Berlin: Ermittlungs-Bruchstücke mg-Verfahren

the story must go on 14.12.2008 18:47 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Zum Fraß vorgeworfene Ermittlungs-Bruchstücke in einem der bekannt gewordenen mg-Verfahren.
Ein Schreiben vom Bundesamt für Verfassungsschutz-Eine Überraschung?!?
„Anliegendes Schreiben wurde Ihnen bereits am 17.Oktober 2008 mittels Postzustellungsurkunde übersandt. Leider ging die Zustellungsurkunde auf dem Postweg verloren. Ein Nachweis, dass Sie anliegendes Schreiben erhalten haben, liegt hier somit nicht vor. Um sicherzustellen, dass Ihnen das Schreiben tatsächlich zugegangen ist, wird Ihnen daher das Schreiben ein weiteres Mal übersandt.“
Das „Mit freundlichen Grüßen …“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz unterzeichnete Schreiben wurde W.B. Anfang Dezember 2008 auf dem dieses Mal sicheren Postweg zugestellt. Darin stand geschrieben, dass in der Zeit vom 15.03.2004 bis 26.10.2006 gemäß §12 Abs.1 G 10 … sein Telefon, seine E-Mail’s und Postverkehr überwacht, aufgezeichnet und geöffnet worden ist.

Zum ersten Mal wurde W.B. so von offizieller „Behördenseite“ mitgeteilt, dass gegen ihn über Jahre nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt worden sind. Eine „Überraschung“ ?
Beginnen wir von vorne:

Am 8.Nov. 2003 wurde über die Zeitschrift „Focus“ bekannt gegeben, dass „ Feierabend Terroristen“ vom BKA enttarnt worden wären. W.B. erfuhr durch diese und andere Presseveröffentlichungen, dass das BKA gegen vier schon etwas in die Jahre gekommene politische Aktivisten ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in der „militante gruppe (mg)“ führt – und dass ER einer davon sein sollte.

Anzumerken ist, dass in den ersten Tagen diese Presseinformation ungeprüft übernommen wurden. Das Spektrum reichte vom Berliner Kurier „Berlin: BKA enttarnt linksradikale Gruppe – Terroristen aßen Pizza mit dem Kanzler“, über die Berliner Zeitung „Polizei hat angeblich mehrere linksextremistische Gewalttäter enttarnt, sie sollen zur berüchtigten Militanten Gruppe (mg) gehören“ bis zum Neuen Deutschland: „Feierabend Terroristen enttarnt“.
Gegen diese Berichterstattung konnte eine als Terrorist diffamierte Person in zwei Zeitungen eine Gegendarstellung erwirken.

Wie W.B. sich angeblich dazu verhalten haben soll, liest sich im BKA Protokoll der TKÜ vom 08.11.03 (16:52): „Als erste Reaktion lacht B.“, und am nächsten Tag - wiederum laut TKÜ- soll er „… das Ganze nur ein bisschen witzig“ gefunden haben, er, als Alt-Autonomer, Mitglied der „militanten gruppe (mg)“ …!!!

W.B. tat dann, was alle tun würden: Über seinen Rechtsanwalt beantragte er am 13.November 2003 erstmalig Akteneinsicht. Die Antwort kam nach 5 Wochen, und dass liest sich dann so:

„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, den von Ihnen im Bezug genannten Medienberichten zu Ermittlungen gegen Mitglieder der so genannten Militanten Gruppe liegt keine Presseerklärung des Generalbundesanwalts zugrunde.
Ich sehe daher zu einer Erläuterung der Meldung oder anderen Maßnahmen in diesem Zusammenhang keinen Anlass.“
Letztmalig wurde mit einem von Frau Bundesanwältin Vanoni unterzeichneten Brief vom November 2007 ein weiterer Antrag auf Akteneinsicht auf Eis gelegt:
„…dass die begehrte Akteneinsicht derzeit nicht gewährt werden kann, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Nach Abschluss der Ermittlungen werde ich auf ihr Akteneinsichtsgesuch zurückkommen.“

Die Jahre vergingen und die Sammelwut des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des BKA war nicht zu stillen. Am 09.05.2007 wurden unter Federführung der Bundesanwaltschaft (BAW) unter anderen bei den drei anderen Beschuldigten des „mg“ Verfahrens im Vorfeld des sich organisierenden Widerstandes gegen das G8 Treffen in Heiligendamm Durchsuchungsaktionen durchgeführt.
Dadurch und durch die am 31.07.2007 festgenommenen drei Antimilitaristen in Brandenburg/Havel, welche auch sogenannte Mitglieder der „militante gruppe (mg)“ seien sollen, kamen immer mehr Informationen über die Ermittlungsmethoden des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes ans Tageslicht.
So musste W.B. feststellen, dass schon vor Beginn dieses Ermittlungsverfahrens im Jahre 2003 gegen ihn umfangreiche operative Maßnahmen durchgeführt wurden. Dazu zählen folgende belegte Maßnahmen:

· TKÜ (Telefon- und Handyüberwachung)
· E-Mail-Überwachungen
· Post-Überwachung und Öffnung
· Ausstattung des Firmenwagens mit GPS-Übertragungstechnik
· Videoüberwachungsmaßnahmen der Wohnanschrift
· Personen-Observationsmaßnahmen
· Überwachung von allen Telefonaten mit einer Telefonkarte aus öffentlichen Telefonzellen, nach dem durch Erkenntnisse aus Observationen, 1x der Standort, Zeit, Telefonzellennummer und Telefonkartennummer beim Betreiber abgefragt wurden. Der Betreiber wurde zur sofortigen Übermittlung aller Verbindungsdaten dieser Telefonkartennummer verpflichtet.

Vergleichen wir nun das Schreiben vom Dezember dieses Jahres mit obigen bekannt gewordenen Maßnahmen und geben dann die noch nicht offen gelegten dazu, dann schwankt doch die eine oder andere zwischen einem mehr als müden Lächeln und einem aufrechten Dankeschön für das wirklich aufschlussreiche Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Gedankt sei auch den Menschen, die sich um die jahrelangen Maßnahmen verdienstvoll gekümmert haben: „Die Überwachung wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz beantragt (§…), vom Bundesministerium des Innern angeordnet (§…) und von der vom Bundestag zur Überprüfung solcher Maßnahmen gebildeten Kommission für zulässig und notwendig erachtet (§…).“
Da unterschreiben Jahr für Jahr und Monat für Monat Richter und Bundestagsabgeordnete Anträge für Überwachungsmaßnahmen, ohne die Hintergründe zu prüfen. Parteizugehörigkeit bei den „Grünen“ oder in der Partei „Die Linke“ ist da einerlei.

Diese Überwachungsmaßnahmen haben weit mehr Menschen betroffen, als nur die bis heute namentlich bekannten Ermittlungsverfahren, unter welchem Vorwand auch immer.
Denn solange Menschen sich mit einer kritischen Haltung den herrschenden Verhältnissen gegenüber politisch organisieren und ihren Widerstand in verschiedenen Formen praktizieren, wird die Antwort des Staates Repression sein.

Falls jemand Schreiben vom BfV erhält oder erhalten hat, könnt ihr euch vertrauensvoll an den ERMITTLUNGSAUSSCHUSS im Mehringhof wenden. (EA, im Mehringhof Di. 20-22 Uhr, Gneisenaustr.2a -10961 Berlin). So verhindern wir einen vereinzelten oder isolierten Umgang damit.

Donnerstag, 18.12.2008, 18:30 Uhr im CLASH
im Mehringhof Gneisenaustr. 2a

Veranstaltung
zum Prozess gegen AXEL, FLORIAN und OLIVER
mit Berichten vom Solibündnis
und Internationalen Prozessbeobachtern
aus Griechenland und der Schweiz

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Ergänzungen

Spekulationen

Lolli-Lutscher 15.12.2008 - 06:26
Die Spekulationen werden da sicher nicht weiterhelfen. Das was die Betroffenen das versuchen, nämlich Informationen zu sammeln, ist genau das Richtige. Und Wir können davon ausgehen, dass im Fall "mg" noch nicht der letzte Drops gelutscht ist.

Die Lage der drei Anti-Miltaristen ist ziemlich schlecht. Die Streifenhörnchen fahren Spezialeinheiten auf um die Angeklagten zu beschatten und ausgerechnet dann stehen glühende Nobelkarossentods an den MAN-Fahrzeugen. Das Positive ist, dass die MEKler zu dumm waren einen Feuerlöscher mitzunehmen. Aber es beweist nichts, denn es gibt nur die Aussagen der Polizisten und der Festnahmestandort im Bezug auf das MAN-Gelände.

Schön, dass wenigstens einige Menschen die drei unterstützen. Noch besser fände ich es, wenn sich auch mit der mg solidarisiert werden würde.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Theorie

Theoretiker 15.12.2008 - 00:27
Ich würde ja sagen, die Sache lief in etwa so ab:

Leute von anderen "Gruppen" haben sich unter dem Namen von der MG zu einem Angriff hinreissen lassen, diese anderen "Gruppen" sind meistens Personen aus anderen Ländern, was jetzt keinen Rassismus sein soll, sondern einfach das Wissen, das in Berlin etwa 180 verschiedene Nationen teilweise auch ihr (un)Wesen treiben.

Das war der einzige Angriff der jemals so verübt wurde...

denkt mal drüber nach wers war?

Es wurden immer nur Angriffe sonst auf andere Dinge verübt.

Wer nicht weiß was ich meine: Es geht um den Brandsatzangriff auf das Gebäude des Polizeipräsidenten, so "scheisse" wie die Putzilei auch sein mag, irgendwer muss die Vergewaltiger und Mörder auch einsperren oder wollt ihr das Griechenland auch in Berlin ist?

Wenn ihr das wolltet, dann schmeißt doch eure Steine, aber auch im Krieg gibt es Verlierer und am Ende gibt es dann keine Köpi mehr, in Berlin und vorallem in Deutschland funktioniert die Sache so gut wie sie ist, Griechenland ist Griechenland, mehr nicht.

Griechen sind die WAHREN Anarchisten, die zerstören jetzt alles bis sie sich schöne neue Häuser bauen können wo die Stahlträger oben rausgucken.

Würde dies gerne in einem eigenen Thema diskutieren, hier bot es sich aber an.

Ich hoffe Indymedia steht wirklich für "independent" nicht für rot-gefärbte Propaghanda lügen....

..die richtigen wurden an die Wand gestellt, Baader war ein großes Arschloch, keine Frau würde ihn in Arm nehmen wollen, nur die Angst trieb die Leute in seine Hände.

So gute Nacht!

ANARCHY AND PEACE TO THE WORLD!

pro mundi beneficio!

Ergänzung zum Theoretiker

Ganz K L U K E R 15.12.2008 - 01:31
Ich vergaß noch zu schreiben, das der Staat doch sammeln soll wie er möchte: Wer ist Staat?

Mensch, Mensch = wir alle, heißt der Herr Nachbar Müller und ja.... gibt dazu nichts mehr zu sagen.

Einfach mal Wortherkunft "Demokratie" eingeben bei der Suchmaschine ihrer Wahl

Anarchy and peace...thanks brothers and sisters!

(b kommt vor s im Alphabet daher die Reinfolge so)

Gruß ausm Gullak

J.

Entschädigung now! :-)

$999999999999999999999999 15.12.2008 - 05:11
Im Grunde müßten sie jede/n, den/die sie hier belästigt und belagert haben, ohne daß es zu irgendeiner relevanten Verurteilung vor Gericht führte, 'ne saftige Entschädigung aus der Staatskasse latzen. Dann wäre bald Schluß damit!

MG-FAN

Panokrat 15.12.2008 - 13:04
Da zeigt sich doch das braungefärbte denken, jemand der Anarchist ist würde niemals die Gefahr eingehen das er mit Waffen oder ähnlichem anderen Menschen schadet!

Der Anarchist möchte eine bessere Welt und keine Welt zerstören! In manchen Fällen funktioniert die Welt nicht mehr wie in Griechenland daher die Zerstörungs-Wut-Ausbrüche.

Ich hab keinerlei Respekt oder Angst vor einer MG, Mgs gehören in den Kriegen und die RAF ist auch erfolgreich gescheitert.

Denkt doch einmal nach hier! Wer sagt das die MG keine Gruppe von ganz rechts außen ist oder in diese Richtung abgedriftet ist!

Kampf für die Freiheit ja, aber die Mittel sollten wohl überlegt sein!

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

@Panokrat

Autonomer 15.12.2008 - 16:36
"Da zeigt sich doch das braungefärbte denken, jemand der Anarchist ist würde niemals die Gefahr eingehen das er mit Waffen oder ähnlichem anderen Menschen schadet!
Der Anarchist möchte eine bessere Welt und keine Welt zerstören!"

Wenn die Ausführung einer physischen Gewalttat uns näher zu einem solidarischen Gesellschaftssystem führt, in dem dann weniger Gewalt ausgeübt wird (keine hunderttausend Menschen, die verhungern müssen; kein Zwang zur Lohnarbeit), dann bringt das uns einer besseren Welt näher. (Michail Bakunin, ein Ur-Anarchist, nannte das "Propaganda der Tat".)
Über dieses "Wenn" lässt sich streiten, aber prinzipiell kann die Legitimität auch von rechtswidrigen und/oder militanten Aktionen aus humanistischer Sicht nicht in Frage gestellt werden, da wir in einer inhumanen Gesellschaft leben und jede Tätigkeit, die zu einer anderen, solidarischen Gesellschaft (Kommunismus und/oder Anarchismus) führen kann, zu befürworten ist.
Die Frage ist eher, ob die konkreten Aktionen der mg die Abschaffung des Kapitalismus beschleunigen (egal wie marginal auch immer) oder ob solche Aktionen die falsche Taktik/Strategie zur Sensibilisierung/Politisierung/Solidarisierung der Bevölkerung darstellen.

SOLIDARITÄT MIT DER MILITANTEN GRUPPE.
(Und das, obwohl ich inhaltlich keineswegs in allen Punkten mit der mg übereinstimme)