. Davor hatten einige Demonstranten den Polizisten Blumen übergeben. Eine Protestaktion einer Band auf der Propylon wurde von der Polizei eingekreist und mit Tränengas angegriffen, während diese spielte. Am Abend zogen rund 2500 Menschen durch das Zentrum Athens und protestierten wieder gegen die Polizeigewalt. Auch in anderen griechischen Städten gab es Demonstrationen. In einem Vorort von Thessaloniki besetzte eine Gruppe Jugendlicher das Rathaus in Ioannina und auch ein Radiosender soll dort kurze Zeit besetzt gewesen sein. Auf der Insel Lesbos drangen Demonstranten vorübergehend in die Räume des staatlichen Radiosenders „ERA-Ägäis“ ein und sendeten Parolen gegen die Polizei.


Kurze Einschätzung in der Politik

Oppositionschef Georgios Papandreou forderte erneut vorgezogene Wahlen. Seine Partei habe „in den vergangenen fünf Jahren eine konstruktive Haltung eingenommen“. Es habe sich aber gezeigt, dass sich die „Probleme nicht unter den Teppich“ kehren ließen. „Es reicht! Jetzt muss das Volk entscheiden“, sagte er im Fernsehen. Es sei ein Irrglaube, soziale Spannungen ließen sich durch eine erhöhte Polizeipräsenz abbauen. Aus solchen Trugschlüssen entstehe Gewalt. Neuwahlen seien daher unausweichlich. Grund für die gewaltsamen Proteste sei ein weit verbreitetes Gefühl der Perspektivlosigkeit, der Ungerechtigkeit und der sozialen Ungleichheit, wurde er weiter zitiert. Die Regierung habe Ausgaben für die Bildungspolitik gekürzt und sei tief in Korruption verstrickt. Außerdem sei die griechische Wirtschaft wegen fehlender Modernisierungen immer noch von Subventionen der EU abhängig. Der konservative griechische Europaabgeordnete und frühere Verteidigungsminister Giannis Varvitsiotis räumte ein: „Wir haben als Gesellschaft und als politische Parteien versagt, nicht nur im Bildungswesen.“ Die griechische Regierung veröffentlichte am Sonntagabend eine Erklärung. Darin heißt es unter anderem: „Alle Griechen, darunter auch die Jugendlichen, fordern Taten statt Worte. Die Regierung geht diesen schwierigen, aber verantwortungsvollen Weg.“ Petros Constantinou, einer der Organisatoren der Proteste und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei, erklärte, die Proteste sollten über Weihnachten und Neujahr fortgesetzt werden, „bis dieses Regierung von Mördern geht“.


Die Proteste gehen weiter – ein kurzer Ausblick

Parteien und Gewerkschaften veranstalten in dieser Woche erneut Kundgebungen. Am Mittwoch um 18 Uhr wird die der KP nahe stehende Gewerkschaft PAME am Omonia-Platz eine Versammlung abhalten. Am selben Ort kommt es am Donnerstag um 12 Uhr sowie um 13 Uhr bei den Propyläen in der Panepistimiou-Straße zu weiteren Demonstrationen der Schüler. Am Freitag protestieren der Gewerkschaftsbund GSEE sowie die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ADEDY vor dem Parlament. Wie bereits in der vergangenen Woche muss auch in dieser Woche wieder mit Generalstreiks in Griechenland gerechnet werden, teilte das auswärtige deutsche Amt mit. Es warnte auf dessen Webseite vor einem weiteren Streik am 18. Dezember 2008, der den Verkehr in Griechenland stark beeinträchtigen könnte. Obwohl die Touristenzentren derzeit nicht betroffen seien, sollten Urlauber in Griechenland sich von den Zentren der Auseinandersetzungen fernhalten und sich regelmäßig über die aktuelle Lage informieren. M Moment gibt es den Aufruf zu einer allgemeinen landesweiten Bildungskundgebung in Athen am kommenden Donnerstag, den 18. Dezember. Die Studentenorganisationen planen zunächst weiterhin, die von ihnen besetzten Universitäts-Fakultäten bis zum 19. Dezember in ihrer Gewalt zu halten. An fast allen Universitäten der Stadt liegt der Lehrbetrieb seit einer Woche lahm. Die Studenten bereiten sich ebenfalls auf Umzüge am Mittwoch und Donnerstag vor. Rund 600 Schulen waren nach Angaben der Demonstranten in Griechenland weiter besetzt, auch mehrere Universitätsgebäude in Athen und Thessaloniki seien betroffen, hieß es von Seiten der Demonstranten. Nach griechischen Regierungsangaben beläuft sich die Zahl der besetzten Schulen indes immer noch auf nicht mehr als hundert. Zudem gibt es in Griechenland sehr aktive Bauern, die sich seit Jahren über stetig sinkende Erntepreise beklagen, während sie mit ansehen müssen, wie die Früchte ihrer Arbeit im Einzelhandel immer teuerer verkauft werden. Bereits in der Woche vor den Todesschüssen am 6. Dezember fanden die ersten Warnsperrungen von Fernstraßen statt, mit weiteren Sperrungen ist im Moment jederzeit zu rechnen.


Einkaufssituation in Athen und ein Anwalt der nicht aufhört zu provozieren

Unterdessen gingen im Stadtzentrum Athens die Aufräumungsarbeiten weiter. Viele Geschäfte, die während der schweren Unruhen in der vergangenen Woche beschädigt worden waren, hatten am Montag wieder geöffnet. Auch ein neuer Weihnachtsbaum sollte heute Abend im Zentrum aufgestellt werden und beleuchtet werden und somit den Abgebrannten ersetzen, gab die Stadt Athen bekannt. Athens Bürgermeister Kaklamanis gab in Rundfunkinterviews mehr als 520 teilweise oder völlig zerstörte Einzelhandelsgeschäfte an. Die Einzelhändler beklagen sich, dass der Durchschnittsathener statt der Läden in der Innenstadt lieber die in Außenbezirken befindlichen Großkaufhäuser aufsucht, Hotels beschweren sich über Stornierungen. Der Rechtsanwalt Kougias des Todesschützen hat mittlerweile eine Entlassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft beantragt. Er berufe sich dabei auf das unbescholtene Leben seines Mandanten und auf fehlende Fluchtgefahr sowie den Ausschluss der Wiederholung einer ähnlichen Straftat.


Kostas Karamanlis entschuldigt sich

Zehn Tage nach Ausbruch der Aufstände, hat sich der Ministerpräsident Kostas Karamanlis nun für Versäumnisse in den letzten Jahren entschuldigt. Chronische Mängel des Staates hätten zu Zuständen geführt, die nicht akzeptabel seien. „Ich weiß, die Bürger sind gekränkt. Ich übernehme unseren Teil der Verantwortung“, sagte der Politiker und versprach weitere Reformen. Während Karamanlis im Parlament sprach, schleuderten einige Menschen mehrere Molotow-Cocktails auf die Anlagen des Hauptsitzes der Bereitschaftspolizei in Athens Stadtteil Kaisariani. Ein Bus und ein Streifenwagen brannten völlig aus, wie das Fernsehen zeigte. Verletzt wurde niemand. Eine Gruppe von rund 30 maskierten Jugendlichen soll für die tat verantwortlich sein. Am Gebäude und an Einsatzfahrzeugen sei Sachschaden entstanden, niemand sei verletzt worden, teilte die Polizei mit. In vielen Teilen Athens gab es auch heute wieder Sitzblockaden auf den Strassen. In der Nacht zum Dienstag waren wieder mehrere kleine Gaskartuschen vor drei Bankfilialen in Athen explodiert, wie die Polizei mitteilte. In Athen und in Thessaloniki kam es im Laufe des Tages dann erneut zu gewaltsamen Protesten gegen die Polizei, in Thessaloniki demonstrierten Menschen vor einem Gericht, in dem ein Urteil gegen griechische Polizisten gesprochen wurde.


Kritik an der medialen Öffentlichkeit

Einige deutsche Zeitungen haben mit ihren ständigen Berichten und Kommentaren über eine Teilung der griechischen Gesellschaft und deren mangelnden Solidarität nicht unbedingt zu einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung beigetragen. Die Frankfurter Rundschau berichtete von einem „Land im Bürgerkriegszustand“. Der Athener Stadtteil Exarcheia, ein von Anarchisten und Libertären geprägtes Viertel wurde, anhand von einigen Zeitungen, kurzerhand zu einer von Drogenbanden und politischen Hooligans beherrschten „No-Go-Area“. Die Frankfurter Allgemeine druckte anfangs eine Menge Kommentare ab, welche sich gegen die Protestbewegung richtete. Die Zeitung „Eleftheros Typos“ in Griechenland schrieb von einer „Intifada der 15-Jährigen“. Das Ausbleiben von Molotowcocktails hatte zunächst die griechische Hauptstadt aus dem Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gezogen. Vielleicht stürmten heute eben aus solchen Gründen eine Gruppe Demonstranten das Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders Net in Athen und unterbrach das Programm. In der Nachrichtensendung riefen sie die Zuschauer zur Beteiligung an den Protesten auf. Als der Fernsehsender Net gerade eine Rede von Regierungschef Kostas Karamanlis vor Abgeordneten seiner Partei Nea Dimokratia zeigte, unterbrachen die Demonstranten das Programm (  http://www.youtube.com/watch?v=PK9lpMk7fiY) . Sie tauchten plötzlich eingeblendet für mehr als 20 Sekunden auf den Bildschirmen auf und hielten schweigend ein Transparent mit der Aufschrift „Hört auf fernzusehen und geht lieber auf die Straße“ hoch. Der Sender unterbrach nach einiger Zeit das Programm und sendete kurz Werbung. Über den Hintergrund der Unterbrechung wurden die Zuschauer zunächst nicht informiert. Etwa 40 Minuten später wandte sich Net-Chef Christos Panagopoulos an die Zuschauer. Der Sender sei Opfer einer „Invasion von kleinen Gruppen“ geworden, sagte er während eines Auftritts in den Nachrichten. Die jungen Leute hätten sich als Besucher in kleinen Gruppen Zutritt zu dem Sender verschafft und sich offenbar mit Fernsehtechnik ausgekannt. Sie hätten den Sendekontrollraum gestürmt und die dort arbeitenden Mitarbeiter hinaus getrieben, sagte Panagopoulos. Ein derartiger „Akt der Gewalt“ überschreite klar die Grenzen der Demokratie, fügte er laut den Medienangaben hinzu.


Solidarität und kein Ende in Sicht

Mittlerweile sind in Madrid 7 Jugendliche zu Haftstrafen verurteilt wurden weil sie auf einer Solidaritätsdemonstration festgenommen worden waren. Die Verurteilungen erfolgten wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand gegeben die Staatsmacht. Die Verurteilten werden demnächst, dem Anschein nach, nach Alcalá Meco oder Soto del Real ins Gefängnis gebracht. Währenddessen gingen die Protestaktionen in Europa und im Rest der Welt unvermindert weiter, mehrere Demonstrationen fanden und finden immer noch in Deutschland statt, doch auch diese bekommen im Moment weniger Aufmerksamkeit von den Mainstreammedien. Auch Sachbeschädigungen gab es erneut, in Berlin wurde ein Polizeigebäude angegriffen. Am 20. Dezember weltweit zu einen sogenannten „internationalen Aktionstag des Widerstandes“ aufgerufen.
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Ergänzungen

Porträt Alexandros

frosch 17.12.2008 - 08:12
Porträt Alexandros Grigoropoulos



(Zum freien, nichtkommerziellen Gebrauch für Druckvorlagen etc.)

Netzwerk f. Pol. + Soz. Rechte, Athen

achim.athen 17.12.2008 - 09:56
KEIN FRIEDEN OHNE GERECHTIGKEIT


Die Zügellosigkeit der Polizei

Leider kam der bestialische Mord an Alexis Grigoropoulos nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er war kaltblütig, widersinnig und vollkommen grundlos; trotzdem war es ein "Tod mit Ansage", unabhängig davon, was bisher von dem Mörder-Bullen und seinem Verteidiger-Paten gesagt wird. Und zwar deshalb, weil die Hand des Mörders geführt wurde von der verbreiteten, ungestraften und legalisierten Polizeigewalt der letzten Jahren gegen Migranten, Drogenabhängige, Roma und "lebenslustige" Jugendliche. Sie wurde bewaffnet von der allgemein eingeführten Polizeiherrschaft, der Verfestigung des polizeilichen Kannibalismus und der Figur des Rambo-Bullen, der stolz darauf ist, wie viele Migranten er geschlagen und wie viele Fixer er erniedrigt hat.

Alexis wurde auf dem Altar der “Sicherheit” geopfert. Im Namen dieser Sicherheit füllen sich die Städte mit uniformierten Mördern, werden Migranten in der Ägäis ertränkt, wird versucht, die Berufstätigen und die Arbeitslosen, die Entlassenen und die "Arbeitsfähigen" zu überzeugen, dass sie nicht von den Reichen, dem Kapital, dem Staat und den Multinationalen Konzernen bedroht werden, sondern von den noch Ärmeren als sie selbst, den Gejagten, den Parias, den Obdachlosen, denen, die "anders" sind.

Wie sehr es auch utopisch und gegen die Logik erscheinen mag, wir bestehen auf unseren Forderungen:
- Auflösung der Bereitschaftspolizei und der polizeilichen Sondereinheiten
- Entwaffnung der Polizei


Die Plünderung unseres Lebens

Neoliberalismus bedeutet mehr als nur der enthemmte Markt und mehr als nur die größere Ausbeutung und Unterdrückung derer "von unten". Es ist vor allem die ungezügelte Herrschaft der Reichen über die Armen, die absolute Mißachtung individueller und kollektiver Rechte und noch schlimmer: ihre Dämonisierung mit der Behauptung, daß diese Rechte schuld seien an der Besitzlosigkeit und der Verelendung, die auf dem Planeten herrschen.

Glücklicherweise ist der Mythos vom "Ende der Geschichte" zusammengebrochen. Dies Ideologie vom "Wohlstand der freien Märkte" steht am Pranger. Die Weltwirtschaftskrise läßt keinen Raum für auch nur die geringste Illusion über die Lügen der Herrschenden.

Die Regierung Karamanlis hat den öffentlichen Sektor demontiert, die Teuerung in die Höhe getrieben, hat den staatlichen Besitz geplündert, die Sozialversicherungskassen beraubt, hat Hunderttausende von Menschen zu prekären Lebensbedingungen verurteilt, zu Besitzlosigkeit und sozialem Ausschluß. Damit ihr das alles gelingen konnte, hat sie der Allesfresserei der Kirche gehuldigt sowie dem Kannibalismus von Justiz und Polizei. Dies ist die Regierung der allgemeinen Ausplünderung, eine Regierung, die sich selbst das Recht angemaßt hat, von "Plünderungen" und "Schutz des Eigentums" zu sprechen.

Diese Regierung, die die Umwelt zerstört, die den öffentlichen Sektor ausverkauft, die die menschliche Arbeit erniedrigt, die Flüchtlinge tötet und Kinder mordet, muß weg. Nicht, um von dem PASOK des Mordes an Kaltezas und des Verabschiedens der Terrorgesetze gefolgt zu werden, sondern weil wir sie nicht mehr ertragen, weil uns ein menschenwürdiges Leben zusteht.


Die Erhebung

Der finstere Mord an Alexis führte zu der größten Erhebung seit dem Ende der Juntazeit 1974. Breiter, massenhafter, das ganze Land umfassend und entschlossener als am 25. Mai 1976 gegen das Gesetz Nr. 330, als beim Polytechnikum 1980, als die Bewegung anläßlich des Mords an Michael Kaltezas 1985, als der Ausbruch, der auf den Mord an Nikos Temboneras im Januar 1991 folgte.

Diese Erhebung wurde nicht nur durch die brutale Hinrichtung von Alexis Grigoropoulos hervorgerufen. In ihr kommt der Druck, die Wut und der Haß einer ganzen Bevölkerungsgruppe (die "Prekären" nennen sie sie) zum Ausdruck, die tagtäglich die Wirklichkeit der tugendhaften Welt der Reichen auszuhalten hat: unsichere Lebensverhältnisse, Umherirren in der Arbeitswelt, tägliche Erniedrigungen, Polizeigewalt auf Plätzen, in Stadien und Straßen, Erstickung jeder Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben.

Unter den Tausenden von Menschen, die sich Straßenschlachten mit den Bullen liefern (die aber auch Banken und – leider, aber vollständig erklärlich – kleinere Geschäfte zerlegen), befinden sich große Teile unserer Jugend, Unterbeschäftigte, Arbeitslose, Schüler und Studenten, Einheimische und Migranten, Politisierte und Entpolitisierte, die die Gelegenheit ergreifen, ihren Haß auf die Bullen auszudrücken, auf die Reichen, auf die Symbole der Macht, des Reichtums und des Konsums; aber auch auf das, was sie sich wünschen und in diesem System des betrügerischen Luxus und der "Scheinheiligkeit des Wohlstands" nicht haben.

Zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß – außer dem anarchistisch-antiautoritären Umfeld, das aus Prinzip an den Zusammenstößen teilnimmt – große Teile der radikalen Linken, trotz aller Widersprüche mit dem "Entglasen" und den "Verwüstungen", sich nicht dem Ruf nach Recht und Ordnung angeschlossen und die "Auswüchse" nicht verurteilt haben, sondern auf die Straße gegangen sind. Sie demonstrierten mit den "Vermummten" und riefen: "Sie reden von Gewinnen und Verlusten, wir reden von menschlichen Leben". Sie verstanden, daß "die Praxis vor der Theorie kommt" und stellten sich bedingungslos der polizeilichen Barbarei entgegen. Wir hoffen, das bleibt so…

Wenn die Jugend erschossen wird, muss die Linke sich nicht rechtfertigen!


Ungehorsam und Zusammenstoß

Von Brixton und Los Angeles bis zu Genua und dem Aufstand in den Pariser Vorstädten zeigt sich, daß – gut oder schlecht, aber auf jeden Fall in der Realität – die Furten und Wege des sozialen Widerstands von dem allgemeinen Zustand der Gesellschaft und der Bewegung abhängen. Was sollen wir machen? Der Zustand der Gesellschaft, der Bewegung und der Linken (aller ihrer Strömungen) erlauben, daß wir mit vielen Tausenden wegen der Ermordung eines 15jährigen auf die Straße gehen, aber er reicht nicht aus für die Herausbildung einer kämpferischen Bewegung mit einem umfassenden politischen Plan. Würden wir Jahrestage des Protestes vorziehen? Vielleicht ist es besser, die Art und Weise zu überdenken, in der sich dieses gesellschaftliche Potenzial, das geplündert und erstickt wird, wirkungsvoll ausdrücken könnte.

Als Netzwerk nehmen wir bedingungslos an der Erhebung gegen die Regierung, die Reichen und die Polizei teil und unterstützen diese Bewegung.

Wir begrüßen die gesellschaftliche Wut gegenüber der plündernden und terroristischen Regierung; wir begrüßen die Empörung von Millionen von Menschen über den Mord an Alexis Grigoropoulos; wir begrüßen die Teilnahme von Zehntausenden Jugendlicher und junger Leute an den Angriffen auf Polizeireviere.

Gegenüber den Äußerungen des Ministerpräsidenten, mit "harter Hand" durchgreifen zu wollen, gegenüber der Anbetung der gesetzmäßigen Ordnung durch die größte Oppositionspartei [PASOK], den "Wohlverhaltensaktionen" von Bullen, "aufgebrachten Bürgern" und Faschisten, gegenüber den Verbeugungen des Gewerkschaftsdachverbands GSEE und der "unversöhnlich klassenkämpferischen" Kommunistischen Partei vor der Legalität und Recht und Ordnung, gegenüber den Verdrehungen der Wirklichkeit und den Verleumdungen der Massenmedien, vor allem der Fernsehkanäle, erklären wir, daß die Antwort nur eine sein kann:

Die gesellschaftlichen Kämpfe sind weder "unschuldig" noch "schuldig"; sie sind gerecht. Wenn Tausende von Menschen sich vermummen, haben sie ein Gesicht!


9. Dezember 2008

Netzwerk für Politische und Soziale Rechte

Samstag 20.12 überregionale Demo in Hamburg

egal 17.12.2008 - 11:53
Solidarität mit den Betroffenen staatlicher Repression in Griechenland und überall!
Freilassung der Gefangenen und Einstellung aller Verfahren!
Kapitalismus abschaffen - Patriarchat versenken!


Samstag 20.12.08
Überregionale Demonstration
14 Uhr Uni Hamburg/Allende-Platz
Richtung Hauptbahnhof/St. Georg


Samstag 20.12.08
Kundgebung am griechischen Konsulat
ab 17 Uhr Gänsemarkt / ABC-Straße

zu den gruenen Lasern

wens interessiert 17.12.2008 - 15:41
Diese gruenen Laser wurden von Autonomen anscheinend genutzt, um Angriffe zu koordinieren.
Siehe ein Video der BBC:  http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/7782039.stm

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