zu den Ereignissen in Patras, Griechenland

Anarchist 12.12.2008 17:52 Themen: Weltweit
Faschisten und Bullen greifen gemeinsam Demo an. Bericht, Einschätzung ...
Angriff der Faschisten: Erinnerung an die Zeit der Junta

Am 9. Dezember, dem Tag der Beerdigung von Alexandros und einen Tag vor dem Generalstreik, fand in Patras eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der Verwaltungsmetropole statt. Bis zu 5.000 Menschen zogen unter schwarzen Fahnen und mit Transparenten gegen die Polizeigewalt durch die Straßen. Am Abend lernten sie diese Gewalt in einer Form kennen, die es seit dem Ende der Militärdiktatur, der Junta, so nicht mehr gegeben hatte. In einer perfekt synchronisierten Aktion griffen Polizisten und Faschisten gemeinsam die Demonstration an. Augenzeugen fragen sich vor dem Hintergrund des heutigen Generalstreiks, ob die in die Enge getriebene Regierung, sich der Faschisten als nützliche Idioten bedienen wird.

Der Dienstag begann mit einer der größten Kundgebungen in der Geschichte von Patras. Zwischen 3.000 und 5.000 Menschen waren dem Aufruf lokaler anarchistischer Kollektive zu einer Demonstration anlässlich der Beerdigung von Alexandros gefolgt. Während der Demonstrationszug durch die Straßen der Stadt zog, die mit rund 120.000 Einwohnern das Verwaltungszentrum Westgriechenlands darstellt, begann die Polizei große Mengen an Einheiten rund um ihre Zentrale zusamenzuziehen, um diese vor den wütenden Menschen zu schützen.

Gegen Ende der Demonstration ging die Polizei zum Angriff über und zwang die TeilnehmerInnen gewaltsam zum Rückzug Richtung der Parartima, des historischen Universitätsgebäudes der Stadt. Kurz darauf begann ein bis dahin nicht für möglich gehaltener Angriff: Dutzende von Faschisten, die offensichtlich aus ganz Griechenland zusammengekarrt worden waren, griffen die Demonstration mit Messern und Steinen an. Der Überfall war perfekt mit der Polizeistrategie koordiniert, Augenzeugen sprechen sogar davon, dass die Faschisten Leute festgenommen und der Polizei ausgeliefert haben. Für die älteren TeilnehmerInnen der Demonstration kehrte in dieser Nacht die Vergangenheit zurück: Sie sahen sich attackiert von einem Mob, der Tränengasgranaten aus dem Arsenal der Polizei nach ihnen warf und dabei "Blut - Ehre - Goldene Dämmerung", den Namen einer faschistischen griechischen Organisation, brüllte. Für eine Nacht schienen die Jahre des Obristenregimes, der Junta, zurückgekehrt, in denen die Faschisten als verlängerter Arm des Staates die Bevölkerung terrorisierten.

Unter dem Eindruck der kombinierten Angriffe von Polizei und Faschisten mussten sich die verbleibenden rund 500 DemonstrantInnen in Gruppen in umliegende Wohnungen zurückziehen. Versuche der Polizei und von Faschisten, einige Wohnungen zu stürmen, konnten verhindert werden.

Die bügerlichen Medien machten aus den Faschisten, in nahezu wortgleichen Meldungen, umgehend "lokale Geschäftsleute", die ihr Recht "in die eigenen Hände genommen hätte". Wenn man einmal von dem Umstand absieht, dass keinerlei lokale Geschäfte während der Demonstration in Mitleidenschaft gezogen worden waren, strafte sich diese Presse mit ihren Bildern umgehend selbst Lügen. Dort waren die vorgeblichen "Ladenbesitzer" und "gesetzestreuen Bürger" abgebildet: Sie hatten Sturmhauben aufgesetzt und hielten Messer in der Hand!

Dafür, dass es sich bei dem Zusammenspiel von Polizei und Faschisten nicht um ein zufälliges Ereignis, sondern um eine geplante und koordinierte Aktion handeln könnte, spricht noch ein weiteres Detail. Im griechischen Indymedia-Netzwerk berichteten seit Montag Menschen aus mindestens zwei Dutzend Städten übereinstimmend, dass Polizisten lokale Ladenbesitzer aufgefordert hätten, ihre Läden am Dienstag zu verbarrikadieren und sich zu schützen. An allen Orten habe man den Ladenbesitzern erzählt, am Dienstag, dem Tag der Beerdigung würden Busladungen von Anarchisten, wahlweise aus Athen oder Thessaloniki in ihrer Stadt einfallen, um diese zu verwüsten. BeobachterInnen sehen das gezielte Vorbereitung mit dem Ziel, Überfälle wie den in Patras zu legitimieren.

AktivistInnen in Griechenland nehmen die unglaublichen Vorfälle in Patras sehr ernst. Vor dem Hintergrund einer in die Enge getriebenen und um ihre Pfründe fürchtenden Regierung und einer Polizei die kein Mittel gegen die Wut einer ganzen Generation zu finden scheint, ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Behörden erneut die faschistischen Kettenhunde von der Leine lassen, derer sie sich auch in der Vergangenheit immer schon einmal wieder bedient haben. Umso verlockender, als sie sich die Faschisten gleich auf dreierlei Art zunutze machen könnte: Zum ersten, um die Drecksarbeit zu erledigen, für die die Polizei zu sehr im Licht der Öffentlichkeit stünde, zum zweiten, weil man den faschistischen Mob zugleich noch als Anwort der "anständigen Bürger" medial verdrehen kann und zum dritten, weil die dadurch transportierte Angst vor einem angeblichen Bürgerkrieg zwischen "den Jugendlichen" und "den Bürgern" einen Vorwand zu einem härteren Durchgreifen der Polizei liefert und den Staat als Retter aus der - von ihm selbst geschaffenen - Not legitimiert.

Die kommenden Tage und der Generalstreik werden deshalb von vielen als sehr kritisch angesehen. Wobei sich schon jetzt die Zeichen mehren, dass die großen reformistischen Gewerkschaften den Generalstreik nutzen werden, um der Regierung zu helfen, die Welle der Proteste zu beenden. Eine ursprünglich angesetzte Demonstration durch die Straßen von Athen wurde kurzfristig von den Gewerkschaftsvorständen abgesagt und durch eine statische Kundgebung in der Nähe des Parlamentes ersetzt.

Nachtrag, Donnerstag, 12. Dezember 2008

Aus Protest gegen die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Faschisten fand am Donnerstag eine weitere Demonstration in Patras statt, an der sich mehr als 6.000 Menschen beteiligten. TeilnehmerInnen berichteten, dass den beamteten Schlägern und den ebenfalls wieder anwesenden Faschisten nach einigen Provokationen angesichts der Geschlossenheit und Bestimmtheit der DemonstrantInnen nichts weiter übrig blieb, als sich in die Seitenstraßen zurückzuziehen.

siehe auch www/fau.org
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Ergänzungen

tagesschau.de

---- 12.12.2008 - 18:38
Kommentar

Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, z. Zt. Athen

Die griechische Politik liegt immer noch in Schockstarre. Seit den heftigen Krawallen, die am vergangenen Samstag angefangen und inzwischen bis auf einzelne kleine Brandherde aufgehört haben, hat sich noch keiner der etablierten Politiker dazu geäußert, wie man mit den Appellen, die hinter den Demonstrationen stecken, umzugehen gedenkt. Das überparteiliche Schweigen wirft allerdings ein bezeichnendes Licht auf die Situation im Land und scheint letztlich der Mehrheit derjenigen jungen Menschen Recht zu geben, die – leider auch mit Gewalt - nach Veränderung rufen.

Parteien pflegen den Stillstand

In Griechenland nämlich zeigt sich eine Tendenz, die – mal mehr, mal weniger – auch in anderen europäischen Ländern zu finden ist. Seit Jahren haben sich die beiden großen Parteien – die Konservativen und die Sozialdemokraten – in der Regierung des Landes, die mittlerweile nur noch einer Verwaltung gleicht, eingerichtet und zelebrieren den Status quo. Ja, sie machen den Eindruck, als glaubten sie, die Republik könne ohne sie nicht mehr funktionieren. Und in Athen betreibt man darüber hinaus sogar ungeniert Nepotismus wie unter den Päpsten der Renaissance: Dabei heißt die Dynastie der Nea Dimokratia Karamanlis, die der PASOK Papandreou.

Demonstrationen sind Antwort auf Ignoranz

Die Machtpflege kommt mit großmundigen, aber kaum eingelösten Versprechen daher wie nach den verheerenden Waldbränden im letztjährigen Sommer sowie mit Aufrufen zum gemeinsamen Sparen, während man sich selber gut nährt. Da dies in Griechenland – aber auch anderswo - schon eine ganze Weile so läuft, ist über das Land eine dicke, starre Kruste gewachsen. Gleichzeitig hat man die Anliegen der jungen Generation aus den Augen verloren. Die Jugend ist deshalb zu Recht frustriert. Denn trotz guter Ausbildung bekommen viele junge Griechinnen und Griechen nur Aushilfs- oder Übergangsjobs. Kein Wunder, dass viele von ihnen eine ordentliche Wut auf das Establishment ihres Staates haben. Zumal, wenn Ministerpräsident Karamanlis erst einmal ignorant alle Demonstranten pauschal als Chaoten bezeichnet und Oppositionsführer Papandreou in zynischer Weise die Gewalt dazu benutzt, einen Rücktritt der Regierung und Neuwahlen zu fordern.

Krawalle werden weitergehen

Was Griechenland jetzt dringend braucht, ist eine neue Perspektive. Diese aber ist nicht in Sicht. Weder die beiden großen, noch die drei kleinen Parteien im Parlament können oder wollen zur Zeit diese wichtige Frage angehen. Denn der Strukturkonservatismus im Land, also die Pflege alter Pfründe, ist über die Maßen stark. Und so bleibt ein ideelles Vakuum, da die Perspektiven fehlen, wie man die Zukunft Griechenlands gestalten kann. Mit diesem ideellen Vakuum aber wächst auch ein Machtvakuum. Denn je mehr sich die etablierten Parteien den Appellen nach einem neuen Aufbruch verschließen, desto stärker dürfte ihr ohnehin bröckelnder Rückhalt in der Bevölkerung schwinden. Und damit die Bedrohung neuer und dann größerer Demonstrationen wachsen.

Und noch etwas: Dass es ausgerechnet in Griechenland so schwere Jugenddemonstrationen gibt, dürfte daran liegen, dass dort der Filz besonders groß ist. Es besteht aber durchaus auch die Gefahr, dass es in anderen Ländern zu ähnlichen Vorfällen kommt. Die Solidaritätsproteste in zahlreichen europäischen Städten dürften dafür ein Hinweis sein.

Augenzeugenberichte...

KaoZ 12.12.2008 - 20:08
... Der geschehnisse in Patras gibt es auf
 http://alexisg.blogsport.de/

Positives aus Patras

Exmigrant 13.12.2008 - 17:27
Ich war selber in diesem Jahr in Patras gewesen und die Situation dort war akzeptabel nicht schön aber besser als in Athen, viele "Illegale" aus Afrika werden dort auch aufgefangen, die Leute haben sich um sie "gekümmert" die Kirche hat ihnen teilweise was zu essen gegeben, die Leute sind dort ohne Pass und ohne Möglichkeit weg zu kommen, die Polizei macht ab und mal so schöne "Jagdspiele" ich selber war etwas verwirrt weil ich erst nicht verstand, aber dann ranten auf einmal alle 300 Afrikaner ausm Park....

..nicht schön, vorallem die Leute hatten "Ideale" wie, ich möchte Arbeiten ich möchte nicht im Dreck leben und Drogen verkaufen... das ändert sich dann oft schnell sobald die Leute nach Athen kommen und dort in Kontakt treten mit Drogen, (noch mehr) Hass und Gewalt usw.

Im Grunde ähnliche Probleme wie in Frankreich und überall in Europa, die Leute denken das Gold liegt auf der Straße und strömen nach Europa, dabei scheint hier nicht so oft die Sonne, die meisten Menschen sind nicht sogut drauf und güngstig ist es auch nicht, finds schade das diese Träume noch weiter durch TV und andere Medien angeheizt werden.

Das Schiff Europa befindet sich auf dem absteigenden Ast, Amerika ist ja im grunde schon unter gegangen.

@tagesschau.de

Niemals vergeszen! 13.12.2008 - 23:46
Und hier, was Herr Pick am 8.12. zu berichten hatte (vergleiche meinen Kommentar "Und auch hier" unter dem Feature-Artikel):

Kommentar zu Krawallen in Griechenland
Quittung für falsche Politik

Fassungslos schaut Griechenland auf die Gewalt, die nach dem Tod eines Schülers über die Innenstädte hereingebrochen ist. Dabei haben die Parteien mit fatalen Fehlentscheidungen die Saat für die Krawalle gelegt.

Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Wenn es stimmt, dass die Schäden der Krawalle – wie es heißt – 100 Millionen Euro ausmachen, dann ist das nicht nur eine gehörige Menge Geld, sondern es sollten auch die Hintergründe klar analysiert werden. Diese allerdings sind vielschichtig und nicht ganz widerspruchsfrei.

Da ist erstens die Polizei: Sie ist in Griechenland chronisch schlecht ausgebildet und gilt als ausgesprochen ruppig. Deshalb hat die Athener Politik, um sich Ärger vom Hals zu halten, einen gewissen Kompromiss geschlossen und die Ordnungskräfte seit längerem dazu aufgerufen, sich strikt zurückzuhalten.

Das allerdings war kontraproduktiv. Denn es gibt – und damit kommen wir zum zweiten Punkt - einige Straßenzüge in der Athener Innenstadt, in denen sich seit Jahren Autonome und Anarchisten eingenistet haben und die mehr oder weniger als gesetzesfrei gelten. In diese Gegend, die gewisse Parallelen mit der Hamburger Hafenstraße in früheren Zeiten aufweist, trauen sich Polizisten seit Jahren nicht mehr hinein. "Wenn wir die Autonomen nicht stören", so heißt es aus der Politik ,"so lassen diese auch den Rest der Stadt in Frieden." Ein fauler Kompromiss, wie sich jetzt zeigt, der nicht nur Hunderten von Besitzern jetzt ausgebrannter Läden in Athen und Thessaloniki einen Teil ihrer Existenz gekostet hat, sondern auch die Autorität des Rechtsstaates aushöhlt.
Frust über schlechte Perspektiven

Soweit ist die Angelegenheit noch recht einfach. Doch es kommt als Drittes noch etwas hinzu. Seit längerem nämlich hat sich bei zahlreichen griechischen Jugendlichen Frust angestaut, weil man trotz guter Qualifikation oft nur Aushilfs- und Übergangsjobs finden kann. Entsprechend spricht man bereits von der 700-Euro-Generation.

Frust gibt es aber auch über das Gebaren des Establishments. Denn in den Augen der jungen Menschen sind die beiden großen Parteien Nea Dimokratia und PASOK kaum noch von einander zu unterscheiden und gelten zudem als die Anwälte einer Gesellschaft, deren wichtigster Wert das Geld ist - und da möchte man nicht mitmachen. Eine Situation, die auch bei uns nicht unbekannt ist.
Doppelmoral fördert Gewaltbereitschaft

Gerade der letzte Punkt ist der schwierigste. Denn mit einer Weiter-so-Mentalität, die viele Politiker der Konservativen und Sozialdemokraten in Griechenland, aber auch anderswo pflegen, dürfte dem Frustpotential nicht beizukommen sein. Die Politik muss zwar Gesetzesbrecher und Gewalttäter deutlich in ihre Schranken weisen. Sie sollte aber auch erkennen, dass aus Frust ein Sympathiepotential für Gewalttäter erwächst, welches größer werden kann. Mit einer kruden Mischung aus Wirtschaftsliberalismus, schönen Worten und Aufrufen zum Sparen, während man sich selbst gut nährt, ist dem nicht beizukommen. Im Gegenteil!

* AudioDie Hintergründe der Krawalle [U. Pick, ARD Istanbul].

Stand: 08.12.2008 15:36 Uhr

Und das hatte Herr Pick am 8.12. zu berichten

(@ tagesschau.de) 14.12.2008 - 00:10
Da mein erstes Posting anscheinend nicht angekommen ist, nochmal dasselbe. In diesem Kommentar fordert er die polizeiliche Aufrüstung gegen 'Stadtteile', in denen sich Autonome "eingenistet" hätten - nicht nur von der Wortwahl her an die Nazi-Strategien, die z.B. in Hamburg oder Marseille angewendet wurden, erinnernd (vgl. auch meinen Kommentar dazu unter dem Titel "Und auch hier" unter dem Feature-Artikel).

www.tagesschau.de/ausland/griechenland144.html (von dort zu diesem Kommentar):

Kommentar zu Krawallen in Griechenland
Quittung für falsche Politik

Fassungslos schaut Griechenland auf die Gewalt, die nach dem Tod eines Schülers über die Innenstädte hereingebrochen ist. Dabei haben die Parteien mit fatalen Fehlentscheidungen die Saat für die Krawalle gelegt.

Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Wenn es stimmt, dass die Schäden der Krawalle – wie es heißt – 100 Millionen Euro ausmachen, dann ist das nicht nur eine gehörige Menge Geld, sondern es sollten auch die Hintergründe klar analysiert werden. Diese allerdings sind vielschichtig und nicht ganz widerspruchsfrei.

Da ist erstens die Polizei: Sie ist in Griechenland chronisch schlecht ausgebildet und gilt als ausgesprochen ruppig. Deshalb hat die Athener Politik, um sich Ärger vom Hals zu halten, einen gewissen Kompromiss geschlossen und die Ordnungskräfte seit längerem dazu aufgerufen, sich strikt zurückzuhalten.

Das allerdings war kontraproduktiv. Denn es gibt – und damit kommen wir zum zweiten Punkt - einige Straßenzüge in der Athener Innenstadt, in denen sich seit Jahren Autonome und Anarchisten eingenistet haben und die mehr oder weniger als gesetzesfrei gelten. In diese Gegend, die gewisse Parallelen mit der Hamburger Hafenstraße in früheren Zeiten aufweist, trauen sich Polizisten seit Jahren nicht mehr hinein. "Wenn wir die Autonomen nicht stören", so heißt es aus der Politik ,"so lassen diese auch den Rest der Stadt in Frieden." Ein fauler Kompromiss, wie sich jetzt zeigt, der nicht nur Hunderten von Besitzern jetzt ausgebrannter Läden in Athen und Thessaloniki einen Teil ihrer Existenz gekostet hat, sondern auch die Autorität des Rechtsstaates aushöhlt.
Frust über schlechte Perspektiven

Soweit ist die Angelegenheit noch recht einfach. Doch es kommt als Drittes noch etwas hinzu. Seit längerem nämlich hat sich bei zahlreichen griechischen Jugendlichen Frust angestaut, weil man trotz guter Qualifikation oft nur Aushilfs- und Übergangsjobs finden kann. Entsprechend spricht man bereits von der 700-Euro-Generation.

Frust gibt es aber auch über das Gebaren des Establishments. Denn in den Augen der jungen Menschen sind die beiden großen Parteien Nea Dimokratia und PASOK kaum noch von einander zu unterscheiden und gelten zudem als die Anwälte einer Gesellschaft, deren wichtigster Wert das Geld ist - und da möchte man nicht mitmachen. Eine Situation, die auch bei uns nicht unbekannt ist.
Doppelmoral fördert Gewaltbereitschaft

Gerade der letzte Punkt ist der schwierigste. Denn mit einer Weiter-so-Mentalität, die viele Politiker der Konservativen und Sozialdemokraten in Griechenland, aber auch anderswo pflegen, dürfte dem Frustpotential nicht beizukommen sein. Die Politik muss zwar Gesetzesbrecher und Gewalttäter deutlich in ihre Schranken weisen. Sie sollte aber auch erkennen, dass aus Frust ein Sympathiepotential für Gewalttäter erwächst, welches größer werden kann. Mit einer kruden Mischung aus Wirtschaftsliberalismus, schönen Worten und Aufrufen zum Sparen, während man sich selbst gut nährt, ist dem nicht beizukommen. Im Gegenteil!

* AudioDie Hintergründe der Krawalle [U. Pick, ARD Istanbul].

Stand: 08.12.2008 15:36 Uhr

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