Dessau-Roßlau: Freispruch für Polizisten

Mathilde Fahrenheit 08.12.2008 20:20 Themen: Antirassismus
Fast drei Jahre nachdem Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Sachsen-Anhalt verbrannte, sind die beiden angeklagten Polizisten freigesprochen worden. Ihnen sei keine Mitschuld am Tod des Mannes aus Sierra Leone im Januar 2005 nachzuweisen, urteilte das Landgericht Dessau-Roßlau heute, daraufhin kam es zu Tumulten im Gerichtssaal.
Seltsame Entwicklungen kurz vor Schluss

Zwei Prozesstage wurden ohne Begründung abgesagt, hinter vorgehaltener Hand war von einem bevorstehenden Deal die Rede ( http://de.indymedia.org/2008/12/234869.shtml), das Verfahren wird nach nahezu 60 Verhandlungstagen eingestellt. Dass Prozess, der März 2007, gut zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod bagann, ist nur dem immensen öffentlichen Druck zu verdanken, den Freunde des Opfers und Menschenrechtsgruppen ausübten. In ganz Deutschland gab es Solidaritätsinformationsveranstaltungen um Aufklärung zu schaffen. Kritiker bezweifelten stets die offizielle Polizeiversion, dass sich der 36-Jährige in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 2005 in einer Ausnüchterungszelle selbst verbrannt habe. Pro Asyl spricht von institutionellem Rassismus bei deutschen Ordnungshütern ( http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/%5Cein-makabres-stueck-polizeialltag%5C/).

Tumulte und Proteste vor und im Gerichtssaal

In der Urteilsbegründung nach rund einstündiger Unterbrechung sagte der Richter, das Gesamtgeschehen habe nicht ausreichend erhellt werden können. Zeugenaussagen seien teils widersprüchlich gewesen. Nach der Verkündung des Urteils brach im Gerichtssaal ein Tumult aus. Wütende Zuhörer stürmten auf den Vorsitzenden Richter Manfred Steinhoff zu und beschimpften ihn als Lügner. Die Polizei griff ein und verwies die empörten Menschen aus dem Saal. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Mitglieder einer Initiative zum Gedenken an den Toten und skandierten Rufe wie „Dieses Urteil ist eine Schande“ und „Menschenrechte gelten nichts mehr in Deutschland.“ Richter Steinhoff trat geschützt von Polizisten vor das Gericht, um die Menge zu beruhigen, was ihm jedoch zunächst nicht gelang.

...sich selbst angezündet, obwohl gefesselt

Oury Jalloh starb im Januar 2005 bei einem Brand in der Zelle. Todesursache war laut Gutachtern ein Hitzeschock. Der 23-jährige Mann soll das Feuer selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben, obwohl er gefesselt war. Der Fall sorgte im In- und Ausland für Aufsehen sowie für heftige Kritik von Menschenrechtlern. Der Prozess gegen die beiden Polizisten im Alter von heute 46 und 48 Jahren dauerte 22 Monate. Der Tod Jallohs hatte in Deutschland und auch international für großes Aufsehen gesorgt und Proteste ausgelöst. Der Asylbewerber war am 7. Januar 2005 festgenommen worden, weil sich zwei Frauen von dem alkoholisierten Mann belästigt fühlten. Weil Jalloh sich den Beamten nach deren Angaben widersetzte, wurde er an die Pritsche in der Gewahrsamzelle gefesselt.

Sachverhalt nicht mehr aufklärbar ?

Oberstaatsanwalt Christian Preissner forderte in seinem Plädoyer am Montag für den damaligen Dienstgruppenführer der Polizei eine Geldstrafe von 4800 Euro wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Jalloh könne möglicherweise noch leben, wenn der Beamte richtig auf den Rauchalarm reagiert und einen Feuerlöscher zur Zelle mitgenommen hätte. Für den zweiten Polizisten, der laut der ursprünglichen Anklage bei der Durchsuchung Jallohs ein Feuerzeug übersehen haben soll, forderte Preissner Freispruch aus Mangel an Beweisen. Die Verteidigung plädierte für beide Angeklagten auf Freispruch. Die Nebenkläger kritisierten in ihren Plädoyers die Ermittlungsbehörden scharf. "Es wurde hier so viel vertuscht, soviel verpfuscht, dass sich der Sachverhalt nicht mehr aufklären lässt, obwohl ein Mensch zu Tode kam", sagte Rechtsanwältin Regina Götz, welche die Mutter des Opfers vertritt. In der Urteilsbegründung nach rund einstündiger Unterbrechung sagte der Richter, das Gesamtgeschehen habe nicht ausreichend erhellt werden können. Zeugenaussagen seien teils widersprüchlich gewesen. MDR erstellte ein Feature zu dem Prozess mit einigen O-Tonaufnahmen. ( http://www.mdr.de/nachrichten/5971820.html)

Film erhält Deutschen Menschenrechts-Filmpreis

Erst am 06.12.08 hatte Filmemacher Simon Jaikiriuma Paetau den Deutschen Menschenrechts-Filmpreis bekommen. Er hatte diesen Fall in seinem Film "Oury Jalloh" verarbeitet. Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte wurde er dafür ausgezeichnet ( http://www.zeit.de/news/artikel/2008/12/06/2678791.xml). Im Anschluss dieses Artikels folgt ein Telefoninterview von Radiocorax, das mit einem Mitglied der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh sprach, welches sich gerade vor Ort bei der Gerichtsverhandlung gegen zwei beteiligte Polizisten befand.

Link zum Interview:  http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=25333
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Ergänzungen

Berufung?

Frage 08.12.2008 - 21:01
Ist so etwas wie Berufung möglich? Oder muss man davon ausgehen. daß die Nazis nun wirklich legal gemordet haben und es nun wieder tun dürfen*? War ja nicht das erste mal auf dieser Wache, ein Jahr zuvor wurde ein obdachloser auf dieselbe Weise umgebracht.


* wahrscheinlich sehen die das sogar als Ermunterung an, es wieder zu tun

Oury Jallow's Mörder Freigesprochen

Mensch aus Berlin 08.12.2008 - 21:11
 http://www.welt.de/politik/article2847307/Wutausbruch-nach-Polizistenfreispruch- in-Dessau.html

Knapp vier Jahre nachdem ein Asylbewerber in einer Polizeizelle in Dessau verbrannte, sind die beiden angeklagten Beamten freigesprochen worden. Nach der Verkündung des Urteils brach im Gerichtssaal ein Tumult aus. Wütende Zuhörer gingen auf den Vorsitzenden Richter los.
Tod in der Zelle - Angeklagte Polizisten freigesprochen

Randale im Gerichtsaal: Nach dem Freispruch zweier Polizisten in Dessau entlud sich blanke Wut.

Richter Manfred Steinhoff ließ keinen Zweifel daran, dass der Freispruch lediglich eine Art Notlösung darstelle. "Wir hatten nicht die Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren, auf die Aufklärung des Sachverhaltes“, sagte er in seiner Urteilsverkündung am Landgericht Dessau. "Diese Verhandlung ist gescheitert.“

Steinhoff warf der Dessauer Polizei „Schlamperei“ vor, „erschreckend“ seien die „Falschaussagen der Beamten“, die „dem Land Sachsen Anhalt schaden“ und die dort „nichts mehr zu suchen“ hätten. Der Freispruch sei „einfach nur ein Ende, das formal sein muss“. Und so kam es, dass Richter Steinhoff dann doch noch Applaus von den Mitglieder des deutsch-afrikanischen Vereins bekam, die noch eine Stunde zuvor im Gerichtssaal einen Tumult angezettelt und das Gericht als „Mörderhaus“ beschimpft hatten.

Die Polizeibeamte Andreas S. und Hans-Ulrich M., die der Mitschuld am Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh angeklagt waren, gingen als freie Männer aus dem Dessauer Landgericht. Jalloh war vor knapp vier Jahren an Händen und Füßen gefesselt in einer Zelle des Polizeireviers Dessau verbrannt. Felix Isensee, Anwalt des Bruder des Toten, war erschüttert. „Der Hergang der Ereignisse konnte nicht aufgeklärt werden, die Polizeibeamten haben sich im Zeugenstand in widersprüchliche Aussagen verstrickt und nachweislich gelogen“, sagt Isensee. „Wie kann es dann in einem Rechtsstaat zu einem Freispruch kommen?“

Freispruch aus Mangel an Beweisen

Letztendlich hatte es an Beweisen gemangelt, denn dass auch die Richter in einem Freispruch keine zufriedenstellende Lösung sahen, war in der vergangenen Woche klar geworden. Die abschließenden Plädoyers waren überraschend verschoben worden, weil das Gericht Familie Jalloh in Guinea ein Angebot unterbreitet hatte: Die Zahlung von 5000 Euro, in der Absicht, ein Stück „Rechtsfrieden“ herzustellen. Aus Mangel an Beweisen könne es zu keiner Verurteilung kommen, so die Kammer, also solle die Zahlung Summe mit einer Einstellung des Verfahrens einhergehen. Doch Jallohs Eltern, Rentner in Guineas Hauptstadt Conakry, hatten das Angebot abgelehnt. „Wir wollen kein Geld, sondern, bei allem Respekt vor dem Gericht: ein Urteil“, hatte der Vater Jallohs am Telefon mitgeteilt.

Unbestritten ist, dass der beinahe zweijährige Prozess eine ganze Liste offener Fragen hinterlässt. Klar ist lediglich dies: In den frühen Morgenstunden des 7. Januar 2005 war Jalloh, Asylbewerber aus Sierra Leone, in stark alkoholisierten Zustand festgenommen worden. Zwei Frauen von der Stadtreinigung hatten sich von ihm belästigt gefühlt. Die Beamten brachten ihn aufs Revier, um seine Personalien zu überprüfen. Jalloh widersetzte sich, es kam zu einer Auseinandersetzung. Die Polizisten brachten ihn in eine Gewahrsamszelle in den Keller des Reviers, legten ihn auf eine Schaumstoffmatratze und fixierten ihn an Armen und Beinen mit Fesseln. In der Zelle brach unter ungeklärten Umständen ein Feuer aus. Jalloh starb um kurz nach zwölf Uhr Mittags, die Oberfläche seines Leichnams war zu 100 Prozent verbrannt.

Die Anklage hatte dem früheren Dienstgruppenleiter des Polizeireviers Dessau Andreas S. vorgeworfen, nach Ausbruch des Feuers den Alarm zweimal ignoriert zu haben. Dem Mitangeklagten Hans-Ulrich M. hatte die Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, bei der Durchsuchung Jallohs ein Feuerzeug übersehen zu
Für vier Verhandlungstage war der Prozess ursprünglich angesetzt worden – 60 waren daraus geworden. Brandsachverständige hatten mehrmals versucht, die Geschehnisse nachzustellen. Theoretisch sei es möglich, auch in gefesseltem Zustand ein Feuerzeug aus einer Hosentasche zu fingern, ein Loch in die feuerfeste Hülle der Matratze zu pulen und den Schaumstoff darin anzuzünden, hieß es. Und doch: Man könne die Wirklichkeit nicht nachvollziehen „und wenn wir noch fünfundzwanzig Versuche machen“, musste der Oberstaatsanwalt am Ende eingestehen.

Wie kam das Feuerzeug in die Zelle, mit dem der Brand ausgelöst wurde? Wie zog sich Jalloh einen Nasenbeinbruch zu, der erst bei einer zweiten, von der Nebenklage veranlassten Obduktion entdeckt wurde? Warum erinnerte sich ein Beamter plötzlich drei Jahre nach dem Todestag, dass er an jenem 7. Januar 2005 ein Feuerzeug verloren hatte? Und wieso relativierte Beate H., die Hauptbelastungszeugin im Laufe des Prozesses ihre Aussage immer weiter? Anfangs hatte die Beamtin, die gemeinsam mit Andreas S. an jenem Tag Dienst hatte, folgendes ausgesagt: S. habe die Sprechanlage, durch die er mit Jallohs Zelle verbunden war, mehrmals leise gedreht, weil er sich von seinen Rufen gestört gefühlt habe. Als der Rauchmelder das erste Mal ausschlug, habe S. ihn ausgeschaltet. Ebenso ein zweites Mal. Erst, als auch ein weiterer Rauchmelder aus dem Lüftungsschacht Alarm gab, habe H. gerufen, „Los, geh!“ und S. habe sich in Bewegung gesetzt. In folgenden Aussagen sagte H., sie könne sich an den zweiten Alarm nicht erinnern. Das letzte, was sie von Jalloh über die Sprechanlage hörte, war: „Kommt, macht mich los, Feuer.“

Richter, Staatsanwalt und die Anwälte der Familie sind sich in einem einig: Man könne nicht davon ausgehen, dass sich Jalloh das Leben nehmen wollte. Er sei ein lebenslustiger Mann gewesen. „Wir glauben nicht daran, dass Oury Jalloh seine Matratze anzündete, um auf sich aufmerksam zu machen“, sagt Isensee. „Nachdem, was ihm zuvor passierte, konnte er auf schnelle Hilfe der Polizisten kaum hoffen.“
Die Verteidiger der Polizeibeamten sprachen hingegen von einer „unprofessionellen Emotionalisierung“ der Anklage. Dass den Angeklagten kein Fehlverhalten nachgewiesen werden könne, gestand auch Richter Manfred Steinhoff ein. Aber ebenso machte er klar, dass er den Hauptangeklagten Andreas S. nur notgedrungen freispreche. Und er schloss die Verhandlung mit den Worten: „Ich hoffe, dass mir so etwas nie wieder passiert.“

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Aus Trauer wird Wut, aus Wut wird Widerstand!

Ob Oury Jallow, Carlo Guliani, oder am Samstag Alexandros. Kein Vergeben - Kein Vergessen

Fehler

Johannes 08.12.2008 - 22:01
In dem Text steht, das Opfer sei am 6. Januar verbrannt und am 7. Januar verhaftet worden. Das geht doch nicht. Wie war es denn nun?

weiteres coraxinterview

radiocorax 08.12.2008 - 22:36
Oury Jalloh - er verbrannte in seiner Zelle vor knapp vier Jahren. Heute wurde nun das Urteil für die verantwortlichen Polizisten gesprochen. Endlich Genugtuung für die Hinterbliebenden, möchte man meinen, doch schon andere Fälle, wie der Brechmitteltod eines Flüchtlings in Hamburg, zeigten, dass Beamte einen Behördenbonus bekommen. Auch in Dessau wurden die beiden beteiligten Polizisten freigesprochen. Über die Urteilsverkündung im Fall Oury Jalloh sprach Radio Corax mit Marco von der Mobilen Opferberatung in Dessau.

Ergänzung

Trauriger Alltag 09.12.2008 - 00:39
"Steinhoff warf der Dessauer Polizei „Schlamperei“ vor, „erschreckend“ seien die „Falschaussagen der Beamten“, die „dem Land Sachsen Anhalt schaden“ und die dort „nichts mehr zu suchen“ hätten. Der Freispruch sei „einfach nur ein Ende, das formal sein muss“. Und so kam es, dass Richter Steinhoff dann doch noch Applaus von den Mitglieder des deutsch-afrikanischen Vereins bekam, die noch eine Stunde zuvor im Gerichtssaal einen Tumult angezettelt und das Gericht als „Mörderhaus“ beschimpft hatten."


Wenn Bullen gegen Bullen ermitteln, was soll da bitte herauskommen? Leider gibt es solche Urteile viel zu oft. Alleine in Berlin kam es 2004 zu über 750 Anzeigen wegen Körperverletzung gegen Polizisten im Amt, nur ein Bruchteil davon landeten vor Gericht.

Hoffen wir, dass auch hier irgendwann die Leute aufwachen und sich an Beispiel an Griechenland nehmen!


PS: Die Nazis-Posts bitte löschen!

This is what democrazy looks like!

Luise von der Demo 09.12.2008 - 18:32
Ein solcher Ausgang des Prozesses war zu erwarten und zeigt die Schande, die ganze menschenverachtende und rassistische Situation in dieser Gesellschaft mit ihren alterhaltenen Nazimethoden in Polizei, Justiz und Verwaltung und mit ihren Funktionär_innen ,offen, wie sie ist, und diese Schande, dieser Freispruch, genau so wie der Freispruch des mörderischen Brechmittelarztes vor etwa zwei Wochen in Bremen, welcher den Tod von Laye Konde zu verantworten hatte, kann unseren Widerstand und unser Beharren auf Gerechtigkeit nur anfeuern! Mit diesem Gerichtsurteil werden die Positionen im deutschen rechten "Rechts"-staat verdeutlicht, es ist besser, wenn wir uns keine Illusionen machen und uns desto entschiedener gegen die deutschen Cops und Justizbehörden wenden, doch furchtbar ist das Wissen vom Freispruch von Oury Jallohs Mördern, wenn mensch an dessen Eltern denkt, die jetzt irgendwie damit leben müssen. Der Widerstand gegen diese Mordjustiz wird und muss weitergehen, die Solidarität im kampf gegen Rassismus wird und muss weitergehen!

Kurz einige Worte zur Demo am 8. gegen den Verlauf des Gerichtsprozeßes (noch vor der Urteilsverkündung) in Dessau - wir waren würde ich schätzen etwa achtzig bis hundert Leute auf der Straße : Es war, für meine Ansicht, eine sehr entschiedene und mutige Demo, und ich spreche den ausdauernden und klugen Leuten von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und dem angereisten Bruder von Jalloh, meinen ganzen Respekt aus! Trotz mehrfacher Polizeiprovokation, besonders vor dem Polizeigebäude, haben die Veranstalter_innen und die Teilnehmden ( von The Voice Refugee Forum, Karawane für die Rechte der Migrant_innen, Antifa, Anarchist_innen und andere Unterstützer_innen )sich ihre Wegroute beharrlich erkämpft, es wurde entschieden und dauerhaft gerufen "Der Prozeß ist eine Farce"," Oury Jalloh- das war Mord, Laye Konde, das war Mord, Dominique Kouamadio, das war Mord!" u. a. , während einige der Dessauer Passant_innen rechtslastig pöbelten, schlossen sich andere Dessauer_innen der Demo an, und trotz Blockade der Polizei, die verhindern wollte, dass der Marsch wieder zum Gericht zurückkehrte, um den Ausgang der Verhandlung zu erfahren, wurde dieses dennoch durchgesetzt. Der Verlauf des Protestes an diesem Tag war so: in Erwartung des Gerichtsurteils wurde zunächst vor dem Gerichtsgebäude demonstriert, wo die Initiative und Jallohs Bruder und seine Community eine Kundgebung und anschließende Pressekonferenz gaben, In der Pressekonferenz von Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und von dessen Bruder, wurde noch einmal die kompromißlose Forderung nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung ausgedrückt, es wurde auf den skandalösen Sachverhalt verwiesen, dass der Richter wenige Tage zuvor Jallohs Eltern vorgeschlagen hatte, für Zahlung einer Geldsumme durch das Land den Prozeß beilegen zu lassen, also faktisch: der Versuch, die Aufklärungsforderung der Eltern mit Geld beizulegen und den Protest zugleich mundtot zu machen. Die Eltern hatten das Geldangebot entsetzt zurückgewiesen, wurde der anwesenden Presse berichtet, und es wurde klargestellt, dass die Unterstützer_innen Jallohs nicht käuflich wären. Dann zeigten die Veranstalter_innen der Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude anhand einer mitgebrachten Matratze, wie schwierig ,ja unmöglich das Entflammen durch ein Feuerzeug ist.da sich die Plädoyers im Innern des Gerichts in die Länge zogen, wurde dann um ca. zwei Uhr Nachmittags als Demo-Zug losgegangen, als das Urteil noch nicht bekannt war, zunächst in den Stadtpark zum Denkmal für den von Nazis ermordeten Alberto Adriano, dann zur Innenstadt vorbei am Weihnachtsmarkt und zum Polizeigebäude, von hier ging es spätnachmittags zurück zum Gericht, wo das Urteil verkündet wurde.

Es ist eine Sache, wie deutsche Justizbehörden urteilen, aber eine zweite Sache ist es, wie die Gesellschaft mit solchem Urteil umgeht und da zeigt sich, wie abhängig oder nicht abhängig vom staatlichen Machtapparat manche sind oder sein wollen, beispielsweise die Presseberichterstatter_innen. Da waren plötzlich nicht mehr so starke Töne in Sachen "rückhaltlose Aufklärung!" zu hören. Ziemlich erhellend und shocking ist für mich, zum Beispiel, dass fast keine Zeitung in ihren Berichten zum letzten Prozeßtag die Initiative in Gedenken an Oury-Jalloh oder den Bruder Jallohs, der eigens angereist war, überhaupt zitierte. Hätte es sich um einen deutschen Weißen Angehörigen eines deutschen Weißen Ermordeten gehandelt, hätte die Presse sicherlich ihre Hausaufgaben in Sachen Opferperspektive besser gemacht. Das Neue Deutschland zitiert Jallohs Bruder immerhin mit einem Satz am Schluss des Artikels, die meisten anderen Zeitungen zitieren ihn gar nicht, obwohl er, mit den anderen Jalloh-Unterstützer_innen, vor den Kameras und Mikros gesprochen hatte. Im MDR wird der Protest der Initiative immerhin erwähnt, aber nur von dreißig Demonstrierenden vor dem Gerichtsgebäude gesprochen und es wird gar nicht gesprochen von den rund hundert Leuten, die dann später demonstrierten. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wird nicht mal als solche erwähnt und benannt, sondern deutlich totgeschwiegen, in Mdr spricht mann von "einem Bruder des Toten, und seinen Freunden", auch in der jungen Welt wird die Initiative nicht genannt. Der Artikel aus der jungen Welt zur Sache ist ein Armutszeugnis für sich, denn die jW bringt, außer einem Foto, keinerlei Info zum Protest der Initiative, zitiert wird hier ausschließlich Justiz und Anwaltschaft, nicht Ourys politische Unterstützer_innenseite, da ist der oben gezeigte Bericht aus der "Welt" deutlich besser, weil er wenigstens, durch amnesty, einen kritischen Ton anschlagen läßt. Die junge Welt gibt allerdings jetzt gänzlich der "Fahrlässigkeits"- Theorie nach, so dreht sich der Wind, wenn die Justiz erstmal gesprochen hat.
Die Sueddeutsche hat auf ihre Weise alle Unstimmigkeiten gelöst, indem sie titelnd behauptet "Ein Skandal, aber kein Mord", und damit zeigte das SPD-Blatt, dass es zwischen realen Verhältnissen und justiz-Verhältnissen nicht unterscheiden kann, denn dass kein Mord gegeben ist, wurde ja eben nicht bewiesen, sondern es wurde ganz einfach, nach Worten des Richters, gar nichts bewiesen, und deshalb freigesprochen. Die Journaille aber macht sich dann solchen Freispruch zum Anlass, alles für geklärt darzustellen, und trägt die weiterhin ausbleibende Aufklärung (die fehlende Aufklärung wurde ja von den Anwält_innen der Nebenklage, und selbst vom Richter,zugegeben ) friedlich zu Grabe. Somit redet die sueddeutsche dann hier von "trotziger Verbissenheit" von Menschenrechtsgruppen, und beschuldigt diese sogar, "infam" zu sein, da sie bei ihren Vorwürfen bleiben.

Erfreulich ist, dass wenigstens die Taz den institutionellen Rassismus per Interview mit Pro Asyl zum Thema macht und von den politischen Gruppen berichtet, und auch weiterhin der Mordthese Raum gibt:

 http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/freispruch-fuer-dessauer-polizisten/

Ansonsten zeigt sich: Die Realität und die Presse-Fiktion klaffen dank Justiz-Anpasung wieder auseinander, es ist notwendig, dass wir als tätige Unterstützer_innen Jallohs und der anderen Opfer rechter Gewalt sichtbarer und stärker werden und gegen die fiktive Wirklichkeit der Behörden und der Medien anwirken, und auf die Wirklichkeit verweisen, die sie vernebeln oder wegzulügen versuchen.

All cops are bastards. Shame, shame, shame on them! Fight Racism everywhere!



althergebrachte Feindbildpflege...

... 09.12.2008 - 20:49
...so tragisch wie der Ausgang des fast ewigen Verfahrens ist, kann mensch, wenn er/sie dabei war, nicht behaupten, dass der vorsitzende Richter nicht an einer Wahrheitsfindung interessiert gewesen wäre.

...so bitter wie es für jeden Einzelnen ist, muss mensch sagen, dass dem vorsitzenden Richter die tiefe Verbitterung und Wut auf das Agieren dieser Beamten unmissverständlich anzumerken war. Nicht ohne Grund waren die Ereignisse am späten Nachmittag im Saal wie sie waren: als Steinhoff das Urteil verkündete wollten ein großer Teil der anwesenden Besucher am liebsten die Verfahrensbeteiligten lynchen - lautstarke Proteste im Saal und Stürmen Mehrerer in Richtung Richtertisch (keine Frage, dass diese Emotionalität aus Verzweiflung und Wut vollkommen nachvollziehbar ist...), was die Weiterführung unmöglich machte. Nach mindestens einer halben Stunde beruhigte sich die Situation und der Richter konnte seine Urteilsbegründung kund tun.

Richter Steinhoff hat klar in zahlreichen Aussagen seiner Urteilsbegründung offeriert, wieso nur ein Freispruch in Frage kommt:

'Nicht weil das Gericht auch nur irgendwie herausgefunden habe, was sich an diesem Tag zugetragen hätte. - Ausschließlich weil die Polizeibeamten im Zeugenstand gemauert und gelogen haben und im Zuge der Ermittlungen massive Versäumnisse durch Polizeibeamte zu verzeichnen waren - Im Endeffekt habe für das Gericht nicht die Chance auf ein rechtsstaatliches Verfahren bestanden, weil die Polizeibeamten dies verunmöglicht haben.' Ergo, den Angeklagten die Anklagepunkte nicht nachweisbar sind.

Und abschließende Aussagen von einem Richter in seiner Position: 'diese Beamten (alle die irgendwie involviert waren) haben auf`s Übeltste der Polizei, der Justiz und dem Land Sachsen-Anhalt geschadet. - ... und gehören aus diesem Dienst entfernt.', hat wohl bisher kaum jemand von einem Richter so eindeutig und verzweifelt gehört. Abschließend ist festzustellen, dass die Polizeibeamten mit Korpsgeist ein rechtsstaatliches Verfahren zur Wahrheitsfindung verhindert haben. Wer möge schon in einer Gesellschaft leben, in der eine Verurteilung allein auf Verdacht und mangelnde Beweiskraft fusst.

Und Jene, die zuvor "Tumulte" im Saal verursacht hatten, applaudierten Richter Steinhoff für diese Urteilsbegründung - und niemand, die/der im Saal war, möge sagen, dass sie/er dies nicht getan habe...

Siehe auch Videos unter:  http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/5971820.html

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